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Sächsische Volkszeitung : 09.07.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192507099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250709
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250709
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-07
- Tag 1925-07-09
-
Monat
1925-07
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 09.07.1925
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Die Sommersremden sahen ihn bewundernd an: »Sie haben also auch mitgcwirkt, Herr Breitsamter?" »Nur mein Esel", sagte er bescheiden, „in der Not und aus hilfsweise." Später lieh er die Not weg, und seine Kunden mutzten «ine Woche länger auf bestellte Stiesel warten. Tann Uetz er die Aushilfe weg und erklärt«, Klotze Flick- arbeit könne er keine mehr übernehmen. Darauf ließ er das „nur" vor dem Esel weg und schlretzlich auch den Esel selbst und sagte aus die Frage nach dem Mit- spiel nur ein festes Ja. Ein Ja. das sich am besten ausnahm, wenn man es mit selbstbewutztem Nicken an dem großen Wirts tisch aussprach, wo die vielen Fremden saßen, die die vielen Ansichtskarten zückten: „Meister, eure Unterschrift!" „Toni, deine St'esel!" mahnte von der Türe her die Frau, ,ch' Leut lausen uns 's Haus ein —" „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen! . . . ." So datz der Breitsamterin nichts anders übrig blieb, als es mit der Eselin zuhaus allein zu schassen, die Wiesen und den Acker, die Waldstreu und das Holz — hätten sie 's gekonnt, sie würden auch geschustert haben miteinander, einträchtiglich und trächtiglich, wie sichs gerade traf. Aber einmal tras slch's, datz die Eselin bei einer ferneren Waldarbeit in einen sremden Wirtstall kam. — „Uljee, ein Esel", wieherte ein Pserd. „Bscht, ich kenne ihn", flüsterte ein Rotz. „Da kennst du auch was rechtes — „Still, er kommt von Ammergau!" — „Nu, wenn schon —" „Achtung, er spielte mit —" »Ei. ei -" „Es ist die Eselin, die unseren Herrn trug, als er einzog in Jerusalem. Gesänge haben sie umrauscht und Palmen ihr gefächelt — was sagt ihr nun?" „Ehre, dem Ehre gebührt", sagten sie und neigten sich vor ihr und sagten honigsüße Worte. „Mich wundert", sagte eine fette Stute, „datz Euer Gnaden noch im Geschirr gch'n mögen." „Und mir unbegreiflich," sagte ein Damenpserd, „datz Sie sich nicht längst die Haare wachsen lassen, Eure Hoheit!" „Da würde mir mein Herr —" „Ach was, Herr! iver den Herrn trug, hat keinen anderen Herrn mehr!" „Aber meine Herrin —" „Herrin? hat sich was! „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen" hat ihr Mann gesagt —" „Sein Diplom hat ihn ein wenig stolz gemacht," entschul- digte die Eselin. „Haha, sein Diplom! Ihnen kommt es zu, Ihnen ganz allein, Exzellenz, und wenn ich mir einen Rat für die Zukunft erlauben dürfte, Hoheit?" „Bitte." „Noblesse obliege — Sie verstehen doch?" „Natürlich", sagte die Eselin. Denn in der Gesellschaft zu bekennen: „Ich verstehe nicht Französisch" — nein, lieber — Aber da kam die Breitsamterin und spannte sie ein. „Hü, Grauer, hü!" sagte sie. Aber der Graue zog nicht, sondern bockte. „Noblesse, ad lige, i — a, i — a!" Er ließ sich auch vor keinen Pflug mehr spannen. Nur essen tat er noch und in die Wasserspiegel schauen: „Seht, wie mir die Haare wachsen, seht!" Ter Psarrcr kam des Wegs und schüttelte den Kopf: „Ar beiten, mein Ljeber!" „Da müßte ich ein Esel sein — Noblesse oblige." „Esel. Esel!" „Mann Gottes, siehst du nicht, daß ich der Herrgottsesel bin, daß auf meinem Rücken einst der Herrgott gesessen war —" „Du scheinst mir selber unterwegs zu sein, aber nicht zum Herrgott!" „Na, denn nicht — wie stehen wir meine langen Haare, Ehrwürdcn?" „Ich würde sie ihm schneiden, Breitsamterin", ries der Pfarrer, „und im Essen und auch sonst so lange kurz halten, bis sie wieder tüchtig arbeiten, eure Esel." „Ich Hab doch nur den einen —" „Stimmt, denn der andere hat euch. Gott befohlen, Breitsamterin, ich wünsch euch eine gründliche Kur —" »Ach, wenn ihr mir Helsen wolltet?" „Will ich." Und bestieg am nächsten Sonntag nach der Messe seine Kanzel: »Nur eine kurz« Predigt noch, ihr Brüder, eine Esels- predigt. Es war einmal ein Esel, der in der Not und aushilfs weise unser» Herrgott tragen durste — was dünkt euch, daß da» war?" „Eine Ehre." „Und der von da ab sich mit nichts mehr trug, denn mit Stolz und Müßiggang — was dünkt euch, datz das war?" „Eine Dummheit." „Ihr habts gesagt, ihr müht es wissen und ihr müßt es halten." „Wir?" taten sie erstaunt, „wir sind doch keine —keine—?" „Auf den Namen kommts nicht an. Des Herrgotts sind wir alle. Und einmal wird ein jeder von uns gewürdigt, das Heiligste zu tragen, in der Not und aushilfsweise. Genau ivie der Breitsamterische Esel, der jetzt die Arbeit eingestellt hat und sich selber wie ein Gott vorkommt. Was dünkt euch, daß man mit ihm machen sollte?" „Austreiben mutz man's ihm." „Euch geschehe, wie ihr gesagt —" „Uns?" „Dem Esel, mein' ich, dem Breitsamterischen Esel — gehet hin und treibt's ihm aus, und iveil's schon in einem Aufwaschen geht: ein jeglicher dem andern — Amen." Da lachten sie und ging hin und trieben es dem Breits amterischen Esel aus, und weil es schon in einem ging, dem Breitsamter auch — und weil der eine Sippschaft hatte: auch der Sippschaft — und weil die Sippschaft mit dem ganzen Torf aus Du und Du stand: auch dem ganzen Dorf. Woher es kommt, daß, wenn du heute einen Ammergauer einen Herrgottsesel heißt, er es gnädig aufnimmt. Während des Passionsspiels nämlich, wo er unfern Herrgott tragen hilft, in der Not der Zeit und — so lang die andren draußen trächtig sind mit andren Dingen — aushilfsweise. Und so du ihn nach den Spielen einen Herrgottsesel heißt, nimmt er's auch nicht übel — wenn er eine Sense in der Hand hat, oder einen Baum fällt, oder eine Kuh molkt oder irgend eine Herrgottswiese düngt mit seinem Werktagsschwciß. SäMlkhast wird er tun, als meinte er, du selber hättest dich ihm als einen Herrgottsesel gestellt: „So, so, ein Herrgottsesel sind S'? —i —aa." Und wird weiter seinen Werktagsherrgott, seine Arbeit, in der Rich tung zum vcrheißnen Lande tragen. Mach es auch so. Blitzabwehr -er Allen Bon Dr. Clemens Wagener. Das Bestreben, sich gegen die Gefahren des Blitzschlages zu schützen ist so alt wie die Gewitterfurcht, aber solange der Blitz ats strafende Waffe einer zürnenden oder kämpfenden Gottheit galt, als Jupiters Donnerkeil, oder Donars malmenden Hammer, bestand das Hauptabwehrmitlel in Gebet und Opfer. Allerdings suchte man mancherorts schon früh durch bestimmte Anpflanzun gen Heim und Habe vorm fallenden Strahl zu schützen, aber das geschah wohl fast immer, weniger auf grunderprobter Zweck mäßigkeit, als aus religiöser Erwägungen. So glaubte sich der Etrusker aller Fährden frei wenn Weitzweinpflanzungen sein Haus umhegten, Römer und Griechen wußten ihre Tempel durch nahe Lorbeerhaine gesichert, und die Hindus erhofften alles Heil von der Olive und Dattelpalme. Daß man gewissen Bäumen, wie der Buche, ganz im Ge gensatz zur Eiche, in gewissen Grenzen einen bestimmten Schutz gegen Blitzschlag zuschreiben darf, ist bekannt. Bedingt wird er vor allem wohl durch das bei beiden Bäumen verschiedene Verhältnis zum Grundwasser und durch die verschiedene Lei tungsfähigkeit des Holzes. Auch hat man geglaubt, die feine Behaarung des Buchenblattes, die durch Spitzenausströmung einen allmählichen Ausgleich der elektrischen Spannungen be wirken soll, mit in Rechnung setzen zu müssen. Trotzdem ist sicher, daß der hohe Baum, gleichviel welcher Art er sei, in unmittelbarer Hausnähe nie als Blitzabwehr empfohlen werden kann. Noch weniger ratsam ist das bei verschiedenen gallischen Völkerschaften üblich gewesene Anzllnden gewaltiger Feuer, da die aussteigende Rauchsäule als bequemer Leiter die Wolken elektrizität eher anzieht als abhält. Andere Stämme desselben Volkes steckten, um den Blitz unschädlich zu machen, ihre Schwerter mit auswärts gerichteten Klingen in den Boden, Möglicherweise hat die bei gewitterschwüler Luft im Sand Elmusfeuer beobachtete Spitzenausstrahlung der Elektrizität hierzu den von unklaren Vorstellungen geleiteten Anlaß gegeben. Wenn, wie Herodot berichtet, die Thraker beim rollenden Donner ihre Pfeile gen Himmel sandten, so lag diesem Tun zweifellos die Absicht zu Grunde, der blitzschleudernden Gottheit klar zu machen, daß man mit bewehrter Hand solcher Feindselig keit zu begegnen misse. In anderer Weise suchte der Kaiser Tiberius die Himm« lischen von einer Schädigung seiner Person abzuhalten. Er pflegte nämlich bei aufziehendem Wetter sein Haupt stets mit einem Lorbeerkranze zu schmücken. Dieses wohl, um die Götter daraus aufmerksam zu machen, daß er im Grunde einer de« ihrigen, und daher zu schonen sei. Der römische Plebs freilich, der sich solcher hohen Vetternschaft nicht rühmen konnte, hielt es für erstrebenswerter, wenn eben möglich, unter ein Seehunds fell zu kriechen, da der ehemalige Eigentümer dieser natürlichen Bekleidung ebenso wie der die Donnerkeile Jupiters tragend» Adler für blitzgefeit galt. Einen tieferen Einblick in das Wesen der Elektrizität sollen die alten Aegypter gehabt hoben. Es wird behauptet, daß die den Tempeleingang flankierenden, konischen Türme, oder Pylonen, Ausfangstangen nach Art von Blitzableitern ge- ragen und so die Ausgabe erfüllt hätten, das Gotteshaus vorm Wetterstrahl zu schützen. Ob und inwieweit das zutrifft, ist unsicher. Ebenso fraglich ist es, ob man sich nicht irrte, wenn man an den Pylonen sogar Spuren von ehemaligen Erdleitun gen bemerkt haben wollte. Es ist öfter schon beobachtet worden, daß der unbewußt wirkende Wunsch eines Forschers, etwas zu irrigen Urteilen führte. Aegypten und China, das sind bekannt lich die beide» uralten Kulturpunkte, denen man gern als Alt bekanntes zuschrcibt, was uns als Neuheit erscheint. Aus dem Mittelalter wissen wir bestimmt, daß man im Reiche Karls des Großen aus den Feldern hohe Stangen er richtete, um die Hagelböe, die regelmäßig mit Gewitterbildung in naher Beziehung steht, unschädlich zu machen. Der Kaiser verbot dieses als abergläubisch und heidnisch. Denselben Blitz schutz, freilich in verbesserter Form, treffen wir etwa zwei Jahr hunderte später wieder. Damals empfahl nämlich Papst 2 il - vester II., der große Mechaniker und Physiker aus Petri Stuhl, der nicht nur eine schlagende Uhr baute, sondern auch die „Sonnenringe" genannten, in der Tasche mitsührbaren „Ta- schensonnenuhren" erfand, zur Blitzabwehr hohe mit Eisenspitzen versehenen Pfähle aufzustcllen. Damit hat dieser Tiaralräger eigentlich als Erfinder des ersten brauchbaren Blitzableiters zu gelten Sein Ratschlag ist allerdings kaum befolgt worden, denn die Geschichte berichtet nichts darüber. Sehr beliebt war dagegen das Wetterläuten, eine verein zelt noch hier und da übliche Sitte, die heute im allgemeinen als gefahrdrohende Unsitte angesprochen wird. Es ist zivar richtig, daß starker Glockenklang, ähnlich wie Kanonendonner, unter Umstände» die elektrisch geladenen Wolken verteilen kann, aber die eine solche Erschütterung der Luft verursachen den Glocken müssen von riesenhaftem Ausmaß sein. Wahr scheinlich ist es, daß infolge des leitenden Luftzuges der Blitz der nahen Wetterwolke in das Glockenmetall fährt oder den ragenden Turm trifft. Uebrigens entsprang das Wetierläuten mehr der frommen Ueberzeugung, die teuflischen Dämonen der Lust durch den Schall des geweihten Erzes scheuchen und bannen zu können, ähnlich wie der Schein der geweihten Kerze, die in wetterdunkler Stube die Handpistole des vorbetenden Mütter chens beleuchtet, und das alles Unholde abhaltende Zeichen des heiligen Kreuzes das beim fallenden Blitz, Gottes Schutz ge während, über Stirn, Brust und Schultern gleitet. — Dom Lebensalier im Tierreich „Unser Leben mähret siebzig Jahr, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahr, und wenn's köstlich gewesen ist. so ist's Mühe und Arbeit gewesen." So sagte der Psalmist und er hat nur allzu recht. In vielen Fällen reißt der Lebenssaden ab, ehe noch die Jahre erfüllt sind, von denen er spricht. Der Mensch, der die Krone der Schöpfung ist, bringt nur wenig Talent mit für die schöne Kunst der Langlebigkeit und muß es sich gesallen lassen, sich in ihr von einer ganzen Reihe von weit niedriger stehenden Lebewesen übertrefsen zu lassen. An ihrer Spitze marschiert, wenn man so sagen dars, dst Schildkröte, die cs unter günstigen Umstanden aus 306 bis 400 Jahre bringt. Im Jahre 1900 beschloß im Zoologischen Garten von London eine Schildkröte ihr Leben, das, wie ein wandfrei verbürgt ist, volle WO Jahre gedauert hatte. Man muß sich vorstellen, was das heißt; sie erblickte das Licht der Well zur Zeit Heinrichs VHI. und war bereits 100 Jahre alt, als Cromwell das Gesicht der Welt veränderte. Als der KrimKricg ausbrach, war sie bereits 300 Jahre alt, und wenn sie nur noch neun Jahre länger gelebt hätte, hätte sie den Beginn des Welt. Krieges gesehen. Der Schildkröte äm nächsten kommt das Krokodi l. In seinen heimischen Iagdgründen erreicht es nicht selten eine Lebensdauer von 300 Jahren In der Gefangenschaft dagegen wird es niemals so alt. Der Elefant, der außerordentlich lange Zeit braucht, um sich zu entwickeln, stirbt jedoch trotzdem ver. hältnismätzig bald. Er wird im allgemeinen nur wenig ältei als der Mensch und nur ausnahmsweise kommt er über hundert Jahre hinaus. Unter den Vögeln sind am langlebigsten der Schwan, dei Adler und die Krähe. Die beiden ersten werden mituntei 200 Jahre alt. Der Reiher, der früher als der langlebigst« Vogel galt erreicht tatsächlich nur ein Durchschnittsalter von 60 Jahren. Dasselbe gilt vom Papagei. Die Erzählungen von Papageien, die es auf mehrere hundert Jahre gebracht haben sollen, gehören ausnahmslos in das Reich der Fabel. Als irrst hat sich auch die Annahme herausgestellt, daß die Kröte zu den besonders langlebigen Tieren gehört. Die Kommilitonin Roman von IgnaMaria. <26. Fortsetzung.) Also fuhren Josefa und Heinz in den prächtigen Maien tag. „Hast du dich entschlossen, Josefa?" fragte ihr Begleiter. „Ich glaube, du nimmst unfern Vorschlag an. Durch meine Ver bindungen hoffe ich dir eine passende Wohnung verschossen zu können. Nun sind wir doch zusammengekommen!" lachte er. „Das Zukunstsbild, daß ich dir immer wieder ausmalte, um dich damit zu gewinnen, verwirklicht sich. Wenn auch nicht ganz, wie ich es wünschte." „Kein Wunsch wird so erfüllt, wie wir ihn erträumten, Heinz! Weil unsere Wünsche meistens das Maß dessen über steigen, was uns Menschen zuträglich ist." „Du könntest bei Rabindranath Tagore in die Schule ge gangen sein!" scherzte Heinz. „Ueberhaupt, ich muß dir sagen, du bist zu weltweise, zu abgeklärt, über allem erhaben. Mach' doch bloß mal einen dummen Streich, damit man merkt, daß du noch >ung bist!" Josefa lachte hell auf. „Ich dachte, ich hätte genügend Dummheiten gemacht. Mehr als mir lieb sind. Uebrigens, zu einer Aerztin, die dumme Streiche macht, würde ivohl kaum jemand Zutrauen haben." „Na, du übertreibst mol wieder nach Frauenart." „Oho! Ich bemühe mich nur, konseuent zu sein." In Kastell stiegen sie aus und nahmen den Weg über die große Rheinbrücke. Die Rheinwellen glitzerten im Sonnenschein, lustig flatterten die vielen bunten Wimpel der Dampfer, die den Rhein belebten. Elektrische Straßenbahnen klingelten vorüber, Autos hupten, Radfahrer flitzten vorbei, und die sommerlich gekleideten Brllckengänger lachten und scherzten. „Wir werden mit einer Rheintour den Erholungsaufent halt beschließen Am besten, wir schauen in Mainz an der Dampferanlegestelle nach wie die Dampfer verkehren. Du bist doch dabei?" „Natürlich mache ich mit," stimmt Josefa lebhaft zu, „eine Dampferfahrt im Mai, gibt's etwas Schöneres?^ ^ ' ' An der Dampferanlegestelle herrschte reger Verkehr; man wartete aus die Abfahrt des Kölner Schnelldampfers. Heinz Kragh erkundigte sich nach den Fahrzeiten, indessen Josefa die Neisegäste betrachtete. Endlich schlingerte der Dampfer der Anlegestelle zu. die Reisenden strömten über den Laufsteg auf das Schiff. Blitzsauber war der Dampfer, die kleinen Kajüttenfenster glänzten. Vereinzelt noch kamen Reisende zum Landungssteg, alle ln beschwingter Eile, fröhlich in Erwartung der schönen Fahrt. Iosesa schleirderte langsam am User entlang. Als sie eben Umschau halten wollte nach Heinz, der für ihr Empfinden zu lange ausblieb, stieß sie beinahe mit einem hochgewachsenen Herrn zusammen, dessen graublaue spöttische Augen sie — ach! so gut kannte. > „Joachim!" Josefa fühlte, wie alles Blut ihres Körpers zum Herzen strömte, und ob sie gleich den Namen nur denken wollte, der Mund hatte ihn ausgerufen. Joachim Therdt blieb wie angewurzelt stehen. „Josefa?!" In ungläubigem Staunen und dann wie die Bestätigung der eigenen Fassungslosigkeit: „Iosesa!" Die Kommilitonin. Mit einem verlegenen und doch so lieben Lächeln streckte Iosesa die Hand aus. „Grüß Gott, Joachim. Du willst verreisen?" Joachim Therdt hielt die kleine Hand in der seinen. „Josefa, welch unerwartetes Zusammentreffen! Fährst du ustt? Wohnst du hier?" „Ich bin in Wiesbaden zur Erholung, Familie Kragh eben falls. Mit Heinz fuhr ich hierher, um Mainz kennen zu lernen. Und du?" „Ich fahre zu einem Aerztetag nach Köln, danach mache Ich einen Abstecher ins Nahetal bis nach Pfingsten. Aber ich ver gaß: herzlichen Glückwunsch, liebe Kollegin! Josefa, du hast eine Doktorarbeit geschrieben, die mich mit Freude und Hoch- ac^tun^ erfüllt. Nun hast du dein Ziel erreicht, nun bist du »Ja!" sagte Josefa, aber de, Freudenschein erlosch in ihr«, Augen, weil ihr verz den Nachlaß wachte: Das Glück ist mit Schmerzen und Leid erkauft. Diesmal verriet der vorschnelle Mund das Geheimnis nicht. Die Schiffsglocke gellte. Joachim Therdt schrak auf. Wi< schade, daß du nicht mitfährst, leider kann ich nicht absagen Vielleicht auf der Rückreise in Wiesbaden, wenn du noch iibei Pfingsten bleibst." Ein letzter, fester Händedruck, Joachim Therdt eilte übe: den Landungssteg auf den Dampfer, der alle Anstalten zur Ab fahrt machte. Josefa stand am Ufer und winkte, bis der Dampfer ast formloses Etwas stromabwärts trieb und Joachims Grüße »ich mehr erkennbar ivaren. Heinz wartete geduldig, was Josefa nun beginnen werde Das Wiedersehen mit Joachim Therdt hatte sie mehr ergriffen als sie sich eingestehen wollte. So markierte er ebenfalls ein brennendes Interesse für die hurtigen, golddurchslirrtcn Rheim wetten und störte Josefa mit keiner weiteren Frage. Die Spaziergänger betrachteten erstaunt das schweigend« Paar, das unverwandt auf den Rhein starrte. Ob sie den Schnell. Kämpfer versäumt und sich darob erzürnt hatten? Ueber Josefa Frcnsscns Wangen rollte langsam eine hell« Träne, die in dem gelblichen Tüllgeriesel ihres Sommerkleide« versank, und der ersten folgten weitere und feuchtete» die bi, da tadellose Frische ihres Sommerstaates. So stand die Dr med. Josefa Frenssen, bestrahlt von der lieblichen Maiensonng ohne die Hand zu heben, um den rinnenden Tropfen Einhalt zr tun. Sie hatte Heinz, Dampferanlegestelle und Gegenwart ver gessen, sie sah weder die vorüberfahrenden Schisse, noch hörte si« das lustige Plätschern der Wellen, die init klingendem Ton ar die Kaimauer schlugen. Sie fühlte Joachims Augen mit war mem, frohem Glanze auf sich ruhen. Sie hörte sein ungläubig glückliches „Iosesa —!" Bis plötzlich ein kleiner Bengel mit seinem barfüßige» Kameraden neugierig zu Josefa aufschielte und Im Brustton tief ster Ueberzeugung sagte: „Hoiner, ich glaab, die Fraa is gepickll Die guckt lauter Löcher in die Luft!" lFortsetzung folgt.)
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