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Sächsische Volkszeitung : 09.05.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192505093
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250509
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250509
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-05
- Tag 1925-05-09
-
Monat
1925-05
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 09.05.1925
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kine liMMe Kirche ZW..Ailüllolisklllll" eMÄSW Aus Pirna — Nachklänge zur Reichspriisidentenivahl Etwas ganz Unerhörtes weih der „Pirnaer Anzeiger" voni legren Wahltag seinen Gläubigen aus der katholischen Pfarr kirche „St. Kunigund", Pirna, zu berichten: Diese gottgeweihte Stätte wurde „leider" entweiht zum Agitationslokal für Wahl zwecke! Im Freudenrausch über den Hindenburg-Sieg »ersteigt sich seine Nummer 98 vom 28. April zu der Bemerkung: „Sogar die Herabwürdigung der Kirche zum Agitalionslokal, wie es leider in der Pirnaer katholischen Kirche geschehen ist, hat nicht oersan gen, den gesunden Sinn der Mehrheit des deutschen Boikes nicht zu umnebeln vermocht." Dieser Freudenrausch hat aber ossensichtig irgendeinem sei ner Helfershelfer den gesunden Sinn doch etwas umnebelt, denn wie,Hunderte von Zeugen es bestätigen, wurde die Pirnaer ka tholische Pfarrkirche nicht zum Wahlagitationslokal heradgewür- digt, weder bei der letzten Wahl noch früher. An den Wänden des Psarrgebäudes und der Kaplanei prangten wohl seit Morgengrauen am Wahltag große, shöne Brustbilder von Dr. W. Marx, aber darob wurde „St. Kunigund" noch lange nicht zum Wahlagitationslokal. Ja, diese Bilder ga ben dem Pirnaer Anzeiger durchaus keinen Anlatz auch nur zu irgendwelcher Aufregung. Denn es war ja der Pirnaer Anzei ger. welcher durch seine wochenlange, unwürdige Wahlhetze ge gen den Bolksblock die Wähler Hindenburgs und Iarres' immer wieder ausreizte, so das; diese die Wände desselben Pfarrhauses und derselben Kaplanei wiederholt vor der Wahl mit Iarres- und Hindenburgbildern geschmückt haben. Begeisterte Marx- jünger „lernten" hier nur von der Gefolgschaft des Pirnaer An zeigers. Eifersucht macht blind. Der Pirnaer Anzeiger ist gewiß nicht die einzige Tageszeitung, die in der Erregtheit des Wahl- Kampfes ihre Worte nicht auf die Goldwage legt. Aber wie mutz der Pirnaer Anzeiger die Zugkraft des Namens Dr. Marx sür den Reichsprästdenlenwahlkamps gefürchtet haben, wenn er noch am Wahltage sogar die persönliche Mannesehre des Volksblock- Kanbidaten in blinder Leidenschaft unbedenklich antastete und den Reichskanzler, welcher den wirtschaftlichen Wiederaufstieg unseres Vaterlandes in die Wege leitete, ohne jeden stichhaltigen Beweis als „gescheiterten Staatsmann", „abgewirtschafteten Reichskanzler", „blamierten Ministerprästdenten", „unfähigen" „wortbrüchigen", „neudeutschen Politiker",' „voll Machthunger und Ehrgeiz", als „Jesuiten, dem jedes Mittel gut ist", der „den christlichen Glauben verrät", und wie all die Ehrentitel heißen, vor der Oeffentlichkeit in den Schmutz zog, mit der widerlichen Absicht, in den Köpfen urteilsloser Wähler, ein abstoßendes, be wußt — verzerrtes Marxbilb zu befestigen . .. eine des Pirnaer Anzeigers höchst würdige KampPsweife, von welcher sich auch jede nichtchristliche Lebensanschauung mit Ekel abwendet. Ge gen derartiges Gebaren gab es nur eine Antwort: Auf dem Kirchplatz, beim Zugang zum Gotteshaus am Wahltag soviel als möglich Nummern der „Sächsischen Volkszsitung" den Heimgehen den mitgeben, einer katholischen Tageszeitung, die sich jederzeit grundsätzlich von irgendwelchen unwahren VerdächtiglNiMN poli tischer Gegner sorgfältig freihält. Im Gotteshaus selbst wurden diese Aufklärungsnummern der „Sächsischen Volkszeitung" nicht ausgeteilt, um jeden Einwand eines Mißbrauchs der hl. Stätte zum Wahl-Agitationslokal vorzubeugen. Aber, daß dieselben im Zugang zu seiner Vorhalle den nach Hause Eilenden überreicht wurden, dafür müßte die Vaterlandsliebe des Pirnaer Anzei gers den wackeren Austeilern eigentlich noch ganz besonders herz lichen Dank wissen, weil sie den Mut aufbrachten, für die auch bei der Wahl eines Reichspräsidenten unentbehrliche Wahrheit furchtlos einzutreten, ob auch eine gewisse Presse die Stimmen abgabe für den V olksb lock - Kan dida t e n in wochenlangen An griffen befehdete, ja sogar als ein „Verbreche n" hinstellte. Darin sollte doch wenigstens der Pirnaer Anzeiger einer Meinung mit uns sein, daß auch nicht einmal im Reichspräsiden- ten-WahMampf eine „kräftige Lüge" erlaubt ist, wie sie einst ein bekannter Bolksmann einem Fürsten empfohlen hat: denn der Zweck heiligt eben nie unsittliche Mittel. Oder wäre es wirklich reine Vaterlandsliebe: der Wähler Urteil über die Befähigung ihrer Kandidaten durch bewußte Falschmeldungen wesentlich trüben, und dadurch die Verantwor tung für ein Wahlergebnis auf sich zu nehmen, weiches uuler Umständen für Land und Volk zu katastrophalen Ereignissen führen könnte? Hätte der Pirnaer Anzeiger, als er aus dem Gotteshaus „St. Kunigund" im Siegesrausch flugs ein „Wohlagitationslokal" machte, etwa schon wieder vergessen gehabt, daß er eben nicht lange zuvor noch über „die Lügen im Marxdlock" zeterte, seine Hörigen über „die Schmähungen des Christentums durch die Marx-Wähler" unterhielt, „einen katholischen Sammclrus gegen Marx" veröffentlichte, ja großsprecherisch: „Der Papst gegen die Marxkadidatur" in die Oeffentlichkeit hinausposaunte, und schließlich sich so weit verstieg, auch noch dazu Erlasse deutscher Die Soldaten der Kaiserin Roman von Iuliana von Stockhausen s75. Fortsetzung.) „Wird Kugel nit nach dir fragen, wann sie fliegt." „Könnt! nit leben ohne Väterchen Ianko," sagte still der Marusch. „Wirst schon müssen — alte Bäume fallen!" „Nein!" schrie zornig der Marusch, „bist kein alter Baum, oist mein Väterchen! Ianko, liebster Ianko, mciniger!" Und mit ausbrechender ^Wildheit: „Was soll ich denn auf der Welt vaterseelenallein?"" und packte den Alten an der Brust, „du darfst nie sterben, nie, nie!" „Heilige Jungfrau," bekreuzigte sich der Alte, „Marianka Anuschka, Täubchen meinigcs, wird weiße Lilie Kindchen be- hüten!" „Ianko Väterchen," stöhnte das Kind. Da zog es der Alte an sich, flüsterte leis: „Mutzt zum Kaiser gehn, Kaiser ist gut, Kaiser wird sorgen!" „Der Kaiser," wiederholte Marusch, und träumte mit offe nen Augen. „Horch, was gibt es?" fuhr der Alte auf. Draußen schwoll Lärm und Gelächter. Marusch trat au» dem Zelte. „Der Herr König hat uns Wein und Bier spendiert. Ianko." berichtete er heiter: „und nun wollen sie Csardas tanzen — die Zigeuner sind da." „Alsdann!" Der Alte stand auf. „Sei'n wir lustig. Csardas Is gut — Wein und Bier noch bester!« Grell schrie die Fiedel, das Zymbal lockte darein. » » » „Mein Herr Bruder," der König lächelte, „waren Sic einen Augenblick im Zweifel über den Tod des arme» Peter? Nh. „mon tres cher", die Kolik war nichts anderes als Gift, den Rest besorgte Gregor Orion», und Mütterchen Katharina yat chn herz lich belohnt." ' „Glauben Sire in der Tat, "aß die Zarin den Zaren um- bringen ließ! Ich meine, daß sie es bsfayl?" „Glauben?" Der König hob die Augenbrauen: „Mit dem Glauben ist es eine vage Angelegenheit. Aber ich weiß: Tja, „mon cher." und er schnupfte, „das Täubchen von Anhalt-Zerbst hat sich ausgewachsen." „Sie soll sehr schön sein, die Zarin," träumte Josef. „Deutschland vor Ivo Jahren" ii. Schleiermacher Pros. D. Hupseld sprach über Schleiermachcr aus der Ueber- zeugung heraus, daß Schleiermacher trotz der beginnenden Aech- iung seines theologisch-wissenschaftlichen Werks doch noch viele religiöse Werte zu geben hat, die auch unsere Zeit fördern kön nen. Schleiermacher ist kein schöpferischer Künstler und Dichter gewesen, auch nicht in die Reihe der großen Philosophen zu stel len. Und als Politiker war er kein neuschassender Ideenträger, der etwa mit den Stein und Görres vergleichbar wäre, so stark auch seine national-erzieherische Wirksamkeit als patriotischer Kanzelredner gewesen ist. Und wenn er groß war als theolo gischer Gelehrter und Mann der Kirchenpraxis, so hat er es doch nicht darauf angelegt, das zu sein. Woran ihm lag, das war: als schlichter Prediger und als Universitätslehrer auf unmittelbare lebendige Wirkung auszugehen. Ein Entdecker dieser Welt, nicht Prophet einer erst zu schassenden zu sein, das ist die eigentüm liche Leistung seiner mehr ausnehmenden und reproduzierenden Art, und seine Methode die deskriptive. So können wir von ihm geistig sehen, Welt und Leben tief erfassen lernen. Eine solche Mission erfüllt aber nur der, in dem selbst ein reiches Leben Gestalt gewonnen hat und der dazu vor allem eine ebenso besinnliche wie weltossene Seele mitgebracht. Wir beglei teten de» treuen Schüler der Brüdergemeinde durch seine jugend lichen Entwicklungswege bis zum Eintritt in die Berliner Gesell schaft. Dort erkannte er seine Sendung: diesen kulturell über sättigten „Neichen" das zu geben, was ihnen fehlte, die Religion, die er hatte. Auf feine Weise. Davon mutzte er zeugen und seinen Freunden geben: so entstanden unter anderem die Reden Uber die Religion an die Gebildeten und an ihre Verächter, und 1821 der Nachweis, wie es unmöglich ist, daß irgendein Mensch in irgendeiner Lebensspannc ohne Religion sei. So mar er Entdecker und Erwecker der Religion in einer Zeit, die sie ver kümmern lieh im Nationalismus der Ausklärung, oder zum Aus hang der Moral <bei Kant) oder nur ästhetischen Spielerei machte sin der Romantik). Aber auch dem Gebiete der geistig-sittlichen Kultur hat Schleiermacher seiner Zeit die Augen geöffnet für den Reichtum der Welt. In den Monaten seiner Neujahrsgabe von 1890 hielt er eine bei aller Unaufdringlichkeit im Grunde doch bleibend wertvolle Abrechnung mit der ärmlichen und selbstzufriedenen Aufklärungsethik, letztlich auch der Sache nach mit oew Unfehl barkeitswahn der seelenarmen und überheblichen Kaatschen Pslichtethik, deren Grundsehler bisher eigentlich nur Scheler an der Wurzel und entscheidend getroffen hat. Und gerade Kraft seines unbelrrten und überfeinen Sinnes sür das Recht des Be sonderen und die Heiligkeit des Personalen und Ureigene», die beide die eine Komponente des Lcbcnsgeheimnisses auemachen, konnte Schleiermacher seinen Zeitgenossen auch cie reifere Ana lyse und Darlegung vom Wesen des Gemetnlchajtlichen biete», von dessen intimsten Formen an. in Freundschalt und Ehe. bis hin zum Volkstum und zur nationalen Kuüur. Als national- patriotischer Prediger mag er tiefer gewirkt haben als Fichte durch seine Reden an die Nation, und spezifischer - er glaubte an Preußens Borzugsberusung und höhere Zukunftsausgabeu mehr wie Stein, Fichte und Arndt, sür die Preußen wohl das Land der Rettung ist, aber doch nur eine Möglichkeit für Deutschland. Schleiermacher hat spezifisch pre. ßische Eigenart: die Staatserziehung Friedrichs des Großen wirkte in -hm nach, .und er mar einer der wenigen, die nicht zweifelte», baß Preußen den Weg zur Freiheit wiedersinden würde. Zweifellos aber drang seine nationale Predigt entschiedener, unnachsichtiger und doch gewinnender als selbst bei Fichte auf die inneren Werte, die jedes Volkstum lebensstark und sittlich werthaltig machen: aus Glaube. Treue und Furchtlosigkeit, d. h. Werte, die in aller Ent behrung und Demütigung innerlich reich machen und nicht mehr genommen werden können: bekannte doch selbst ein S ein, an Schleiermachers Schrift über das, was wir fürchten sollen und nicht fürchten dürfen (1807,08). sich auf der Flucht und in der Verbannung aufgerichtet zu haben. Uns Heutigen kann Schleiermacher ein Warner sein in der gegenwärtigen politischen und kulturellen Situation, die sich nach Zeiten positivistischer Ernüchterung und materialistischer Verar mung wieder dem Zauber der Ideen und Allgemeinbegriffe hin zugeben beginnt und in zu herber und radikaler Verdammung alles geschichtlich Gewordenen nur vom Kommenden das Heil er warten möchte. Hier mag er vorbildlich bleiben und in demü tigenden Prüfungszeiten und lahmender Verzweiflungsstimmung den stärkenden Glauben an ein noch »»verwüstetes und ungeho benes geistiges Erbgut und nationales Kulturgut wiedergeben. Wir haben doch ein nationales Erbgut im Unterschied gegen Ro manentum und Russentum und Angelsachsentum. und sollen alle Kraft darcmsetzcn, es aus der Tiefe deutschen Wesens heraus zuheben als Baustoff für eine bessere deutsche Zukunft. Die aus einer geläuterten und höherstehenden Idee des Menschen und der Menschheit lebt! N—r. Bischöfe als Trumph gegen den Bolksblock-Kandddaten auszu- spielen? Nicht mit einem einzigen Wort wunde in der Pfarrkirche zu Pirna für irgend einen Wahlkandidaten geworben, auch nicht für Wilhelm Marx, wie dies Papst und Bischöfe erwarten, die in solchen Kämpfen immer nur die Grundsätze der Wahrheit und Sittlichkeit betonen, aber jede Stellungnahme sür die Wahlkan didaten in ihren dienstamtlichen Aeutzerungen geflissentlich meiden. Und trotzdem erkühnte sich der Pirnaer Anzeiger, amtliche Erlasse dieser höchsten, kirchlichen Behörden als Kronzeugen gegen den Volksblock-Kandidatcn in Anspruch zu nehmen. Die Ant wort der höchsten geistlichen Autorität auf diese Anmaßung konnte nicht ausbleiben. Der Pirnaer Anzeiger und die ihm verwandten Prehorgane haben sie selbst provoziert. Zum Schutze ihres unentbehrlichen höchsten kirchlichen Ansehens haben Papst und Bischöfe gegen solchen Mißbrauch kirchlicher Erlasse mit aller nur möglichen Deutlichkeit Verwahrung eingelegt, ja den Psarr- geistlichen anheimgegebe», diese ihre oberhirtliche Verwahrung gegen derartigen Mißbrauch der kirchlichen Autorität zu Wahl zwecken zur Kenntnis der Gläubigen selbst von der Kanzel im Gotteshaus zu bringen. So geschah es auch am Wahltag und den Sonntag zuvor in „St. Kunigund", und zwar auch n u r, wie ausdrücklich betont wurde, zum Schutze der Achtung vor den höchsten geistlichen Be hörden, welche durch eine unverantwortliche Hineinzcrrung der kirchlichen Autorität in die Wahlagitation gefährdet erschien. In dieser Art von der Kanzel dem Mißbrauch kirchlicher Erlasse enlgegenzutreten. heißt dos °Ima, die Kirche zu einem Wahlagitationslokal machen? Aber freilich, der Pirnaer Anzeiger nimmt jede Notiz sei ner Zuträger als bare Münze, wenn sie eben nur so ein ganz kleines Schimmerchen von Möglichkeit an sich trägt. Sa gewiß die deutschen Bischöfe und die ihnen unterstellten Geistlichen mit jeder Faser des Herzens ihrem 'rutschen Vaterland ergeben sind, so gewiß benötigen die Bischöfe zu erfolgreicher Ausübung ihres schweren Amtes, besonders auch im vaterländisch:» Sinne, das unverletzte Ansehen unter ihren Diözesanen und müssen da zu für ihre oberhirtliche Autorität, wenn sie z» Wahlzwecken mißbraucht wird, nötigenfalls an hl. Stätte im Gotteshaus un- gescheut eintreten, selbst wenn Preßorgane. wie der Pirnaer > —m »u Der König zuckte mit der Schulter. „Schön, schön, „naiu- rellement"! Die Freude ihrer neunhundertneunundneunzig Lieb haber! Der Preis sür den armen Peter war mindestens königlich! „Bestia brutto!" Rußland, lieber Her Bruder, ist gefräßig wie ein Ochse, grausam wie eine Katze und sinnlich wie ein Weib." Er lachte trocken: „Katharina repräsentiert Rußland." „Ja, Sire, und doch: die Tatkraft, die Entschlossenheit, der Mut, den Katharina in all ihren Reformen und Ideen beherrscht, reißt mich zur Bewunderung hin!" „Alors!" sagte Friedrich, „meine Bewunderung hört auf. wenn man aus meinem Leder die Riemen schneidet. -Geben Sie acht, Sire, die zarische Hure schneidet sich auch noch aus Ihrem Stoff ein Mäntelchen!" Joses lächelte. Die Instruktion Kaunitzens schoß ihm durch den Kopf. „Sire, im Falle einer allgemeinen Verwicklung, die von Rußland kommen sollte, sind immer Sie der Vorposten. Wir können daher einstweilen ruhig schlafen. Von meiner Seite sind Sie sicher, und so können Sie mit den Russen machen, was Sie wollen." „Die Wahrhaftigkeit Ihrer Freundschaft entzückt mich. Herr Bruder, aber" — und Friedrichs Gesicht spannte sich ner vös — „das ist es: gewissermaßen bin ich zum Bündnis mit Rußland gezwungen, und das fällt mir schwer zur Last." „Majestät, welche Macht Europas vermöchte Sie zu zwin gen? Ihre furchtbare Schlagkraft bändigt die Völker." sagte Josef geschmeidig: er sah dabei zu Boden, als studiere er das goldene Zwickelmuster seines Seidenstrumpses. Friedrichs Auge forschte, aber er fuhr in gleich ruhigem Tone fort: „Momentan bezahle ich dem Russen 900 990 Taler Subsidien statt der versprochenen Mannschaft. Das ist ein Eoup gewesen," er schnupfte wieder, „den ich dadurch machte, daß Ich der Dame von Petersburg erklärte, daß mir, sobald ich Trup pen nach Polen schickte, die Kaiserin-Königin anf den Hals käme, worauf die galante Russin dann weder Geld noch Truppen mehr von mir erhielte." Josef sah kurz auf. „Und Sie. Sire?" „Das ist Kaunitzens Klaue, die ihn am Zügel hält," sinnierte der König, um laut sortzufahrcn: „Dabei Hobe ich ernste Hofsnnn- gen, bis die treue Freundschaft meines Herrn Bruders mich Lü gen straft." Josef sah den König voll an: „Majestät haben -echt. Ich garantiere Ihnen jede Neutralität im Falle eines Krieges, dessen Ursachen man heute noch nicht erkennen kann!" Friedrich ergriff Josefs Hand mit Herzlichkeit, aber er dachte dabei mit einer gewissen bitteren Freude: „Sieh einer, wie viel Besonnenheit in diesem Heißsvorn steckt!" — Anzeiger, sie darob verdächtigen, als hätten sie eine Kirche zum Wahlagitationslokal gemacht. Soiveit die Richtigstellung! Nun aber noch das Gegenstück, um nur eines herauszugrcifen. Die Fälle ließen sich erschreckend vermehren. Wir empfehlen dem „Pirnaer Anzeiger", das ,.Rcß- weiner Tageblatt" zu studiere», und zwar die Rrunmer vam 27. April. Dort wird berichtet über eine.Predigt des Generalsekre tärs des Evangelischen Bundes, die am Tage der Hin- denburgwahl, also am 26. April, in der Roßioeiner Sra d t- kirche gehalten worden ist. Ein Satz aus diesem Bericht sin der Predigt wird man schon noch etwas mehr gesagt haben) ge nügt eigentlich für den „Pirnaer Anzeiger". Rom und die Jesuiten waren natürlich der Hauptgegenstand der Predigt und der Prediger. Lic. Breun lieh, wies hin auf die heißen Be mühungen der Katholiken, in die höchsten Staatsstellen Leute zu bringen, deren Handeln von einem italienischen Nriester vor geschriebe» wird! Also nicht nur ganz ossenc Wahlagitation in der Kirche, in einer Predigt, sondern Wahlagitation schlimmster und niedrigster Art, die mit Rütteln und Perörehnngen arbeitet, die wir uns auf dem offenen Mackkplatze und in profanen Wahlversammlungen ans Gründen des An standes und der politischen Reinlichkeit verbitten würden. So arbeitet der Evangelische Bund in der Kirche und sür seine Kirche, wobei man sich nicht darüber zu wundern braucht, wenn er ernster denkende Menscken vor den Kopf stößt. Was in den katholischen Kirchen am Wahltage verlesen worden ist. der Er laß ist auch an erster Stelle in der Presse erschienen, war eine nur allzu berechtigte Abwehr der konsossionellen Verhetzung im letzten Wahlkampf. Das kann auch jedermann Nachlesen. Was der Evangelische Bund in Roßwein und bei jeder anderen Ge legenheit, wo der Kampf gegen Rom als Selbstverständlichkeit gepredigt wird, getan hat. ist politische Brunnenvergisiuug übel ster Art, für die uns sowohl das Gotteshaus und vor allen Din gen der Ehristnsglanbe und das Evangelium zu heilig sind. Reinlichkeit im ösfenttichen Leben ist ein Hauptprogrammpunkt des neuen Reichspräsidenten, hinter dem auch der Evangelische Bund zu stehen vorgibt. Es wäre aber höchste Zeit, daß letz terer schleunigst mit seinen Neinlichkcttsbestrebungen vor der eigenen Tür beginnt. Für den „Pirnaer Anzeiger" gilt das Gleiche. „Eine schöne. Nacht!" Josef blickte zu dem weit offenen Fenster. „Machen Sie Verse. Sire?" „Nein. Majestät, mein Gemüt ist nicht lyrisch. Eine Freun din, deren schöne Seele das Poetische uebt. nennt wich sogar einen Barbaren " Friedrich lächelte. Sie traten ans Fenster. „Aber ich liebe die Hellen, klaren Sommernächte, die so schwcrni'.iijg machen, deren Duft jegliche Erinnerung aus ihrem Grabe 'ockt." Die großen Augen Friedrichs brannten vor dem Kaiser. Skepsis, Hohn, Kälte waren darin -- und zu uinerkt war Trauer, abgründig tiefe Trauer. Und Josef sagte leise: „So war sie. Isabeila von Parma — wie eine Sommernacht war sie, warm und dunkel, schwer mütig und klar." Des Königs Hand lag mit leichtem Truck mit Josefs Arm. „Mein Freund!" Josef sprach weiter, zögernd erst, mühsam, ober mehr und mehr sich befreiend: „Man ist so gesund daheim, so laut, so leben dig. Der Tod vergeht vor ihrem Leben, das brutal und rinsach wciterlebt! Sie alle verstehen de» Schmerz nicht, die zehrende Erinnerung. Sie verstehen den Kampf nicht, der die Seele mit Ungeheurem ringen läßt, sie verstehen den Zweifel nicht, der glau. den möchte, glaubt, doch zweifeln muß. Sie verstehen die un- ausgesprochenen Schmerzen um geistige Dinge nicht: die Dämme rungen, die Schatten der Seele kennen sie nicht. Ganz besonders meine Mutter nicht. Sie ist der Tag, hell, grausam hell und klar! Ich aber sinke von Schleier zu Schierer, taumele durch Licht und Schatten, fasse Unwesenhastes, um es ins Wesenhaste zu gestalten! Was bleibt, ist für die Menschheit. Einzige Liebe, die Menschen, der Staat. Alle möchte ich beglücken, alle sroh sehen im Scheine einer jungen Freiheit, die eine neue Zeit ver kündet. O Liebe, o Traum! Ich will, er werde Leben!" Der Kaiser schwieg. Er sah zu den Sternen auf, deren schimmernde Kränze am dunkelblauen Himmel blühten. „Jugend!" sagte der König, und fuhr fort: „Waren die Träume anders, die der Krückstock meines Vaters zerhieb? Alles der Staat, ja, aber keine Revolution der Geister aus Liebe. Nein! Neue Formen schasst die Notwendigkeit, und sic bcdwnt sich gern der Könige oder der Genie« als Werkzeug. Die Notwendigkeit der eisernen Disziplin, die Hinfälligkeit der schönen Träume, er- lebte ich zu Kiistrin. Dafür sah ich Katte sterben, dafür fraß ich den Staub der Akten jahrelang —" Tr schwieg. sFortsetzung folgt.)
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