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/ / ! Sonntag, den 26. Juli 1V25 für sich. Er ist gleichsam ein gewaltiger Magnet, der alles an sich zieht, alle Wert« und Stosfe und Kräfte der Wirtschaft. Und dabei vollzieht sich eine grausame Dynamik: Eine Konzentration materieller Substanzen auf der einen, ein Enlleerungsvorgwng mit vitalstem Eingriff auf der andern Seite, dabei da die weni gen, die „vierhundert, die sich einander kennen", hier die vielen, allzuSbielen, die Zehntausend«, Millionen. Und was dabei die. Arbeit unendlich schiver macht, ist dies: Der Dienst ist anonym wie der Dienstherr: den Arbeitgeber sieht man nicht, weih nicht, wer er ist, meistens ist er gar kein Mensch, sondern eine viel köpfige Kollektioperson von Aktionären, die nur den Namen des Werkes wissen und iveiter nichts, die Gewinn ivollen, den Ertrag, den materiellen Erfolg. Diesen Ertrag mutz der Arbeiter mit seiner Krast schassen: sein Leben ist beherrscht durch eine Borbedingung: den Kapitalgewinn: dieser ist die Voraus setzung sür seine Arbeitsmöglichkeit und damit für seine Exi stenz. — Dieser niedere Geist der Wirtschaft ist dämonischer Augenblickswille, er kennt nur das „Hier und Heute", Vergan genheit ist ihm nichts, weniger noch die Zukunft — alles bändigt er in das stehende Jetzt. Das ist seine Weltanschauung. Hier und heute mutz der Wirtschaftsprozetz materiellen Gewinn ab- wersen. Der morgige Tag, die Zukunft sorgt für sich selbst nach demselben Prinzip. Dieser Geist der niedersten Selbst sucht wirft so den Hatz in Millionen, die ihm dienen müssen, deren Arbeit ihm immer neue Nahrung bereitet, so datz er sich weiter ausbreiten kann und ins Ungemessen« ivächst. — Soll es I anders werden, mutz er überwunden iverden, das System mutz durch ein höheres ersetzt werden, das mehr Raum gibt dem Leben der Arbeiter, mehr Anteil am Gewinn, so mehr Möglichkeit, auch teilzuhaben an den Gütern der Kultur — nicht Wagen pflege allein, auch Familienkultur will der Arbeiter, mutz er haben, wenn sein Menschsein nicht unter das vegetierende Tier hcrabgeivürdigt werden soll. Und ein zweites gehört hierher — es hängt mit dem ersten eng zusammen. Der Mensch von heute sieht keine Möglichkeit, sein« Arbeit im modernen technischen Betrieb, an der Maschine in dem Zusammenhang seines Lebens einzuglie dern. So verliert seine Arbeit jeden Sinn, denn nur Geldver dienen will auch den erbärmlichsten Menschen auf die Dauer nicht befriedigen — dazu reicht es ja kaum aus, sich selbst zu er nähren. Aus dieser Sinnlosigkeit schreit der Mensch auf: die Seele erhebt Protest wider ihre andauernde Vergewaltigung. Die Arbeit muh einen Sinn haben, der über ihren unmittelbar persönlichen, auch über ihren mittelbar sozialen Zwech und Ertrag hinausreicht in eine suprasoziale Sphäre: sie darf nicht nur Privatsache, auch nicht nur Sozialsache sein, über haupt nicht nur Menschendienst, sie mutz Gottesdienst sein können, soll sie sich wirklich zum Beruf erheben! Aber freilich: jene Gesamtheit deZ Erwerbes, die wir heute „Gesellschaft" nen nen, hat keinen Vas System ihrer Zwecke überragenden Sinn und darum auch keinen Anspruch auf meine Dienstbarkeit als irgendein leibl-aftiger „Brotherr". Und nicht anders wäre es bei dem Generalunternehmen sStaat) einer „sozialisierten" Wirt schaft. auch er könnte nicht mit gröberem Recht grötzere Opfer von uns heischen als der Privatunternehmer, denn beiden gilt Arbeit nur als Mittel zum Leben ohne eigenen persönlichen Sinn, und beiden gegenüber bleibe ich deshalb nur Produktions mittel. Indem wir die Taktik unseres Erwerbes ändern, lösen wir eben nicht unsere Berufsnot. Was eigentlich uns hindert, Beruf zu haben, — sagen mir es kurz und klar — ist unser Abfall von Gott. sMarr.) Nicht die Technik, der Betrieb, die Maschine entseelt das Leben, sondern der Geist und Wille niederen Wirtschaftens des Menschen, der diesen Betrieb einrichtet und ihn in jener fluch würdigen Zielstrebigkeit sich funktionieren läßt, die dem einen äußere und innere Macht gibt über tausende Besitzlose. Aller Scgen und Fluch einer Wirtschaft ruht im Menschen allein und jede Krisis birgt als tiefste Mahnung den Hinweis, auf den ein zigen Schicksalsquell. Metanoeite, d. h. denket um, werdet anderen Sinnes. Wirtscl-ast und Technik ist Erdübevwindung: Erfülle die Erde und nrache sie dir untertan. Dabei aber ist der Sinn der Erde immer der Mensch und er allein. Pas ist der Wille des Weltschopfers. Und nach diesem Sinne streben, ist der einzig wahre und gewollte Gottesdienst. I- D. Scheidung -er Geister... Zu p. SIraimanns „Wettkirche und Wettsrieden" I. Ein Kölner Dominikaner, P. Fr. Stratmann, hat uns das katholische pazifistische Hauptwerk gegeben, „Weltkirche und Weltfrieden" <bei Haas und Grabherr, Augsburg). Sein Buch ist ein Kampfruf ans katholische Gewissen, ja, ans Weltgewissen. Und In der zu betreibenden Revolution der Gesinnung und Ge sittung einer — soll man sagen alternden und sinkenden? — Christenheit wird dieses Buch an einem entscheidenden Punkte ein Eckstein werden: ein Stein des Anstotzes hier, ein Merkstein der Wende dort. Das ist, wenn auch aus weite Sicht, so doch nicht zuviel gesagt. Denn die Friedenssache, die Entscheidung zu pazifistischer Einstellung, zu der auch dies Buch wieder aus ruft, ist immer und unter allen Umständen zuerst Willenssache: Pius Xl. Wort von der Umivandlung der kriegsbereiten Herzen in eine friedfertige Welt zielt auch aus gar nichts anderes hin. Da Helsen keine Halbheiten, keine Vorbehalte, keine sophistische Deutelei, keine noch so packende Ausmalung der „realen" Schwierigkeiten wie es die Aberisten, die „Ja, aber"-typen belie ben, und so oft mit der Geste der allein „Vernünftigen" und nüchternen „Realpolitiker" und mit soviel hochmütig herab lassendem Bedauern gegenüber dem gutmütigen „Phantasten", den weltfremden „Armen im Geiste". Entstanden ist das Werk aus Stratmanns Vorträgen auf der Heidelberger Akademikertagung s1022): der relative Erfolg in der damals gewitz nicht günstigeren psychologischen Situation ermunterte zu dem grotz angelegten Versuch, den ganzen Fragen komplex in seinen Weiten und Tiefen im Buche auszubreiten. Eine holländische Uebersetzung ist bereits in Druck, die französi sche, englische und Esperantoausgabe werden vorbereitet. Das Buch ist „Dem Andenken Benediktus XV." gewidmet, und der Inhalt knüpft in wesentlichen Teilen immer wieder an ein Motto der vier letzten Päpste an; so dars Stratmann mit vollem Recht in seinen verschiedenen neuen Aufsätzen -er letzten Wochen darauf den Nachdruck legen, datz er nichts anderes will, als den Friedensruf der Päpste aufgreifen und hinerziehen auf — katho lischen Gehorsam gegen die päpstliche Parole! Aus dem Inhalt mögen die für Stratmann wichtigsten Ziele und die ihm entscheidenden Thesen hier kurz in Erinne rung gebracht werden. *> Stratmann geht mit wohlüberlegter Steigerung vor. Fürs erste geht es um die psychologisch Vorbereitung, durch einen entschlossenen Kampf gegen die Kriegsromantik, die die Köpfe verwirrt und die Herzen verdirbt, nicht bloß bei der Jugend. Es ist eine gründlich zupackende Demaskierung des Götzen Krieg, der in seiner währen Gestalt als methaphystsches un moralisches Uebel gekennzeichnet wird, init einer Wucht der Dar stellung, die ebenso überzeugend zum Verstände wie erschütternd zum Herzen spricht. Auch der Denkfehler vom Naturgesetzlichcn „Muh" des Krieges wird erledigt; wir wiederholen: wer da nicht mit geht, der will nicht mehr. Nun wird der Weg frei zum Zweiten, zur Revision der gesunkenen Kriegsmoral. Es ist in gewissem Sinne das Neue in dem Buche, und das eigenste Ver dienst Stratmanns, datz er diesen Abschnitten über den gerechten und ungerechten Krieg nachweist, wie weit mir feit den Zeiten der Renaissance und ds Absolutismus in Sachen der Kriegs moral abgefallen sind von der Reinheit der Lehre der augustinisch-thomistischcn Schule. Deren Kriegslehre hat Strat mann nun jetzt mit aller Klarheit und Genauigkeit wieder herausgearbeitet und zur Diskussion gestellt. Damit ist eine autzerordentlich tragfähige Unterlage für eine allseitige Erörte rung der Frage des „erlaubten Kriegs" gesä>affen. Und zwar im grundsätzlichen und praktischen Sinne. Es bezeugt Strat manns Denkgründlichkeit, datz alles auf diese letzte unausweich- bare Fragestellung hinausläuft, die wir formulieren möchten als das Problem der Möglichkeit eines erlaubten Krieges. Denkbar ist er schon, unter zehn Voraussetzungen, aber auch praktisch möglich? Hier bringt Stratmann die ernstesten Bedenken an der Erfüllbarkeit der zehn Regeln unter dem berechtigten Hinweis auf den Geist und die Technik moderner Kriegsführung, die bewusst hinwegschreitet über die Regel der Moral und auch den erlaubten Krieg schließlich, nach Benediktus XV. Wort, zu einer „ehrlosen Metzelei" würde sich entwickeln lassen. An diesem Kapitel und speziell an diesem Punkte muß alle Kritik, die gründlich und fördernd sein will, einsetzen. Es soll nun gewitz nicht gesagt sein, datz an diesem tragfähigen grundsätzlichen Ge rüst nicht noch neue Verstärkungen und Nieten angebracht iverden könnten! Aber wir können die Ausweitung und Ver tiefung des hier Ausgesponnenen wohl erwarten bei späteren Gelegenheiten, die Str. schon in Aussicht genommen hat. Er läßt z. B. die Frage der Kriegsdienstverweigerung usw. noch *) lieber manche Hauptstücke des Inhalts bieten die eben herausgegebenen Erläuterungen Stratmanns zu den „Richt linien des Friedensbundes deutscher Katholiken" eine Zusam menfassung. (Heft 4, der Sammlung „Der Friede Christi usw.", Theatiner-Verlag, München.) kraft des rheinischen Temperamentes aus Engstirnigkeit und gewaltsamer Ehrlichkeit stets zu lauterem und reinem Auf schwung in die Weltsrömmigkeit gläubiger Jugend hinein- trägt. . Heinrich Lersch. Aus „Mensch im Eisen". I. Marsch marsch marschiert! Ihr Jungens auf große Fahrt: Laßt die Brotbeutel zuhaus, die Hordenpötte. Eines vor allem tut not. Bringt mit die innere Schau. Rückr an, marschiert. Wir erobern die Welt! Kühnheit und Freiheit magisch verbrüdern, was lebendig lebt: Marsch marsch marschiert! Höri ihr's tönen? Vor uns, über uns, hinter uns, rechts Und links? Was Antennen, was Stationen, Radiowellen? Brausende Ströme der Sympathien 'strömen zusammen aus aller Welt: Liebeswellen umbeben uns, tönende Ströme: „Kommt, kommt, kommtr Heran ,hr Jungens, erobert uns, daß die Welt erschrickt, marschiert!" Der Mensch ist unterwegs. Seht wir kommeni Nicht mit Handels- und Wirtschaftsverträgen, mit Hilfe- geruf und Rachcgeschrei, Nackt und lebendig marschieren wir. Frei. Nicht imt Kanonen und Gasen; Nicht mit Diplomaten. Nie und nirgendwo hat noch Ge rissenheit ein Volt geehrt. Nie und nirgends- ist mit Gewalt Mensch zu Mensch ge wachsen. Marsch marschiert! Nicht Väter, nicht Söhne, nicht Klas,e. Parte»: Wir selbst! " ' Nicht der Deutsche ist unterwegs, nicht der Reiche, der Arme, der Kluge, der Dumme. Marsch marsch marschiert: Der Mensch ist unterwegs. Nationen dröhn mit finstern Augenbrauen. Staaten drohe mit Gesetzen und Verboten. Seid nicht furchtsam, marsch, marschiert. Seht: Durch alle Staaten» Nationen, Rassen, geht ei blanker Riß: Seht, gckvrengt sind alle Bande, seht, geteilt sind all Feindlich dröhn die Alten, Harten, Kalten — ganz wie ,i alten Vaterland; Klaste, Partei, sie stehen gesammelt zur Rechten. Droht Aber schaut auf: Die Helle Jugend, die Frauen, der Wer! mann. Nlie Men^chgewordenen grüßen, ttbersingcn den klaffende Marsch marsch marschiert, ihr Menschen, erobert die Erd, das neue Vaterland. Schaut: Alle Staaten, Stämme, Rassen sind zur Hälft schon erobert, " " Schon zur Hälfte Mensch geworden. Unwiderstehlich zieht und reißt der Mensch sie weiter fort Seht: Voran d^e^Mihnsten schreiten, die Kühnen uni ^^"F«ie!'übeN «ll» «ühnen uni In die Flüsse die Waffen, in die Meere die Kanonen! Bahnt mit Gesängen den Weg- Marschiert! Tausend Jahre Zukunft staunen auf uns hernieder, ITaujeiid Jahre Vergangenheit beten zu uns herauf! 5. Rheinische Liebe zur romanischen Form, die Tradition rheinischer Erzählkunst in der Form der Anekdote, die Tradition klassisch gedämpfter, formschöner. Verse ist ein so breites Strombett rheinischer Eigenart, datz in ihm die Fülle der Persönlichkeiten fast die gemeinsame Herkunft leugnen zu dürfen scheint. Welche Fülle allein in dem grandiosen Lebenswerke des Dichterfürsten Deutsch lands, den der Rhein feinem Volke geschenkt hat: bet Stefan George: Blitzendes Zierat, strahlender romani scher VerSgebäude, kristallene Schönheit zuchtvoller Selbst besinnung, eherne Festigkeit der dichterisch geformten Ge setze eines neuen Reiches! Wie schön die schlanke, erlesene Bildungsdichtung romanischen Geblüts des Klassizisten hohen Ranges Ernst Bertram: Später romanischer Baumeister. Von späten Vätern tief verspätet Enkel ich Und meines Mutterahnen letzter Zeitgenoß, Langsamen Bluts mühevoller Klarheit zugewandt, Wie bin ich seltsam meinen eignen Tagen fremd. Mit neuen Türmen redet herrlich mein Geschlecht Zum Herrn der Türme, jungen Hauches atemvoll. Mich re»tzt das österliche Wehen nicht mehr fort. Mich fordert werbend wilde Kunst nicht mehr heraus Zu Wag und Wette, die vor mir dem Schwindligen Zu übermütig schönen Wundern aufgesaust Des jungen Gottes überjüngstes Zaubcrdach, . > Im Sturze fangend, unbegreiflich dennoch fest. Nur gläubig felsend wag ich meines Chores Rund, ^ Geduldig wölbend meines Schiffes gedrängte Wucht, Dt» alten Bogen führ ich, die verachteten» Um meine» Gottes Weihrauch und ein streng Gefäß ' Ist meine Krvvte um den schweren Heiligentod. Nr. 17V. Seite IS offen, »veil er zu diesen Zielpunkten den Weg bahnen will durch eine moralphilosophische Prüfung der Idee der allgemeine«! Wehrpflicht. Dabei wäre dann das Problem durchzudenke»! mit dem erst die letzte Tiefe und letzte Entscheidung erreicht wird. Nämlich: wie ist das Verhältnis der Individualethik zur Kollektivethik, wie stehen denn eigentlich der persönliche und der gesellschaftlich-staatliche Pflichten- und Rechtekreis zueinander.?. Auf diesem dornigen Wege ist alles Fortschrittsbemühen der phi losophischen Ethik bis heute noch nicht sonderlich vorange- kommen. Die mit dem Bisherigen vollzogene theoretisch-grundsätz liche Ueberwindung des Krieges mutz nun noch in ganz anderen Seelentiefen verwurzelt iverden, dann erst verspricht der Auf bau einer neuen Mentalität, die seelische Umstellung und Her stellung einer neuen Geistesverfassung Dauerhastigkeit und Festigkeit gegenüber dem Ansturm Ser menschlichen Leidenschaj- len. Stratmann zieht hierzu die tiefsten Motivkräste aus der christlichen Gedankenwelt heran: die paulinische Theologie mit ihrem Geheimnis von der innigen Glicdschaft Aller am mystischen Leibe Christi, um deretivillen die Glieder nicht gegeneinander wüten können. Wenn wir wirklich noch Christen sind, d. h. Christi Jünger, und wenn die Glaubenskraft und die Lieb.'sglut des urchristliä)en Geistes in uns Nüchternen und Verweltlichten des 20. Jahrhunderts noch zu zünden vermag, dann hat Slrcr- mann mit dieser religiös-christlichen Verankerung der Frieden!» gesinnung keinen Konstruktionsfehler begangen. Dieser nun grundsätzlich und gesüinungsmätzig gewisser maßen wieder zurechtgerückte Menschentyp, der katholische Pazifist nach Stratmanns Ideal, sieht sich nun aber erst vor den größeren Teil seiner eigentlichen, positiven Aufgaben in der Welt der Dinge und Verhältnisse gestellt. Mit der Herstellung einer neuen Mentalität und der Gesinnungsänderung beginnt erst das eigentliche Werk: es soll von dieser neue» Geistesver fassung aus die verrottete Welt neu gestaltet werden. Die kriegerische Gewaltlösung soll also ausgemerzt werden und in sittlichem Bewußtsein geächtet sein. Menschliche Leiden schaften und völkische Zwistigkeiten werden aber immer wieder austreten. Welche Lösungswege und Entspannungsmcthoden treten also an Stelle der geächteten Gewaltmethode? Strat mann hat sich viel Mühe gegeben, alles das zu sichten, was die historischen Richtungen des Pazifismus bisher ersonnen haben, in Vergangenheit und Gegenwart, innerhalb und außerhalb der Kiräie, zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Ordnung in einer neuen pazifistischen Welt und Menschheit, in der man die kriegerischen Mittel zu ächten sich entschlossen hat. Was in der Gegenwart aus den Gebieten wie Schiedsgerichtsgedanke, Welt gerichtshof, Völkerbund, Vereinigte Staaten von Europa usw. an theoretischen und praktischen Bemühungen um die Ueber- führung des Geivaltsystems in ein Nechtssystem hervortritt, wird in einer Uebersicht zusammengestellt, welche größte Vollständig keit anstrebt und für sich allein schon eine dankensiverte Leistung darstellt. Ueberdies hat Stratmann vermocht, auch hier manche eigenen Gesichtspunkte anzubringen: dieser ganze positive Auf bau ist durchaus kritisch und trägt, wie das ganze Werk, die Zeichen einer fast „unheimlich" ruhigen, überparteiisch-über- legcnen und reifen Denkarbeit: es haben ihm schon nichtkaiho- lische Völkerrechtler, wie Wehberg, das Zeugnis ausgestellt, datz er mit manchen Betrachtungen mancherlei von den Genfer Sti pulationen vonveg genommen bezw. übcrboten habe. Als Seitenfrage kommt in den Schlnßkapiteln auch das Problem der Station und der Vaterlandsliebe zur Behandlung. Es ist ein Versuch, der altes und neues zusammengrcist und weiterführt, und von dem die Psychologie und Pädagogik des Nationalgefühls viel gewinnen kann, auch wenn sie nicht in allem zu folgen bereit ist. Viele werden die dort auszesponnene originale Gedankenwelt revolutionierend nennen, vom Stand punkt derer aus, die in allem Denkiiblichen und Bestehenden eine unantastbare, „gottgewollte Ordnung" zu sehen belieben. Die aber tiefer den Sinn des Geschichtlichen und Politischen er fassen, als notwendig vorwärtsdrängenden Fluß alles Institu tionellen und als planmäßige Veränderung vorhandener Zu stände, die werden gerade in diesen Schlutzkapiteln eine reizvolle Zeichnung sehen, mit Zügen von Genialität und Linien, die in verheißende und realisierbare Zukunft weisen; es iverden Blick stellungen geboten, die wirklich fest umrissencs Neuland und nicht Nebelland erkennen lassen. Der unerschrockene Dominikaner handelt weise mit seiner grundsätzlichen Haltung, datz „sür ein großzügiges politisches Denken und Handeln der Blick in eine weitere Zukunft unerläßlich" ist und ebenso nötig „eine klare, von einer höheren Wahrheit beleuchtete AnsäMiung und Er- füllung der politischen Gegenwartsausgabcn". Im übrigen können wir getrost es der Idsenentwicklung überlassen, was sie von den Antizipationen Stratmanns wahr macht. H. Rüster. Der meinen späten Händen sich anheimbesah!. Doch meine Glocken, auch im stumpfen Turm verwahrt. Dem mühevoll steigend langsamen, hört Gott, der Herr. Welche Fülle in der persönlichen Durchdringung des Erbes romaniicher Kultur und junger Renaissance in dem Lebenswerk d?s rheinischen Hofmannsthai, der Herbert Eulenberg heißt; in der hohen, feinfühligen Eezähler- kunst eines Wilhelm Schäfer und Wilhelm Schmtdtbonn, in dem durch eine universale Bildung, die selbst der Fachwissenschaft mannigfache Anregungen ver mittelt hat, ausgezeichneten dunkslblütigen Former erd verwurzelter Menschenschickiale: Jose, Ponten, in Josef Winkler, dem Dichter des Aufruhrs, der Massen bewegung, der Legende, Sage und Erfindung »n Aufruhr und Qual oder in das dröhende Gelächter des Schwanks oder in den Hochgesang industrieller Zukunft hineinhetzt, ohne die Freude an kühler Formung zu verlieren. Welche bezeichnende dichterische Einheit in Richard Knies, der volkstümliche Erzählertradition der rheinischen Anekdote und zugleich eherne Strenge der Form in seinen Sonetten vereinigt! Nikolaus Schwarzkops formt fröhlichen Arbeitswillen und liebende Ehrfurcht vor dem Leben in graziöse Erzählungen. Wilhelm Matthletzen, mit Einfallen gesegnet, spielt Märchenmotive ins Acera- phisische beseligend hoch. In Otto Briies endlich, dem Jüngsten der hier Genannten, vereinigt sich am bezeichnend sten romanisches Formgefühl mit jungdeutschem Willen zum Ausbau, Sehnsucht nach der Form des Südens mit dem Willen zur persönlichen Einkehr in das deutsche Reich Gottes. 6. Dichtung rheinischen, vom Romanentum befruchteten Formgefühls, in seiner reinen Prägung Dichtung des „Spiels" in hohem symbolischem Sinn, in unserer Zeit der Wende zugleich zeitdeutend und zeitbesruchtend. Nach Osten hin gewandt ist rheinische Dichtung nirgends. Ein zig die weltbürgerliche Geistigkeit Alfons PaquetS spricht auch vom Osten, freilich nicht im Sinn eindeutiger Demut vor östlicher Weisheit oder Lebenssttlle, sondern — auch den Osten noch in seine Entdeckungsfahrten des sehn süchtigen Glaubens an ein neues Reich einbeziehcnd. Nicht der Jünger, sondern der Demokrat des Geistes, der Bür ger eines kommenden Europa schaut nach Osten. V. Rheinischer Optimismus in Erobwungssreude und Weltsrömmigkeit. Wenn irgendwo in Deutschland heute an eine höhere Zukunft geglaubt wird, ist es hier am Rhein. Wenn irgendwo das Deutschland der Reaktion in der Seele der Jugend tot ist, und wenn es seine Fahnen auch noch so grell im Winde flackern lässt, ist cS hier am Rhein. Das Bildnerlsnd Deutschland hat am Nh rin nicht seine letzten aetrev-n Söhne,