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Die einzige nationale Staatsaussassung Marx* Rede in Dresden Dresden, den 20. April. Die Kundgebung des Republikanischen Reichsbundes für die Präsidentschafts-Kandidatur Marx im Zirkus Sarrasani wurde durch den Borsitzenden Arbeitsminister a. D. Ri st au erös net, der in seinen Begrüßungsworten auf die große politische Entscheidung hinwies, die uns am 26. April bevorsteht, wo es dem Ansturm der ver- einigten Gegner der Republik zu begegnen gelte. Es handele sich diesmal um die Wahl eines Staatsmannes, eines Deutschen, der die Geschicke mit Besonnenheit, mit Gerechtigkeit und sozialen^ Empfinden lenken solle. Bei der diesmaligen Reichspräsidentenwahl müsse es sich zeigen, daß der Gedanke friedlichen Wettbewerbes das deutsche Volk beherrscht Nur ein Mann, der getragen sei vom Glauben an die guten Kräfte im deutschen Volke. und darf den verwaisten Platz des deut schen Reichspräsidenten einnehmen. Stürmisch begrüßt nahm hierauf das Wort Reichskanzler a. D. Dr. Wilhelm Marx Der 26. April wird für absehbare Zeit die Entwickelung des Deutschen Reiches und der deutschen Republik bestimmen. Es ist ein besonderes Vorrecht des deutschen Bolkes, sich selbst in direk. ter Wahl den Mann zu bestimmen, der für sieben Jahre die Geschicke des Volkes gemäß den Bestimmungen der Verfassung leiten soll. Dieses bedeutsame staatspotttische Recht schließt auf der anderen Seite auch die Pflicht in sich, von diesem Recht einen gewissenhaften und vernünftigen Gebrauch zu macken. Das deutsche Volk soll wissen, welche politischen Ziele die Männer, die als Kandidaten vorgeschlagen sind, erstreben. Es handelt sich um politische Ziele, und es wäre eine Verkennung der Sachlage^ wenn man davon ausgehen wollte, dah der Reichspräsident am besten aus Kreisen genommen würde, die sich bis jetzt um Politik überhaupt nicht gekümmert haben. (Beifall.) Ich glaube, das deutsche Volk würde einen solchen Irrtum recht bald in bedauerlicher Weise zu spüren bekommen. Es han delt sich nun einmal um Politik bei unserer Staatsleitung und namentlich ein Volk wie das deutsch«, das einen Weltkrieg ver loren hat. bedarf einer klugen, nach politischen Grundsätzen han delnden Leitung. Deshalb wird mit Recht vom deutschen Wäh ler verlangt, dah er über die politischen Ziele der Männer ge nau unterrichte! wird, die ihm als Führer des höchsten politischen Amtes vorgeschlagen werden. Und ivenn ich Ihnen heute meine politische Einstellung darlegen soll, dann glaube ich. brauche ich Ihnen keine großen Offenbarungen zu machen. Das Jahr 19 24 sah mich in seinem ganzen Verlaus als Reichskanz ler an der Spitze der deutschen Regierung, und ich glaube, daß dieses Jahr sich ausgezeichnet hat durch den Umstand, dah die Politik dieses Jahves klar war in ihren Zielen. Ich bin vermöge meiner Einstellung als freier Sohn der Rheinlands, das den Anspruch machen darf, eines der srelheltsliebrndstcn Länder des Reiche« von seher zu sein, darauf eingestellt, meine Politik In vollster Grobheit, Wahrheit und Klarheit zu führen. lStürmischer Beifall.) Es gibt manche Leute, di« der Ansicht sind, die Politik könnte nur dann richtig geführt werden, wenn sie in ihren Zielen sich möglichst verhüllt, und Wege geht, die nicht immer gerade zu sein brauchten. Ich habe dos schon seit Jahren als durchaus verkehrt angesehen und bezeichnet, und ich glaube, gerade di« Politik des deutschen Volkes kann am besten nur dann gefördert und zum Wohl« der Gesamtheit ge staltet werden, ivenn sie absolut sicher geradeaus führt, wie das Gewissen es vorschreibt. Ich habe noch außen hin die Verständigung mit unseren Gegnern mich anzustreben bemüht und halt« auch heute diesen Weg als einzig fruchtbringend. Ich habe den Erfolg gehckbt. daß unsere Regierung wieder als gleichberechtigter Teilnehmer am Ver handlungstisch erscheinen konnte. Ich bin iveit davon entfernt, dir Erfolge von London zu groß zu veranschlagen Unsere wirt schaftliche Lage ist noch außerordentlich schwach, die Einkom- mensverhältniss« noch recht schlecht und niedrig, aber wir sind voran gekommen und wir haben die Aussicht, dah wir allmählich aus politischem, finanziellem und wirtschaftlichem Gebiet voran schreiten werden. Daß wir schlechte Einkommensoerhültnisse haben weih jeder, weil wir den Krieg verloren haben. Möchten nur alle daraus die notwendigen Konsequenzen und Lehren zielen stpeifall.) Meine politischen Grundsätze habe ich wiederholt dargelegt. Sie ergeben sich aus meiner Lebensarbeit und aus der Gemein schaftsarbeit der Parteien, die meine Wahl dem Volke Vorschlä gen Ich kann heute abend darauf verzichten, sie eingehender zu wiederholen. Nur in wenigen Strichen will ich eine Zusammen fassung meines Programmes geben. Meine Arbeit gilt der Erhaltung der Relchselnhekt. Das Werk Bismarcks, das nach dem militärischen Zusammen bruch des Jahres 1918 lange Zeit bedroht erschien, soll erhalten und gefestigt werden. Wir hätten erst endgültig verloren, wir hätten nichts mehr, wenn wir das einheitliche Reich ausgäben, wenn wir uns verleiten liehen, in den Fehler zu verfallen, den unsere Vor väter nach dem Dreihlgjährigen Krieg machten, nämlich das Elnzelrecht über das Recht der Gesamtheit zu stellen. Erhaltung und Festigung des Reiches heißt nicht Zentralis» mus heißt nicht, alles non einer Stelle kommandieren wollen. In großen Fraqen Einheit! In allen anderen Fragen Freiheit! Freiheit der Stämme, der Selbstverwaltung, der Selbstverant- Wartung. Ich muß mit größter Entrüstung es als schamlose Ver leumdung zurückweisen, wenn in einem sächsischen Matt die Be^ hauptunq aufgestellt wird, ich sei irgendwie geneigt, separo- tistischen Ideen Raum zu geben. Ich darf das eine sagen, daß ich von Anfang der Besetzung namentlich meiner engeren Heimat an mit aller Entschiedenheit allen Vorschlägen entgegen getreten bin. die aus eine Abtrennung von Gebietsteilen vom Deutschen Reiche hlnzielten. Von andrer Seite sind derartige Vorschläge in durchaus bester Absicht gemacht worden. Aber dennoch habe ich mich in aller Entschiedenheit dagegen gewehrt. Mein Standpunkt war stets -er: Man mag uns die Rheinland« mit Gewalt abnehmLN, dann werden wir das Schicksal wie so manches andere zu tragen wissen, aber Seldstabsvlitterung wäre el» unverantwortlicher Fehler und könnte nicht zum Guten führen! Meine Arbeit gilt der Freimachung Deutschlands nach autzerr. Soweit meine Kräfte reichen, soll Deutschland wieder ein freies gleichberechtigtes Volk unter den anderen Völkern Europas und der Erde sein. Ich vertrete den Gedanken des Sclbstbestimmungsrechtes der Völker. Mit diesem Grundsatz können wir vor die Völker der Erde treten, um die Gleichberech tigung Deutschlands als ewiges Recht der deutschen Nation zu fordern. Wir wollen die Verpflichtungen, die wir nach dem ver lorenen Krieg übernehmen mußten, erfüllen, soweit unsere Kraft reicht, wir wollen die Lasten tragen: aber wir wollen auch als gleichberechtigte Nation betrachtet und behandelt werden. Als Volk- schätzen wir unsere Ehre, undere Freiheit nicht geringer, als andere Völker ihre Ehre und Freiheit Ja als ein Volk, das einen Weltkrieg verloren, haben wir ein Recht, in unserem Ehrgefühl empfindlicher, feinfühliger zu sein als die Sieger. Völker, für die der Erfolg wirbt und arbeitet. Wir entziehen uns nicht unseren Pflichten, aber wir wachen eifersüchtig über unsere Rechte Wir sind zur offenen Gemeinschaftsarbeit im Völker- Kunde bereit: aber wir können dafür keine Bedingungen aner kennen, die anderen nicht auferlegt werden. Wenn der deutsche Volksstaat. die deutsche Republik sich noch nicht so befestigt haben, wie es wünschenswert ist. dann mögen die westlichen Völker sich einmal überlegen, wieweit sie daran mitschuldig sind. Inwieweit sie den Gegner des deutschen Volksstaates, den Anhängern des alten in die Hände gearbeitet haben, durch die Mißhandlung, die sie Deutschland zufügten. Das möge man besonders in Frank reich beachten. Wir wollen mit Frankreich in Frieden leben. Dieser Friede kann aber nur bestehen und dauern auf dem Wege gegenseitiger Achtung und Gleichberechtigung. Meine Arbeit gehört der Freimachung der Rfteinlande, meiner Keimst. Für dieses Ziel muh das ganz« deutsch« Volk Opfer bringen. In dieser Hinsicht bedaure Ich. daß noch immer die Kölner Zone nicht frei ist von fremdländischer Besetzung. Eine langdauernde Besetzung fremder Landesteile ruft neue Spannungen hervor. Der Versailler Vertrag legt uns nicht nur Pflichten auf. sondern gibt uns auch Rechte: und wir haben ein Recht, die Räumung zu fordern. Meine Lebensarbeit gehört der Wiedererrichtung einer aesunden deutschen Mir,schatt Zur Wirtschaft gehören alle Arbeiter tn Deutschland' Die Unternehmer, die Arbeitnehmer, die Ingenieure, die Techniker, die Lehrer, die Landwirte, der Mittelstand und alle anderen. In dieser Hinsicht sind wir alle zusammengekoppelt, tragen alle Sargen gemeinsam. Die Lage unserer Wirtschaft ist schwer und wird nach lange schwer sein. Es fehlt uns an flüssigem Kapital. Es fehlt an Absatzmöglichkeit In allen Ländern ist der Pro- duktiansapvarat größer als er vor dem Kriege war. Anderer seits sind alle europäischen Länder verarmt, sie können weniger kaufen Dabor eine Verstärkung des Kampfes um den dlbsatz. verstärkter Wettbewerb. Nur eigene Lekstuns kann uns eine gesunde Wirtschaft wieder sckasien. Ich Kobe ein unerscküttersickes Vertrauen in die Lelstunaskratt und den Arbeitseifer der beiden großen V-wdukUon-stb'nde. der Nnt-rnebwer und der Arbettnebmer. Sie baden beide das Deutschland der Vnrkrlegsieit groß gemacht. Sie werden auch das neue Deutschland groß machen. Die deutsche Wirtschaft kann nickt gesunden auf Kosten einer verarmten Arbeitnehmerschaft. Sie kann auch nickt gesunden durch Erschütterunaen der deutschen ttnternebmerlchaft. beide müsien leben, schassen und arbeiten. Beide kabsn Anspruch aus den Schutz des Staates. Der Staat Kat für Ordnung und Ruhe zu sorgen Er hat auch für eine gute moderne Handespolitik. für eine moderne Sozialpolitik, für eine woblabgewogene Steuerpolitik z» sorgen, die die Lasten gerecht verteil!. Er muß eine gesunde Währuna erkalten ckr mub d'''- Wirtschaft bellen, neue, ertragreichere Arbeitsmethoden zu linden, die Sie Wett- bewerbsläbigßeit Deutscklnnd" auf dem Weltmärkte sichern, dm die Zahlung auskömmlicher Löbno ermöglichen und dann noch genug übrig lallen, um die Ansammlung von neuem Betriebs und Svart-avlt"l sicher ?u stellln Diele Aill"ahe„ sind schwer, aber sie lind lösbar. Diese Gewibbllt entnehme ich aus der unverminderten Tüchtigkeit des deutschen Bolkes in allen seinen Schichten Das. was hier als Programm aufgestellt wurde, ist nur möglich. wenn ein neuer Gemeinsch^sisieift im deutschen Do'ke Elnruy ftü". Und in dieser Hinsicht ist es nötig, an einige alte Dinge zu erinnern. Wir sind spät, sehr spät, zu spät als einiges Volk in die moderne Geschichte eingetreten. Uns hatte der Dreißigjährige Krieg, jener blutige Religionskrieg, Wunden geschlagen, die dreihundert Jahre gebrauchten, um zu vernarben. Wir traten erst dann in die moderne Geschichte ein als deutsck>es Volk, als die westeuropäischen Mächte schon hundert Jahre lang die Wett geführt und beherrscht hatten. Wir kamen erst, als die Wett großenteils verteilt war. Wir hatten und haben es schwerer als die anderen Völker. Es braucht eine lange Zeit, bis Völker zur Einheit, zum einheitlichen Fühlen und Wallen verschmolzen sind. Das einige Deutsche Reich haben wir seit 1871 Um die wirklich einige deutsche Nation ringen wir noch heute. Jahrzehntelang hatten wir im Deutschen Reich «in eigenes Haus: aber die Bewohner dieses Hauses waren nicht einig. Jede Schicht lebte für sich. Es sührte kein Weg der Berständigung von der Stadt zum Land, vom Lande zur Stadt. Jede Gruppe schloß sich von den andern ab. Jeder Stand kämpste gegen den andern. Es fehlte ihnen das Größere, das Umfassendere: der Sinn für die staatsbürgerliche Gemeinfckastsarbekt. Das war di« schwache Stell« in dem Glanze der Vorkriegszeit. Aus jener Zeit stammt der Schlachtruf der sogenannten „nationalen Kreise gegen die „Reichsfeinde", gegen die „Inter nationalen". Das Wort „national" wurde zu einem volkstrennenden Schlagwort. Wir haben alle darunter gelitten. Zentrum. Sozialdemokratie und Liberalismus befanden sich als „Reichsfeinde" stets in ge meinsamer Verbannung. Es gibt kein« Politik, die für den Staat geföhrlicher ist, als wenn er große Teile des Volkes — in diesem Falle sogar di« große Mehrheit — als minderwertige Bürger stigmati- siert und behandelt. Das hat noch nie ein Staat, eine Nation auf di« Dauer ertragen. Setten gibt es in der deutschen Geschichte eine so verhäng nisvolle Unterscheidung wie die, die seit fünfzig Jahren zwischen „nationalen" und ..unnationalen" Volksteilen gemacht wurde. Denn als die schwerste Belastungsprobe kam. als es ans Sterben ging, vom August 1914 ab. da opferten auch die als „Reichs feinde" Beschimpften ihr Leben. Sie retteten den Staat, als er Ende 1918 zusammenbrach. Sie bauten den neuen Staat. Sie trugen die Last in schwerster Zeit, als keine Lorbeeren zu ernten waren. Was uns zusammenhält und zusammenfllhrt, ist diese gemeinsame Arbeit. Und über dieser gemeinsamen Arbeit steht als Leitmotiv das Wort: Nie wieder wollen wir dulden, datz ein treuer Deut scher als national minderwertig, als patriotisch zwei felhaft bezeichnet werde. Weit wollen wir die Türen öffnen für alle Deutschen, die am Wahle des Lande» und der Nation Mitarbeiten wollen. Es bleibt die Aufgabe des neuen demokratischen Staates, datz wir da» verhängnisvoll« Erbe der Volkszerreitzung be seitigen. Wir stehe» in der Erfüllungszeit dieser Aufgabe. Wir sind weitergekommen auf diesem Ge biete. Wieder einmal erweisen sich die Geschmähten von früher als die Bannerträger einer neuen Zeit. Was von diesem alten, überholten Gegensatz von „national" und „unnational" gilt, das gilt für den Klassengegensatz. Es wird auch wohl in Zukunft schwer möglich sein, die schein, baren, großen Interessengegensätze zu beseitigen, eine» vollen Friedenszustand zwischen den Klassen hervorzurufen. Was wir können, ist ein anderes: das staatsbürgerliche, das nationale Gemeinschaftsgefühl muß stärker empfunden werden als der Gegensatz der Klassen und Stände. Es gibt aber keine Staatsform, die so sehr geeignet ist. das Gemeinschastsgesühl der Bürger zu stärken und es damit zum Ausschlaggebenden za machen wie die Demokratie. Die Schwäche des alten Systems bestand darin, datz es einer Klassenvorherrschast Raum gab. es verschärfte den Klassenkampf, indem es ihn politisierte. Wir geben sedem Bürger seinen gerechten Anteil am Staate. Und noch eine dritte Scheidelinie aus der Vorkriegszeit tragen wir allmählich ab: die Politisierung des konfessionellen Gegensatzes. Zu allem Unglück wurde nach 1871 auch noch der Streit zwischen den Konfessionen in das deutsche Volk hineingeschleudert. Gewiß: in kulturellen Fragen gibt es Gegensätze, die im engsten Zu- sammsnhang stehen mit den Weltanschauungen der großen Kon- sessionen. Auch um diese Dinge wird und muß man geistig ringen Aber dieses Ringen darf nicht mit parteipolitischen Schlagworten geführt werden. Es darf nicht zu einem Werkzeug des politischen Parteikampses erniedrigt werden. Auch dieser Gegensatz hat das Reich jahrzehntelang erschüttert, hat ver» hindert, datz wir zum Bürgcrvolke geworden sind Auch hier gilt es. den konfessionellen und kulturellen Gegensatz zu ent- politisieren und ihn zum Gegenstand des freien geistigen Ringens zu machen. Der Staat hat die Gewissensfreiheit seiner Bürger zu sichern. Der Staat hat dem Glauben und der Weltanschauung Bewegungsfreiheit zu verschaffen Unser Staat ist kein katholischer, kein protestantischer, kein jüdischer, kein sreigeistiger Staat, sondern ein Gebäude für alle Bürger. Der Krieg hat erwiesen, daß der konfessionelle Gegensatz kein politischer, kein nationaler Gegensatz ist. Katholiken. Protestan- ten, Juden und Freigeister sind gemeinsam gestorben, gemein sam in fremder Erde beerdigt. Das war das große Erlebnis der Kriegszeit In diesem Erlebnis wurde der G e > st d e r A ch t u n g und der Duldung verstärkt. Die Demokratie hatte nur noch die Aufgabe, aus diesem Erlebnis die Folgerung zu ziehen. In gemeinschaftlicher politischer Nettungsarbeit an Volk und Reich haben sich Anhänger der verschiedensten Konfessionen und Weltanschauungen achten und verstehen gelernt. Deshalb sinkt der vergangene Zwiespalt zusammen. Ein neuer Tag b-icht an in der deutschen Geschickte, ein Tag. dessen Losung heißt Mir alle sind Glieder einer Nation. Bürger eines Staates. Lasset uns dem Staate und der Nation gemeinsam dienen. Im Dienst an der Nation Ein heit! In anderen Fragen Freiheit! Gewiß ist dieser Prozeß der Umbildung des Klassen- staatcs zum Volksstaat noch nicht abgeschlossen Wir werden auch mit Rückschlägen zu rechnen haben. Vieles muh sich noch vertiefen, vieles muß erst noch Gemeingut der breitesten Volkskreiie wsroen Ehe wir-von Vollendung sprechen können, muh erst noch eine Generation autwachjen. die in diese Gedankengänge hineingeboren wurde. Wir stellen uns nicht nur auf den Boden der Verfassung, aus realpolitischen Erwägungen, sondern wir wollen uns mit ganzem Herzen auf den Boden der Verfassung stellen (stürmischer Beifalls, wir wollen unser Vaterland lieben und uns hingeben im Dienst an Volk und Vaterland. Wir wollen die Verfassung als Grund lage für unser Streben ansehen. Sie kann nur dann ihre Wir kung entfalten, wenn sie beseelt ist. Aber der Geist der sie be seelt, muß auch der Verfassung entsprechen und darf nicht ein feindlicher, gegensätzlicher sein, er muß der republi. konische und demokratische sein, der die Verfassung lebendig macht. Wir dürfen hoffnungsvoll in die Zukunft blicken Aus dem Boden unserer demokratischen Verfassung müssen sich die ein- zelnen Volksteile zusammenfinden. Doch jeder der von der Verfassung Rechte sordert, sei sich auch der ernsten Pflichten bewußt, die die Zusammengehörig keit zur deutschen Nation, zum deutschen Vaterland aus erlegt. Wenn^sich das deutsche Volk zu diesem Gedanken bekennt, dann worden und können wir nicht untergehen, dann wird Deutschland sich allmählich erheben und wir die Stelle unter den Völkern einnehmen. die ihm dank seiner großen Vergangenheit gebührt und wir werden aus dem Herzen wieder singen können: „Deutich- land, Deutschland über alles — über alles in der Welt." » Als Reichskanzler Marx seine Rede beendet hatte brach ein Beifallssturm los. wie er selbst im beifallsfreudigen Dresden wohl nur selten gehört worden ist. Die Musik intonierte das Deutsch, landlied. das von den Versammelten stehend gesungen wurde. Zum Schluß ergriff Professor Kaslner, M. L. t>as Wort, und faßte in glücklicher Weise den Eindruck, den die Rede des Präsidentschaftskandidaten gemacht hatte, mit folgen den Worten zusammen: „Reichskanzler a. D. Marx hat heute zum ersten Male vor Ihnen gesprochen. Seine Persönlichkeit ist Ihnen der Beweis dafür, daß das. was er gesagt hat. bitterer Ernst und bittere Notwendigkeit für das deutsche Volk ist. Wir nennen uns Volksblock, weil das ganze Volk sich zu unseren Zielen bekennen könnte und müßte. Die von uns geforderte und ge tragene Rcltungsarbeit an Staat und Volk sollte Pflicht >ür jeden Deutschen sein. Wir empfinden gerade darum Ehrerbie tung vor dem gegnerischen Kandidaten, iveit er sich nach dem Zusammenbruch dem Vaterland zur Verfügung gestellt Hai. im Gegensatz zu Ludendorss und Tirpitz. Gerade diese Männer aber find es, die heute Hindenburg in den politischen Kamps gezerrt haben, weil man mit seinem Namen Stimmen zu sangen holst. Wenn Herr Strefemann die Kandidatur Gehler wegen außenpolitisä)cr Gründe für nicht tragbar hielt, hält er dann die Kandidatur Hindenburg für außenpolitisch tragbar? Die Weimarer Verfassung ist der Grundstein unseres staatliäien Lebens, sie muß und wird aufrecht erhallen werden. Wir bekennen uns zur Weimarer Verfassung, weil nur wollen, daß unser Volk sich erneuert in Freiheit und Gerechtig- keit. Weil er der Mann der Weimarer Koalition, der Bürge für die Weimarer Versassung ist. deshalb wählen wir Wilhelm Marz" - Di« Versammlung gab durch lebhaften Beifall ihre lieber- einstimmung mit Professor Kästners Worten kund. Der Vor- sitzende, Arbeitsminister a. D. Ristau, schloß die Kundgebung mit einem Hoch auf die Republik.