Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 21.04.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192504211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250421
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250421
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-04
- Tag 1925-04-21
-
Monat
1925-04
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 21.04.1925
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Dienstag, den 21. April 1025. Nr. V1. Seite » M Mll i>« 8MM LiMdW Alle zurzeit in Neuyork weilenden Deutschen geben zu. bah die Kandidatur Hindenburg für die deutsch amerikanischen Geschüftsbeziehungen ruinös sei. Eine Gruppe von wirtschaftlich führenden Deutschen hat daher von Neuyork aus ein Telegramm direkt an Generalfeldmarschall Hindenburg gerichtet und ihn von diesen wirtschaftlichen und außenpoliti schen Wirkungen seiner Kandidatur unterrichtet. Die „Rheinische Leitung" Köln bringt an der Spitze des Blattes folgende Meldung: „Seit einiger Zeit steht die Stadt Köln mit einem Konsor tium amerikanischer Fmanzleute in Verhandlungen wegen einer Anleihe, die für wichtige Aufgaben der Entwicklung in der Stadt Köln unbedingt erforderlich ist. Bis in die vorige Woche liefen die Verhandlungen zufriedenstellend. Die Kandidatur Hindenburg, die in der ganzen Welt das Vertrauen in die ruhige Entwicklung Deutschlands und die Stabilität unserer Währung erschüttert, hat auch die Anleihcverhandlungen ins Stocken und in die unmittelbare Kesahr des Scheiterns gebracht.* Still liegen unter anderem auch Verhandlungen, die über eine Anleihe. Vögler und Haller (von Siemens) in Berlin geführt werden. Francke von Simens, der zurzeit in Neuyork weilt, Unterzeichnete nur einen endgültigen Vertrag über einen kurzen 6-MiIlionen-Kredit. Die Ausgabe der geplanten 15-Mii- lionen-Dollar-Anleihe für die N h e i n - C l b e - U n i o n ist aut später verschoben worden. — Die ausgegebenen deutschen Anleihen werden weiter schwach gehandelt. Stärkste Ver luste weist nach wie vor Krupp mit Prozent Verluste gegen über dem Ausgabekurs aus. » Der „Voss. Zeitung* wurde in einem Funkspruch aus Neuyork gemeldet: „Eine Umfrage bei den Neuyorker Emmisfionsbanken, die ihr Korrespondent veranstaltete, ergab, daß augenblicklich alle Anleiheverhandlungen stocken. Die Banken geben größtenteils -u, daß die unsichere inncrpolitische Lage Deutschlands die wahre Ursache für ihre Haltung ist. Zwar erwartet niemand, daß Hindenburg gewählt wird, aber schon die Aufstellung genügte, um die Wallstreet zu alarmieren. Die Bonität und Prosperität aller deutschen Industrien wird angezweiselt, solange die Mög lichkeit besteht, daß Hindenburg oder vielmehr seine agrar chauvinistische Gefolgschaft ans Ruder kommen könnt«. Reichsaußenminister Stresemann, der Im Auswärti gen Ausschuß über diese Dinge befragt wurde, erklärte, daß er eine direkte Aeuherung des Botschafters zu der vorliegenden Frage noch nicht habe erlangen können. Unter den Berichten anderer Stellen sei nry: eine einzige Antwort, die sich auf wirt schaftliche Dinge bezieht, die aus Washington kommt, in der sich der Satz befindet, daß infolge der Präsidentenwahl voraussicht lich damit zu rechnen ist. daß über den Verhandlungen der Wirt- schastskredite einige Zeit verfließen wird, weil man den Aus fall der Präsidentenwahl abmartet. Das sei auch bei der Prä sidentenwahl in Amerika der Fall gewesen, daß vor der Ent scheidung eine gewisse Spannung eintritt, in der man abwartH wie die Dinge sich gestalien werden. Somit gibt also Streseinann in vorsichtiger Form zu, dag die Kreditverhandlungen stocken. Wenn das lediglich in der Tatsache der Wahl selbst begründet wäre, müßte diese Wendung wohl schon vor dem ersten Wahlgang eingetreten sein. Das war nicht der Fall. Somit ist bewiesen, daß lediglich die Kandidatur Hindenburg zum Stocken der Kreditverhandlungen geführt hat. Wern üeh! zu Mm Ter Rechtsblock erlebt wenig Freude an Bayern.. Beim ersten Mahlgang hatte der restlose Mißerfolg der Münchner Ver sammlung der Kandidatur Iarres den tödlichen Stoß gegeben. Um der Bayrischen Bolkspartei willen war dann Iarres '» der Versenkung verschwunden und Hindeubnitg zur Annahme der Kandidatur gezwungen worden. Nun hatte sich die Parteilei tung der Bayrischen VolkSparlei zwar dazu verstanden, de» Aufruf für Hindenburg zu unterzeichnen, aber die An bänger der Partei waren damit noch keinestvegs gewonnen. Tas führende Organ des Verbandes süddeutscher katholischer Arbeitervereins „Ter Arbeiter", erließ, wie wir bereits berichteten, einen Aufruß der gegen Hindenburg und für Marx Stellung nimmt. Eine Konferenz von führenden Mitgliedern der Bayrischen Bolks partei, die dem Arbeiterstaude angehören, hat nun am Sonn abend in München zu die'em Aufruf Stellung genommen. Tie Versammlung, die aus dem rechtsrheinischen Bayern und der Pfalz lehr gut beschickt war, beschloß einstimmig: „Die Konferenz Erklärt sich mit der Haltung des V"- bandSorgans der katholischen Arbeitervereine, insbesondere mit dem Artikel des „Arbeiters" vom 16. April 1925, i„ der Frag« der Reichspräsidentenwahl, restlos einverstanden." Mitglieder der christlichen Gewerkschaften Angsbnrgl verbreiten ein Flugblatt, tu dem zur Wahl Marx' anfgeforderl wird. Es heißt darin u. a.: „Nicht der Person Hiiidenbnrgz gilt der Arbeiter Abneigung, sondern den Parteien, d e de« grellen Heerführer mißbrauchen wollen, um ihre alte Machtstellung wieder zu erlangen. Was vi« Arbeiterschaft von den ostellnschc« Junkern, von dem Hoheiizolltnirrglmr. von einem Ludi-nvors. staut zu erwarten haben, ist klar, und darum heißt ihre Parole Nicht Hindenburg, sondern Marx. Wir als chriid loche Arbeiter erachten es nicht nur aus naheliegenden Gründe« zweckdienlich für Marx einzutreten. sondern auf Grund unsere, christlich-sozialen Einstellung und ii»'e:«r inneren Ncbcrzeugnu« ,st «4 für uns nicht nur Ehrensache, sondern Pflicht. Marx unser, Stimme zu geben. Auch die Presse nimmt überwiegend Stellung gegen di« Kandidatur Hindenburg. Den Artikel des Herausgebers der „All gemeinen Rundschau", Dr. Otto Kunze, der führende» Monnts- schrifr Sllddeutschlands, konnten wir kürzlich zum Abdruck bringen Dr. Kunze lehnt gerade als Föderalist die Kandidatur Hindenburg ans das schärfste ab. — Aber selbst die führenden Blätter de. Bayrischen Volksparte! beobachten eine auffällige Zurückhaltung, Nirgends ist eine überzeugte und lebhafte Ausfordernng zur Wahl Hindenburgs zu finden. In Bayern hat man mtt Ludendorff erfahren, was es heißt, einem General auf seinen militärischen Ruf hin politischen Kredit zu geben. Ti; bayrischen Wähl" werd.n nicht dazu helfen, daß im Reich mit Hindenburg das gleiche Ex periment wiederholt wird. ausnutzuna. Es gilt in den nächsten Jahren für unsere deutsch« Politik keine größer« Aufgabe als jene, daß unser ganzes Volk wleder Freude empslndet und Stolz, aus deutschem Boden zu leben. Da» gilt insbesondere von unserer «rbriterschast. Der deutschen Demokratle mutz und soll die Lösung dieser gratzen sozialen Ausgabe als Ziel und Krönung gelingen. Ich Hab« nie mein, Hand dazu hergegeben, di« weiten Kreise der Arbeiter schalt von der Mitarbeit an den Staatsgeschästrn auszuschlietzrn. Und ich will auch heute nicht, daß wir wieder in sen« Zeit zurück- verfallen. wo man viele von uns für Staatsbürger zweiter Klasse hielt* Dessau, 20. April: Der Reichsprüsidenlschastskandidat des Lolksblocks Ntarx hielt gestern nachmittag 5 Uhr. von Zerbst kommend, wo er ebenfalls gesprochen hatte, auch in Dessau eine Rede, die siebente am gestrigen Tage. Er beschästigte sich zunächst mit den Aufgaben des Reichs präsidenten. der tatsächlich Politik zu treiben habe. Sein — bes Redners — Programm sei das gleich gebliebene wie während seiner Känzlerschast. Die Grundsätze seiner Politik seien Wahr heit und Klarheit. Man habe aber damit Erfolge erzielt und sei gewachsen seit London. Man habe auch eine große ans- län'ische Anleihe bekommen und die sichere Zusage, daß am 25. August das ganz« Nuhrgebiet geräumt werde. Man habe das Kabinett Marx gestürzt, aber seitdem die gleiche Politik wie er getrieben. — Dann beschäftigte sich der Redner mit der inneren Politik und besprach die Grundlagen der Weimarer Verfassung, deren gleichfalls anwesenden Schöpfer Reichsminister a. D. Dr. Preuß er begrüßte. — Die Rede fand stürmischen Beifall. „Die Kandidatur derpoliiisch Iurechnungssühigen Staatspräsident Hcllpach für Marx. Stuttgart. 20. Avril. In einer Massenversammlung sprach hier der badisch« Staatspräsident H e l l p a ch, der bekanntlich im ersten Wahlgang als Präsidentschaftskandidat von der Temo- kr.itrschen Partei aufgestellt worden war, für die Kandidatur Marx. Hrllvach führte u. a. auS: Tie Frage: „Mus- de'e Wabl nicht dazu 'ühren, daß unstc neuer Staat und seine Form, die an Stelle des sogenannten evangelischen Kaisertums treten muß, setzt eure klerikale Republik wird?" verneinte Hellpach. Ter Präsident des Deutschs» Reiches ist ein Repräsentant und eine politi- i ch e Macht. Soweit es sich um die politische Seit« handelt, lönnen wir sagen, daß wir einen bessere» Präsidenten als den Kanzler Marx wohl kaum finden lverden' In ihm sind alle -piten Eigenschaften verbunden, Demokratie und Republik sind bei ihm gut aufgehoben. Die Demokratie wird in ihm seinen Segen finden. Es ist ein Unsinn, wenn gesagt wird, daß durch di« Wa' l Marx' Versuche genialst werden, ans de,n Deutscher, Reiche eine klerikale Republik zu machen. Tr.Hellpach sprach dann über die Kandidatur Hinden burg Welche Atmosphäre würde in der Wilhelmstraße oerr-ck«", wenn dieer gewählt würde? Es würde dort der frühere Geist des Kriegs! aupiauartiers walten. Wie denken Sie sich einen Mann mit aiisschließlich militärischer Laufbahn, einen 80jährigen, brr ein inneres Verhältnis zu den neuen Dingen nicht hat, wie soll der es fertig bringen, an den großen Bauaufgabcn des deut schen Volkes teilzunehmen? Weil er aber unpolitisch ist, wird cc von denen aufgestellt, die ihre eigene Politik betreiben wollen, die aber nichts mit Demokratie und Republik zu tun haben Jetzt liegen die Dinge so: im ersten Wahlgang war Marr der Kandidat des Zentrums. Dann ist Marx zum Kandidaten des republikanischen Lagers gemacht worden, und heute »ach der Ausstellung der Kandidatur Hindenburg ist die Kandidatur Marx die Kandidatur der politisch Zurechnungsfähigen." Ein Ausruf für Kindenburg Tie Hlndciiburg-Kaiididatur hat keine Zugkraft mehr. Man weiß in den Reihen des Reichsblocks nicht mehr recht, was man anfangen soll. So ist eine Reihe von „nationalgesinnten" Leuten (sie beze-chnen sich selbst so) auf den Gedanken gekommen, einen neuen Aufruf zu erlassen. Und zwar diesmal unter der Parole: „Gegen das Schieber- und Schmarotzertum". Man greift zur Vnrmatsensntion zurück und zu der Kceditajfäre der Neichspost. Wenn alles versagt, wird doch schließlich das noch Helsen. „Strengste Durchführung aller (Barmat, Kutisker, Sklarz usw.) Strafverfahren", „Schärfere Erfassung aller Verschlun gen", „Besetzung sämtlicher Stellen mit Beamten, d!« bei Dienst antritt sachkundig vorbereitet sind", ist der Inhalt des Ausrufs. Als Schlußfolgerung: Also wählt Hindenburgl Man sieht, der Reichsblock arbeitet systematisch auf die völlige Untergrabung seines Ansehens hin. Ter Aufruf hat doch den Sinn, die ganze Politik der Nachkriegszeit einfach als korrupt zu bezeichnen. In dieser Politik war auch Marx einmal hervorragend tätig. Also ist er der größte Untergrabex der deut schen Nation. Denkt der Reichsblock wirklich im Ernst daran, daß ihm das heute (abgesehen von den geduldigen Leiern der Hugenbergpresse) noch jemand glaubt? Verleumdungen fallen letzten Endes auf den Verleumder selbst zurück. Man könnte ja recht leicht den Spieß nmdrehen und all jene „nationalgesinnten" Männer anführen, die j» die Affäre der Landespfandbriesaiistalt verwickelt sind. Die Sachlage ist heute nämlich so: Da? gegen Varmat Vorgebrachte hat bisl<r nicht einmal zur Erhebung einer Anklage gereicht. Höfle, der vier Monate in Haft sitzt, konnte bis heut« noch in keinem einzigen Punkte unter Anklage gestellt werden. Man erwartet sogar seine Freilassung. Schon heute steht fest: Tie Belastungen, di« sich au? der Landespfandbriefanstaltsafsäre ergehen, überragen er- l-eblicb die Anschuldigungen gegen die sog. Barmatl«ute. Man sieht also wohin man käme, wen», man diese Dinge politisch ansschlachten wollte. Wir verlangen dir Bestrafung ,edes Be amten. der sich etwas zuschulden kommen läßt, aber solche Bor- kommmi.e l'cks Geratewohl aus das Lyste-n der Demokratie oder der Republik zu übertragen, ist Verhetzung gröbst«! Art. Daß man nur noch s a ch kundige Männer in Beamtenposten toben will, ist sehr zu loben. Man sollte bei der Besetzung des» höchsten Postens der dLutsche» Republik mit diesem Grundsatz ansnngen. Wann hören die Widersprüche in den Reichsblockauf- rufen einmal auf? ' MeMkV MUMM In Hannover hatten gestern verschiedene Vertreter des Neichsblocks samt ihrer Poesie eine Versammlung organisiert, in der Hindenburg sein Programm darlegen sollte. Er hat es recht und schlecht getan, so wie man es von einem greisen Heerführer erwarten konnte. Er hat keine allzu lange Rede ge halten. aber sich bemüht, dieses und jenes zu sagen. Es kann ja immer nur verhängnisvoll sein, wenn «in Militär, der aus- gcsprochenermaßen einen Abscheu gegen politische Dinge hat, zu einer politischen Rede gezwungen wird. Es ist inter- essant, sestzustellen, wie in der Rede jetzt allmählich verschiedene D'nge anklingen, die dem Ganzen wenigstens einen politischen und programmähigen Charakter geben sollen. Leider aber sind dos alles Dinge, die einem so bekannt Vorkommen. Man kommt nicht an dem Eindruck vorbei, daß bie programmatischen Reden Marx' hier Vorbild gewesen sind. Es ist nämlich alles schon dagewesrn und Marx hat ja schon oft genug geredet, so daß der Reichsblock genügend Zeit hatte, zu studieren, weiche Punkte für die Rede ihre» Kandidaten in Frage kamen. Es mutz einem leid tun. wenn man hört, wie der greise und von uns allen geachtete Feldmarschall so befangen von der sozialen Frage spricht, di« er auch fördern wolle, oder wenn er da» Beste sur die Verfassung zu erstreben sich bemühen werde, oder wenn er dem ü«utlcben Volke wieder die Grundlagen wirtfchasllicher und politischer Lebensfähigkeit verschaffen wolle. Oder er spricht auch von einer wichtigen Grundlage unserer deutschen Außen politik: die friedliche Mitarbeit am Fortschritt soll« sich durch setzen. Hindenburg selbst wollen wir wegen dieses zaghaften und nur von anderen übernommenen Programms nicht an- kiagen. Er wollte ja bis vor acht Tagen noch nichts von Politik wissen. Und in so kurzer Zeit kann man nicht umlernen. Er glaubt mm einmal im Pflichtbewuhtsein zu handeln und be müht sich, einiges, was ihm gutdünkt, zu sagen. Das ist fein' Recht und wir wollen es ihm nicht nehmen. Aber seine Hin termänner müssen gebrandmarkt werden, weil sie einen Greis so in seinen letzten Jahren sich aufreiben lassen, in Dinge hineinzustürzen, von denen er nicht anders wie ein Unerfahrener reden kann. Das deutsche Volk kann in der Tat diesen im Hin- terhalt stehenden Männern nicht besser das Mal des Verrates an einem der Besten unserer Heroen aufdrücken, als wenn es am 26. April den greisen Felümarschall davor bewahrt, voll und ganz den Instinkten einer verantwortungslosen Gruppe ausge- liefert zu werden. » Während des Zusammenseins bei einem Glas Bier empfing Hindenburg auch die Vertreter der Hugenbergpresse. Er sagt« dort u. a.: „Ich bin nicht -er alte Mann im Roll- wagen (!) Mein politisches (!) Programm steht fest, so weit man «in solches Programm seststrllen kann (!!), denn die rauhe Wirklichkeit ist ein« vielgestaltige Fläche.* Er schloß dann M humorvollen (!) Worten, in- dem er sagte, auseinz «lne Fragen könne er sich deshalb setzt nicht einlassen, weil es gegen die Verfassung ver- stotze. Darüber mühte er erst mit dem Kanzler und den Mini- stern reden! Wir dürfen diese Aeußerungen wohl ohne Kommentar wie- -ergeben, da sie für sich selbst sprechen. Wir wollen noch Mitteilen, daß die Rechtspresse aus den vorstehenden Aeußerungen Hindenburgs »der» Höhepunkt de» Wahlkampfes* konstruiert. Reichsblvkk'Musik im Sarrafanl Am Sonntagvormittag erlebte der Sarrasani-Bau das un entbehrliche Gegenstück (die Bezeichnung „Kehrseite" würden die Darsteller sicher nicht gelten lassen) zur Marxkundgebung. Der Unterschied gegenüber dem Vovcüxnd stach in die Augen, wie das ganze Bild am Sonntag für di« Augen bestimmt war, weni- ger für den Bcrstand. Denn im Beifall tat man sich schon ein Gütchen, als die Iungdokapelle „vaterländische Musik* darbot. Als dann gar die uniformierten Trupps aufzogen unter Trom- melwirbelspiel kannte die Begeisterung keine Grenzen. Das Publikum staunte über die immer vollkommener werdenden Uni- formen -er „Vaterländischen*, über die blanken Trommeln. Je- der dieser „nationalen" Bekenner mußte ein und oder zwei schivarz-weiß-rote Fähnchen (Stück für Stück: eine Mark) Kau sen, jung und alt wetteiferten an Begeisterung, nach dem Takt der Pauke dies« Fähnchen in der Lust zu schwenken. Eine rhyth- mische Harmonie war so glänzSkd hergestellt, eine so reizende Vorstellung hat der Zirkus in den letzten Jahren nicht mehr gesehen. Der Titel dieses Ereignisse«, der leider nicht bekannt gemacht wurde, hieß sicherlich: „Im Taumel des Nationalismus* Aus dem Programm stand ober etwa» von Reichspräsidentenwahl. Daher muhte man das schön« Fahnenschwenken und bie laute Musik wohl oder Übel durch leidige politische Reden unterbve- chen. Sämtliche Redner wußten sich aber der „nationalen*, von Politik unbeschwerten Stimmung trefflich onzupasfen. Interessant war ein Schreiben des Oberbürgermeisters Dr Iarres, das der Letter der Versammlung, Landtagsabgeord neter Dr. Kretzschmar, vorlas. Auf eine ergangene Bitte i» Dresden zu sprechen, antwortete Herr Iarres ablehnend: Er Hab, seine Steilung zur Kandidatur Hindenburg unzweideutig zum Ausdruck gebracht. Es würde den Eindruck dieser öffentliche» Erklärung nur abschwächen, wenn ich persönlich in große» Versammlungen noch auftreten würde. Der Vorsitzende erklärte die Gründe der Ablehnung anerkennen zu müssen. Wer sich auch nur ein wenig auf politische Dialektik versteht, fühlt ohne weiteres, was hinter dieser Stellungnahme an bitterer Wohrheii steckt. Die Fahnen- und musiktrunken« „Masse* hatte für solche, diesmal unangenehme Dialektik kein Ohr, sie beklatschte umso lauter die anderen schönsärbenden Stellen des Brieses. Die beiden Politiker bemühten sich in ihren Ansprachen möglichst wenig politisch zu sein, um so die Kandidatur Hinden- bürg überhaupt rechtfertigen zu können. Landlagsobgeordneter Metzenthien gab offen zu, worum man für das höchste po litische Amt des deutschen Volkes Hindenburg m Vorschlag ge bracht habe, weil es nämlich nicht möglich sei, in den Grenzen un seres Vaterlandes einen Namen zu finden, der oeeigneter ist, derartig zusammenzufasten und zu zünden, wie der Name Hinücn- burgs. Eia ehrlicher Mann! Er sagte sogar, was man mtt die sem Namen anfangen will, wenn man das gesteckte Ziel erreicht hat: „In allen großen Dingen des Lebens ist es doch ebenso: Wenn der Umkreis der Geschäfte die Kraft des einzelnen über steigt, dann kommt es für ihn daraus an, sich die besten Mit. arbeiter herauszusuchen, und das ist die große Kunst unsere» Hindenburg gewesen in den langen Jahren des Krieges, und das wird, wie wir vertrauen, seine Kunst und sein Geheimnis blei ben, wenn er an die Spitze des Staates berufen wird.* Aus deutsch: Wer Hindenburg wählt, wählt Tirpitz, Schlanqc-Schö- ningen und Ludendorffl — Zum Schluß gab es noch einige Freundlichkeiten für Marx: Er sei ein Kullurkampfkatholik, ein eng stirniger Mann. Im gleichen Atem sagt« der Herr Kor vettenkapitän a. D.: Er wollt« gegen Marx, der doch vielleicht Präsident werden könne, nichts sagen. Siehe da, Engstirnig keit gilt einem früheren Offizier als kein Vorwurf — das ist ja ungemein interessant! Nach dem schlanken Herrn Metzenthien sprach der gewich- tigere Herr Oderfohren. M. d. R. der dementsprechend, auch schwerere Brocken von sich gab. Er erklärte ganz frank und., frei: „Die Rechtsparteien haben sich ln Weimar besondere Müh< gegeben, bie ReichsprSsibentschaft mit möglichst großer Macht-^ Vollkommenheit auszustatte« in der Hofsnung aus den Tag. der jetzt kommen soll, wo ein Mann ihrer Geistessorm den höch sten Posten im Reich« bekleiden würde." Und dann beschäftigte er sich mit dem verstorbenen Reichspräsidenten Ebert und sagte: „Wir wollen dir Toten ruhen lassen — ober wie steht es mit den Lebenden: Was ist denn Herr Philipp Scheidemann und die an dern alle? Dir brauchen Hein Magdeburger Urteil, von unserm nationalen Standpunkt sind sie samt und sonders Landesver räter* Und bann sprach er von der Schlange Korruption und der seligen Stunde, wo die Früchte des neuen Aufstiegs mit dem Lorbeer der deutschen Vergangenheit gemischt werden könnten. Di« Versammlung fand alles aut und schön, besonders di« schamlose Beschimpfung des toten Tbert. Freudig zog inan mit-, den Eine-Mark-Fähnchen durch die Stadt u »^demonstrierte, daß-- für die Rechtskreise Musik und Farbensinn das politische Den- Ken ersetzt. Und bewies, daß der Reichsblock seine Dresdner ' Wähler richtig einoeschätzt hatte, als er ihnen vor dem ersten wie vor dem zweiten Wohlgange nur politische Nullen als Versamm-, lungsreden zur Verfügung gestellt hat. rvetlerberichl der Dresdner MeNerwars« Mttenmgsaussichten für den 20. April abends dis 21. Aprij abends: Vorwiegend wolkig, zeitweise oufheiternd, nachts kühl, tagsüber mild, schwache bis mähioe nordwestlicke Winde.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)