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Dienstag, den 28. April 1925 Nr. 97. Seil« » Wd« mltt Sem Me« «iliell (Von unserem Pariser Korrespondenten) A Me MiMkllSkMM Wkl Vom Syndikus Dr. Seemann Am 26. April sind 25 Jahre verslossen. seit sich di« Hand werkskammer zu Erfurt konstituierte unter dem Vorsitz des da maligen Reichstagsabgeorimeten Schneidermeister Iacobskötter. Mit Schaffung der Handiverkskammern wurde der alte Wunsch des Handwerks nach einer amtlichen Berufsvertretung in »lei- cher Weise, wie sie Handel. Industrie und Landwirtschaft bereits besahen, erfüllt. Durch Schaffung der Handwerkskammern er. hielt das Handwerk ein Sprachrohr gegenüber der Negierung. Wenn oft der Segen dieser Einrichtung nicht genügend in weiten Kreisen des Handwerks gewürdigt wurde, so hatte dies seinen Grund an mangelnden Mitteln, die die Tätigkeit der Handwerks kammern einschränkten, zum anderen auch an mangelnder Be reitwilligkeit zur Mitarbeit seitens des bezirksansüsfigen Hand werks. In dieser Beziehung haben Krieg und Revolution einen Wandel geschaffen, und es wird heute wohl der weitaus größte Teil des Handwerks den Segen und Nutzen seiner Handwerks- Kammer anerkennen. Es sei mit folgendem ein kurzer Ueberblick iiber die Ge schichte der Handwerkskammer zu Erfurt gegeben. Wie bereits erwähnt, wurde sie im Jahre "">0 errichtet im bescheidensten Nahmen. Von den damaligen Att.gliedern arbeiten noch 5 aktiv in der Handwerkskammer mit, nämlich Wagnerobermeister Karl Krüger, Erfurt. Fleischerobermeistsr Schwäger, Erfurt, Maurer- obermeister Krähmer, Weitzensee, Buchbindermeister Wetzel, Din- gelstüdt, und Biichsenmachermeister Triebet, Suhl. In erster Linie befaßte sich die Handwerkskammer damals m>t der Regelung des Lehrlingswesens. Hier lag vieles im Argen und es bedurfte jahrelanger angestrengter Tätigkeit, um hier hinein Ordnung zu bringen. Heftige Kämpfe entspannen sich über die Frage der Einführung des Befähigungsnachweises im Handwerk. Der Vor sitzende Iacobskötter trat für den Kleinen Befähigungsnach weis ein, während weite Kreise seines Bezirkes den allgemei nen Befähigungsnachweis verlangten. Der sogenannt« kleine Befähigungsnachweis wollte die Befugnis, Lehrlinge anzuleiten, von gewissen Voraussetzungen abhängig machen; während die Gegner für den Betrieb eines Handwerks überhaupt einen allge meinen Befähigungsnachweis verlangten. Erster« Richtung hat dann im Jahre 1908 den Sieg errungen, nicht zuletzt dank der in tensiven Mitarbeit des Herrn Iacobskötter. Es ivar klar, dah der allgemeine Befähigungsnachweis im Zeitalter der Gewerbe freiheit Utopie war und bleiben mutzte, und Iacobskötter ist sei nen Weg unbeirrt trotz vieler und heftiger Anfeindungen weiter gegangen. Die ganze Tätigkeit der Handwerkskammer in dieser Zeit war ureigenst« Arbeit des Vorsitzenden selbst, der mit uner müdlichem Eifer sein Amt in vorbildlicher Weise verwaltet«. Eine besondere Geschäftsführung bestand noch nicht, sondern es stand ihm lediglich ein ehemaliger Kreisausschutzsekrctär für die Pro- tckollsührung und die schriftlichen Arbeiten zur Seite. Dies wurde erst anders noch dem Tode Iacobskötter im Jahre 1911, wo auf Drängen der Negierung ein hauptamtlicher Syndikus eingestellt wurde. Im Lause der Jahre nahm die Tätigkeit der Handwerkskammer ganz erheblich zu, was sich am besten daran zeigt, dah im Jahre 1900 die Ein- und Ausgänge rund 379 betru gen. während man heute mit rund 15 000 Ein- und Ausgängen rechnen kann. Dies Zunehmen begründet sich in erster Linie in den immer mehr ivachsenden volkswirtschaftlichen und sozialpo litischen Aufgaben der Handwerkskammer. Sie wurde der Re gierung bald ein unentbehrlicher Faktor bei der Gesetzgebung, den Gerichten durch ihre gutachtliche Tätigkeit, und das Hand werk fand immer mehr Zeit und Gelegenheit, seine Wünsche durch die Kammern zur Sprache zu bringen. Nach dem Tode Iacobskötters wurde der Bäckerehrenober meister Christian Büchner, ebenfalls einer alteingesessenen Erfurter Handwerkersfamilie entstammend, zum Vorsitzenden ge wählt. Er hat dieses Amt in treuer Pflichterfüllung bis zu sei nem Tode im Dezember 1920 bekleidet. Unter Christian Büch ners Führung muhte die Handwerkskammer die schweren wirt schaftlichen Zeiten des Krieges überwinden, und sie verstand es. eine Organisation aufzuziehsn, die dem Handwerk ihres Bezirkes für viele Millionen Kricgsaufträge verschaffte. Nach Büchners Tode übernahm der noch jetzt amtierende Kammerpräsident Bäk- kcrmeister Ioh. Dunkel, -er seit 1910 Mitgttetz her Kammer war. den Vorsitz. Durch seine Wahl in den Reichstag ist der Hand werkskammer Gelegenheit gegeben, in besserer und nachdrück licherer Weife als bisher die Wünsche des Handwerks zu ver treten; denn es ist der Geschäftsführung die Möglichkeit gege ben, durch die persönlichen Verhandlungen mit dem Kammerprä sidenten und Reichstagsabgeordneten alle wichtigen Lebensfragen zu besprechen und an maßgebendsten Stellen zu Gehör zu brin gen. Zu den wichtigsten Problemen, die z. Zt. die Handiverks- Kammer beschäftigen, gehört die Frage des neuen Berufsgesetzes für das Handwerk, das in erster Linie die Pflichtorganisation für die einzelnen Gewerbe vorsieht und andererseits auch das Tätig keitsgebiet der Handwerkskammern weiter ausbauen will. Wei ter gehört hierzu die Frage der Kreditbeschaffung für das .Hand werk. Diese Frage dürfte gerade für den Erfurter Bezirk am Paris, Ende April. Das neue französische „große Ministerium" ist tatsächlich ein Versuch ganz besonderer Art. Ursprünglich dachte man an ein Ministerium Painleve oder eine Regierung Briand, und nur ganz in der Ferne sah man erst den Namen Caillaux's, für den man allgemein die öffentliche Meinung erst in 5 bis 6 Monaten reif glaubte. Ein Ministerium aber, das alle drei großen Namen in sich schließe, wagte man kaum zu erhoffen, wo doch Briand und Caillaux seinerzeit spinnefeind waren. Nachdem cs doch gelungen war, ein solclzes Ministerium zu schaffen, nmr die Oppo sition tagelang konsterniert. Aber bald machte sich ihr Haß Lust: Kein Mensch, bis zur äußersten Rechten keiner, kann verneinen, daß Caillaux der beste Techniker Frankreichs in Finanzfragc» ist, und doch schreien sie so gegen ihn, daß sie dabei alle anderen Minister vergessen. Denn Caillaux sei ja der „Verräter und Defaitist". Das ist nämlich die leichteste Art, das Ministerium anzugreifen. Scho» vor dem Kriege hatte Caillaux versucht, mit Deutschland einen Ausgleich zu finden und da dies manchen „Patrioten" einer moralischen Anerkennung des Frankfurter Friedens und vielleicht einem Verzicht auf Elsaß-Lothringen gleich schien, ward er des Verrats angeklagt und sein Ministerium wurde gestürzt, um später Poincare Platz zu machen. Während des Krieges soll dann Caillaux in Italien „defai- tistlsche Aussprüche" getan und zudem cinein „weißen Frieden" das Wort geredet haben. Daß cs gerade England war, das seine Verurteilung verlangte und betrieb, wirft vielleicht ein Licht darauf, wie er sich diesen Frieden dachte: Heute ist Cail laux ein erbitterter Feind Englands. Clemencau, ein treuer Freund England, hat nicht davor zurückgeschreckt, den früheren Ministerpräsidenten Caillaux vom Senate wegen Hochverrats aburteileu zu lassen, worauf Caillaux für einige Zeit von der politischen Bühne verschwand, um, ver bannt, dem Treiben der Nachkriegspolitik von ferne zuzuschauen, bis er vor kurzem amnestiert wurde, um wider alles Erwarten ohne Zwischenstufe direkt ins Ministerium der Finanzen wieder einzrizichen. Fast schien es. als wäre er der einzige Minister im Kabinett, da alle Anklagen der Kammerminderheit sich stets nur gegen ihn richten. Und doch ist das ganze Kabinett eigen artig genug zusammengesetzt. Briand gilt auf der Linken als allerbrennendsten sein, infolge seiner Eigenart. Im Kreise Schmalkalden sitzt die Kleineisenindustrie, und Suhl ist Sitz des Biichsenmachergewerbes. Sie alle haben durch die Inflation ihre Substanz mehr oder weniger verloren und sind in Abhängig keit vom Grobunternehmertum geraten, so daß sie für ihre Er zeugnisse Preise erzielen, die weit unter Friedenspreis liegen. Es ist z. B. in Steinbach-Hallenberg nichts seltenes, daß eine Fa milie nicht mehr als 15,— ^ Wochenlohn verdient Hot. Daß solche Verhältnisse den Ruin des Handwerks herbeiführen müssen, ist klar, und es kann nur eine großzügige Kreditaktion in diesem Falle helfen. Aber auch die übrigen Gewerbe brauchen Kredit, um das durch die Inflation erschütterte Wirschaftsfundament wieder zu festigen und ein Ausblühen des Handwerks herbeizu- fiihren. Gerade für dos Handwerk ist der Kredit außerordentlich notwendig, denn nicht die Großindustrie, nicht das Großkapital sind die eigentlichen Träger des Staatswesens, sondern der ge sunde, bodenständige Mittelstand, dessen Hauptstütze das Hand werk ist. Ursprünglich hatte die Handwerkskammer ihren Sitz in der Privatwohnung des Vorsitzenden, dann zog sie in die Bur straße und von dort in die Kasinostraßc. Beide Räumlichkeiten entsprachen aber in keiner Weise der Würde und dem Ansehen des Handwerks. Besser wurde es erst, als die Räume in der Meyfarthstraße bezogen wurden, die der stellvertretend« Vor sitzende, Wagnerobermeister Krüger, für die Kammer gebaut hatte. Diese Räume hatten nur den einen Nachteil, daß sie für die Dauer zu Klein waren. Der Syndikus der Kammer sprach da her im vergangenen Jahre der Vollversammlung den Wunsch aus, daß der Handwerkskammer endlich ein eigenes, schönes, ausrei chendes Heim beschert werden möge. Dieser Wunsch ist dadurch erfüllt worden, daß die Vollversammlung der Handwerkskammer den Ankauf des „Hauses zum breiten Herd", des heutigen Gildc- velelie «Ine «srt«, velrse ttnut u. blenckenil sckönen leint erjimxett unU erlislten vi», vL-ctit «Ick nur mit äer slleln «eilten - «-LjHr, von öei'ZMLnn s Lo., kaäebeul. Reaktionär, da er ja sogar Ministerpräsident des nationalen Blocks war. Caillaux gilt als entschiedener Bürgerlicher, al« ein Feind der Kapitalsabgabe und der Sozialisten. Steeg zwar ein überzeugter Republikaner, aber er steht eher auf rechten Seite des Linkblockes, und der Handelsminister Cha»» met hat recht freundliche Beziehungen bis zur Rechten. De Mon. zie schließlich ist sehr gemüßigt. Er ist der Schöpfer der rus sischen Gesandtschaft zu Paris, aber auch ein Freund der vati kanischen. So hätte man glauben sollen, daß dem eine faktische Er weiterung der Mehrheit entsprechen würde. Doch ist dies nicht der Fall. Denn bei der Abstimmung der ersten Regierungser klärung l>at!e nur der Linkshlock zusammen mit den Sozialisten der Regierung das Vertrauen ausgesprochen. Dem Geiste der Politik nach, wie er in der Erklärung zu- tage trat, handelt es sich ja um eine Erweiterung des Kabinetts nach rechts in den innenpolitischen Frage». Denn die Gesandt- scl>ast am Vatikan wird aufrecht erhallen. Und wenn auch die sozialen Versicherungen bald vom Senat verabschiedet werden sollen, so hindere trotzdem die augenblickliche Finanzlage die An- griffnahme größerer sozialer Reformen. Ferner soll ja auch die Assimilation Elsaß-Lothringens nur mit aller Vorsicht geschehen, und nur nach Beratung mit den kompetenten clsässischen Stellen. Zwei Fragen seien vor allem wichtig: die der Sicher heit, und darin werde man eine enge Zusammenarbeit mit den ehemaligen Verbündeten suchen sEnaland oder Polen?) und Verständigung und Ausgleich mit dem Feind von gestern. Dann die Finanzfrage, bei der man den Willen zur äußersten Sparsamkeit betonte und an das Volk appellieren wolle mit dem gleichzeitigen Versprechen, in spätestens zwei Mo naten mit neuen Finanzreformen hervorzutreten. Von der Mög lichkeit einer Kapitalsabgabe kein Wart mehr. Ein Kabinett also, das sich auf die Linke stützt und gemä ßigte Nechtspolilik, oder vielmehr eine Politik, die keine ausge sprochene Linkspolitik ist, treibt. Dies wahrscheinlich, um denn Senate nicht anzustoßen. Denn so kann man der Linken nicht den Vorwurf machen, sie betreibe eine einseitige Parkeipolitik, sondern höchstens der Minderheit, wenn diese sich nicht dazu entschließen will, offen und ehrlich am „nationalen Wicderauf- lxm" teilzunehmen, selbst wenn die Baumeister von links kom men. Friedrich Veith. Hauses, beschloß und wenn auch Schwierigkeiten zu überurmzen waren, so ist doch heute das Haus zum breiten Herd ein Doku ment der Lebenskraft und des Lebenstrotzes des Handwerks, das durch Erwerbung dieses Gebäudes bewußt an die alte Tradi tion des .Handwerks anknüpste, das sich im Mittelalter selbst in schweren wirtschaftliäM Zeiten die herrlichsten Gildehäuser schuf, deren Pracht wir noch heute in Hildesheim, Münster. Lübeck, Lüneburg usw. bewundern. Die Handwerkskammer hat davon abgesehen, ihie Jubel feier im Augenblick im größeren Rahmen ah,zuhalten. Es fand lediglich eine Vollversammlung am 22. April statt. Sie wird aber diese Feier mit der Einweihung des Gildehauses verknüpfen, sobald dieses vollständig von ihr in Besitz gcnomnien ist. Die Vergangenheit war wirtschaftlich nickst immer leicht, und sie ist doch gemeistert worden durch das Zusammenarbeiten des Handwerks, der Innungen und der Handwerkskammer. Die Ge genwart ist schwer, viel schwerer, und die Zukunst liegt trübe voi uns, aber das Handwerk, das viele Jahrhunderte überdauert hat läßt sich nicht unterkriegen und wird auch in Zukunft vereint mit Innungen, sonstigen Verbänden und ihren Kammern alles daran letzen, damit das alte Sprickpvort wieder wahr werden möge: „Handwerk hat goldenen Boden" und zwar nicht zuletzt aus Eigennutz, sondern zu Wohl und Frommen unseres geliebten deutschen Vaterlandes. Poslkredile sür den Miileislanö Wie wir hören, nehmen die Verhandlungen ftn Reichswirt- schastsministerium über tste vom Reichstag angeregte Krebib- cution zugunsten des geiverbUchen Mittelstandes einen befriedigen den Verlauf. Tie Deutsche Neichspost springt nach Maßgabe tbrer verfügbaren Mittel helfend ein. Sie kann aber gemäß oen Vor schriften, die ihr Verwaltungsrat über die Anlegung der Postscheck- gelder kürzlich getroffen hat, Darlehen nicht an einzelne Gewerbe treibende, sondern nur an Staatsbanken geben. Demgemäß über nimmt in der Hauptsache die Preußische Staatsbank die Kredite von der Neichspost und leitet sie ihrerseits an die gewerblichen Kreditgenossenschaften nsw. weiter. ES ist zwecklos, daß die ein zelnen Gewerbetreibenden und deren Organisationen, die Kredite nachsuchen wollen, sich mit Tarlehnsgesnchen an die Deutsche Neichspost wenden. Die Soldaten -erKaiseriri Roman von Juliana von Stockhauien s66. Fortsetzung.) Wieder rollte die Trommel. ,Mit Viertels Gliedern dupliert! Kontra marsch!" Reiter und Pferde schienen ein» zu sein. „Mit achtel» Gliedern dupliert! Kontra marsch!" Der Boden schlitterte; silbern flammte weißer Staub Uber den Hof. Der General ließ den Rappen corbettieren; er grüßte mit dem Degen die Majestäten. Die Kaiserin bog sich weit über die Rampe, Josef lachte entzückt. Kaunitz lorgnettierte gelangweilt die Offiziere. „Kontra marsch zn Vieren rechts — links!" Kurze Wirbel schollen. Die Reiter trabten in gelösten Reihen. „Links mit halber Konversion! Fronte rechts!" Dolmans flogen, dröhnend schlugen die Hufe den Boden. „Drei Platon links avanciert und chargiert, rechter Zug retiriert!" Die Pferde brausten. „Reiter!" sagte Maria Theresia. „Ich könnte Ihnen keine besseren mitgeben, mein Sohn." „Sehen Ihre Majestät" — und Josefs Hand wies — „das erste Glied rechts? Diese alten Schnauzbärte könnten Majestät in Dero Reitschule reiten lassen. Wahre Teufel!" „Panduren. Majestät!" sagte Laudon. Josef lachte. Er beugte sich über die Brüstung: „General, lassen Sie Karree reiten!" Wieder schlugen die Trommeln, zitterte der Boden; in sil bernen Säulen flog der Staub. „Was tst das für ein feiner Bursche neben dem Alten? Hat einen glänzenden Sitz! Ah, Sehen Sie, Laudon, sein Pferd will steigen — bravo! Er muß Schenkel wie Stahl haben. Was bemerkten Sie, Mama?" Die Kaiserin machte eine sehnsüchtige Geste: „Es ist immer schmerzlich für mich, so reiten zu sehen, und es selbst nicht mehr zu dürfen." Sie legte die Hand auf Josefs Arm und schickte sich an, die Stufen hinabzusteigen. „In Ihrem Alter, mein Freund, zitterten die besorgten Freunde vor meinen Ritten. Erinnern sich noch, Fürst?" Kaunitz verbeugte sich: „Majestät n. » eine wahrhaft Kai- serliche Reiterin!" Langsam stieg die Kaiserin die Trevpe zum Hof hinab. Der m»neral eilte ihr entgegen. Im Augenblick saßen die Husaren ab und standen Fuß bei Pferd. Leise Schauer der Begeisterung brausten durch die Reihen. „Mein lieber General," und die Kaiserin bot dem Nadasdy die Hand zum Kusse, „Wir sind von der Treefflichkeit Seiner Truppe entzückt! Er reitet ein gutes Pferd. Nichtsdestoweniger wird ihn freuen, sich in Unserm Marstall einen Lippizaner aus zuwählen!" „Dero Majestät sehen mich aufs tiefste gerührt." Mit der sie so auszcichnenden wahrhaft herzlichen Liebens würdigkeit ging die Kaiserin am Arm Josefs die Truppen ab. „Ihn kenne ich doch?" Und die Kaiserin blieb vor einem baumlangen und eisgrauen Wachtmeister stehen. „Dero Majestät würdigten mich der Ehre, mir Depeschen abzunehmen, die den Sieg Dero Majestät bei Maxen enthielten!" „Ich erinnere mich, m?in Braver! Heißt Er nicht Bauer?" „Zu Befehl, Majestät!" Tie Kaiserin gab ihm ein Goldstück und ging weiter. „Wo ist Er verwundet?" Und die Kaiserin wies auf eine Schmarre, dis des Husaren Wange entlang lief. „Majestät zu dienen, bei Schweidnitz!" „Ich bete zu Gott, daß Seine Majestät der Kaiser ebensoviel treue Soldaten besitzen wird, wie ich sie besaß," sagte Maria The- resia. Tränen in den Augen erwiderte der Husar: „Majestät mögen ewig auf die Treue von Majestäts Soldaten bauen!" Die Kaiserin reichte ihm lächelnd ein Goldstück. „Er war Pandur?" fragte die Kaiserin und wies leicht mit der Hand auf einen rasierten Schädel mit dem gebänderten Zopf. „Zu dienen, Majestät!" erwiderte Ianko, ohne daß sich eme Muskel in seinem Gesicht bewegte. „Habe ich ihn schon gesehen?" fuhr Theresia fort. „Majestät hatten große Gnade, nach dem Frieden Parade abzunehmen!" erwiderte Ianko. Die Kaiserin sprach zu Josef, indem sie das Goldstück In Iankos Hand gleiten ließ: „Sehen Sie, mein Sohn, diese Mann- schaft dient Uns, seit wir Oesterreich regieren." Aber der Kaiser antwortete nicht. Er löste sich von der Kaiserin, neben die Fürst Kaunitz trat. Die Kaiserin zog Lau don und Nadasdy ins Gespräch. Josef klopfte dem Hengst des Ianko den Hals: „Er hat unter Trenk gedient?" „Zu Befehl. Majestät!" „München erobern helfen? Nheinübergang?" fragte Josef weiter. „Zu Befehl. Majestät!" - „Er hat einen sehr tapferen Herrn gehabt!" „Gott weiß es, Majestät!" Indem wandte der Kaiser, wie von geheimer Macht ge zwungen.- den Kopf. Er sah in die großen, offenen Augen des jungen Husaren. Der Kaiser faßte sich: „Nun," sagte er und wundert sich über das Vibrieren seiner Stimme, „Er reitet trefflich. Ich habe ihn vorhin beobachtet! Er hat einen festen Schenkeldruck!" „Der junge Husar sah den Kaiser an. seine Augen waren dukel vor Erregung, seine KUHngeschwungencn Lippen bebten. Der Kaiser lächelte. „Er heißt?" - Marusch, Majestät zu dienen!" Die junge Stimme slog. „Wie alt ist Er, Marusch?" und der Kaiser legte sein« schmale, sehnige Hand aus die Schulter des Husaren. „Vierundzwanzig Sommer, Majestät zu dienen!" „Hat Er »och de» Krieg mitgemacht?" „Zu Befehl, Majestät; ich wuchs beim Heer auf!" Die dunk len Augen tranken den Blick des Kaisers. O heiliger Gott, der Kaiser! „Hat sich sehr ausgezeichnet. Majestät!" flüsterte der Ad jutant devot. Der Kaiser gab dem Jungen ein Goldstück, aber zögernd. Es kam ihm fast unzart vor, und doch — es war ja nur ein Soldat. Marusch hob mit bebenden Nüstern den schmalen Kops: „Dero Majestät untertänigsten Dank, nicht wegen Geld —" der Atem verschlug dem Husaren —, „weil Majestät es mir geben, küsse die Hände, Majestät, untertänigst!" Der Kaiser nickt und ging weiter. Noch einmal zwang es ihn, den Kopf zu wenden Er sah in dos Husaren dunkle, weit offene Augen. „Wie schön dies Gesicht ist," empfand der Kaiser. Und mährend er mit einem anderen sprach, empfand er: „Wie schön, wie schön! — Die Kaiserin richtete sich auf. Sie ließ den Blick iiber die Soldaten schweifen. Die Kaiserin sprach. Und obwohl sie oft. fast immer bei Paraden zu den Soldaten sprach, brannte stets aufs neue die tiefe Liebe, die sie zu ihren Soldaten hegte, in ihren Worten: „Meine Kinder. Wir vertrauen eurer Treu und Tapfer keit Unfern größten und vielgeliebten Schatz, den Kaiser. Unfern teuren Sohn, an! Wir erwarten von euch, daß ihr. der großen Ehre und des Vertrauens bewußt, eher euer Leben als die Ma jestät in Gefahr kommen laßt. Wir erwarten, daß Unsere Sol daten wie stets den Ruhm Unserer Waffen verkünden!" Die Luft brauste. Aus tausend Kehlen tobte der Schrei wilder Liebe: „Maria Theresia! Esten! Unsere Mutterl Vivat! Leben und Blut! Maria Theres!" (Fortsetzung folgt.)