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Nr. LLL — LO. Jahrgang T»««abe«d de« L«. September IVLL tünlich ua«m. inn Lu-natzs:« der Sonn- und Frplaze. «»»nab« 1 in« .Die Zeit in Wort nnd Bild' dierteijNkirNch 8,10 In Dresden durch Boten 8,10 In ganz Deutschland kei Haus 8,58 in Oesterreich 4 13 «k-ügabr N ohne illustrierte veilaqe vierteljährlich I.diO tzn Dresden durch Boten 8,10 ^r. In ganz Deutschland frei Haus 8.88 ^lk-, in Oesterreich 4.0? X - Einzel-Kr, IO 4 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht and Freiheit Inserat« werden die Sgespaltene Belitzeile oder deren Rann- «it 15 4, Nellauien mit 50 <l die Zeile berechnet, bei Wtederhoir. >zen entsprechenden Rabatt. Vuchdruikrret, Redaktion »ud tSrschästSsteUe! LrrSdea, Pilluttzer Etrahe 45. — Fernsprecher I5tNs AürR tiekgabennverlangt.Tchrtftstüire keine PerbindlichteN RedaktionS Sprechstunde: II btS 18 Uhr. ! 8 > !- Das Trugbild der „Sozialen Revolution-. Die Schwelle zum sozialdemokratischen Zukunfts- staat ist die soziale Revolution, zu der bei geeig neter Gelegenheit die Massen sich erheben bezw. von ihren Führern aufgernfen werden: das ist die Antwort des obersten sozialdemokratischen Parteigelehrten Kautsky auf die Frage nach dem Eintritt dieses Glücksstoates. Und wie es dann am „Tage nach der sozialen Revolution" her gehen wird, wie die Dinge sich dann gestalten werden, das schildert derselbe Kautsky in einer gleichnamigen Schrift, die vor kurzem in neuer Auflage erschienen, und in der er in die reine Utopisterei verfällt. Eine scharfe Kritik an diesem Kautskysckjcu Zukunftsgemälde liefert in der letzten Nummer (18/20) der „Sozialisiiseljen Monatshefte" der Revisionist Dr. Ludwig Ouessel. Mit einer an Sarkas mus grenzenden feinen Ironie unterwirft er Kautskys Phantastereien einer eingehenden Untersuchung, im Ver laufe deren von ihnen kaum etwas Greifbares mehr übrig bleibt. Ein „Trugbild" nennt ec Kautslys Schilde rungen, die nur dazu dienen könnten, die Massen einzu schläfern, sie der Energie zu berauben, und die sich so als ein Hemmnis jedes Fortschrittes derselben erweisen. Daß auch am Tage nach der sozialen Revolution in der sozialdemokratischen Kücl>e gar sehr mit Wasser ge kocht wird, das leuchtet zunächst aus Kautslys Schilde rungen selbst heraus. Er klagt, so ironisiert ihn Ouessel, daß man auch „am Tage nach der sozialen Revolution" vom Konfiszieren allein nicht wird leben können, sondern man werde auch produzieren, d. h. arbeiten müssen. Und was die freiwillige Arbeitsleistung im Dienste der Gemeinschaft betrifft, so drücken K. Kautsky hier allerlei Sorgen. Daß nämlich „am Tage nach der sozialen Revolution" die sieg reichen Proletarier sofort wieder an ihre Arbeitsstellen eilen werden, scheint ihm keine ganz sichere Sache zu sein. Der einzige Ausweg aus den vielen Schwierigkeiten scheint ihm der, „die Arbeit, die heute eine Last ist, zu einer Lust zu machen". Kaum hat K. Kautsky aber diesen Ausweg ent deckt, so übermannt ihn schon wieder der revisionistische Zweifel. „ES wird kaum gelingen," bemerkt er sorgenvoll, , die Arbeit in Fabrik und Bergwerk bald zu einer sehr an ziehenden zu machen." Also ist es auch mtt der Anziehungs kraft der Arbeit nichts. In dieser höchsten Not kommt Kautsky ein leuchtender Gedanke. Die Arbeit wird, genau wie im heutigen kapitalistischen Staate, mit Geld bezahlt. Und um eine Regulierung zu dem ungleichen Zudrange zu leichter und schwerer Arbeit zu führen, wicd dort, wo sich zuviel Arbeiter melden, der Lohn herabgesetzt dagegen in jenen Industriezweigen, wo es an Arbeitern mangelt, der Lohn erhöht, bis man es erreicht, daß jeder Zweig so viele Arbeiter hat. wie er braucht. Also auch Lohnred uk tionen nach der sozialen Revolution. Allerdings sind dann, wie Kautsky weiter glauben machen will, die Arbeitslöhne doppelt so hoch, die Arbeits zeit ist halb so lang. Das wird nach ihm erreicht durch eine Erhöhung der Produktivität der Arbeit, nnd zwar ans dem Wtzge. daß man die Gesamtproduktion auf die vollkom mensten Betriebe konzentriert, nach dem Beispiele der Trusts. Da kommen aber gleich ..Genosse" Ouesfels „ketze rische Gedanken". Zunächst wundert er sich darüber, daß jene fabelhafte Steigerung der Produktivität der Arbeit durch die Trusts, die K. Kautsky schildert, selbst von den enragiertesten Verteidigern dieser ökonomischen Gebilde nicht bemerkt worden sci. Er verweist auf die hohen Ver waltungskosten dieser Riesenbetriebe, die den Vorteil besserer technischen Ausrüstung wieder aufhöben und dar auf, daß d'e besten Kenner der Trusts in Amerika sogar der Meinung seien, daß recht viele von ihnen unter der Kon kurrenz der technisch angeblich so rückständigen europäischen Groß- und Mittelbetriebe elend zusammenbrechen würden, wenn die Vereinigten Staaten ihre enorm hohen Schutz zölle beseitigten, nnd zwar aus dem Grunde, weil die Pro- l dnktionskosien 'w. europäischen Mittel- und Großbetriebe sich lvesentlich niedrige'- feilten ccks in den Riesenbetrieben j der amerikanischen Trusts. So stelle sich z. B. in den Ver einigten St.ialki, der Schiffsbau um wenigstens 33i/a Pro zent tenrer als m Deutschland oder England. Also mit den höheren Löhnen am „Tage nach der sozialen Revolution" ist es nach „Genossen" Ouestel eine mehr nie n c i felha ste Sache. Achnlich rnoen die Nerbällnisse :n bezug auf das nach der Richtung der Wärme nnd des Lichtes angenehmere Wohnen nnd erst recht des Sattesse ns, das Kautsky für den „Tag i ach der soziale,: Revo-anon" voraussagt. Ouessel bemerkt zu diesen Vr,. phezeiungu-: Da heute selbst in den Familien des nur wen Mittelstandes die Milch- und Butter- k o n s u m t i o n noch wen hinter deni Bedarfe zurückbleibe, io müßte - am „Tage nach der sozialen Revolution" — die Zahl der Milchkühe für einen genügenden Konsum an nähernd verdreifacht werden. Daß man, so spottet er, hierbei mit der Methode der Trusts, ans die K. Kautsky alle seine Hoffnungen setze, nichts wird ansrichten können, wird wohl auch den Sozialrevolutionären begreiflich sein. Auch auf das Ausland tonnten wir uns nicht verlassen, denn für den Bezug von Milch können unsere Nachbar länder nicht in Frage kommen, da diese davon auch keinen Ueberfluß aufzuweisen hätten-, das russische Reich aber, das heute als Butterlieferant für uns in erster Linie in Betracht kommt, würde uns — am „Tage nach der sozialen Revolution" — die ja nicht auf Deutschland be schränkt bleiben könne, auch nicht ein Pfund Butter ab geben können, weil seine Bulterproduktion von dem Mo ment an, wo der russische Bauer und Arbeiter auch nur ein halbes Pfund wöchentlich von diesem Nahrungsmittel ge nieße, für den eigenen Bedarf bei weitem nicht ausreicht Die Verdreifachung, ja selbst nur die Verdoppelung der hei mischen Milch- und Bnt1"i-produk1ion im Verhältnis znr Bcvölkerungszahl sei her? noch ein ungelöstes Problem. Dis jahrzehntelangen schnüren Kämpfe der sozialen Revo lution aber würden den d- lickenden Mangel an Milch und Butter nur noch verschärfen, ohne irgendwie die Grundlagen für eine spistere Steigerung der Produktion schaffen zu können. Ebenfowenig wie der Milch- und Buttermangel ver möge aber, so schließt Ouessel seine Untersuchungen, die soziale Revolution den F t e i s .h in a n g e l zu beseitigen. Wer die Schwierigkei! m uner wesentlichen Verinehrnno des Futters auf dem Acker nur einigermaßen zu würdigen wisse, der werde die Annahme, daß es am „Tage nach der sozialen Revolution" gelingen würde, das auf den Kopf der Bevölkerung entfallende Quantum Rindfleisch erheblich zu erhöhen, in das Reich der Fabel verweisen. Auch die Hoffnung der Sozialrevolutionäre auf die Uner- schöpflichkeit der amerikanischen und australischen Fleisch- Produktion sei durchaus trügerisch. Der Zeitpunkt sei angesichts des rapiden Wachstums der amerikanischen und australischen Bevölkerung nicht mehr fern, wo di« Fleischversorgung Europas ganz auf sich angewiesen sein werde. Eine Verdreifachung der Rinder und eine Ver doppelung der Schweinezucht könne jedenfalls nur durch er hebliche, Jahrzehnte in Anspruch nehmende Anstrengungen erzielt werden. So wird von einem „Genossen" selbst das „Trug- gebilde der sozialen Revolution" unbarmherzig und gründ- lichst zerzaust. Nicht durch die soziale Revolution, sondern durch soziale Reformen kann die Lebenslage der Massen ge hoben werden, betont Ouessel. Den radikalen „Genossen ' ist aber die erste re wichtiger wie die letztere, wiederum ein Beweis für die „wahre Volksfreundlichkeit" der Sozialdemokratie! Politische Rundschau Dresden, den IS. Sep.ember ISII. — Der preußische Justizminister Beseler feiert am 22. September seinen 70. Geburtstag. — Ein neuer BefestignngSplan für die Nordseeinseln Borkum und Norderney wurde fertiggestellt. Im kommenden Reichsctat werden die ersten Mittel für die Befestigungs anlagen gefordert werden. Es sollen auch giößere Kriegs- schiffstationen auf beiden Inseln errichtet werdcn. — Die Frage der Einfuhr gefrorenen Fleisches. Dis deutsche Regierung hat, Blättermeldnngen zufolge, den Bundcsrat um Auskunft ersucht, über die Erfahrungen, die die Schweiz bisher mit der Einfuhr von gefrorenem, über seeischem, insbesondere argentinischem Fleische gemacht bock. Der Bunderrat wird der deutschen Regierung demnächst seine Antwort übermitteln. - Zum Fall Cartwright. Der englische Botschafter in Wien hat öffentlich eingestanden, daß er den: Interview in der „Neuen Freien Presse" nahe stehe. Da kommt dis „Nordd. Allst. Ztg." mit folgenden hochoffiziösen Zeilen: „Die Kaiserliche Negierung hat auf Anfrage von der Königlich großbritannischen Regierung die Mitteilung er, halten, daß der englische Botschafter in Wien weder den be kannten Artikel der „Neuen Freien Presse" inspiriert, noch die ihm von dem Verfasser des Artikels zngcfchriebenerr Aeußernngen getan hat. Damit ist der Zwischenfall für dis Kaiserliche Negierung in befriedigender Weise erledigt." Dieser Widerspruch zwischen dem Geständnis des Bot schafters und der Mitteilung der englischen Regierung ist seltsam. Inzwischen nimmt auch Dr. Siegmund M ünz, der den Botschafter in Marienbad interviewt hatte, in der „Neuen Freien Presse" gegen die von uns gestern gebrachte Mitteilung des Botschafters im Wiener „Vaterland" Stellung. Münz bleibt dabei, daß Sir Fair- far Cartwright die ihm zugeschriebenen Aeußernngen iu Marienbad wirklich dem vollen Inhalt nach ge tan hat. Durch den Brief, den er an Cartwnght schrieb, wollte er bloß lagen, wie unangenehm ihm die Preßpolemik sei. die sich an die Veröffentlichung des Interviews knüpfte. In dem Briefe sei weiter nichts enthalte», was die Be- u ! ! Sächsische Schulzeilung und „die in Mainz vom Fanatismus gepeitschte Menge-. <T!ebe Sächs, Vollsgituag N.. 2?4.) II. Universitätsprofessor Dr. Albert v. Rnville aus Halle »mir also Festredner auf der großen Versammlung der Leh rer und Lehrerinnen in Mainz, v. Rnville ist anerkannter Fachmann ans historischttvissenschaftlichem Gebiete, ange sehen auch im protestantischen Lager, nicht zuletzt durch sein Werk „Bayern und die Wiederanfrichtnng des Deut schen Reiches". Wenn man jetzt nach seiner Konversion im protestantischen Blätterwalde hört, „über den Historiker Ruville können wir die Akten schließen", so klingt das eben so unlogisch, als wenn frische Apostaten, — die Bischof Faulhaber treffend als Fallobst charakterisierte —, selbst wenn sie die größten Schnitzer produzieren, als Aufgeklärte und Gelekrte gefeiert werden. Es gibt eben auch eine trau rige Berühmtheit! Von Rnville darf man sagen, er bleibt nach wie vor ein gründlicher Gelehrter und tiefgehender Forscher, und das jetzt um so mehr, weil er durch freie, ernste Forschung seinen Gesichtskreis erweitert hat und die fruchtbaren Gefilde der allgemeinen Kirche sich ihm auf taten. Nunmehr ans dem künstlich konstruierten Sünden register, das Herr M. H. dem Festredner aufbürden möchte, einige Pröbchen „Jede ersprießliche Tätigkeit des wissenscl-aftlichen Alttors sei ohne übernatürliche Hilfe unmöglich." Dieser Satz ist nicht unkatholisch, aber auch ebenso wenig nnchrist- lich, wie unbiblisch. „Die Kraft des Gelehrten zum For schen stamme von Gott." Herr M. H., von wem denn sonst? Doch nicht etwa vom Widersacher Gottes? „Das Gebet sei ein vorzügliches Mittel, dem wissenschaftlichen Forscher die Angen zu öffnen." Dieses Zitat klingt im Zusammenhänge der Ideen ganz anders. Tc>r Festredner sprach über das Gebet viel geistreicher und prägnanter, weil er sich auf diesem Gebiete viel sicherer und heimifcher sühlt als jeglicher Spötter. ,Jm Geschichtsunterrichte dürfe man bei aller Objektivität nicht die Achtung und Ebrfurcht vor der Kirche vergessen." Der Tatsächlichkeit wegen möchten folgende von Rnville wirklich gesprochenen Worte angeführt werden: „Weiter muß sich der Lehrer eine solche Achtung und Ehrfurcht vor der Kirche »nd ihren Diener» wahren, daß er nicht in Gefahr kommt, Aeußerun- gen über sie fallen zu lassen oder Behauptungen aufzu stellen, die ihrer Würde nicht entsprechen und nicht klar bewiesen sind. Der strengeren Wahrbeit würde nnr daun gedient, das heißt es würde nur dann ein richtiges Ur teil über die besprochenen Einrichtungen und Personen er zeugt, wenn neben den schlimmen auch die dcn wahren Ver hältnissen entsprechende Zahl von guten, lobenswerten Taten genannt würden." Und dies um so mehr, da. wie er weiter oben sagt „in eutbolici-li jeder religionslose Dok- lorand mit souveräner Sicherheit urteilt". „Geschichtliche Vorträge, die der Würde der Kirche schade», würden den Kindern am besten verschwiegen. Denn rücksichtsloses Ver schweigen sei besser als rücksichtsloses Ungreife»." Durch dieses letzte falsche Zitat beweist Herr M. H. seine gänzliche historische Unzuverlässigkeit, da die Worte des Festredners verdreht und ihr Sinn entstellt ist. Tatsächlich sagte Nu- ville: „Anders liegt die Sache natürlich, wenn die zu er klärenden Tatsachen große historische Bedeutung haben. Da ist kein rücksichtsvolles Verschweigen am Platze, aber ebenso wenig ein rücksichtsloses An klage n." Mit welcher Unparteilichkeit Herr M. H. weiter ope riert, ergibt sich ans Folgendem: „Als Krone des Fort schrittes ist in Mainz, einen Tag, nachdem sich in Jena di« „glaubensfeindlichen Elemente zusammengetan hatten, dis „Organisation der Katholiken Deutschland? zur Verteidi gung der christlichen Schule nnd Erziehung" gegründet worden. Vorsitzender wurde der aus der bäurischen Bi- schofsafsäre nicht berühmt gewordene Pfarrer Srahlee. Diese neue Organisation sind: der Klerus und was sich sonst noch von dein „gläubigen katholischen Volk" als Masse, als Zahl, als Rcsonnanz finden sollte." Herr M. H., Sie sind beneidenswert schon wegen Ihrer Angen und Obren, mit denen Sie sehen und höre», was weder geschehen noch' gesprochen worden ist. Tatsache ist. daß auf grnnd eines Beschlusses der Generalversammlung zu Augsburg boin Jahre >010 also nicht einen Tag nach, mildern reichlich! 330 Tage vor Jena das Zentralkomitee der Katholiken- versammlunge» eine Kommission eingesetzt bat für die Vor bereitung einer Organisation der Katholiken Deutschlands zur Verteidigung der christlichen Schule und Erziehung. Diese Kommission besteht ans den Herren Rektor Brück, Oberlandesgerichtsrai Marr und Reichstagsavgeordneteil Pichler: einen Pfarrer StN^r hat der Gewährsmann der „Sächs. Schnlzeitg." ebensoMiebenswürdig wie autokratischj selbst ernannt. Und nun stürzt sich Herr M. H. auf den Oberlandes gerichtsrat Marx, aber nur von weiten, denn ein offen-ehr licher Kampf setzt Mut voraus. Nach M. H. soll Marx dem Bunde für Reform des Religionsunterrichtes in Jena als Programm unterschoben haben: Abschaffung des Reli gionsunterrichts und Förderung des Unglaubens. Herr Marx aber sagt in Wirklichkeit: „Die zwei ersten Forderun gen des V. f. N. sind: 1. Der Lehrer darf unter keinem dogmatischen Zwange leiden, und 2. Die Schule muß vom Katechismukuntcrrichtc befreit werde»." Weiter wird