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IlntSrliQltunE ^/LUen Slattens Küche und Kochkunst Rom, Im Juli 1025. Die Besucher Italiens früherer Jahrhunderte zeigten sich über die Speisen und kulinarischen Gebräuche der Halbinsel nicht gerade sehr entzückt: die Deutschen am allerwenigsten. Die aus »ns gekommenen in Prosa und Neimen erhaltenen Aeuße- bungen ihrer Mißstimmung über „böses Tractament" seitens der Gastwirte und Köche könnten ganze Bücher füllen. Charak teristisch ist die Warnung des Minnesängers Oswald von Wolken st,e i n, der Mailand, Florenz und Nom um das Jahr 1399 besuchte: „Wer . . . well . . . sein Leben enden — mit guten zenden — übel essen, ligen in dem strö — der sueg sich in die lambardie, da vil maiiger wirt unfrö . . ." Wahrscheinlich waren es die mit Oel zubereiteten Speisen, vielleicht noch mehr die Abstinenz- und Fasttage, die die nordischen Pilger nicht so recht verdauen konnten. Strenge Gesetze verboten nämlich den Gastwirten Fleisch nicht nur Freitags und Sonnabends, sondern auch Mitwochs zu servieren, falls der Reisende nicht einen be sonderen Erlaubnisschein aufweisen konnte. „Die Deutschen" — so sagte Gi von Schwalbach (1440), ein Pilger der u. a. seinen nach dem Heiligen Lande fahrenden Landsleuten anriet, sich in Venedig als Mundvorrat mit 10 oder 12 Kapaunen zu versehen — „die Deutschen lieben nicht die Küche nach welscher Art". Unbeliebt war sie ihnen auch wegen der schmalen Portionen, wie sie ihnen nach ihrer Meinung zuteil wurden. Konrad Pellikan, der Minorit, der Italien 1604 zu Fuß durchwanderte, — sechs Jahre vor Luther — und größtenteils in Klöstern Unterkunft gefunden hatte, schwor, daß er ohne das aus Deutschland mitgebrachte Proviant „Hungers gestorben" wäre. Luther dagegen lobte nicht nur die „vor züglichen Speisen" und die verschiedenartigen Getränke, sondern auch die italienischen Hospize. Klagen und Proteste über das Fehlen des Fleisches und der Butter dauern bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, während es anderseits nicht an heftigen Aus fällen gegenüber der italienischen Kochkunst fehlt, so bcispiels- rveise von seiten Ioh. Chr. Nemeitz (Ans. 18. Iahrh.) der von den Speisen sagt, sic seien „aus säuesche Manier und sehr miserabel zugerichtet". Selbstverständlich gab es in den vergangene» Jahrhunder ten auch Reisende, die allerlei gutes und schmackhaftes in der italienischen Küche gefunden hatten. Humanisten, Prälaten und Aristokraten rühmen die raffinierte Zubereitung und den pikan ten Geschmack einiger Speisen, namentlich des Wildprets, der großen Fische, des Geflügels und der Vögelchen, weiterhin die elegante Manier wie Pfauen, Fasanen, Fische usw. serviert wurden. Der Engländer Lassels sum die Mitte des 17. Jahr hunderts) wunderte sich darüber, daß alle Leute in Italien sich der Gabel und des Messers bedienen, und daß man mit den Fingern nur das Brot berühre. Sein Landsmann Burnek dagegen, Bischof von Salisbury, tadelte wenige Jahre später die Art und Weise, wie die mit ihm in Berührung getretenen Italiener essen, trinken, schlafen und wohnen. Den Parmesankäse, den wir vor dem Seicento von keinem Reisenden erwähnt finden, hält de la Motraye (1097) für „cxguis". lieber die Güte der Trüffeln hat Graf Borch gegen Ende des 18. Jahrhunderts ganz besonders eingehende Stud'en ein Gemälde, sondern einen italienischen Koch in die Heimat mitbrachte. Altmeister Goethe gedenkt in seinen Erinnerun gen der italienischen Tafelgenüsse des öfteren. Forellen, wie er sie am Gardasee genossen, bleiben auch im Alter des Dichters eines seiner Lieblingsgerichte. Unter den Fleischplatten erregten seine besondere Aufmerksamkeit die „mungana" von Sorrent (Milchhändler) und das sizilianische Rindfleisch. Eines seiner Vorzugsgerichte war auch der „stufato", was er „eine Art ge dämpftes Fleisch" benannte, und das dann oft auf der Tafel von Weimar paradierte immer „nach italienischer Kochkunst" zube reitet. Die „Broccoli" (Rosenkohl) die die zum Heiligen Lande Pilgernden so gerne auf vcnetianischen Schiffen mit sich nahmen, die Winckelmann (1766) „seine größte Delikatesse" nannte, gefielen dem Verfasser des Werthers so sehr, daß er aus der ewigen Stadt den Samen nach Hause sandte und sie später in seinen vcnetianischen Epigrammen verherrlichte. Makkaroni herzurichten und zu kochen beschreibt Goethe in ganz eingehen der Weise, aber wir wissen nicht, ob er sic gekostet hat. Das selbe gilt von der Polenta (Maiskuchcn), der die deutschen Rei senden von anno dazumal und von heute wenig Geschmack ab- gcwinncn können. Wohl genoß der Dichter in Sizilien den „risotto" wenn auch ohne große Begeisterung, ein Gericht, das besonders nach Mailänder Art zubcreitet, von Deutschen und Schweizern in Poesie und Prosa besungen ist. Aber die „große Glücksciigkeit" Goethes, wie anderer Dichter, waren „Grünzeug und Früchte" vor allem Lattichsalat. Trauben und frische Feigen. Im 19. Jahrhundert wird die italienische Kochkunst sehr verschiedenartig beurteilt. „Die italienische Küche steht weit unter der französischen" urteilt z. B. Kotzebue (1801/05). Fast zur selben Zeit findet Niebuhr nicht Worte genug, die kuli narischen Genüsse der modernen Römer an den Pranger zu stellen. „Die verdammte römische Küche" schreibt 1819 Grill- parzer, der besonders an den Zutaten von Oel und geriebe nem Käse seinen Aerger ausließ. Platen dagegen spricht von der neapolitanischen Kochkunst als von der gesundesten in der Welt während Gustav Nicolai, der ein Libell gegen das Reisen in Italien verfaßte, gegen sie giftete. Große Freunde der neueren italienischen Küche waren der Kunsthistoriker Sulpiz Boisseree (1837), F. Pecht und Eduard Paulus Hcrm, Allmers (1869), Anselm Feuerbach, Viktor v. Scheffel, Mommsen, Böcklin und Nietzsche, Frd. Hebbel schrieb von Rom am 12. Mai 1904: „Ich habe'vom ersten Tage an nach italienischer Art gelebt, viel Suppe, immer Makkaroni, die ich jetzt leidensäiaftlich liebe und niemals Wein ohne ein wenig Wasser." Vergessen sei auch nicht Jakob BurkhardI der in einer handschriftlichen Widmung seines „Cicerone" an einen Freund, sich in Italien als der Entdecker „der in Butter gebackenen großen Bohnen" rühmt, die er seine Freude und seine Sehnsucht nennt. Deutsche Landschaft Ein sommerliches Kornfeld wallt Auf stillen Ackerbreiten. Dahinter dämmert fern im Wald Ein Kirchlein schimmernd vom Basalt Und ernste Bauern reuten. Ein Hofhund bellt, eine Glocke dringt Aus unbekannten Weiten. Wie lieblich das in Lüften klingt, Wie's durch die Seele feiernd schwingt — O Klang, nicht auszudeuten! Vom Berg mahnt ein verfallen Schloß An die Vergangenheiten. Von Sagen raunt der Quell im Moos, Bei Zwergen tief im Erdenschoß Hört man die Märchen läuten. So steh' ich still, so geh' ich zu Und laß das Herz mir weiten: Das Erdenliebste bist mir du, O Deutschland! — Deine Kraft und Ruh'. Schirm' Gott für alle Zeiten! F. Schrönghamer-Hcimdal. Eine Spezialität der italienischen Gastwirte sind „guocchi" (Nockerl), in Butter gedämpfte Kartoffeln- oder Mchlklößchen, deren Lob von der Nenaissaucczeit an bis heute erklingt, und die von dem perfekten Feinschmecker Lessing (1776) besungen sind. Eine andere große kulinarische Neuheit für die nordischen Pilger waren die am Spieß oder in der Pfanne gebratenen Bögelchen. Interessant ist, wie wir der Schrift von E. Zamboni: Alberghi italiani entnehmen daß die deutschen und englischen Protestkundgebungen gegen die barbarische lateinische Sitte, diese unschuldigen Vögelchen zu vertilgen, erst in der Neuzeit entstanden. Es waren die letzten Nomantiker, die zuerst darüber Klage führten auf den Speisezetteln der italienischen Tratto rien: Lerchen, Rotkehlchen, Krammetsvögel und Finken anzu treffen: die Neuklassiker (Platcn, Rückert, Kopisch usw.), die auch die fröhlichen Wesen der Schöpfung in so sinniger Weise besangen, haben sie stets verspeist ohne uns ihre etwaige Be klommenheit weder in Reim noch in Prosa zu verraten, lind der Dichterfürst Goethe? Gerade aus seinen Reiseerinnerungen geht hervor, daß eins der gewöhnlichen Gerichte in seiner beschei denen römischen Pension — gebratene Lerchen waren. Lebende Mumien Die folgende Skizze ist entnommen dem Werke: Theißen, „An Quejlen des Lebens", Naturwissenschaftliche Bil der, herausgegebcn von Einil Kaiser S. I. Das Buch enthält eine große Anzahl fesselnder botanischer und zoologischer Aus sätze, umlaßt 372 Seiten und ist bei der Vcrlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck-Wien München, erschienen. In einer Felsenspalte wächst ein Nasen eines zierlichen L a u b m o o s e s. Der Standort ist nicht gerade ideal, da es nicht viel braucht, um ihn ordentlich trocken zu legen: aber cr genügt, denn diese Pflänzchen sind so unglaublich genügsam und lebenszäh. daß es fast ein Wunder ist. Auf einem Spaziergänge bemerke ich es; die Art ist mir neu und deshalb stecke ich kurzer hand ein Büschel davon in die Tasche, um cs gelegentlich näher 5u untersuchen. Natürlich vergesse ich zu Hause über anderen mitgcbrachten Funden ganz auf das bescheidene Ding, und erst nach mehreren Tagen stoße ich beim durchstöbern sänitliä-er Ta schen nach einem verlorenen Schlüssel auf das Moos. Um cs nicht zum zweiten Male zu vergessen, hole ich gleich das Mikro skop heraus, lege einige der kleinen Flicderblättchen mit reich lich Wasser auf den Glasträger, bedecke sie mit eineni dünnen „Deckgläschen" und schiebe das Präparat unter die Linse. Wäh rend ich nun untersuche, meine Notizen mache und das Präpa rat dabei hm und.her drehe, sehe ich auf einmal (bei etwa 00- fachcr Vergrößerung) aus der linken Ecke ein bärenartiges Un getüm hervorkrabbeln: ein schwerer plumper Körper, aber säst durchsichtig, mit vier Paar krailenbewehrten Beinstummeln, mit Magen. Darm und Nerven, aber ohne Herz und Luftröhren, ohne Augen und Fühler: offenbar hat es in dem Wasser zwischen den beiden Gläsern noch reichlich Raum zum Spazierengehen. Eine Zeitlang verfolgte ich die kindlich täppischen Bewegungen, die dem kleinen Ungeheuer richtig den Namen Bürtierchen einbrach ten: dann beende ich die Moosuntersuchung und lege das Präpa rat fort. Einige Monate später gerät mir das Glas beim Auf räumen des Arbeitstisches wieder in die Finger, natürlich voll ständig ausgetrocknet, und wie ich eben das Deckglas abheben will, um die Gläser zu reinigen, fällt mir das Bärtierä>en ein und es wandelt mich die Lust an nachzusehcn, was wohl aus ihm geworden ist. Das Glas wird, trocken wie es ist, unter das Mikroskop gelegt, der Tubus eingestellt und nun wird gesucht. Das ist leichter gesagt als getan: denn wir dürfen nicht erwar ten, unseren oben beschriebenen Achisußbäreu zu entdecken; das weiche durchsichtige, fast ganz aus Wasser bestehende Wesen muß ja mittlerweile zu einer Mumie eingctrocknet sein. Jetzt habe ich's: ein KI nies, zerknittertes, uerschrumptcs, graues Etwas, das lebhaft einen plattgcguetschtcn winzigen Knäuel Seiden papier erinu .t, das muß es sein: sonst ist eben nichts in der Runde, was die sterblichen Ueberreste des kleinen Mammut vor stellen könnte. Nun setzte ich an den Rand des Deckglases einige Tropfen Wasser an, welche sich kapillarisch unter dasselbe ein- saugcn und so das Präparat wieder aussrischcn, beobachte aber gleichzeitig durch das Okular. Ich iveiß im voraus, welches Auserstchungswunder erfolgen wird; aber das Schauspiel mitzu- crlelren, ist zu wertvoll, um sich eine solche Gelegenheit entgehen zu lassen. Das langsam vordriugende Wasser gelangt bis an den verknutterten Papierbausch — für mich ein ähnlich spannen der Augenblick, wie für de» Beobachter einer Souuensiusiernis der erste Randkontakt, — da stockt cs etwas, aber der Knäuel beginnt nun sich zu rühren, zu zucken, er wird dicker, geht aus einander wie ein aufgeblasener Gummiball und streckt sich, in die Länge: die Falten verschwinden eine nach der anderen, links und rechts treten nach und nach je vier krallcnbewchrte Bein stummeln hervor und tappten auf und nieder, — das Bär- tierchen ist wieder da und beginnt seine Wanderung in dem Niesensee des Präparates an dem Punkt, wo cs vor Monaten aufgehört hatte! Just wie die verzauberten, versteinerten Men schen und Tiere in Dornröschens Wunderschloß! Die cingcdörrte Mumie hat sich wieder prall angesogen und strampelt vergnügt weiter durchs Leben! ... Es ist wirklich ctivas Wunderbares um diese Lebeiiszähigkeil: aber wir beachten es zu wenig, ivcil wir von allen Seiten von Wun dern umgeben sind, ivcil mir dagegen denkfaul und gemütslahm geworden sind. Auch ist cs eine Erscheinung die uns in vielen Abstufungen sowohl bei Pflanzen wie bei Tieren entgegentritt, von geringen Unterbrechungen oder weniger ausfälligen Herab setzungen der Lebenstätigkeit angefangen, bis zum vollendeten Geheimnis der „lebenden Mumie". Schon der bekannte Winterschlaf mancher Tiere ist ein Anfang dazu. Es ist doch schon höchst bemerkenswert, wie Fledermäuse einen ganzen Winter hindurch wie tot dahängen, die Körperwärme von 36 Grad auf 11 Grad Herabgesetz!. A!e:n und Herzschlag aus das äußerste beschränkt (alle drei Minuten ein Pulsschlag!) ohne jede Nahrungsausnahme! Und ist eine Schmetterlingspuppe eigentlich nicht dasselbe Wunder? Es kommt häufig vor, daß eine solche Puppe sich „überlicgt", ein oder zwei volle Jahre in der Schachtel eines Naturfreundes liegen bleibt; eine wirkliche, vor Trockenheit knisternde Mumie (im Innern natürlich nicht). Ja, einem Schmettcrlingszüchter ist es begegnet, daß ihm ein heißersehnter Falter nicht auskroch: er legte die Puppe in eine Schachtel zu anderen mißratenen Ge rümpel und vergaß sic: nach sechs Jahren fand er, von einem Ausflug zurückkehrend, am Fenstervorhang einen prächtigen Falter sitzen: cs war, wie die Nachforschung ergab, jene längst ausgegebcuc Fchlguppc! Es ist uns wahrlich schwer auszudeu- ken, wovon das Würmchen all die Zeit gelebt hat: ist uns doch schon eine gewöhnliche Puppe ein unlösbares Uätsel! . . . Im Jahre 1883 — mit dieser Geschichte wollen wir die Betrachtung der lebendige» Mumien würdig abschließen -- wurde eine Familie in Budapest durch eine unheimliche Erschei nung in großen Schrecken versetzt. Zwei steinerne Basen auf dem Balkon, welckc seit längerer Zeit leer standen, wurden eines Tages mit einer blutigen, schäumenden Flüssigkeit gestillt ge funden. Niemand wußte den grausigen Fund zu erklären, bis München 1S2S Reisebricf unseres Zck -Mitarbeiters München. Ende Juni. Die Bergfex« gehen halt nllweil nach dem Süden. Das soll wohl so sein: Wer es mit seinen Nerven gut meint, wer sein Herz schonen will, wer die in seinem Beruf notwendige kör perliche Mäßigkeit und ihre unangenehmen Folge» verspürt den Lieht es unwiderstehlich nach den Aloen, wo ner Ncppdreieu- und Jazz-Betrieb der Seebäder glücklicherweise noch nickt zu finden ist wo man nach anstrengender, aber wohltuender Bergtour auch Ruhe und Frieden hat. Und -dieser „Zug nach oem Süden" bringt allweil wieder eine Station, nach der der Kunstbegeisterte der Freund volkstümlicher wohliger Geaül'ichkc-t und auch der Vierologie ein ganzes Jahr lechzt: München! Ueberali Hai man nach dem Weltkrieg schwere Veränderungen des wirtschaftlichen und völkischen Gesamtbildes bemerken müssen. Das Ecsicht so mancher deutschen Stadt ist bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Nur die ehren- und b-ierfcste, gemütliche, gastfreundliche süddeutsche Metropole befindet sich wieder auf dein Wege, ihren alte» Nus zurückzuerobern. Man hat -daheim falsche Vorstellungen von dem Leben im heutigen München, das man so gern mit Hitler, Haken kreuz und Reaktion verbindet. Man sieht aber in der Oefsent- lllchkeit weniger solche Eigenbrötler als daheim in Dresden und der Durchschnitt der Münchener Bevölkerung steht natürlich die sen Bestrebungen ebenso fern wie jeder friedliche Bürger einer anderen deutschen Siadt. Freilich hat der Boi-er seinen Stolz und den wird er sich nicht nehmen lassen: Mir san mir! Die Schwa ben kann er noch weniger leiden wie die Preußen. Eingeweihte ivlssen, daß vielfach eine unkluge Politik Berlins die Gemüter da drunten entzündet hat. Mer diese Art von „Nationalhaß" hat einen humoristischen Anstrich und wird nur von partikula- ri'stischcn Dickschädeln und Biertischpolitikern im Volke erhalten. Politischer Unsinn blüht ja heutzutage überall. So selbstver ständlich auch in Bayern. Was hierüber zu sagen wäre, ist aus der Geschichte der letzten Jahre sattsam bekannt m-d gehört auch nicht zum Lobe Münchens, das ich hier spenden will. Bekanntlich interessieren den norddeutschen Landsmann an erster Stehle immer die BlevoerhältnM Münchens. Das ist nun mal so. Und in der Tat sind München und der Maßkrug nicht nur in der Pl>rntasie unserer Heimat unzertrennliche Be griffe geworden. Da wird mir wohl der geneigte Leser für einige Hinweise dankbar sein. Das heurige Bier ist ausgezeichnet und reicht bestimmt an die besten Jahre der Vorkriegszeit heran. In den Brüuausschänken kostet die Maß 48 Pfennige. Mich hat es gewundert, daß ich diesmal keinen einzigen Münchner habe schimpfen hören über diesen „unverschämten" Preis. (Für Nicht- Kenner der l-ayrischeu Biervcrhältnisse sei mitgeteilt, daß die „Maß" gleich einem Liter ist). Der größten Beliebtheit erfreuen sich nach wie vor Matthäser-, Löwen- und Hofbräu. Der Motthä- ser hält nun schon das dritte Jahr die Spitz«. Zu ihm pilgern jetzt alle Fremden, auch die, die dein berühmten Hosbräuhaus aus diesen, oder jenem kleinlichen Grunde untreu geworden sind. Die riesigcin Lokalitäten in der Kaufingerstraße sind schon mittags überfüllt. Abends ist es dort direkt gefährlich. Angeblich soll es auch im Matthüser die besten Weißwürste geben, ein Münch ner Spezialessen, zu dem ein mit bayrischen Gcjchmacksncrven versehener Gaumen gehört und das mir ehcr von den Schänk wirten zur Erhöhung ihres Bierumsatzes erfunden zu lein scheint. Die meisten „G'scheerten", aber auch die „Großkopfetcn" unter den Münchner Kleinbürgern findet man nach wie vor im Hosbräuhaus. Hier kann dee Unbefangene Studien machen wie in keinem anderen Lokal. Jedes Jahr fällt mir dort ein offen bar biertüchtiger, „ivccnpeter" Vräuangestc!!ter,auf. dessen Funk tionen ich mir vergeblich zu erklären versuchte. (Alljährlich ists übrigens ein anderer). Der läuft, angetan mit grünem Lcder- schurz, in Hemdsärmeln immer hübsch langsam den langen Mittel gang herauf einmal einen Kübel Senftunke (für die Weißmiirst'), einmal einen Korb Radis, einmal ein Tablett mit Broten »ach oben (vagend, von wannen er hinkend (das Podagra hat ihn schcints) und noch langsamer wieder zurückkehrt, Uni plötzlich an irgendeinem Tische fröhlich mitzutun. Sehr höflich reden sowohl A'schertc wie Großkopscte mit ihm. Auf meine Frage an die Kellnerin, ivcr das wohl sei, konnte ich nur erfahren: „.Halt der Wastl!" Wöbe, meine Phantasie in Vorstellungen von ungeheu ren Mengen ausschwemmende» und gichter^ugenden Bieres ge riet. Sehr gern gehen die Münchner im Sommer — und neuer dings auch die Fremden — in den geräumigen Garten des LS- wenbväukcllers am Stiglmayerplotz. Dort ist bei durchaus klei nen Preisen von Speise und Trank täglich Muilürkonzerl. Die früher beinerkie patriotische Ausmachung hol etwas nachgelassen. (Ich habe mir erzähle» lassen, daß man im Sommer 1923, nach je der Programinnuminer ein patriotisches Lied spielte, wobei der jenige allerhand riskierte, der nicht aufstand). Heute schätzt mau zwar immer noch die alten sriderizianischeu Märsch? und begehrt sie auch. Die Münchner Militärkapellen sind übrigens ausge zeichnet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nach auf eine» Faktor im WirtslMislebeu Münchens zurückkamme», dem man seine Auer- Kennung nicht versage» soll: Die Kellnerin, Der Volksmund nennt st« zumeist Kathi. Die ge schalste Leserin braucht »ich! die Nase zu rümpfen: Die Münchner Kellnerin hat nichts mit dem Begriff gemeinsam, den man sich bei uns durch böse Erfahrun gen allmählich zurechtgemacht hat. Sie ist Schwerarbeitern! und l)at für ihren Berus eine regelrechte Lehrzeit durch wachen müssen. Sie gilt als grob. Und doch ist das nicht richtig. Im Hofbräu erlebte ich eine Szene. Der Gast, stark an geharkt. war ein junger Mensch, der sich nngeu „schlechten Ein- schcnkens" beschwerte. Er tat das in schlimmste» Schimpsworten, von denen „Du verfl... Aas!" gar nickt einmal das tollste war. Die Kellnerin, eine Fron von etwa 60 Jahre», setzte ihn in der art imponierender Ueberlegenhcit wegen seines ungehörigen Be nehmens zur Rede, daß sie sofort Hilfe von anderen Gästen emp fing und der junge Mann osfenbar Schläge bekommen haken würde, wen» cr nicht revoziert hätte. Schließlich waren Gast und Kellnerin wieder recht freundlich zueinander. Wenn man bedenkt, daß das „schlechte Einschenke»" beim Münchner als Kapitalverbrechen gilt, so ergibt sich aus dieser Episode ein ganz amüsantes Bild Mü>ichneriscl>er Gemütlichkeit, wie sie auch im Einzclsall beweist, daß nicht alle Kellnerinnen grab sins. Kurz angebunden sind sie freilich, wenn sie von Ringlern attackiert werden. Es steht fest, daß die Münchner Kellnerin (oder „Kassa- rerin" wie die „Ausgelernte" heißt) fear für das Wohl ihrer „Kunden" (so nennt sic die Gäste) sengt. Wer freundlich und rücksichtsvoll — angesichts des uugeheucm Betrüb; m den Schankstätten — vorgeht, der bekommt sicher die besten Portionen und dem wird auch bestimmt nicht „schlecht cingeichenkt". Die Kellnerin ist aber »och viel mehr als die Bedienerin der Gäste. Sie kann allerbanü Auskünfte geben, sie vermittelt Verkäufe,