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Nummer 97 — 24. Jahrgang knial wSchtl.'vr,,u„sprcis: für «pril 2,50 ^ etnscbl «estcllgeii». «nzc «cnprkise: Tie laesp. PetttreNe OH Slelli-nneiuche 20 Tle Penr-Reklamezeilr 8g Millimeler breit, 1 Ollertengebühr für Selbst» abl,olrr 2» H, bet Ueberiendung durch die Post außerdem Portvzuichlng. Einzet-Nr. lg. SonntagS-Rr. 15 Mlchästlicher Teil: Josef Fohmann, Dresden. ttoklkvll! ^ NSdsI lovsiuisssN. IS ^ vtssäen ^ Dienstag, 28. «pril 1S2S Im Fall« höherer «««alt erlischt jede «Verpflichtung. ««fSiesenmg sowie »rfüllana von >nzeigen-Su«trägeau.i Leistung von Schadenersatz. Kür «»deutlich «. d. Fernruf übermittelte Anzeigen übernehme« wir keine Vera nt« worluug. Unverlangt eiugesandt» und mit Rückport« nicht versehene Manuskript« werden nicht auibewahrl. Sprechstunde der Redaktion 5 bi« 0 Uhr nachmittag». Hauptschefftleilerr Joses Albert. Dresden. GesiNättsfteU« der Sachftswen >volks»et«una »nd Truck und Verla«, Saronia-Vuchdruckeret GmbH. TreSben-iMll. IS. Holbetiistrake «6. icernrui 82?Ä. PoNtcheckto»!« Dresden NM Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Volk-zettn»« DreSden-SMIl. iS. Holbeinstratze «S. Zernrin ii2M »,,!> -IMS Der „Sieg der Berti«, den 27. April. Der Reichswahlletter veröffentlicht heule früh das vorlüufige amtliche Endergebnis der Reichsprüsidentenwahl. Danach haben erhalten: Kindenburg 14839399, Marx 1375264«, Thülmann 1S315S1. Kindenburg ist somit zum Reichspräsidenten gewählt. Seit Errichtung des neuen Deutschland mit seiner vemokratischen Verfassung, die den Willen des Volkes als entscheidende Instanz über höchste Fragen der Nation setzte, ist keine Wahl grundsätzlich so wichtig gewe sen, wie die gestrige. Das Volk sollte für 7 Jahre sein oberstes Staatsamt vergeben. Es sollte also seine Zu kunft auf Jahre hinaus mit der Wahl des Präsidenten nach dieser oder nach jener Richtung — nach einer das Gemeinwohl fördernden oder hemmenden, bestim men. Inwieweit diese beiden Richtungen, die der gesun den tatkräftigen Fortentwicklung und die der hemmungs- vollen rückwärts gewandten und die Probleme der Ge genwart nicht verstehenden Art, vorhanden waren, haben wir zur Genüge festgestellt. Sie fanden ihre Verkör perung in den beiden Kandidaten Marx und Hindenburg. Zum Verstehen dieser Zeitprobleme wäre an und für sich keine allzu große Einsichtskraft vonnöten gewesen. Aber bekanntlich war das deutsche Volk von jeher das un politischste unter allen Kulturnationen. Bekanntlich hat dieses Volk sehr häufig gerade dann, wenn wichtigste Ent scheidungen seine Einheit und vor allem seine Einsicht er forderten, lieber dem Stammeshader gehuldigt oder sich mit irgendeinem Lieblingsspielzeug beschäftigt, nur nicht mit dem. was zur Debatte stand. So war es für einen großen Teil des Volkes in diesem Wahlkampf. Und nur so konnte gestern der altersgraue, von staatsmännischer Klugheit und Willenskraft unberührte Militär auf den Posten des Reichspräsidenten erhoben werden. Es war der Triumph der politischen Unvernunft. Das unpo litische Deutsckiand hat sich gestern auch rein äußerlich ein sichtbares Zeichen seiner innersten Charaktereigenschaft gegeben. Nicht das ganze Deutsch land ist's. nicht einmal die Hälfte der abgegebenen Stim men, geschweige denn die aller Wahlberechtigten, aber doch so groß, daß es gestern die Entscheidung herbeifiih- ren konnte. Wir haben schon vor der Wahl betont, daß die Kan didatur Hindenburg eine Stimmungskandida tur war. Sie war für den gefühlsmäßig einge stellten Deutschen berechnet. Hier ist ja der wunde Punkt, an dem die deutsche Denkkraftso oft gescheitert. Und alle Lehren einer trüben, tödlichen Vergangenheit sind vergessen, wenn es dem Volk von neuem einigermaßen erträglich geht. Wir leben ia bereits wieder in nicht mehr ganz anormalen Zeiten. Manchem geht es schon wieder zu gut sman muß das „gut" im Verhältnis zur Infla tionszeit berechnen), und so greifen Millionen wieder nach dem schönen Farbenschein, der aus der Vergangen heit herüberleuchtet. ..als es uns allen noch so überaus aut ging." Sie greifen nach dem Flimmernden, und plötz lich, wenn von irgendeiner Seite der Parademarsch des alten Deutschland erklingt, kommt ihr Blut in berau schende Wallung. Sie glauben plötzlich den Berg ihrer Sehnsucht entdeckt zu haben, von wo herab ihnen das edle Gesicht der Jungfrau Germania herniederlächelt. Und ie brauchen nur die Straßen ihrer Stadt zu gehen, um hr Herz an den „deutschen Helden aus großer Zeit" lBe- reiunskriege von 1813l. an „Fridericus Rex" und der gleichen mehr) zu erquicken. Die „Ufa"-Filmgesellschaft sorgt schon dafür, daß auch die Wahlzeit mit diesen „ge mütvollen" Sachen ausgefüllt wird. Und alle Gegenwart versinkt in nichts, man berauscht sich an dem Gewesenen. Und wenn im Mittelpunkte all dieser Klänge und Far ben dann das Bild des greisen Feldmarschalls ersteht — wer wollte nicht entzückt sein? Wir sagen das alles hier nicht, um unsere Vergan genheit zu schmähen oder den Feldmarschall oder die Hel den der Befreiungskriege. Wir ehren all diese Dinge. Aber daß sie zum Volksbetrug erniedrigt werden, das ist das Entscheidende, Noch vor nicht allzu langer Zeit, als alle nach den lebenden Rettern der Gegen wart riefen, wäre dieser Betrug unmöglich gewesen. Aber diegrößte Not ist jetzt vorüber, und Undank war stets der Lohn der Welt. Darum sind schnell die schlech ten Tage vergessen, und mit ihnen diejenigen, die uns die besseren machten. Man kann von neuem nach dem al ten Spielzeug greifen. Wie schon dieses Moment der Stimmung, das durch den Namen Hindenburg in das deutsche Volk hinein- getragen werden sollte, der erste Betrug an eben M UlW r« WIMM« Berlin. 27. April- Unser« Berliner Schriftleitung drnhtet uns folgenden StimmnngSbecicht: D.iS Volk hat entschieden. Ent» scheiduiigen müssen und werden von uns anerkannt Werdau, wobei wir ganz offen und unverhohlen anssprechen, ociß wir sie für ein folgenschweres, verhängnisvolles Unglück für dis kom mende politische und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands halten. Würden wir die Tinge lediglich parteipolitisch betrachten, so müßten wir diese Entscheidung geradezu begrüßen, denn nun werden oir Kretz-:, dir Hindenburg zum Siege verhelfen haben, auch zeige» müssen, was sie Posit'ves leisten könne». Hindenburg wird sich einerseits nicht über einen Mangel an Respekt zu beklagen brauchen, aber andererseits wird seine politische Tätigkeit, nachdem er nun einmal auf diesen Posten gedrängt wurde einer wachen Kontrolle unterworfen werden müssen; noch mehr gilt das wache Mißtrauen gegenüber seinen Beratern, die sich an Ihn heranmachen und ihn umgeben werden. Wir fürchten, daß mit oer Pcäsidentenschaft HindenbucgS nicht di« für unsere politische und wirtschaftliche Weiterentwicklung unentbehrliche Ruhe und Arbeit Platz greifen wird, sondern daß w'r in eine Epoche wilder, leidenschaftlicher parteipolitischer Kämpfe getrieben werben, von denen heute noch niemand wissen kann, wie sie letzten Endes ausgehcn. Ti« innen- und außenpolitische Wirkung der Präsidentenschaft Hind»nburgs wird sich tzi s-hc kurzer Zeit Herausstellen. Freilich wird die Politik als solche zunächst unberührt bleiben. Aber schon die Stellungnahme und dann die Entscheidung in den schwebenden und allgemeinen wichtigen Fragen in innenpolitischer, wirtschaft licher und handelspolitischer Beziehung, wird alsbald eine sehr starke Scheidung der Geister herbeisühren. Tie Politik wird ahrr nicht allein mit dem Gefühl zu machen sein und bi« Gefühlsentscheidnug, die zu der Wahl Hinden- bnrgs mit ganz knapper Majorität geführt hat, wird dann Wohl mit das schwerste Hemmnis sür die wirklich beruhigende und be friedigend« Entwicklung TentschlandS bilden. AttHilll MWinen Berlin, 27. April. Tag „Berliner Tageblatt" sieht in der Wahl Hindenburgs einen Sieg der pol i tische „ Unreife, betont aber, daß der Sieg des Reichsblockes fragwürdig >e:, da er nur der Pe rson Hindenburgs, nicht der Sache des ReichS- blockes, zu verdanken sei. Die „Germania" sagt: Die Tatsache des Erfolges des Reichsblockes soll man anerkennen. Die Republik habe eine Schlacht verloren. Ihre Anhänger aber hätten keinen Grund, entmutigt zu sein, da der Vorsprung des Siegers vor dem Unterlegenen äußerst gering sei, — Für den „Vorwärts" be deutet oie Wahl Hindenburgs keine Aenderung der republikanischen Verfassung, welche die Mehrheit des Reichstages für s'ch habe. Hindenburg sei mit H'lfe der Kommunisten gewählt worden. Für die Sozialdemokraten sei die nächste Ausgabe die Abrechnung mit den Kommunisten. Dir „Deutjcl>e Allgemeine Zeitung" betont vor allem d'e stärkere Wahlbeteiligung und hebt hervor, daß das Parteikalkül des Bolksblocks die Jmponterabilien aus dem Spiel gelassen babe, 4>:e mit dem Namen Hindenburg verknüpft und entscheidend ins Gewicht gefallen seien. Die „Deutsche Zeitung" führt aus: Mit der Reichspräsidentschaft Hindenburg? werde eine neue Zeit für Deutschland beginnen und Ehre und Würde an die Stelle von Unterwürfigkeit treten. MWMIW 7S MWl Berlln, 27. April Unter Zugrundelegung des amtlichen Wahlergebnisses von 30 408 388 abgegebenen Stimmen von 38 846 097 Stimmberechtigten beträgt die Wahlbeteiligung 78,4 vom Hundert. Berlin, 27. April. Die Wahlbeteiligung ivährend des zwei ten Wahlganges in Berlin dürste etwa 85 v. H. der stimm berechtigten Wähler betragen haben, das sind im Durchschnitt rund 12 v. H. mehr als am 29. März. Besonders zahlreich haben sich diesmal die Frauen beteiligt im Gegensatz zu den Reichstags wahlen im Dezember vorigen Jahres, wo gerade bei den Frauen eine gewisse Wahlmüdigkeit festgestellt werden konnte. Besonders stark war die Wahlbeteiligung in Neukölln, wo im Durchschnitt 85 bis ^87 v. H. erreicht wurden, in manchen Lokalen sogar 90 o. H. und darüber. In Hamburg rechnet man mit einer außerordentlich star ken Beteiligung von 85 bis 90 v. H. Zusammenstöße sind bisher nicht bekanntgeworden. Auch in Hannover ist die Wahlbeteiligung in der letzten Stunde auf etwa 85 bis 90 v. H. gestiegen. Aus Hatte wird ge meldet, daß die Wahlbeteiligung aus dem Lande stärker ivar als in der Stadt selbst ..... diesem Volke war, so nahm im Verlaufe des Wahlkamp fes folgerichtig diese trügerische Taktik ihren Fortgang. Bis auf das tiefherabgesunkene Niveau der Lüge und Entehrung ist jene Presse angekommen, die sich zum Ver fechter des Feldmarschalls berufen fühlte. Noch nie ist ir gendwo in einem Pressekampf mit so unsauberen Mitteln, noch nie mit solcher Verzerrung alles Ehrenwerten ge kämpft worden, wie diesmal in der Presse des Neichs- blockes. Mögen auch auf der äußersten Linken Entglei sungen vorgekommen sein, es war wie Kinderspiel gegen jenes ausgeprägte System eines dekadenten Iourna- listentums. Hand in Hand mit dieser Presse ging die Flugblattpropaganda der „vaterländischen Verbände". Jugendliche verteilten diese Produkte. Es bedarf schon eines außerordentlichen Grades von Gewissenlosig keit, Kindern und Halbwüchsigen, die doch in den Ver bänden zu „echten Deutschen" erzogen werden sollen, solche Schmähwerke zur Verteilung in die Hand zu geben. Aber, wer sieht auf die Mittel, wenn im Hintergründe das große Ziel steht? Und letzten Endes lassen sich auch gewisse Massen mit diesen Produkten erfassen. Wir be neiden Hindenburg nickt. Wie könnten wir es, weil diese ihn auf den Schild erhoben. Neben diesen beiden Momenten, dem der Stimmung und der systematischen Verhetzung des Volkes, kommt als weiterer Umstand: die Stimmenthaltung grö ßerer Kreise der Sozialdemokratie. Es war von Anfang an klar, daß es für sozialdemokratische Partei angehörige nicht so leicht sein würde, sich zu dem Mann einer anderen Partei hinüberzufinden. Die meisten ha ben es gekonnt, aber der ausschlaggebende Teil hat ver sagt. Gerade das Beispiel in Sachsen lehrt das allzu deutlich. Es muß das offen ausgesprochen werden, um nicht den Anschein zu erwecken, als stände die Mehrheit des Volkes hinter Hindenburg Die Sozialdemokraten, die sich der Stimme enthielten, sind die schärfsten Gegner Hindenburgs, sie glaubten nur, keinen geeigneteren an deren Mann zu haben, dem sie folgen könnten. Dann kommt noch das große Heer derweiblichen Wähler. Gerade diese lassen sich ja am schnellsten durch rein gefühlsmäßige Momente für den alten gefeierten Feldmarschall bestimmend Ihnen ist der größte Anteil an den Hindenburgstimmen ohne jeden Zweifel zuzu- jchreiben. Sie fragen in ihrer Mehrzahl nicht erst nach politischen Gründen, nach realen Notwendigkeiten, son dern sie hängen sich gern an das Schöne der Vergangen heit, sie lassen sich leicht von äußerem Glanz, von dem Nim bus irgendeiner Größe blenden. Es gibt rühm liche Ausnahmen, aber sie wiegen neben der großen Masse zu leicht. Mit Hilfe der unpolitischen weib lichen Wählerschaft war also in ganz erheblichem Maße dem alten Feldherrn ein neuer ..Sieg" beschieden. Dann aber wollen wir nicht ein weiteres äußerst wichtiges Moment vergessen: Das Katholisch sein des Kandidaten Marx. Dieses Katholischsein hat eine gewaltige „furchtsame" Menge abgeschreckt. Man denkt heute immer noch an mittelalterliche Mönche, man hört auch gerne noch etwas von einem Papst Alexander Vl., man redet mit Porljebe von Inquisition (wenn man auch nicht weiß, was es ist), man denkt mit Angst an den Jesuiten. Uno wenn'dann der Reichsblock, der sich ge stern noch in feinet „vaterländischen Presse" so eifrig be.