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Tagesneuigkeilen Das Ehrengeschenk -es Reichspräsidenten zur Rheinischen Iahriausendseier Der Reichspräsident hat aus Anlass der Rheinischen Iahr- tausendseier sür den Weiikamps der Rheinischen Heimstasfel einen Ehrenpokal gestiftet, der als Wanderpreis vergeben wird. Der Pokal ist von dem Aachener Stistsgoldschmied Bern, hard Witte ausgesührt worden nach dem Entwurf des in Dresden tätigen Architekten Robert B. Witte. Herr Witte hat es übernommen, trotzdem nur vier Wochen Frist zur Ver fügung standen, das Stück zu vollenden und hat als Künstler sür die Modellierung der Figuren den aus Aachen gebürtigen, jetzt in Dresden lebenden Bildhauer M. Corr herangezogen Die Motive des Pokales sind sinnvoll ausgedacht, um dem Pokal eine seiner Bedeutung entsprechende Eigenart zu geben. Der Fuh wird aus den Gestalten von fünf rheinischen Flüssen gebildet: Rhein, Mosel, Saar. Ruhr und Ahr, wobei Rhein und Mosel als Flutzgötter, di« Saar als Winzer, die Ruhr als Berg mann und die Ahr. zugleich als Repräsentantin der übrigen rheinischen Flüsse als ein Mädchen in rheinischer Tracht dar gestellt ist. Hinter den Figuren wachsen Weinrebcnstöcke empor, die den goldenen Becher tragen Am Boden zwischen den sitzen den Figuren liegen oval geschliffene grün und weih geaderte Marmorsteine aus Obcrlahnstein Als Schmuck des Bechers dienen am unteren Teil, von fein aus der Hand geschnittenem Ornament umfaht. geschliffene Rheinkiescl aus der Gegend der Mainzer Rheinuscr und geschlissene Nheinwacken, gefunden an der Nahemündung bei Bingerbrück. Am oberen Becherrand find an volutenartigen Ausbiegungen verschieden geformte silberne Schilde hängend angebracht, welche die Namen ocr Sieger des Wander-Ehrenprets-Pokals tragen sollen. Der flach mit Ornament getriebene Deckel trägt fünfmal wiederholend gleichfalls in getriebener Arbeit den Reichspräsidentenadler. Die Umschrift am Becherrand lautet: „Der Reichspräsident der Rhei nischen Heimatstaffel zur Fahrtausendfeier der Rheinlands 1925, Bekrönt wird der Deckel durch ein von goldenen Filigranwerk umfahtes Erzstück aus dem .Kruppschen Bergwerken. Entsprechend dem alten Handwerksbrouch. wonach der Goldschmied stets seine Arbeit eigenhändig weltlichen wie geist lichen Würdenträgern überbringt, wurde dem Hersteller Gelegen heit gegeben, das Werk dem Herrn Reichspräsidenten selbst aus zuhändigen und zu erklären. Das Nachspiel zum Weserunalück Minden, 25. Juni. Am Schluh des gestrigen Sitzungstoges vurde beschlossen, heute die Besichtigung einer Fähre auf der Weser vorzunehmcn. Fm Anschluß daran wird di« Zeugenver nehmung fortgesetzt und zu Ende geführt werden. Eisenbahnunglück in Bingen Bingen, 25. Funi. Fn der Nähe des hiesigen .Hauptbahn- Hofes ereignete sich am Dienstag ein schweres Eisenbahnunglück. Eine grössere Nangierabteilung mit einem Gaswagcn an der Spitze fuhr dort in großer Geschwindigkeit auf den auf dem Nachbargleis der Schwnrzwaldbahn ankammcndcn Güterzug 77-10 in voller Fahrt auf. Die Maschine der Rangicrabtciluna wurde umgeworfen und an ihrem Vorderteil vollständig zertrümmert. Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schoden, lieber die Ursache des Unglücks ist nichts bekannt. Eine „geniale" Schwindlerin Budapest, 25. Juni. Die Gattin des Budavester Finanz agenten Ferdinand Nonay, die während der Kriegszeii aus eigene Faust gewagte Geschäfte unternommen hat und ein bednu- tendes Vermögen erwarb, hat auch noch in der Fnflationszeit sich große neue Einkünfte gesichert. Mit dem Ende dieser gün stigen Fahre für Gücksritter sah sie sich gleichfalls vor dem Ende der Konjunktur, und unfähig sich in bescheidenere Verhältnisse zurückzufinden, griff sie zu unerlaubten Mitteln, um ihren luxuriösen Lebenswandel fortsetzen zu können. Um ihre Toch ter mit dem Reichtum auszustatten, den sie bei ihren ungeheuren Fnflationsverlusten nicht mehr hatte, verlegte sie sich auf Schwin deleien. Der frühere Minister Angerer wurde von ihr dü piert, vor einem Notar zu bekunden, was er gar nicht aus eige nem wußte, daß sie mit ihrem Mädchennamen Margot Kreiner heiße, die in Wirklichkeit eine reiche Private in Budapest ist. Mit diesem Notariatsakt gelang es ihr zunächst in Budapest aus ein der echten Margot Kreiner gehöriges Haus eine Hypothek von 30 000 Dollar zu erlangen. Ueberdies machte sie eine Reihe anderer Schwindeleien unter allen möglichen Vorspiegelungen, so daß ihr nach den jetzigen Feststellungen mehr als 6 M i l l i a r- den Kronen in ganz kurzer Zeit in die Hände gefallen sind Die Hausschwindelei ist die tollste, und sie führte zu ihrer Ver haftung. Tochter und Gatte haben angeblich Heine Ahnung van ihrem Verhalten Die Budapests« Zeitungen sind seit ein paar Tagen spaltenweise angefüllt mit der Schilderung der raffinier ten Betrügereien der Nonay. Sla-Irichler und Abbe Eine heimatkundliche Erzählung aus den ersten Fahren der Republik Schirgieioalde Von Franz Rösler , (rO. Fortsetzung.) Der schnalzte wie ein Kenner mit der Zunge und ent- gegnete lustig: „Bien! Trcs bien! Vorzüglich!" „Das freut nick. Jean," sagte jener. „Doch nun laß uns ans Tage^lickst steigen. Sorge für einen vollen Krug. Meister Wirt. Wir wollen heute Einzug feiern. Die guten Schirgis- walder iberden staunen Sie haben keine Ahnung von dieser Sache." Hm. wie täuscht er sich abermals, der gute Stadtrichter. Auf's Lauschen verstand er sich nicht. Sonst hätte, er gemerkt, wie zwei Männer platt auf dem Bauche vor dem Kellerfenster lagen, durch die Scheiben lugten und jedes Wort auffingen, was da unten gesprochen wurde. Oben angekommen, sprach der Stadt richter: „Ich gehe jetzt zum Pfarrer und einigen Freunden, die sollen mit helfen den Einzug feiern." Er ergriff Stock« und Hut und ging hinaus. Als er die Tier öffnete, prallte er zurück Was war das? Ucber hundert Menschen standen hier Kops an Kopf. Erstaunt blickte der Stadtrichter über die freudige Menge. Er aber ärgerte sich, daß etwas hinter sein"»« Rücken geschehen war. Fn dieser Beziehung war er emvsindlich. Sofort schwoll die Zornesader an Er runzelte die Stirn, fuchtelte mit dem Stock und rief zornig: „Was soll das heißen? Was wollt ihr hier?" Es gab aber niemand Antwort. Deshalb rief er noch ein- mol Fetzt erscholl eine dünne Stimme aus dem Hintergründe und schrie: „Der gnädige Herr Stadtrichter hat den Geistlichen Herrn errettet. Er soll leben hoch!" „Hoch, hoch, hoch!" schrie die Menge und schnrenlrte die Mützen und Hüte Zuerst war der Stadtrichter sprachlos. Die Stimme des Sprechers kannte er wohl Es war der Hochzcits- bitter. Schon wollte er sich bedanken für die Begrüßung. So gleich siegte jedoch seine verletzte Eitelkeit darüber und er ries laut: „Woher wißt Ihr das? Wer hat cs verraten?" Keine Antwort Noch einmal wetterte der Stadtrichter seine Frage über die Köpfe. Da begann auf einmal jemand zu lache». Das Lachen steckte an und schließlich brach der ganze Haufen in ein herzhaftes, fröhliches Gelächter aus. Da hatte der Stadtrichter seine Antwort. Was blieb Ihm übrig? Er machte gute Miene zum Spiel und lachte mit. Endlich wurde Ruhe und einige riesen: Slaal und Kirche in Sachsen kiii Weiden des MinilieWIidenie« Dresden, den 25. Juni Der Ministerpräsident hat an den Landtag folgendes Schreiben gerichtet: Zwischen der Staatsregierung und dem Evangelisch-lutherischen Landeskonsistorium sind Verhandlungen über die vorläufige Ablösung der Staatsleistungen an die evan gelisch-lutherische Landeskirche eingeleitet worden Hierbei war, wie dem Landtag bekannt ist, von vornherein klar, daß über die sehr wichtigen Fragen, ob der Staat zur Gewährung von Beihilfen zur Besoldung der Geistlichen verpflichtet sei, eine Einigung nicht werde erzielt werden können. Ebenso schroff gehen die Meinungen darüber auseinander, ob der Staat verpflichtet sei. be> Auflösung der Kircheninspcktionen, die sich in Sachsen zurzeit noch aus dem Ephorus und der weltlichen Koinspektionsbehörde zusammengesetzt, die Leistungen der welt lichen Koinspektion abzulösen Wenn die Verhandlungen über die vorläufige Ablösung nicht ins Stocken geraten sollen, mutz die Entscheidung in diesen Fragen einer unparteiischen Stelle übertragen werden. Die Staatsregierung und das Evangelisch lutherische Landcskonsistorium haben sich darüber verständigt, diese Streitfrage, ob und in welchem Umfange eine staatliche Verpflichtung bestehe, einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Um jeden Schein einer wenn auch unbewußten Beeinflussung zu vermeiden, darf das Schiedsgericht nicht aus Mitgliedern zu sammengesetzt werden, die unmittelbare Beziehungen zum säch sischen Staate oder zum Evangelisch-lutherischen Landeskonsisto rium haben. Die Staatsregierung ist daher mit dem Präsidenten des Reichsgerichts in Verbindung getreten, der nach Fühlung nahme mit dem Neichsjustizministerium in Aussicht gestellt hat, daß ein Senat des Reichsgerichts aus Ersuchen der Staats regierung vom Neichsjustizminister mit der schiedsrichterlichen Entscheidung beauftragt werden wird. Die Staatsregierung hat daher beschlossen, den erforderlichen Antrag beim Reichsministe rium zu stellen. Das Ekakkapilel Aniversikitt Leizrzig Dresden, 25. Juni Der Haushaltausschuß A setzte gestern die Beratung des Staalshaushaillplanes 1925 fort, lieber Kapitel 47, Land wirtschaft betreffend, berichtete Abg. Rommelsberg iD.-N.f, der für Förderung des laudivirttchastlicken Schulwesens «intrat, und zur staatlichen Unterstützung von Schul»«»- und Umbauten 300 000 Mark zu Darlehen beantragte. Abg. Voigt ?D. Vp.i betonte ebenfalls d>e Notwendigkeit des Ausbaues der land wirtschaftlichen Schulen. Abg. Voigt (T. Vp.f und der Bericht- erstickter Abg. Rammelsberg kritisierten lebhaft den uon der Regierung getroffenen Abbau der Negierungskulturräte. Die Regierung wird hierüber an den Ausschuß noch schriftlich be richten. Ein neues Gesetz, betreffend Gruiidstückszusamme„lrgnng, ist in Vorbereitung und soll demnächst dem Landtag zugehew. Das Rinderzuchtgeseh wird voraussichtlich im Frühjahr 1923 in Klock gesetzt werden. Nach den Vorschlägen der Regierung be schließt der Ausschuß einstimmig, 150000 Mark zur Förderung deS Weinbaues in Sachsen in das Kapitel einzustellen, tgel Kapitel lg, Landespserdezncht, teilte die Regierung a,ch Anfrage ans der Mitte des Ausschußes mit, daß der Pf er de best and in Sachse» ungefähr wieder dem der Vorkriegszeit entspreche, doch iei der Absatz gegenwärtig schwierig, weil die Einfuhr auslän discher Pferde offen stehe. Tie Einstellungen werde» »ach per Vorlage genehmigt. lieber Kapitel 04, Universität Leipzig, berichtete Abg. Werkel (Soz. Minderst.). Er sprach sich entsprechend de» neuen Vorschlägen der Negierung für einen Ne„ba„ der m^d.zi- nllchen Klinik im Krankenhaus St. Jakob aus, wofür als erster Teilbetrag 300 000 Mark eingestellt werden möchten und bea» iragte weiter erhöhte Einstellungen sür Belehrungsrcjse >, Lehr- aasflttge und Beihilfen au Pcivatdozenten. In bezug a»f die Besetzung der Lehrstühle für Theologie, Geschichte und S-ziologie wnnichte er Berücksichtigung der modernen Richtungen. Ans An srag: des Abg. Claus (Te,n.) teilte die Negierung mit, daß in diewm Semester 4400 Studierende, darunter 338 Frauen, di« Universität besuche». Fcl. Abg. Tr. Hertwig (D. Bp.) fragte n n. dl: Negieruna, wann die Neuregelung der Lehrerbildung sür höher« Schulen an der Universität in Kraft tritt Sie wünschte die Be setzung der Proseslnc für praktische Pädagogik. Abg. Lchisf- ma„n sD. Vp.) wres aus die Notwendigkeit der Schaffung eines Studentenheimes hin, auf die besserungsbedürftigen Verhältnisse 'n der Universitätsbibliothek und setzte lich für weitere Förde rung der Leibesübungen ein Tie Regierung gab ans die gestellten Frage» eingehende Auskünfte. Danach wurde das Kapitel mjt de» Anträgen des Berichterstatters angenommen. Ter N e ch t s a u s s ch u ß de? Landtages verhandelte gestern über den dentschuationnlen Antrag zur Schnlgcschgebung» die Ausstellung eine? L a „ d e S le h r p l a n S, die Entlastung der Bezirksschulräte, die Wiederherstellung einer aufsichtsberechtigten Schiilvertketuiig »iw. T>» Mehrzahl dieser Forderungen wurde genehmigt. Im übrigen wurde die weitere Beratung über den dentschnationale,, d>rng znrückgestellt mit der Begründung, erst K e bevorstehende Neichsschnlgesetzgehnng ahznwartcn -s Internationale Rundsunlrkonserenz in Genf. Im Zusam menhang« mit der am 8. und 9. Juli in Genf stccktsindenden Ta gung des engeren Ausschusses der Union Internationale de Radiaphanie findet am 0. und 7. Juli in Gens eine Zusammen kunft von technischen Sachverständigen der europäischen Rund- fniikgesellschasten statt. Die Vertretung der deutschen Interessen in dem engeren Ausschuß geschieht durch Ministerialrat Giesecke und in der Sachverständigen-Tagung durch Dr Ing. Hgrbich. Die Erörterungen der Sachverständigen werden sich hauptsochl'ch mit den Schwierigkeiten beschäftigen, die sich aus der großen Zahl der europäischen Rundsunliscnder ergeben. 's In der Kirche ermordet. Als der Kanonikus Capozza im Dom von Bari die Messe las. wurde er plötzlich von eniem Manne, der sich ihm während der heilige» Handlung unbemerkt genähert hatte, durch Dolchstiche ermordet. Eiuc Frau, die dem Mörder in den Arm fallen wallte, erhielt ebenfalls einen tchwe- rcn Stich. Der Mörder, ein alter Lebemann, der sei» Vermögen vergeudet hatte, wollte sich an dem Kanonikus rächen, weil die ser einer Base des Mörders, die Aebtissin eines reichen Klosters ist, abgeraten hatte, ihren Vetter zu unterstützen -s Der Siebenstaatenslug. Der vom Reichsverband der deut schen Presse in Verbindung mit den Iunkerswerken veranstal tete Siebenstaatenslug, der über eine Strecke von insgesamt 4000 Kilometern führt, kommt am Donnerstag zum Abschluß. Das dreimotorige Iunkersflugzeug mit den deutschen Pressever tretern an Bord trifft von Wien kommend »ach kurzen Zwi schenlandungen in Leipzig und Dessau Donnerstag nachmittag 5,30 Uhr auf dem Tempclhafer Feld in Berlin ein. -s Eine Aussehen erregende Verhaftung. Wie aus Hei delberg gemeldet wind, ist der seit einiger Zeit mit seiner Frau aus Heidelberg verschwundene Kommerzienrat Dr. h. c. Edelmayer auf Antrag der Staatsanwaltschaft am Sonn abend in Berlin verhaftet worden. Der erst 33 Jahre alte Kom merzienrat und Ehrendoktor der Universität Innsbruck ist der Begründer des Egelmayer-Konzerns, dem eine Reihe von Ak tiengesellschaften. darunter die Heidelberger Nerkehrsbank tür Industrie und Landwirtschaft angchören. Inwieweit die Ge rüchte von einem Zusammenbruch der Gründungen berechtigt sind, bedarf noch der Feststellung. ^ „Still! Der gnädige Herr Stadlrichter hat's Wort!" Er richtete sich stolz empor und rief: „Ihr seid halt doch eine geriebene Sorte! Ihr könnt fa noch mehr als Gras wachsen hören! Daß ihr mir hübsch brav zu dem Abbö seid! Verstanden?" „Keine Sarge. Stadtrichler". piepste mit seiner dünnen Tcnorstimme der Hochzeftsbftter. Als der Stadtrichter Miene machte, vorwärts zu schreiten, machte ihm die Menge Platz, und ein Vorlauter rief: „Weg da hier! Jetzt halt er den Psarrherrn!" „Ihr Sappermenter!" Donnerte der Stadtrichter. „Woher wißt das wieder?" Lustig drohte er mit dem Finger. Wieder begann einer zu lachen, und das Lachen pflanzte sich fort und bald dröhnte der Markt wieder vom Gelachter der heiteren Menge Und nicht eher hörte cs auf. bis der Stadt richter im Pfarrhaus? verschwand. Drinnen in der Gaststube aber stand der Abbö und hörte zu. Er konnte sich nicht erklären, was da draußen vorging. „Regierungssorgen." So war denn der Abbö Pastoeili wohlbestallter Gastwirt geworden. Inmitten dieses kleines Völkchens, dem er bis aus unbestimmte Zeit angehören sollte, gewann er schon in den ersten Tagen seine Ruhe wieder. Arbeit gab es genug. Abends, wenn die Dämmerung hereinbrach, stellten sich seine Gäste ein. Nur selten einmal fehlte sein Gönner, der Stadtrichter. Selbst der Wirt vom Gerichtskretscham ließ sich ab und zu sehen und stand dem Abbö mit Rat und Tat zur Seite. In den Schänken der ganzen Gegend wurde selten Wein verlangt. Die Wirte hatten also von dem neuen Kameraden keine Schädigung zu befürchten und kamen dem „Kollegen" freundlich entgegen. In der Wein schänke aber fand sich nach und nach ein gemütlicher Kreis von den besten Bürgern der Stadt zusammen, und selbst der Pfarrer Mros und sein Kaplan kamen zuweilen. Pastcreili lernte eine ganze Reihe ehrenwerter Männer kennen. Bis zum Nachmittag blieb die Gaststube gewöhnlich leer. Diese Zeit benutzte Paste- relli zum Besuche seines Gönners und Freundes. Fast täglich verbrachte er eine Stunde im Türmchcnhause in der Gesellschaft des Stadtrichters und seiner klugen Ehefrau. Die Jahre 1810 und 1811 waren im Verhältnis zu den Vorjahren politisch ruhige Zeiten. Pastercili fühlte sich sicher. Von einer Heimkehr in sein Vaterland, oan dem er gar oft „nd gern sprach, konnte jedoch keine Nede sein, solange Napoleon herrschte. Noch immer hielt er den Papst in schmachvoller Ge fangenschaft. Der Pfarrer Mros konnte dem keimatlosen Flücht ling, als den sich Pastercili trotz aller Liebe, die ihn umgab, noch immer fühlte, keine größere Freude bereiten, als ihn über das Schicksal des gefangenen Papstes aus dem laufenden zu erhalten. Das Stadtgebiet zu verlassen, wagte Pasterelli nicht. Rings f Musik und Gesang im Gcsüngnis. Eine wahre Invasion erlebte diese Woche das Vezirksgerichlsgefängnis in der Grenz stadt Zwickau i. Bäh. Man griff zwei Banden Zigeuner aus, »reiche seit Wochen die gesamte Umgebung abgcraubt und be stohlen hatten, ja daß nicht einmal die Badeanstalt und das Wald'henter verschont geblieben ivoren. Bei einem Voumeijter räumten die Diebe die halbe Wirtschaft aus und fügten ihm einen Schaden von 10 000 Kronen zu Vor der Einquartierung im Gericht gab es ein malerisches Bild. Die ganze Bande lagerte nd stand vor dem Gebäude. Schwarz die Gesellen, verwildert und doch romantisch die Gesichter. Die Frauen aus kurzen Pfeisen schmauchend, die Männer mit (steigen und Gitarren da zwischen. die bunten Hacke» mit Sack und Pack, die Kinder am Rücken aus den Hocken lugend, halb zerschlagene Wägelchen. Auch im Arrest trennten sich die Zigeuner nicht von chren Fibeln und man Härte zum ersten Male aus dem Arrest frohen Gelang »nd Geigenspiol aus die Gasse schallen. Tags daraus wurde die ganze Bande in ein Lastauto verstaut und fuhr so. allerdings unfreiwillig, zum ersten Mal im Leben im Kraftwagen zum Kreisgerickte. All dk .WklilMMiM im Lande Seitens des Vorstandes der Z e n t r u m s f r a k t i o n des Reichstages geht uns folgende Mitteilung zu: Die Arbeiten des Reichstages in der nächsten Zeit haben eine solche Bedeutung und sind von solchem Umfange, daß die dauernde Mitarbeit aller Mitglieder der Frobtion dringend notwendig ist Aus diesem Grunde ist es vor der nächsten Ver tagung des Reichstages nicht tunlich, daß Mitglieder der Frak tion Vorträge oder Reden im Lande übernehmen da sie dadurch von der parlamentarischen Arbeit zeitweise fernoehaften werden. An unsere Parteifreunde im Lande ergeht das dringend» Ersuchen, dieser Notwendigkeit Rechnung zu tragen und deshalb von Gesuchen an Mitglieder der Fraktion des Reickstages zur Uebcrnakme von Reden absehen zu wollen umgeben von sächsischen Boden bestand die Gefahr, von irgend einem der Häscher Napoleons erkannt zu werden Und daran fehlte es nirgends. Nachdem der Ctadtrichter seinen Schützling geborgen wußte, wandte er sich nun wieder mehr ftinen Anttsgeschäften zu. Schwere Regierungsforgen lasteten auf ihm. Der Böhmische Wenzel hatte wieder einmal einen Houvtschlog valltührt und in Bautzen arge Räubereien verüb! Tag und Nacht ging dem Stadtrichter der Räuberhauvtmonn im Kopse berum. und man konnte ihn öfters wieder „Halluuken" wettern kören -lo alt er nun schon seine Büttel noch dein Ncu-korte gesandt Holle, stets war cs vergebens gewesen Jedesmal batten sie das Nest, wo er hauste, lesi^gefunden. Da kam ikm ein Zufall zu Hilfe Der Houptmann hatte sich eine neue Geliebte angeschaist. die schöne Lotte genannt, obwohl er gleichzeitig noch mit nuderen W'übsi'-rsonen Umgang pflegte. Lotte war vorher die ..Braut" eines ükerlberiichiigten Mannes gewesen der zu der Baude Korrotselrs gekört hatte. Er war aus Theresienstadt, wo er seirms ftckeils harrte aus gebrochen und trieb sich an der täckstsck Köbmitcken Grenze herum. Kaum war Weinet Kummer, allgemein bekannt unter dem Namen der Böhmltcke Wenzel, mit Lotte zutommengelrof- fen. verstand es der gewandte Räuber, dieses Mädchen ikrem „Bräutigam" abspenstig zu macken Das oing um sv leichter, als jener ein häßlicher, roher Mensch. Wenzel ober ein statihcker Monn war, der es ausgezeichnet zuwege bröckle Fronen und Mädchen den Kops zu verdrehen Aus Haß eegeu den Neben buhler wurde der verschmähte Liebhaber zum Berrälcr Als Tagelöhner verkleidet begab er sich eines Tages zum Stadtrichler. „Was wallt ihr", fragte dieser den Monn der gor demütig st"» stand und verlegen seinen Hui ln den Händen drehte. Zaghaft antwortete er: ...Herr Ctadtrichter ick wollte, ich bönnte, ja. ich dachte, ich könnte mir was verdienen." „Womit? Habt ibr eine Arbeit vor?" „Das gerade nickt. Herr Stadtrichter. Aber, sie kennen ihn doch, den Wenzel Kummer." „Was?" brauste der Stadtrickter auf. .Den Wenzel Kum mer? Den Halluuken? Mann, wißt ißr was? Heraus damit!" Erreas mar der Stodtrichter outgetvrunoei, und durchbohrte den vor ihm stehenden Monn mft seinen Blicken. „No." begann dieser ohne im mindesten über den autge- regtc» Richter zu erschrecken Er wußte oonz genau, wie will- liommcn diesem seine Botschaft sein würde. „Nu. ick dachte bloß. Was Krieg ick denn, wenn ich ihnen den Wenzel verrate, wo er ist?" (Farisctzung folgt.)