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Donnerstag, den S. Juli 1S2S Nr. ISS. Seit« « UW« Mlltt W die IW« »WWW Jeigners Begnadigung Dresden, 8. Juli In der gestrigen Landtagssitzung schlug zunächst Präsi dent Winkler dem Hause vor, die kommunistischen und so zialistischen Anträge aus Auslösung des Landtages noch aus die heutige Tagesordnung zu setzen. Dagegen erhob sich lebhafter Widerspruch. Das Haus beschloß, zunächst den Staatshaushalt zu erledigen und die Auflösungsanträge in einer weiteren Sit zung zu behandeln. Mit der Beratung des Kapitels Polizei wurden ein kommunistischer Antrag auf Entfernung der Polizei von Limdach, ein weiterer Antrag auf Amtsenthebung des Po lizeipräsidenten Kühn, sowie betreffend die Zustände bei der Landespolizei in Chemnitz verbunden. Nach der Begründung der Anträge durch den Abgeordneten Renner (Kam.) nahm der Minister des Inner» Müller das Wort. Er beries sich zunächst aus die Ausführungen des Landtagspräsidcnten über die Wafsensunde in Pirna und sagte, die Kommunisten hätten nur den Ehrgeiz, ein illegales Dasein zu fristen und versuchten, in seder Weise, die gesetzliche Form zu umgehen. Als Beispiel führte der Minister den Vertrieb verbo tener Druckschriften an. Weiter sei er unterrichtet darüber, dah die Kommunisten eine Reihe von Abteilungen geschaffen hätten, die sich mit einem erneuten Umsturz besatzten. Den militärischen Dienst versehe eine illegale Abteilung, nämlich der sogenannte Ordnungsdienst, der sich aus den verbotenen früheren Hundert schaften zusammensetzte, und eine legale Abteilung, nämlich der Frontkämpferbund. Nach weiterer Aussprache wurde ein volksparteiliÄM An trag betreffend Berbot des Zutritts Jugendlicher unter 17 Jah ren zu öffentlichen Schankstätten usw. angenommen. Im übri gen wurden die sämtlichen kommunistischen Anträge abgelchnt und da«Kapitel Polizei angenommen. In sofortiger Schlutzberatung wurde sodann die Regie rungsvorlage betreffend Gewährung eines Darlchns von einer Million Mark an das notleidende Hausgewerbe im Gebirge angenommen. Abg. Noack (D. Vp.) berichtete für den Nechtsausschuß ausführlich über den Gesetzentwurf betreffend die Errichtung einer sächsischen Pfandbriefanstalt für Industrie und Handel. Die Abänderungsanträge des Rechtsausschusses wur den gegen die Stimmen der Kommunisten angenommen, ebenso die ganze Borlage unter Ablehnung der Minderheitsanträge. Zu Mitgliedern des Verwaltungsrates der Pfandbriesan- stalt seitens des Landtages wurden gewählt die Abg. Völkel (Soz.), Beutler (Dnat.) und Dehne (Dem.) — Ferner fanden die Anträge der Mehrheit des Haushaltsausschusses B betreffend Nachzahlung von Tariflohn an die beim Bau der Bobsleighbahn in Geising beschäftigt gewesenen Erwerbslosen Annahme. Mit der Beratung des Iustizetats verbunden wurden die von den Kommunisten und Linkssozialisten eingebrachte» A m - nestieanträge. Nachdem die Abgg. Sievert und Liebe rasch (Kom.) Anfragen betreffend Bergistungserscheinungcn in der Gefangenenanstalt am Münchner Platz begründet hatten, ergriff Iustizininister Dr. Bünger das Wort und teilte zunächst mit, daß das Justizministerium be schlossen habe, den früheren Ministerpräsidenten Zeigncr be ding t z u begnadigen und Ende August aus freien Fuß zu setzen. Zeigner habe damit die Hälfte seiner Strafzeit verbüßt. Er betone ausdrücklich, das; diese Begnadigung mit dem Amne- stieantrage der Abgeordneten Arzt und Genossen nicht Zusam menhänge. Sie sei bereits seit längerer Zeit geplant gewesen. Der Minister kam dann auf den Entscheid der Tisziplinarkam- mcr in der Angelegenheit Zeigner zu sprechen und teilte mit. daß Zeigner sich nicht nur der Zucht und Ordnung der Keiango- nenanltalt während seiner Strafzeit untergeordnet, sondern auch begonnen habe, ein neues Leben aufznbauen, so daß Aussicht be stehe, daß er seine Familie ernähren könne, auch wenn ihm seine Pension nicht mehr gezahlt werde. Den Erlaß einer Landesamnestie lehnte der Mini st er ab. Nach längerer Aussprache wurde der Instizctat gegen die Stimmen der Kommunisten und Linkssozialistcn angenommen. Nachts 1H11 Uhr wurde die Sitzung abgebrochen und die Weiter beratung der Tagesordnung auf heute Mittwoch vertagt. Thürinqer Lan-lagsausschuft Weimar, 8. Juli. Der Haushaltungsausschuß des Thürin gischen Landtages, der gestern nach kurzer Ruhepause seine Ar beiten wieder aufnahm, beschloß, da sich die Völkische Fraktion in zwei Fraktionen gespalten hat und dementsprechend -die Zahl der Sitze in den Ausschüssen durch den Landtag erweitert werden muß. feine Sitzungen bis nach Zusammentritt des Landtages (13. Juli) auszusetzen. Lediglich ein Beschluß wurde vorläufig ge faßt. und zwar soll das neue Thüringische Vcrmcssungsamt sei nen Sitz In Weimar erhalten. Das dazu ausersehene Gebäud« wurde vom Ausschuß besichtigt. Tagesneuigkeilen Die Sinfturzkalaftrophe in Boston Boston- 8. Jul>. 300 Hilssmannschasten arbeiten ununter brochen, um die Opfer der E i n st u r z ka ta st r o p y r z„ bergen. T>e Unglücksstätte selbst bietet ein Bild des ArauenS. S'^ ist ein einziger Trümmerhaufen von verbogene» Stahl trägern, zersplittertem Holz und Mauersteinen. Die Opfer wurden meist in Gruppen zu zwei und drei aufgefunden, und zwar in einer Haltung, die deutlich zeigt, daß der Einsturz mit rasender Geschwindigkeit erfolgt ,ein muß. Einen grauenvollen Eindruck gewährt eine Gruppe von vier Männern in einem Ver schlag neben einen, Tanzsaal, um einen Tisch hernmkihend, die nicht einmal soviel Zeit hatten, auszuspringe«, als der Saal «in- stürzte. Auf dem Ttzch fand man, merkwürdigerweise unveriehrt, eine ungeöffnete Flasche mit alkoholischem Getränk. Nach de, letzten Berichten beläuft sich die Zahl der am Festtage der Unal- hängigkeitsfeier verunglückten isärsone» auf 250 Tote und 400 Verletzte. Allerlei Brände Gottleuba, 8. Juli. Gestern mittag entstand in dem zu den Bezirksanstalten Pirna gehörigen Kinderversorghause, in dem 120 Waisenkinder untergebracht sind, aus bisher unaufgeklärter Ursache plötzlich Großseuer. Die sofort herbeigcrufenen Feuerwehren von Gottleuba, Pirna und den umliegenden Ort schaften mußten sich darauf beschränken, die unteren Geschosse zu schützen, während der Dachstuhl, in dem das Feuer ausgekommen war, vollständig niedcrbrannte. Menschenleben sind nicht zu Schaden gekommen. Die Waisenkinder wurden vorläufig in der Heilstätte der Landesvcrsicherungsanstalt Sachsen untergebracht. Lübeck, 8. Juli. In der Brennerei der Branerc i„V uni« K n h^ entstand Großseuer, durch das ein Ziegeleigcbäude vernich tet wurde. Es entwickelte sich ein ungeheurer Funkeuslug, wo durch dl« umstehenden Gebäude stark gefährdet wurden. Karlsruhe» 8. Juli. Die Seidenspinnerei Zimmer- lln, Forcart u. Co., in Zell im Wiesenthal wurde von einem schweren Brand heimgesucht. Di« Materialvorräie sind dem Feuer um Opfer gefalle», auch die Bureauräumlichkeiten sind in Mit- eideiischaft gezogen. Numkuirg. 8. Jul«. Infolge einer Explosion ist in der Gla 8- sabrik Annahütts der Firma Brüder Hantschke in Plotten dorf hei Haida ei» Brand anSgebcochen, dem die ganze Fabrik m'-i allen Nebengebäuden zum Opfer siel. Zahlreiche Arbeiter sind dadurch brotlos geworden. Die Verhaftung des Doberzeller Mörders Kahl Dresden, 8. Juli. Die Nachricht von der Festnahme des Mörders Kahl in Stettin hat sich bestätigt. Kahl ist Montag durch Beamte der hiesigen Kriminalpolizei nach hier gebracht worden. Er ist g e st ä n d ig. Durch Abänderung seiner Papiere ist es ihm möglich gewesen, sich der Festnahme bisher zu entzie hen. Unter dem falschen Namen hat er verschiedentlich Arbeit genommen. An der letzten Arbeitsstelle aber, wo er als Knecht tätig war, ist er auf Grund der Personenbeschreibung und des Bildes, das dem Ausschreiben und dem Plakat beigesügt mar, er kannt worden. Von besonderer Bedeutung sür die Möglichkeit der Festnahme Kohls ist es daher gewesen, daß es der Dresdner Kriminalpolizei geglückt war, für die Veröffentlichung geeignete Lichtbilder des Mörders zu beschaffen. Inwieweit Kahl noch zu anderen Straftaten in Frage kommt, bedarf noch der Erörterung. Fest steht, daß er eine ganze Reihe Einbrüche in Sachsen began gen hat. -f Eisenbahnunglück. Ein Eisenbahnunglück, das leicht die schwersten Folgen hatte haben können, ereignete sich Sonntag nachts im Bahnhofe Tetschen der tschechischen Staatsbahnstrecke BodenbaclpWarnsdorf. In der Einfahrt im Bahnhof Tetschen a. E. Nordbahnhof fuhr der stark besetzte Pcrsonenzug 1515 Boden bach—Kamnitz auf eine Garnitur stehender Güterwagen. Durch den Anprall wurden die Maschine und einige Wagen beschädigt und der Personenzug zerrissen. Wie das Bahnamt bekanntgibt, wurden vier Personen schwer verletzt ins Krankenhaus Tet schen gebracht, während sich 21 weitere als leicht verletzt melde ten. Die Ursache soll In der Verstopfung des Bahnhofes durch die Verspätungen liegen, tatsächlich war und sollte auch nur das eine Gleis frei sein. 1' Verurteilung eine- Landesverräters. Der 4. Strafsenat ws Reichsgerichts verhandelte unter Ausschluß der Oeffentlbch- iett gegen Ken Ingenieur Wilhelm Sch in i e beb e r g ans Stettin wegen Landesverrats. Schmiedeberg, der bei einer Siett>ner Firma beschäftigt war, hat Zeichnungen und Schrist- jtiicke, die im Interesse des Staates geheimgehalten werden muß ten, feind-lichen Mächten ausgeliesert und andere wichtige Akten auszu-liefer,, versucht. Das Gericht verurteilte ihn zu rweiemhalb Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrenrechtsverlnst. Ska-lrichler und Abbe Eine helmatgeschichtliche Erzählung aus den ersten J-chren der Republik Schirgiswalde. Von Franz Rösler. (21. Fortsetzung.) Verraucht war der Groll des Stadtrichters. Jetzt empfand tr Stolz über die Tat seines Freundes und seiner Schirgiswalder. Der Abbö empfing den Stadtrichter mit höflicher Bescheidenheit. Der Frachter aber dankte ihm tränenden Auges. Er nötigte auch den Knaben, seinem Retter dank zu sagen. Lange saßen die Männer beisammen. Der Frachter hatte die achten Worte ge funden, als er immer und immer das Verhalten der Schirgis- ivalder lobend hervorhob. Der Stadtrichter ließ ihm nicht eher Ruh, bis er ihm zusagte, den Knaben solange In die Obhut seiner Frau zu geben, bis er wieder abreise. Als der Frachter äußerte er müsse nun aber nach seinen Waren sehen, denn er fürchte, es möchte ihm einiges gestohlen worden sein, klopfte ihm der Stadtrichter aus die Schulter und sagte: Habt keine Sorgen, Herr Fuhrmann, denn das ivar der Name des Frachters, ich sage gut für alles: In Schirgiswalde stiehlt keiner etwas." Wieder fuhren die Köpfe der Leute an die Fenster, als der Stadtrichter mit dem fremden Knaben seinem Hause Zuschnitt Der kleine Schack hatte sofort Zutrauen zu ihm gefaßt und ließ sich willig führen. „Er hinkt," sagten die Leute, als sie den Stadtrichter mit dem Knaben voriilwrgehen sahen. „Es wird wohl von dem Sturze sein." Hätte Herr Adam Reime gehört, was sie noch sprachen und wie sehr sie ihn lobten, well er sich des fremden Knaben annahm, so würde er sich wohl sehr geschmeichelt gefühlt haben. Frau Magdaleue hatte große Freude, als ihr Herr Adi den Knaben zuführt«. Liebevoll nahm sie sich des Kindes an, und der kleine Schack war gar nicht schüchtern und blieb gern bei der guten Frau. Am Nachmittag wollte der Frachter selber kommen und auch der Abbö hatte seinen Besuch an-gekiindigt. Der Frachter und sein Enkel. Zur bestimmten Stunde fanden sich der Frachter und der Abbö ein. Der kleine Schack war so lustig, daß aller Augen freudig glänzten. Mit Inniger Rührung sah der Fuhrherr, wie die Frau Stadtrichter das Herz des Knaben gewonnen hatte; er ging ihr nicht von der Seite. Nachdem der Unglücksfall aus giebig besprochen worden ivar. wurde der Frachter genötigt, von seiner Herkunft und dem Schicksal des Knaben zu berichten. Schießerei mit Schmugglern. In der Nacht vom Montag zum Dienstag kam es in der Nähe von Lichtenbusch an der deutsch-belgischen Grenze zu einem Kampfe zwischen Zollbeamten und Schmugglern. Die Beamten machten von der Waffe Ge brauch, da die Schmuggler auf Anruf nicht stehen blieben. Ein Zollbeamter kam in die Schußlinie seiner Kameraden und erlitt einen Lungenschuß, der ihn lebensgefährlich verletzte. Es gelang schließlich, einen der Schmuggler festzunehmen, während die an deren entkamen. -f Der Todestag des hl. Franziskus von Assisi italienischer Nationalfeiertag. Der Ministerrat l)at einen Gcsetzcsoor-schlag an genommen, wonach der 4. Oktober 1926, der 760. Jahrestag des Todes des hl. Franziskus von Assisi, als Nationalfeiertag er klärt wird. -f Schwerer Ernteschaden in Ungarn, lieber einen Teil des Kommitats Szatmar ist ein furchtbares Unwetter mit Hogeischlag niedergegangen, wodurch 80 Prozent der Ernte vernichtet wur den. -f Mordprozeß Lederer. Im Prozeß gegen Frau Lederer, die Gattin des Mörders Kodelkas, l)«t der Staatsamvalt gegen die Angeklagte die Todesstrafe beantragt. -f Großseuer in Glasgow. Durch ein Großseuer wurde die berühmte Kelvin-Hall, das Ausstellungsgebäude der Stadt Glas gow (Schottland) zerstört, dag sich über mehrere Häuserblocks erstreckt. Ferner brannte eine Kirche vollständig aus. Mehrere Häuserblocks in dem Arbeitermohnbezirk wurden einacäschert. Das Feuer konnte bisher noch nicht gelöscht werden. Menschen leben sind nicht zu beklagen. Don -eri Kochschuren -s- Jahihiinüctseier „er Technischen Hochschule Karlsruhe. Im Herbst d. I. n»cd die Technische Hochschule Karlsruhe die Feier «bres hundertjährigen Bestehens festlich bcgefen. Für die Jubilä umsfeier, die vom 29. bis 31. Oktober staiffindet, sind neben an- be>en Veranstaltungen ei» offizieller Festakt, die Einweihungen eines GesMenendenkmcils, des von den deutschen Poysikcr» ge- Er hatte gar viel zu erzählen, der alte Frachter, denn er war ein weitgereister Mann und wohnte in der Stadt Frank furt am Alain Aber die Frau des Stadtrichters duldete es nicht, daß die heißbegehrte Erzählung begann, bevor das Mahl, das sie bereitet hatte, eingenommen wurde. Die Gäste ließen es sich also mohlschmecken. Nachdem sich alle gesättigt hatten, »ahm der Frachter das Wort. In Frankfurt bin ich jetzt baheim und betreibe mein Fuhr- geschäst. Weithin silhri mich mein Wagen, bald nach dem Ost seestrande, in die Städte Bremen und Hamburg, bald nach Berlin und Magdeburg. Auch in München und Nürnberg, in Leipzig und Hatte ivar ich. Mein? lieb« Ehefrau ist längst tot. Im Elsaß, in Colmar, unser Heimat, liegt sie begraben. Meine Tochter, unser einziges Kind, zog mit mir nach Frankfurt. Hier lcrnie sie ein braver Bursche kennen und lieben. Die beiden wurden ein Paar. Mein Schwiegersohn war ein Schlosser meister. Sein Geschäft ging gut. Fleißig und geschickt, fehlte es ihm nicht an guter Kundschaft. Groß war das Glück, als unser kleiner Schack auf die Welt kam. Wir alle kümmerten uns nicht um die französischen Soldaten, die im Jahre 1805 und 1800 in Frankfurt einzogcn. Nun hatte mein Schwiegersohn einst auf einem Dorfe auswärts eine größere Arbeit. Ich mar nicht zu Hause, sondern befand mich mit meinen beiden Wagen auf einer Fahrt nach Leipzig. Als ich heimkam, was das Un glück geschehen. Meine arme Tochter wälzte sich im hitzigen Fieber. Gute Nachbarsleute pflegten sie. Und daneben, o Schreck, lag in einem Bettchcn unser Liebling, der kleine Schack. Die Mutter kannte weder mich noch ihren Scl>ack. Was ist geschehen? Wo ist Paul, mein Schwiegersohn? O, es war nicht einmal Zeit, Aufklärung zu bekommen. Laut schrie mein armes Kind auf und sank mit einem Seufzer zurück. Sie war tot." Der Fuhrmann hielt inne mit seiner Rede. Er fuhr sich mit seinem Tuche über die feuchten Augen. Leise tickte die Uhr. Da legte sich eine Hand leise um seine Schulter. Der Abbö war es. Mit milder Stimme sagte er: „Armer Baker!" „Wie schrecklich," klagte Frau Magdalene und nahm den Knaben fest in den Arm. Nach einer Paule fuhr der Fuhrherr fort: „Wir haben sie begraben, die Mutter. Ich wußte bis dahin noch nicht, was vorgegangen war. Nur wo mein Schwiegersohn war, da» hatte ich mir sagen lassen: „In Frankreich gefangen". Mehr begehrte ich nicht zu wissen. Der Kopf war mir voll. Nach dem Begräbnis erfuhr ich alle». Der Baker de» Knaben war vor drei Tagen auswärts gewesen. Während dieser Zeit hakte meine Tochter eine Besorgung in der Stadt. Sie hatte den Knaben mitgenommen und ging durch eine Parkanlage hcim- stistkten Herhdeiikma-ls, sowie des Hoch-chulstabions Vorzeichen. Außerdem wird der Hochschule eine Jn-'ilnums-penv», siir die be reits die Sammlungen eing-leiiet sind, überreicht werden. X Professor Otto Lnmmcr 1°. In Breslau starb der Direktor des Physikalischen Instituts der Universität, Geheimer Regie- rungSrat Prof. Dr. Otto Lummer, im Alter von 05 Jahren. Noch vor wenigen Wochen beschäftchten den ansgezeichneien Gelehr ten Studien über elektrisch« Klaviere, Fern'ehen und Rundfunk. Lummers Ruf beruht auf e'nrc Reihe epochemachender experimen teller Arbeiten, die «c zum Teil -unter Anleitung, znm Teil a,s Anregung von seinem Lehrer Helms,oltz ausgesühit hat. N,-»e>!- t-ch hat ihn die Konstruktion des Jntcrslcre.iz-Spektroskops als hcrvorrageiiden Experimentator ge/igt, ebenso wie die Angabe der sogenannten Jnters-erenzringe von p'anparallclen Glasplatten und die Verbesserung von Bunse„s Photometec hervorragend«! Leistungen waren. Lummer war rin« Zeit-lang unter Hel»,holt; an der Physikalisch-Technischen Neichsanstalt, dann bei Abbe in Jena tätig, vertrat Deutschland auf dem Internationalen Elektciker- songreß in Chicago 1893 und wurde 1904 Ordinarius in Breslau. Hier beschäftigten ihn besonders Themen aus der Optik und Wärmelehre. Außerhalb der engeren Fachkreise ist er durch eine populäre Schrift über die Ziele der Lenchitcchnik belnnnt geworden. f Professor Tr. HanS F. Helmolt 60 Jahre alt. Profeisoc Tr HanS F. Helmolt, einer der brkanntest-e-u und geachtetsten deutschen Historiker, begeht am 8 Juli die'es JahceS 'einen 60. Geburtstag. Oieboren 1865 in Dresden, studierte er an den Universitäten Leipzig und Bonn. 12 Jahre wirkt« er in der Redaktion des Bibliographischen Instituts Leipzig. Später war er Redakteur in Dresden und München, Chefredakteur der Wei-er- Zeiiung in Bremen und der Fra iksnrter Nachrichten in Frankfurt am Main. Seit 1923 gehört er dem Redaktwilsverband des „Ber liner Westen" in verantwortlicher politischer Position an. T«c Jubilar ist Mitglied der Historischen Ge-etlichaft in Berlin, d«: Gesellschaft für Erdkunde >n Berlin, des Historischen Vereins für Niedersach-cii in Hannvvec nsto.; der Orientalische,, Geselliliast >n München geyört er als korrespondierendes Mitglied an. Helinolt bsickl an; ein reiches geschichtswiisenschaftliches Schasse» >,,rück. durch das er sich weithin größte Achtung errungen hat. wärts. Auf einer Bank ruhte sie sich aus. Schack sprang der weil umher. Da nahten sich zwei sranzösische Soldaten. Mein« Tochter war eine ausfallend schöne Frau. Der eine Soldat, ei» Sergeant, belästigte meine Tochter. Sie stieß ihn zurück. De geschah das Schreckliche. Sie taten ihr Gewalt an. und als der Knabe dazuknm, zerrten ihn die Soldaten so roh zurück, das er über eine Mauer fiel und mit gebrochenem Beine liegen diielo So hat man Mutter und Kind gefunden. Als mein Sohn heini kam, geriet er in Wut. Er lies zur französischen Wache, sagte dem Offizier die Schandtat und verging sich in harter Red« gegen die Uebcltäter.' " „Solche Halunken," knirschte der Stadtrichter. „Ach, in seiner Wut sagte er wohl zu viel. Er beschimpft« auch den Kaiser, der solcljes wohl nicht wollte. Da nahm man ihn fest und schaffte ihn nach Frankreich. Ich habe ihn nik wieder gesehen. Was habe ich alles schon »ersucht! Vergebens vergebens! Und daheim? Der Knabe blieb lahm, bis aus der heutigen Tag. Und wird es bleiben. Am liebsten wäre auch ich zur Wache gegangen und hätte meine Meinung gesagt. Abei ivas sollte dann aus Schack werden, wenn man auch mich ge fangen setzte? Ich ließ ihn pflegen. Ich mußte wieder fahren, wenn ich leben wollte. Freundliche Leute nahmen sich des Knaben an. Er aber wollte nicht von meiner Seite. Da nahm ich ihn mit. Und so habe ich ihn auch mit in diese Stadt gebracht." Teilnahmsvoll blickten die Männer auf den Fremden. Endlich nahm der Siadtrichter das Wart: „Habt Ihr denn gar nichts von Eurem Sohn erfahren?" „Nur so viel, das; er unter die Soldaten gesteckt wurde und mit nach Spanien ziehen mußte." Ein langes Schweigen entstand. Der Abbö fand zuerst das Wort. Er sprach: „So ist der arme Kleine heimatlos wie ich. Laßt ihn bst mir. Ich will ihn pflegen." „Nein, das nicht, Jean!" warf der Stadtrichter ein. Er war ärgerlich, daß ihm der Abbö zuvorgekommcn war. „Bei mir Kann er bleiben. Herr Fuhrmann, schlagen Sic ein!" Traurig schüttelte dieser das Haupt. „Herzlichen Dank, ihr guten Leute. Ich kann nicht ohne ihn sein. Ich will ihn wieder mit mir nehnicn. Vielleich! lebt sein Batcr nach und kommt einst wieder. Vielleicht", setzte er hoffnungslos hinzu. Es wollte keine rechte Stimmung mehr auskommen. Erliste Gesichter sah man ringsum. Da war cs der Knabe, der das Schweigen löste. Er legie seine Aermchcn um den Hals der Frau Magdalena, küßte si« und sagte: Bleiben wir jetzt immer hier?" iFortseßuna solat.)