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Nummer 145 - 24. Jahrgang 6mäi wöcheiitl. Bezugspreis: für Juin 2,80 einschl. Bestellgeld. Anzcgi »preise: Tte Igesp.Petifte>le3v SMlengeiuche 2l> Dt« Petit-Reklamezeile 89 Mill.iiieler breit. 1 Offertengebühr für Selbst- a'/hoter 20 bei Ueberfendung durch die Post außerdem Aoptoznschlag. Einzel-Nr. 10. SoimtagS-Nr. Ist H. ^eichästllcher Teil: Josef Fohmanu. Dresden. SöckMe Sonnabend, 27. Juni 1925 Im Salle höberer Gewalt erlischt ,ede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung von Anzeigen-Aufträgcn». Leistung von Schadenersatz. Mir undeutlich ». d. Fernruf übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Berank- Wortung. Unverlangt eingesandte und mit Rückporto «icht versehene Manuskripte werden nicht ausbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 8 bis 6 Uhr nachmittags. Hauptjchriftleilerr Dr. Joses Ulbert. Dresden- wcschiiktsftclie, Drink und Verlag, Saxonia- Biichdriicteiei GmbH., Dresden-?!. 1«. Holbeinslrak« 4S. gcrnr»! L27.-L. Posticheikkonto Dresden 11707. Vmilkonla Bafsenge L Frttzschc, Dresden. Für christliche Politik un» Kultur Redaktion der Tächsische» Volkszcttuiig DreSden-SUlsl. I«. Holbeinslrnbe tv. gernrn! 87722 und 8MB. Zentrumspolitik in Preutzen Die Rechtspresse gibt sich in letzter Zeit die größte Mühe, gewisse Verlautbarungen der Zentrumspartei in Preußen in ihrem Interesse auszubeuten. Sie gibt sich den An schein, als wenn die Zentrumsportei in Preußen mit vollen Se geln eine Rechtsorientierung beabsichtige und scheut sich nicht, in haltlosen Kombinationen ein Uebriges zu tun, um den Kamps zwischen dem nicht vorhandenen rechten und linken Flügel in dramatischer Weise zu schüren. Das Stärkst« leistet sich in dieser Beziehung der „Berliner Lokalanzeiger" in der Abendausgabe vom 23. Juni, wo er sogar an die Namen der Unterhändler des Zentrums gewisse Kombinationen anknüpft. Es ist notwendig, gegenüber diesem Treiben der hauptstäd tischen Presse — die „nationalen Zeitungsschreiber in Sachsen" nähren sich natürlich von dieser Berliner Presse — di« Linie der Zentrumspolitik in Preußen noch einmal inallerFormauf- zu zeigen. Das Zentrum beabsichtigt in Preußen weder eine Rechts, noch eine Linksschwenkung. Sein Ziel ist und bleibt im gegenwärtigen Augenblick le> di glich die Basis zu verbreitern und dies ist eine staatspolitische Notwendigkeit, da das gegenwär tige Kabinett die nötige Stabilität nicht besitzt. Freilich muß in diesem Zusammenhang darauf aufmerk sam gemacht werden, Laß die Stabilität des Kabinetts Braun heute ivesentlich größer ist als noch vor ivenigen Wochen. Es hat sich eine bedeutsame Umgruppierung in der k o m m u n i st i s ch e n Politik — salls man überhaupt von einer solchen sprechen will — vollzogen, und unter den heutigen Verhältnissen ist damit zu rechnen, daß die alte Opposition gegen das Kabinett Braun, bestehend aus Kommunisten und Rechtsparteien, nicht mehr in derselben Weise funktionieren wird, wie in den ersten Monaten des preußischen Landtages. Dies kann natürlich die Zentrumspolitik in keiner Weise in ihren Zielen beirren, eineVerdreiterungder Basis iveiterzu versuchen. Aber es ergeben sich eine Menge von Hemmnissen und Hindernissen, die einer raschen Erringung des Zentrumszielcs im Wege stehen. Das Zentrum befindet sich in der Rolle des ehrlichen Maklers und hat nicht nur Rücksichten zu nehmen auf diejenigen, die bisher mit ihm in der Koalitions- arüeit zusammenstanden, sondern auch auf diejenigen, die es für die Zukunft gewinnen will. Nun kann man es verstehen, daß bei der demokratischen Fraktion die Neigung zu einer Neu formierung außerondentlich gering ist. Man wird für die Gründe Verständnis gewinnen, wenn man die Zahl der Ministerien ver gleicht, die die Demokraten gegenwärtig besitzen und ihre Frak tionsstärke innerhalb der Koalition. Die Sozialdemokratie steht vor einem wichtigen Parteitag und entbehrt außerdem eines ihrer umstrittensten Mitglieder, nämlich Herrn Severing. Man muß sreilich von der staatspolitischen Einsicht dieser Parteien verlan gen, daß sie sich grundsätzlich mit einer Verbreiterung der Basis einverstanden erklären, und diese Versicherung hat das Zentrum wiederholt von ihnen empfangen. Kille Me SemWlil»! m LMM London. 26. Junt. Gestern fand in brr Queenshall eine Versammlung der Völkerbunds,, n'on statt, in der Reden über Sicherheit und Abrüstung gehalten wurden. Ter Versamm lung wohnten in inosfizieller Eigenschaft auch die Botschafter von Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, Japan, Italien Brasi lien und die diplomatischen Vertreter der übrigen Länder bei. Die Versammlung stellte die Einleitung zu einer großen Kampagne zu gunsten des Schiedsverfahrens als Mittel zur Regelung internationaler Streitigkeiten bar. Der Nationalrat zur Ver hinderung von Kriegen hat eine Petition entworfen, welche von allen Friedensgescllschaft-n des Landes unterstützt wird. Die Petition soll dem Parlament Anfang August unterbreitet werden. Premierminister Balbwin sandte dem Vorsitzenden der gestrigen Versammlung Lord Cecil ein Schreiben, in dem er iich mik Zwecke der Zusammenkunft einverstanden erklärt. Lord Grey erklärte als Hauptredner, die Zukunft Englands, sei,, Bestand und sei,, Schicksal, seien mit dem zukünftigen Frieden Europas ver knüpft. Heute sehe man den Zusammenbruch des Prestiges der Macht und des Einflusses Europas, wie man es vor dem Kriege unmöglich angesehen haben würde. Ter einzige Weg, aus dem Europa wieder hecgestellt werden könnte, sei die Schaffung der Herrschaft des Gesetzes anstatt der Gewalt. Ten Krieg gewinnen und den Frieden gewinnen sei nicht dasselbe. Als Deutschland seinen Vorschlag für die Sicherheit seiner Grenzen gemacht hat, hat es einen wichtigen und nützlichen Beitrag zur Wiederherstellung des Friedens gemacht. Wenn der Vorschlag zu keinem Ergebnis führen sollte, so würde Frankreich auf die alte Politik separater Bündnisse mit Polen, der Tschechoslowakei usw. zurückgreifen. Man werde wieder dasselbe System von Gegengewichten und Sonderbündnissen habe», wie vor dem Kriege Ties würde eine» neuen Krieg gewiß machen. Hinsichtlich Deutschlands sagte Grey, daß keine militärische Kontroll kommission dauernd eine große Nation entwaffnet halten könne. Das einzige, was eine Nation davon abhalte, zu rüste», sei, daß sie eine größere Sicherheit erhalte, als die Rüstungen sie >e biete» MMHiell Md WW»!e Berlin, 26. Juni. Das Reichskabinett ist bei seinen Bera tungen über die Sicherheitsnote gestern abend zu einer vorläufigen abschließenden Stellungnahme gelangt. Die Briand- Note hat bekanntlich ebenso wie die Rede Lhamberlaiiis noch eri hebliche Unklarheiten und manche offene Froge im Nahmen des gesamten Sicherheitsproblemes zurückgelassen, und schon aus die sem Grunde konnte die Neichsregicrung vorläufig zu keinem an deren Beschluß gelange», als zunächst durch eine diplomatische Fühlungnahme und eine Reihe von Rücksragen über die noch strittigen Fragen die notwendige Klarheit herbeizuführcn. Jedenfalls kann aber damit gerechnet werden, daß die Ini tiative, die von der Regierung am 9. Februar ausgenommen wurde, trotz der inzwischen eingetretenen Komplikationen wei- terge führt wird. Die Beschlüsse der Reichsregierung werden zunächst im Laufe des heutigen Tages dem Reichspräsidenten v. Hindenöucg unter breitet und heute abend ein amtliches Kommunique über diese ga«ze Angelegenheit veröffentlicht werden. MN «N! SUN KS AMkWWjll Brüssel, 26. Juni. Vor der Internationalen Handelskam mer führte Parker Gilbert unter anderen folgendes aus: Das Funktionieren des Sachverständigengutachtens lyabe ivesentlich zur Wiederherstellung des zum Wiederaufbau nö tigen Vertrauens beigetragen. Der Staalsl>aushalt des Reiches sei im Gleichgewicht. Die Mark sei durchaus stabil. Die Kaufkraft im Innern sei unbedeutenden Schwankungen unter worfen. Nach den klaren Darlegungen des Sachoerftändigengut- achtens ergebe sich die Tatsache, daß Reparationsleistungen nur durch Exportüberschüsse geleistet werden könnten. Im Sachver ständigengutachten sei der Grundsatz nicdergelegt, daß aus lange Sicht die Sachlieserungen aus dem Recoveryakt wirtschaftlich ebenso wirken wie Barübertragungen. Die Praxis würde in Zukunft lehren, wie weit Transsermöglichkeiten bestünden. Pro phezeiungen hierüber auf Jahre hinaus seien unmöglich. Es werde sich wohl nicht vermeiden lassen, daß sich Transserschmic- rlgkeiten einstcllcn. Aber das sei durchaus kein Anlaß zum Pessimismus. Man müsse sich bemühen, die passendste Lösung zu finden. Die Sachleistungen seien ausbaufähig. Bisher sei diese Art der Transserierung noch nicht völlig erprob! worden, wohl auch infolge verschiedener Widerstände in den alliierten Ländern. Es sei aber wohl möglich, weitere Absatzmärkte für deutsckie Wa ren zu finden. Hierfür kämen für die Giäubigeriänder weniger Konsumtionsgüter als vielmehr P r o d u k t i o n s g ü l e r in Betracht. Ein anderes ist die Frage des Zeitpunktes der Ver breiterung. Wenn auch die Zentrumspolitik eine Beschleunigung wünscht und am Liebsten die Neuformierung der Regierung vor der Sommerpause erfüllt sähe, so ist die Zentrumspolitik in Preußen weit davon entfernt, unnötige Opfer zu verlangen, sie hat volles Verständnis dafür, daß es politische Ncugestaliungen gibt, die einer gewissen Reifezeit bedürfen. Und es scheint, als wenn dies gerade in unserem Falle besonders zuträfe. Die Zen- trumspolitik In Preußen ist nicht so naiv, den Ratschlägen ge wisser rechtsradikaler Blätter zu folgen und sich auf einen schwan ken Boden zu begeben, indem sie das zerstört, was in Preußen an zusammenfassenden politischen Kräften be> reits gewonnen Ist, um dafürganz unsichere neue politische Kombinationen clnzutau scheu. Die Lage in Preußen lst also folgende: Ziel ist die Ver breiterung der Koalition, aber jede Ueberstür- zung wird vermieden werden. Wer Mitarbeiten und im Nahmen der Koalitionspolitik staatspolitische Opfer bringen will, der ist willkommen. Aber die Wahrscheinlichkeit, daß noch vor den großen Ferien die Umgruppierung der politischen Kräfte in Preußen und die Schaffung einer neuen Basis ermöglicht wird, ist so gut wie ausgeschlossen. Dies liegt nicht an dem guten Wil len der Zentrumspartei, sondern an gewissen Imponderabilien bei den gegenwärtigen und zukünftigen Koalitionsgenossen, auf die eine kluge Zentrumspolitik im Interesse des zu erreichenden großen Zieles die sorgfältigste Rücksicht nehmen wird. Kotei ürftentzof ° mMg Notel Oer Leipzig desuchenücn iiatdolikea Mle Linimer mik «all- unO warmwastcr ro vstOer kreist Mäßig Uonserknrflle M MI W Sie Aus zentrumsparlamentarischen Kreisen wird uns geschrie ben: In der Steuerausschußsitzung vom 25. Juni 1925 ergriff zu nächst Abgeordneter H o s m a n n-Ludwigshafen namens der Zentrumsfraktion das Wort und stellte fest, daß das Steuerauf kommen aus der Weinstcucr im Rechnungsjahre 1925 auf 90 Millionen Mark festgesetzt sei. Damit sei säst der doppelte Be trag der von der Regierung ursprünglich veranschlagten Summe eingegangen. Namens der Zentrumsvertreter beantragte Abge ordneter Hofmann eine Herabsetzung der Weinsteuer von 20 auf 10 Prozent. Er wies daraus hin, das; die Weinsteuer bisher im mer befristet war, daß die Weinsteuer im Dawes-Gutachten nicht als verpsändbar ausgeführt sei und daß die Weinsteuer die höchste Belastung für ein landwirtschaftliches Produkt sei. Angesichts der Notlage des deutschen Weinbaues wäre er am liebsten für vollständigen Abbau dieser Steuer, doch könne davon keine Rede sein in Anbetracht der finanziellen Notlage des Reiches und der vorausichtlichen Erhöhung anderer Getrünkcsteuern. Der deut sche Weinbau befände sich in einer Aschenbrödel-Stellung. Ihm habe man durch das deutsch-spanische Handelsabkommen den not wendigen Zollschutz versagt, der von der Reichsregierung für alle übrigen Erwerbszwcige unter der Parole „Schutz der nationalen Arbeit" gefordert würde. Die Folgen des deutsch-spanische» Handelsvertrages seien erschreckend. Fast keine Absatzmöglichkeit im Weinhandel, große Lagerbestände in den Weinkellereien, voll ständige Mittellosigkeit beim Winzerstande und dadurch eine sehr gedrückte, ja geradezu verzweifelte Stimmung bei den über drei Millionen vom Weinbau lebenden deutschen Reichsangehöri gen, die zudem noch in ihrer überwiegenden Mehrheit das Joch des besetzten Gebietes zu tragen hatten. Die Rcichsrcgierung müsse schnellstens durch Kündigung und Revision des spanischen Handelsvertrages dieser Notlage begegnen. Es müsse bei der heutigen Geldknappheit und wirtschaftlichen Not in bezug aus Zahlungstermin der Steuern der alte Zustand vom Jahre 1918 ldrel Monate Ziel und drei Monate verzinsliche Stundung) her- bcigeführt werden. Der deutschnationale Abgeordnete Haag trat namentlich für die Freilassung des Obstweines von der Steuer ein. — Der Demokrat Korell verlangte Herabsetzung der Weinsteuer und Ermäßigung der Schaumweinsteuor von 30 auf 15 Prozent. In erster Linie müsse der Weinhandel als Pionier des Wein baues berücksichtigt werden, wenn stärkerer Absatz herbcigeführt werden sollte. Auch mit der Gemeindegctränkesteuer müsse Schluß- gemacht werden. Der Vertreter der Wirtschaftsparlei. Abgeordneter Nolte, setzte sich sür eine Steuerbesreiung des Bedienungsgeldes ein, ebenso sür eine Abjchalfting der Gemcinde- getrünkesteuer beim Finanzausgleichsgesetz. Staatssekretär Dr. Popitz erklärte, man könne die Weinsteuer nicht vom Standpunkte der Interessenten behandeln, sondern nur vom Standpunkte der Finanzlage des Reiches. Mit den jetzigen Steuerschützungen könne der Etat nicht gedeckt wer den. Herabsetzung der Weinsteuer aus lO"Prozent sei sür die Re gierung unannehmbar. Auch eine Hinausschiebung des Sieuer- fälligkeitslermines über drei Monate könne von der Regierung nicht zugegeben werden. Zwischen Wein- und Biersteucr müsse eine gewisse Relation yerrschcn. Dr. Bayer sdörscr von der Bayerischen Volkspartei schloß sich im großen und ganzen den Aussührungen des Zen trumsredners Hosmann-Ludwigshasen an — Abgeordneter Dr. Beusch (Zentrum) bedauert, daß keine steuerlichen Unterlagen von Ländern und Gemeinden neben den Unterlagen des Reiches dem Ausschuß übergeben wurden, so daß eine Gesamtgrundi-»,;« für die Erörterung der Steuersragen seifte. Wenn das Reichs- Ministerium der Herabsetzung der Weinsteuer ein unabänderliches Nein entgegensteile, so wolle er einen Ausweg vorschlagen, wo nach ein gewisser Prozentsatz aus der Weinsteuer ohne Psticht sür Zins und Rückzahlung an die Winzer zur Abdeckung ihrer Schulden verteilt werden müsse. Die Sozialdemokraten meldeten durch ihren Verlreier H o f f m a n n-Kaiserslautern vier Wünsche an: 1. daß die klei nen Wirte als Verbraucher gelten sollen, 2. daß Hausirnnk nicht anmeldepflichtig sein möge. 3. das; Obst- und Beerenwein steuer frei bleiben solle, 4. die Weinsteuer von 20 aus 10 Prozent herab gesetzt werden müsse. Der Vertreter der Deutschen Volkspartei, Abgeordneter Becker -Hessen erklärt, die Not der Zeit zwänge bei den anderen Gelrünkestcuern eine Erhöhung vorzunehmen. Die Weinsteuer müsse aber unter allen Umständen ermäßigt werden. Diese Ermäßigung bedeute sür die Reichsregieruug nichts anderes als eine Kostenzahlung für den deutsch-spanischen Handelsvertrag. Schließlich wurde der Antrag der Demokraten aus Herab setzung der Schaumweinsteuer von 30 aus 15 Prozent mit' alten gegen die demokratischen Stimmen abgelehnt: Am Schluß der Sitzung wurde ein Antrag aus Herabsetzung der We l n st s! euer von 20 aus 10 Prozent, befristet bis zum Jahre 1827 von den die Regierung stützenden Parteien angenommen.