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Sächsische Volkszeitung
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192508057
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250805
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250805
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-08
- Tag 1925-08-05
-
Monat
1925-08
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung
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Mittwoch, den b. August 192S Nr. 178. Seite » Tagesneuigkeiten Tourislenunglükk im Kaisergebirge Innsbruck. 4 August. Am Sonntagnachmittag gerieten am Totenkirchl im Knisergebirge acht deutsche Tou risten in einen Schnecsturm. Bier wnrden gerettet. Vier Münchner namens Fenk, Schlapper, Boga und Drei her ivurden tot geborgen. — Von der Fleischbach spitze ist der Bergführer Fichtl ab gestürzt. Er erlitt ebenfalls den Too. Schwere UnweUerschä-en in -er Tschechoslowakei Prag, 4. August. Aus verschiedenen Gegenden der Republik werden in Verbindung mit dem Wettersturm nach haltige Regengüsse, Sturm, Hochwasser usw. gemeldet. Unter anderem ist im Trentschiner Komitnt der Kischützfluß über die User getreten, und zwar infolge des seit drei Tagen unausgesetzt andauernden Regens. Leben und Eigen tum der Bewohner des Kischtttzer-Tales sind bedroht. Ans der Strecke Sillein—Oderbcrg wurde bei Tschadza durch das Hochwasser die Eisenbahnbrticke weggerissen. Der Ver kehr ist unterbrochen. Boatöiittgliick. Auf dem Züricher Sec schtug wahrend eines Plötzlich ausbrcchcnden Sturmes ein Segel boot um. Sämtliche vier Insassen ertranken. Woikondruch am Schwarzen Meer Nl'Nwrossijk, 4. August. Ein schwerer Wolkenbruch an den Gestaden des Schwarzen Meeres verursachte Schaden in Höhe von etwa Ui Millionen Mark. Fünf Personen kamen in den Fluten um. Grosser Dran- in Osioreufjen In dem durch seinen prächtigen Dom weit über Ost preußen bekannten Städtchen Frauenburg am Frischen Hass brach in einem am Markt gelegenen Stalle eines SchnhmachermeisterS Feuer aus, das sich, begünstigt durch starken Wind, mit großer Schnelligkeit ausbreitete. Ehe die von der dem entfesselten Element machtlos gegenüberstehen- den Francnbnrger Feuerwehr zur Hilfe herbeigerufeue Mo torspritze ans Nrannsberg entraf, standen 40 Ställe nno zwei große Wohnhäuser mit ihrem gesamten Inhalt ln Flammen. Erst als auch die aus Mühlhausen erbetene Motorspritze in Aktion trat, gelang es, das Feuer einzu- kreisen und unter Hilfeleistung fast der ganzen Einwohner schaft Frnuenburgs zu löschen. Der Schaden, der zirka 400 000 Mark beträgt, ist nur zum Teil durch Versilberung gedeckt. Eine Hil'snktion für die Abgebrannten und Obdach losen ist in d-" W'ge geleitet. .rüntinisvoile AuiosahrSen Nach Biättermeldungen aus Stettin fuhr ein Automobil aus der Chaussee zwischen Hansselde und Schvneberg gegen einen Baum. Die vier Insassen wurden hcrausgeschleudert. Ein jun ger Mann namens Schulze aus Stargard war sofort tot, ivährend der Buchhalter Bethke und ein dritter Insasse namens Köhler schwer verletzt ivurden. Der Letztere starb bald nach seiner Ein lieferung ins Stargarder Krankenhaus. Auch an dem Auskom men Bcthkes wird gezweifelt. Der vierte Insasse wurde nur leicht verletzt. Bruchhauscn (Amt Erlingen), 4. August. Auf der Fahrt von Frankfurt »ach Konstanz Überschlag sich das Auto der beiden Automobilhändler Knödler und Pfister aus Frankfurt a. M. bei dem Versuche, einen Motorradfahrer zu überholen. Hierbei drang Knödler, der das Auto lenkte, das Steuerrad in den Brustkorb. Er starb kurz nach seiner Einlieferung in das Karlsruher Kran kenhaus. Der Motorfahrcr, ein 00 Jahre alter, in Risthiur w. h- nender Schneidermeister Frey, stürzte vom Motorrad und erlitt schioere Verletzungen. Der zweite Insasse des Autos kam mit leichteren Verletzungen davon. Aus Nom wird gemeldet: Bei Bologna ist ein mit meh reren Personen besetztes Lastauto, dessen Steuerung gebrochen war, van der Straße in de» nahe vorbeisließenden Fluß gestürzt. Zwei Personen sind ertrunken und 16 verletzt. Mit W-Kilonieter-Gesclpvinbigkeit in den Tod. Der Indu strielle Ianota aus Troppau sTschechosloivaket) fuhr auf der Straße bei Celakowicz mit seinem Auto das rasende Tempo von 90 Kilometern in der Stunde. Dabei slog der Kraftwagen in einen Graben und unter ihm blieb der Chauffeur Josef Premus Ein Lebensbild von August Butsch er. < l. Fortsetzung.) Zuweilen nahm er eine Fechterstellung ein, oder er hob einen schweren Eichensthl an einem Fuße in die Höhe, oder aber er schlug mit seinem dürren Fuße die Pelzkappe des Bauern von der Ofcnstange und viel dabei wie ein Sack voll Knochen auf die Diele. Hätte der gute Fadensepp mehr Verstand besessen, so hätte man für diesen fürchten müssen, so aber gaben wir uns weiter keine Mühe damit. Er redet nicht viel, aber gerade die Leute, die am wenigsten reden, sind rasch in ihren Taten. Vorerst blieb es freilich noch beim alten. Unverhofft kommt oft. So ging es auch bei mir. — Ein alter Freund meines seligen Vaters, der dein Waisen haus in Weingarten Vorstand, setzte es durch, daß ich als Aspi rant für den Lehrerberuf dort ausgenommen wurde und so gleichsam mit beiden Füßen vom „biederen Landmann" zum Studentchen avancierte. Das war alles hinter meinem Rücken geschehen, meiner Mutter erschien dieser Ausweg geradezu als eine Himmelsleiter für den armen Jakob, — ich aber hatte mich einfach der vollendeten Tatsache zu fügen. Zwischen Lachen und Weinen schwankend, ergab ich mich oarein und zog eines schönen Tages In Begleitung meiner Mut ter und des Fadensepp bei den grau gekleideten Buben ein, die Ich einst so sehr bemitleidet hatte. In der Schneiderstube mußte ich meinen Anzug abgcben und wurde In eine graue Uniform gesteckt, die ich »och ein Jahr tragen sollte. Zum ersten Male fühlte Ich, daß ich ein Waisen knabe war, ein Verlassener, der öffentlichen Fürsorge Ueberant- worteter. Es schnürte mir die Kehle zusammen, als der alte Schneider mit der Brille und -er großen Schnupftabakdose mich einkleidete, und als ich so umgewandelt wieder zu den anderen trat, da weinten wir zusammen wie die Kinder. Der Fadensepp heulte so laut, daß die Waisenbuben zusammenliefen und uns anstarrten oder auslachten. „O bi grundgtttigcr Himmel!" heulte mein alter Kamerad, „so haben sie Dich hergerichtetk Jetzt bist Du der graue Jakob in Deinen jungen Tagen, da möchte man gerade aus der Haut fahren!" „Bringst Du das fertig", bemerkte ein vorwitziger Waijenbnbe, „so kannst Du Dich auf den Jahrmärkten damit sehen lassen und Verdienst ein schweres Geld." Eine fürchterliche Ohrfeige von seiten des Verhöhn ten war der Lohn seiner Naseweishcit, und die Knaben flogen wie Spreu auseinander. Ich weinte mich fast zu Tode, als die Mutter und der Fadenscpp geschieden waren; ich glaubte, daß Herz müßte mir brechen. Der gute Bursche hatte mir noch »inen Scchsbätzner gegeben, den letzten, den er hatte; also tine Gabe, so verdienstlich wie der Scherf der Witwe im Gegen das Zentrum! Aus parlamentarischen Kreisen wird uns aus dem Reichs tag geschrieben: Wie immer in Zeiten großer Entscheidungen, so ist auch jetzt wieder ein großer Sturmlaus gegen das Zentrum in vol lem Gange. Es ist ein Kreuzfeuer, unter welches das Zentrum von sozialdemokratischer wie demokratischer Seite genommen wird. Es vergeht ein Tag. ohne daß das Zentrum oder einzelne Teile oder einzelne Abgeordnete den Angriffen ausgesetzt werden und daß man nach freilich sehr alten aber nichtsdestoweniger niemals bewährten Mustern Zwietracht in die Reihen der Par tei zu säen versucht. Ganz besonders beliebt ist bei der demokra tischen Presse das Ausspielen von führenden Persönlichkeiten gegeneinander. Neuerdings ist nun dazu gekommen die freilich ganz willkürliche Konstruktion von Gegensätzlichkeiten zwischen den Vertrtern bestimmter Eriverbsgruppen innerhalb der Par tei, und ganz besonders ist es in dieser Frage die Sozialdemo- kratie, die die Zentrumsarbeiterschaft gegen die Führer der Par tei auspeitschen will. Wie vor kurzem die sozialdemokratische Presse mit dem merkwürdigen Aufruf an die katholischen Ar beiter hervorgetreten ist, so kommt jetzt in merkwürdiger Har monie zu gleicher Zeit bei der demokratischen wie bei der sozial demokratischen Presse das Wort van einen» „Vorstoß der Zentrumsarbeiter" auf. Die Tatsache, daß von Vertre tern der christlichen Gewerkschaften die gegenwärtigen Schwie rigkeiten wirtschaftlicher Natur in einem Schreiben niedcrgelegt sind und daß von dieser Seite zur Senkung der Preise der Vor schlag der weiteren Herabsetzung der Umsatzsteuer gemacht wird, muh dazu herhalten, um angeblich eine schwerwiegende Diffe renz zwischen den Vertretern der Arbeiterschaft und der Partei zu konstruieren Davon kann gar keine Rede sein. Es ist selbstverständlich, daß innerhalb der Zentrumspartci die gegenwärtigen wirtschaft lichen Schwierigkeiten dm all den sehr ernsten und schiverwie genden Fragen der Gcgemvart ausgiebig behandelt und gewür digt worden sind, und daß gerade die Frage, ob nicht die Um satzsteuer im speziellen sür Lebensmittel und für Gegen stände des täglichen Bedarfs ermäßigt werden soll, hat bei den Beratungen der Zentrumsfraktion schon immer und gerade auf die Anregungen der Vertreter der christlichen Gewerkschaften hin eine ausschlaggebende Nolle gespielt. Die Mitarbeit, die die christlichen Gewerkschaften dabei in der Lieferung von einwand freiem Material geleistet haben, ist von der Partei stets mit der größten Genugtuung empfunden und in höchstem Maße aner kannt wor-den. Die B e st r e b u n g e n zu einer Herab setzung der Umsatzsteuer gehen ja schon von Anfang an auf das Zentrum zurück und Zentruinsvertreter sind cs gewesen, die immer und immer wieder bei der Neichsregierung in diesem Sinne vorstellig geworden sind. Das Zentrum hat auch den Versuch gemacht, gerade die wichtigsten Gegenstände des Existcnzbedarfs von der Umsatzsteuer frcizuhnltcn, aber es hat sich als technisch unmöglich erwiesen, beispielsweise das Getreide aus diesem Nahmen Herauszunehmen, uni etwa das Brot zu verbilligen, denn mit Getreide werden ja auch andere Dinge, wie Konditorwaren und dergleichen gefertigt, und es gibt schließlich andererseits noch wichtigere Dinge, die dann hätten befreit wer den müssen. Man wäre dann — man denke nur an die Schwie rigkeiten, die sich aus der Differenzierung zwischen Fisch und Fleisch ergeben würden — in steuerliche Unmöglichkeiten hin eingekommen, die letzten Endes doch nur wieder den Verbrau chern Schaden zugefügt hätten. Der richtigste Weg ist deshalb die allgemeine Senkung der Umsatzsteuer, um auf b est Weise einen Druck aus das Preisniveau auszuübe». Das Be streben des Zentrums geht deshalb darauf hin. die Ums-aßsieuer in absehbarer Zeit v o n 1 P r o z c n t e t w a b i s a u f K- P»' o- zent herabzudrücken. Die Versuche aber, Zwietracht und Uneinigkeit in die Rei hen des Zentrums zu bringen, werden an dem festen Sinn unse rer Anhängerschaft und insbesondere der durch ihre gesunde realpolttische Auffassung ausgezeichneten Arbeiterschaft ebenst scheitern, wie das bei allen früheren derartige» Spreugungsver- suchen der Fall war. Wir sollten uns nun doch auch nicht immer wieder durch solche Machenschaften der Gegner verblüffen lassen. Wir sind nun einmal als Zentrum auch das Zentrum oer geg nerischen Angriffe, weil das Schicksal die Zentrumspartei auf einen Posten gestellt hat, der ihm ohne weiteres die Nolle des Ausgleichs zwischen den Extremen zuweist. Was nun im besonderen die gegenwärtige Lage anlanat, so können wir nur wiederholt auf das bestimmteste feststeilen, daß die Vertreter aller Stände und Gruppen in den Aus schüssen wie in der Fraktion in einer geradezu Vorbild- fichen harmonischen Weise miteinander ge wirkt haben, daß insbesondere niemals eine Gegnerschaft 'wi schen der Zentrumsarbeiterschast und der Fraktion oder einem Teil von ihr bestanden haben und daß alle Entschließungen der letzten Tage in vollem Einvernehmen mit diesen Vertretern ge troffen worden sind. Daß eine furchtbar schwere Last an Ver antwortung gerade bei den jetzigen Entscheidungen zu tragen war und noch zu tragen sein wird, dessen sind sich alle Beteiligten voll bewußt. Aber die Zentrumswählerschast im gan-en Lande in all ihren Teilen darf überzeugt sein, daß durch die Zentrums- partei die Interessen der Gesamtheit des Volkes bei all ihrem Tun und Lassen und bei den letzten schweren Entschcidnnnen mal mit stärkstem Nachdruck gewahrt worden sind. Das Zen trum hat getreu seinen Traditionen in ehrlicher und sackOcker Arbeit mitgewirkt, um dem Reiche zu geben, was des Reiches ist und um unter Wahrung der bcrechtiaten Interessen aller Schichten des Volkes mit beizutragcn zum Wiederaufbau unserer Wirtschaft und damit zur Sicherung der Existenz aller Staats bürger, mit zertrümmertem Schädel liegen. Ianota selbst wurde leicht verletzt, seine Gattin erlitt einen Nervenchock . Wie ans London gemeldet wird, haben sich mit Beginn der Ferien infolge der Zunahme des Autoverkehrs auch die Iln- glücksfälle bedeutend erhöht. In den letzten 24 Stunden wurde elf Unglücke gemeldet. 14. bis 21. August üss. Is. in Innsbruck. Das M inisteriu m für Volksbildung teilt mit, daß den Mitgliedern des Ver bandes, soweit für ihre Vertretung in der Schule gesorgt ist, Urlaub zur Teilnahme an dieser Tagung gewährt werden kann. Sächsischer Feuerwehrrag s Tuberkulosekucsus in Schömburg (Willig.) An den» in Schömburg (Württemberg) eräffnetcn T n b e r k u l o s c k n r s n s nehmen etwa 700 Aerzte aus dein ganzen Reiche sowie aus Ita lien, Rußland, der Schweiz und Serbien teil. Die Vorträge und die praktischen Hebungen dauern bis Freitag. s Voller Kurs der alten Goldmünzen. Ueber den jetzige» Wert der alten deutsche» Goldmünzen, die i» letzter Zeit ab und zu im Verkehr erscheinen, sind verschiedentlich Zweifel aufge taucht. Blanche Geschäftsleute »vollen z. B. die alten Zwanzig markstücke nur zum Betrage voi» 10 oder 19,60 Reichsmark in Zahlung nehmen. Auf eine diesbezügliche Anfrage hat nun die Reichsbank erklärt, daß sämtliche Neichsbankcinstaiten die alten Goldmünzen zu 20 Mark zum vollen Werte in Reichsmark- geldzeiche» Umtauschen, sobald die Stücke nicht ge»valtsame Ver minderungen ihres Goldgehaltes oufiveisen. Der katholische Akademikerverband, Sitz Köln, Viktoria straße 16, veranstaltet seine Herbstversammlung in der Zeit vom Freiberg, 4. August. Die diesjährige Landcstagung der sächsischen Feu-erivehrverbände fand hier statt. Auf der Nbgcord- netenversammlung am Sonnabend erstattete Schriftführer Frank- Leipzig den Verwaltungsbericht, aus dein hervorging, daß seit den» Kriege die Zahl der Wehren von 942 aus 1100 mit 66 418 Mann gestiegen ist. Die Landcsverivaltunasstcuer »vnrdc neben dem Grundbetrag von 6 Mark von 12 auf 16 Psg. pro Kops und Jahr festgelegt. Die nächste Tagung soll in Pirna stattfiiiden. Anschließend nahm der große Landesausschuß die Neu- bezw. Wicbenvahlen der erledigten Stellen vor. Der Abend brachte einen Fackelzug. Am Sonntagmorgcn gab die Frciber- gcr Wehr Proben ihres Könnens. Am Nachmittag fand leider bei Regenwettcr ein festlicher Umzug statt. Der Montag galt einer Besichtigung der Freiberger Sehenswürdigkeiten. Mit der Tagung verbunden war eine lehrreiche seucr- wehrtechnische Ausstellung, die in der Iägcrkaserne statt- fand, und die die bedeutsamen Fortschritte auf dem Gebiete dos Feuerlöschwesens zur Darstellung brachte. NM Evangelium, und ich habe es ihn» nie, nie vergessen, dem grundgnten Menschen. Jetzt begann ein anderes Leben, in das ich mich nnr schwer finden konnte, ei» Leben nach der Uhr und nach der Schnur. Alles war nach der Stunde geregelt, Anfstehen, Lernen, Arbeiten, Spielen, Spazierengehen, Essen »nid Schlafen. Ich kam mir wie ein Automat vor, in dem man ein Räderwerk aufzieht, dem er gehorchen muß, biS die Maschine abgelaufen ist. Mein einziger Trost waren die Bücher und die Briese »nd Besuche der Meinigen; zu diesen zählte ich in allererster Linie auch den Faden sepp, der mir jeden Monat einen grausam stilisierten Brief schrieb, znweilen auch selbst kam und mir jedesmal etwas »nitbrachte. Im Herbste durfte ich auf zwei Wochen heim und brachte richtig den Beinamen „Der graue Jakob" in die alten Mauern zurück. — Ich lag mit meinen grauen Kameraden bei Nacht in einen» ungeheuren Schlafsaalc» aber glücklicherweife stand »nein Bett ti» einem kleinen Erker, der sich wie eine Nuß in die dicke Mauer hincinrnndete. Ich nannte dieses stille Plätzchen nur den „Poetenwinkel, weil man dort so gut sinnen und träumen konnte, und weil ich mir elnb.rdete, ich würde einst ein großer Dichter werden. In diesem Winkel hatte ich einmal einen feltsame» Traum, der recht In den Poetenwinkel Paßte, aber mir zugleich die Nichtigkeit des Menschenlebens klar vor Augen führte. Es erschien mir nämlich im Traum der Geist meines seligen Vaters, mit dem ich redete, als lebte er noch. Ich stellte einige knappe Fragen an ihn und seine Ant worten waren noch knapper und nicht von sehr tröstlicher Art. Ich will Frage und Antwort bündig hierherjchen; „Was raubt Dir den Schlummer?" — „Kummer" „Kummer uin mich?" — „Um Dich!" „Was soll ich einst werden?" — „Erden". „Wohiii soll ich kommen?" — „Zn den Frommen.' „Erwähl' ich den Säbel?" — „Den Nebel." „Lern- ich ein Handwerk?" — „Nnr Stückwerk." „Werk' ich ein Dichter?" — „Ein Trichter." „So würd' ich ja ein Hiob?" — „Armer Jakob?" Damit war das Reimgespräch zu Ende, und als ich erwachte, schrieb ich cS sogleich nieder. Also Soldat oder Handwerker oder Dichter sotlre ich nicht werde», was denn? Ich hielt dieses Zwiegespräch für eine Art Orakel und glaubte felsenfest, es werde in Erfüllung gehen. ES war auch so dunkel wie das Orakel der Alten, nur das eine war klar, daß »ch der „arme Jakab" sei und bleiben würde. Vielleicht für immer, eine neue Auflage des Dulders Hiob, über dessen Schick sale ich oft gebrütet und geweint. Aber es ging ihm schließlich wieder gut, und daraus schnitt ich gleichsam ein Feier» und Freudenkleid für die Zukunft, wenn aus dem armen Jakob einst ein reicher und glücklicher ge worden. Freilich war dieses Phantasiebild nur Stuck- und Fttckwerk. Am wenigsten gefiel mir die Antwortr IWM !l! I »«!»»»>« INI»! M! 'M „ein Trichter', denn ft» war geradezu oel" dige »d sür einen dichterischen Geist, der doch nicht wegzuleugnei» war. In jener Zeit hatte mich eine wahre Lesewut be fallen, die »»»ich alles verschlingen ließ, was nur von sernc einem Buche ähnlich sah. Aii» liebsten las ich Robinsons Abenteuer und die See- und Jndianergeschichten von Marryat und Cooper. Innerlich unbefriedigt und äußer lich verwaist, stürzte ich mich in das Land der Träume, um »miner unbefriedigter und unglücklicher zu merwen. Der graue Jakob blieb nach wie vor der arme Jakob. Ich hatte mit der Zeit auch einen Kameraden gesunde»^ der ge rade so verrückt war wie ich. Es war derselbe Knabe, den» der Fadensepp bei meinem Eintritte die saftige Ohr feige gegeben hatte. Es erwachte allmählich in uns der Entschluß, be» passender Gelegenheit übers Meer zu gehe» als Schiffs jungen und uns später nach den Urwäldern dnrchzuschlän- geln zu de»> Rothäuten, die unser Ideal geworden waren. Wir hätten dazumal eher ins Irren- als ins ^rSaneu- haus gehört, aber »vir waren eben böse Buben, und solcher lei Einfälle sind auch heute noch an der Tagesordnung oder eigentlich Unordnung. Zweier Begegnungen, die in jene Sturm- und D»n»ig» zeit fielen, muß ich doch noch mit einigen Worten Erwäh nung tun. Unsere graue Schar stand eines Tages beim Spazier gang« an der nächsten Eisenbahnstation. Die Bahn war erst eröffnet worden, und die Neugierde der Leute noch ein« ganz ungewöhnliche. Wir starrten die Reisenden mit offenem Munde an. Da neigte sich ein schmales blasses Knabengesicht und eine säst durchsichtig weihe Hand winkte »nir. Ich trat rasch hinzu, denn ich erkannte den Knaben sofort und der Leser hat ihn gewiß auch mit mir erkannt. Der Knabe gab mir rasch ein Guldenstück und eine Visitenkarte, die er rasch aus dem Ueberrocke seines Vaters nahm, der nur einen Augenblick verwundert aussah. Ehe ich noch einen Dank sagen konnre, k" ,,h'u> die Rüder und der Zug rollte langsam davon. Plötzlich fühlte ich eine Hand an meiner Mütze und als ich sie verwundert abnahni, steckte im Sturmband eine zweite, goldgcrän- derte Karte. Auf der ersten, ganz einfache» Karte stän de,» nnr die zwei Worte gedruckt; „Rentier Nvllenknopf", auf der goldgerändertcn, aber in »nächtiger Verschnürte» kcluna: „Alassandro Furioso, dramatischer Künstler", und auf der Rückseite mit Bleistift: „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst. Wenn sie etwas von» Leben haben wollen, kommen Sie zu »nir. In Eile". Das Lob gab mir wieder viel Zu denken, aber der Gulden in der Tasche brannte heißer, als diese Worte in» Herzen. Er war der Grundstock zur Reise in daS Land der Indianer. Um »einen Preis wollte ich mehr lange der graue Jakab bleiben! (Fortsetzung folgt.)
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