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Sächsische Volkszeitung
- Erscheinungsdatum
- 1925-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192504082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250408
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250408
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-04
- Tag 1925-04-08
-
Monat
1925-04
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung
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Mittwoch, ven 8. April 1S2S. Sk. SS. Seite f M Me Mrs-MMWlWI > Ein Rückblick aus die bisherige Untersuchung. Die Landespfandbriesanstalt ist seit mehreren Wochen Gegenstand der Untersuchung durch einen hiersür vom Preußi- schen Landtag eingesetzten besonderen Ausschuß. Als Ergebnis der bisherigen Verhandlungen, die öffentlich stattgesunden haben, läßt sich folgender Tatbestand erkennen: Ein in Grundstücken spekulierender Rechtsanwalt Beck hoff aus Köln besaß eine „Option" auf zwei wertvolle Häuser. Komplexe in Berlin, die mehrere Italiener in der Inflations- zeit eigentümlich erworben hatten. B. suchte die Option mög lichst günstig zu verkaufen, und fand in den Herren von Etzdorf, von Karstcdl und von Carlowitz ein Konsortium, daß den An kauf zu tätigen bereit war. Um das hiersür nötige Geld zube schaffen — es handelte sich um 500 000 Dollar — hatte sich das Konsortium in erster Linie an den Neichslandbund gewendet in der Hoffnung, hier ein Darlehen zu erreichen Während hier- über die Verhandlungen schwebten, mutzte ein Zwischenkredit von 600 000 Mark herbeigeführt werden, da sonst der Ankauf der Option nicht zu erlangen war. Dieserhalb trat das Konsor tium mit dem Leiter der Landespfandbriesanstalt Geh. Reg.- Rat Nehring in Verbindung und schilderte ihm das angeblich glänzende Geschäft, an dem die Landespfandbriesanstalt mit- verdiencn könne. Obwohl die Satzungen dieser Anstalt die Ver leihung von Geld nur gegen Grundstücksverpfändungen gestatten, lietz Herr Nehring sich bewegen, dem Konsortium eine namhafte Summe aus Mitteln der Anstalt zur Verfügung zu stellen. Herr Nehring will sich hierzu nicht zuletzt deshalb veranlaßt gefun den haben, weil das Vermögen der Pfandbriefanstalt durch die Inflation so zusammengeschrumvft war, daß die pflichtmätzigen Ausgaben, insbesondere die Gehälter und Löhne der Anstalts bediensteten nicht mehr bezahlt werden konnten. Er gewährte also in der Hoffnung auf Erzielung eines nennenswerten Gewin nes für die Anstalt das erbetene Darlehen, wobei er damit rech nete daß dieses Darlehen in kürzester Zeit zurückbezahlt werden würde. Als Sicherheit für das Darlehen hatte er sich zunächst mit Wechseln der drei Mitglieder des genannten Konsortiums und des Rittergutsbesitzers von Zitzewitz aus Pom mern begnügt. Ten letzteren, der sich im Besitze eines großen Gutes befindet, hatte dessen damaliger Swiegersohn von Carlo witz in die Sache hereingezogen, und von Zitzewitz nahm an, daß auch er an dem Erwerb der von dem Rechtsanwalt Beck hoff angebotenen Häuser erheblich verdienen werde. Da sich die Verhandlungen mit dem Neichslandbund als bald zerschlugen, mutzte das Konsortium versuchen, anderwei tig Mittel zur Rückzahlung des von der Landespfandbries anstatt erhaltenen Darlehens zur Bezahlung der davon fälligen Zinsen und der entstandenen sonstigen Unkosten zu gewinnen. Es trat dieserhalb mit dem inzwischen verhafteten Bankinhaber Dr. Kann zu Berlin ins Benehmen, welcher dem Konsortium riet, eine holländischeGrund Kreditbank in Anspruch zu nehmen, deren Pfandbriefe wahrscheinlich in Holland oder England verkäuflich sein würden. Obwohl das Geschäft mit der holländischen Bank nicht zustande kam, stellte Dr. Kann doch mehrere 100 000 Marl, Vermittlungsgebühren in Rechnung. Diese Summe wie auch weitere Beträge für Provisionen, Geschäftsun kosten. Notariatsgebühren lietz das genannte Konsortium für seine Rechnung durch die Landespfandbriesanstalt, die eine nä here Prüfung der Zahlungsursachen nicht für erfor derlich hielt, zur Auszahlung bringen. Darunter befanden sich u. a. 30 000 Mark, die sich zwei Mitglieder des Konsortiums von Etzdorf und von Karlowitz haben geben lassen sür eine Reise nach London, wo sie in Gemeinschaft mit einem Bankdirektor Dr. Fiel sch mann den vergeblichen Versuch gemacht haben, die von Dr. Kan» vermittelten holländischen Pfandbriefe zu veräußern. Weiter erhielt zum Beispiel Rechts anwalt Beckhoff für Abtretung von seiner Häuscroption 500 000 Mark Provision neben einem Darlehen von 100 000 Mark. Die Mitglieder des Konsortiums erhoben für sich von der Landespfandbriesanstalt ebenfalls bedeutende Provisi onen, die teilweise über 100 000 Mark hinausgehen, und führ ten hiervon ein nicht einwandfreies Leben. Das hieraus der Landespfandbriesanstalt erwachsene Guthaben beläuft sich zur Zeit auf fast 51L Millionen Mark. Sie hat sich, nachdem sie einmal den ersten Zwischenkredit von 600 000 Mark gegeben hatte, genötigt gesehen, auch die weiteren von ihr zur Verwirk lichung des Kaufgeschäftes geforderten Beträge zu leisten, um zu verhindern, daß das Geschäft rückgängig würde, womit die Gefahr bestand, daß die anfänglich hingegebene Summe von 600 000 Mark in Verlust geraten wäre. Kam aber das Ge schäft zustande, so konnte sie sich neben den von dem Herrn von Zitzewitz zum Pfand gesetzten Gütern auch an die das Objekt des Optionsgeschäfts bildenden Berliner Häuserkomplexe hal ten. In diesem Sinne ist das Geschäft schließlich zum Abschluß gebracht worden. Ob die Pfandbriefanstalten zur Realisie rung der ihr gegebenen Sicherheiten volle Deckung für ihre Auslagen finden wird, läßt sich zur Zeit noch nichtüber setz e n. Jedenfalls trifft sie der Vorwurf, daß sie bei Bewilli gung der Kredite nicht nur sa tz u n g s w i d r i g. sondern auch leichtfertig gehandelt hat, indem sie nicht genügende Er- Zentrum und Wohnungspolilik Im Reichstag hat als Sprecher der Zentrums- fraktio» der Abgeordnete Tee »> mel zu den Fragen der Wohnungspolitik eingehend Stellung genommen. Seine Ausführungen sind sür die breitesten Bevölke- rugskreise von Bedeutung. Wir geben sie nachstehend in ihren Hauptpunkten wieder: Tie Zentrumspartei hat die Wohnungsfrage stets mehr vom lozialen Standpunkt als von politischen Gesichtspnnktcp aus beurteilt, namentlich mit Rücksicht darauf, daß die Wohnungs not auch gegenwärtig »och so ungeheuer groß ist. Sir ist es nicht nur hinsichtlich der Zahl derjenigen, die überhaupt keine Wohnung haben, sondern auch, soweit es sich um die Frage handelt, wie die einzelnen Familien in Wohnungen untergebracht sind. Vielfach wird ja überhaupt bestritte», daß eine Wohnungsnot besteht. Ge rade aber dieser Umstand hat uns veranlaßt, den Antrag einzu- brlngen, die Regierung zu erjuchen, seststellen zu lassen, in welchem Umfange überhaupt von einer Wohnungsnot gelproche» w-noen kann, inwieweit wohnungslote Familien vorhanden stich und be sonders über d'-e Frage, wie die einzelnen Familien Wonnen, wieviel Familien in unzureichenden Wohnungen untergebracht, man lann jagen: zusammengepfercht sind. Derartig« Feststellungen lind sür die Beurteilung der Wohnungsfrage von höchstem In teresse. Hierzu kommt nun die Frage des Rttchsm-elengejetzeS, das gleichfalls stark umstritten ist, und in engem Zusammenhang«, damit die Frage der Hauszinsstcuer. Unzweifelhaft ist die Frage der Hauszinsstcuer eine der sozial ungerechtesten Sie,lern, weil sie die kinderreichen Familien am härteste» trifft. Deshalb find wir der Meinung, daß diese Steuer, die in ihrer Erhebung so unsozial wirkt, wenigstens von sozialerem Geist« getragen sein Müßte. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß heute die Hauszinssteuer vielfach zu 90 Prozent, in einzelnen Ländern sogar noch darüber hinaus für laufende Ausgaben der Gemeinden und Länder verwendet wird. Es geht auch nicht an, daß man von einer Steuer, die zu lausenden Ausgaben Verwendung stuvrr, einen Teil der Bevölkerung, und noch dazu einen besitzenoeu Tel., freiläßt. Ich darf in dieser Beziehung nur auf die rius- wiranng ,n ven tanvuchen Gegenoen tMiveisen. Es besteht kein Zweifel darüber, daß das zu großer Verbitterung und Unzufrie denheit führt. Diese Verbitterung und Unzufriedenheit kann nur ausgeglichen werden, wenn die Hauszinssteuer wieder in stärkerem Maß ihrem ureigentlichsn Zweck, dem Wohnungsbau, za ges ührt wird. Ter Wohnungsausschuß hatte bekanntlich bereits eine» An trag angenommen, die Hauszinssteuer restlos zum Wohnungsbau zu verwenden. Wir sind der Meinung, daß mindestens dafür ge- Ivrgt werden muß, daß zur Behebung der Wohnungsnot min destens 20 Prozent der Friedeusmiete für den Wohnungsbau und besonders auch zur Erhaltung der bestehenden Wohnungen Ver wendung finden. Es ist zwecklos, neue Wohnungen z» bauen und die alten Mömlingen verfalle» zu läse,. Weil besonders in den letzten 10 Jahre» die Reparatu r» nicht in dem Umfange aus- gestthrt werden tonnten, wie «S nnbcd ngt notwendig ist. 'st, gc'nde die Frage der Erhaltung der alten Wohnnn 'e i durch einen Teil der Hauszinssteuer ein drinaendes Gebot der Stunde. Es haben sich bei der Verwendung der Hauszinssteuer zu Wohnnngsneubauten ohne Zweifel auch manche Ungleichheiten her- auSgestcllt. Wir machen die Beobachtung, daß gerade in de,, kleinen Städten und ländlichen Gebieten das Auskommen der Hauszinssteuer auf Grund der Verhältnisse auf den Kopf der Be völkerung wesentlich niedriger ist als in den Großstädten. W'.r müssen erleben, daß die Großstädte in viel stärkerem Maße znm Wohnungsla i übergehen lö neu, und laß d'e Konzentration der Menschen in den Großstädten zun im int, an statt daß man umgekehrt in stärkerem Maße die Ansiehlu.ig bclonders der Arbeiter und der kleine» Volksschichten aus dem Laude fördert, ganz besonders auf den Berlehrsstraßcn zu den Städten. Deshalb muß in stärkerem Maße als bisher ein AuSgleichsfonds sowohl für die Länder wie sür das Reick geschaffen werden, um in viel stärkerem Maße eine Aujiedlnng und Neuansiedlnng der breiten Volksschichten auf dem Lande, be sonders in der Nähe der Großstädte, zu ermöglichen: besonders, wenn man berücksichtigt, daß man auch jetzt bereits wieder mit, Hilfe der Mittel aus der Hauszinssteuer dazu übergeht, in den Großstädten Mietskasernen zu bauen. Man braucht sich nur in Berlin iliiiziischauen: da sieht ma», daß wieder v'er- und ,'ffnf« stückige Häuser gebaut werden. Wir haben, solange die Wohnungs not ln dieser Form besteht, nichts dagegen, wenn man mit diesen Mitteln vorübergehend die Wohnungsnot abdämpst. Ater .i„f oje Lauer darf das Geld nicht für diese Zwecke zur Verfügung sie,,-», ivorauf es cinrommr ch: oatz wir vie Menschen, bejondrrs cu« Aroenervevokkerung wieorr meqr mit Gottes freier Narur in Verv'nvung »ringe». Tw Mittel üu's der HcniSziiivsIeuer müßt,, in erster Lui'e den kleinen Leuten zur Verfügung gestellt werde», ganz besonders denjenigen, die bereit sind, aus eigener Kraft und durch eigene Arbeit zu dem Bau der Wohnungen beizutrngeu. ES gcht eine ganze Reih; von kleine» Leute» in den Landgemeinden, wo die Wohnungsnot, ganz besonders im besetzte» Gebiet, verhältnismäßig mindestens ebenso groß ist wie «n den Städte», »on Leuten, die gewillt sind, die AuSschachtnngsarbeit und die Haudlangerdieiiste durch eigene Angehörige vorzunshmeii. Ihnen muß in erster Linie geholfen werden. Es ist volkswirtschaftlich van großer Bedeutung, daß gerade denjenigen, die bereit sind durch eigene Arbeit zur Belebung der Wohuuugsnot beizutragen, vor allem Hilfe zuteil wird. Gegenwärtig ist die Grenze zum Teil auf drei-, vier-, fünf- siebentausend Mark festgesetzt. Kostet der Vau 14 bis 15lXX1 Mark, so ist es den kleinen Leuten nicht mög lich, die übrigen Mittel aufzubringcn. Wir Haben in de» leZte,,. Jahren die bittere Erfahrung gemacht, daß die Hauszins,teuen in der Hauptsache kapitalkräftigen Leuten zugute kam. Tes^ckb muß anders als bisher der Zuschuß, die sogenannte Hypoi ek, bis zu 80 oder 90 Prozent des Bauwerkes »«gehe» werden. '°n viel stärkerem Maße müssen wir die breite» Volksschichten wiener leßhast machen, damit sie wieder Freude und Liebe zum Vater land habe» und dem Staatsgedanken zugänglicher sind Dabei ist es selbstverständlich »ölig, eine Höchstgrenze festzusctzen. 12XX) oder 15lX)0 Mark, je nach den Verhältnissen. Wir haben ferner im Ausschuß den Antrag gesteckt, saß die Ncichsregieruug ersucht werden soll, zu de» bestehenden Ge setzen über die Wohmlugswirtichast, das Neichsmietengesetz, das Mieterschutzgesetz und das WotznnngSmangelgesetz Gesetzentwürfe über Abänderung dieser Gesetze vorzulegen. Tie Möglich keit dazu ist durch die Leitsätze geboten, die der Neichswirtsch.istscnt in der Wohnungssrgge gefaßt hat. Wir sind der Meinung, daß diese Grundsätze eine Grundlage gebe», um in der WohnungS- wirtschaft einen Schritt voranzulommcn, wenn man auch nicht mit alle» ihren Sätzen einverstanden sein mag. Selbstverständlich weisen wir darauf hin, daß bei der Einbringung die er Gcsctzesvor- lagen der Mieterschutz unter alle» Umständen bestehen bleibt, solange die Ungleichheit ans dem Wohnungsmarkt vorhanden ist. Worauf es ankommt, ist, daß Härten und Ungleichheiten di« sich ergebe» haben, im Interesse beider Kreise, sowohl der Ver mieter wie der Mieter, beseitigt werden. Es Hit keinen Zweck, durch Härten, die i» der Gesetzgebung bestehen, die beide» Teile gegenlu-'tig zu erbittern. Wünschenswert wäre'es, wen» d'e hewen großen Organisationen der Vermieter und der M'-ttcr selbst eine» Ausgleich finde» würden. TaS würde eine viel fcn'dli-here Lö'nng ergeben, als wenn durch Zwangsmaßnahmen der Gesetzgebung ein- gegrifsen wird, bei denen doch keinem Teil in besncdigendec Weis«, Rechnung getragen wird. Ich will noch darauf Hinweisen, daß ich eine Reihe von Zuschriften von Hausbesitzern habe, die Ileine Gewerbetreibende sind, die gezwungen sind, sich ein Hans mit einer Werkstätte Ha bel zuzulege», da sie nicht in ihre Wohnung hinrinkönnen, weil die jetzige Zwangswirtschaft sie daran hindert. Menies Era.huns ist es rin unhaltbarer Zustand, daß Gewerbetreibende, die ei» Eigentum besitzen, nicht einmal in dem Ewentnm wohnen rönnen. Diese Härte muß unbedingt beseitigt werden, und es muß diese» Leuten die Möglichkeit gegeben werde», in ihrem eigenen Ha-Vc zu wohnen: im Interesse ihres Geiverbes, aber auch im Interesse- der Erhaltung des Hauses selbst. Darüber lc,letzt doch knn Zweifel, daß da, wo der Hausbesitzer s-lbst in seine»! Eigentum-: wohnt, die Erhaltung des Hauses viel inehr gewährleistet ist, als wenn das dem Mieter allein überlassen ist. So werde» wir nn'ererseits alles daran setze», um eine Gesetzgebung zustande zu bringen, die beiden Teilen einigermaßen gerecht wird Wir möchten die Regierung bitten, daß dis verlangten Gesetzentwürfe recht: bald vorgclegt werden, um fo die großen Tisscrenze» und die große Erbitterung, die zwischen beiden Teile» herrscht, wenigstens etwas einzndänlmcn. «iS, Kündigungen über die Kreditwürdigkeit der Konsortiumsmit glieder eingezogen hat. Außerdem hat sie, um die satzungswi- drigen Geschäfte nach außen hin zu verbergen, alle Zahlungen über das Konto der Stettiner Sparkasse laufen lassen, womit diese im Hinblick aus die ihr von der Psandbriefanstalt versprochene „Inkasso"-Provision sich einverstanden erklärt hat. Als das ganze Geschäft dem Leiter Nehring gefährlich und un gemütlich zu werden scheint, hat er zwar seiner Aufsichtsbehörde im preußischen Wohlsahrtsministcrium darüber Vortrag gehal ten, aber hierbei den wahren Sachverhalt verschlei ert dargestelli, so daß die Aussichtsinsianz der Annahme sein mußte, es handle sich um ein Geschäft der Stettiner Sparkasse. Einer eingehenden Prüfung im Aus schuß nnterlag die Frage, ob das Geschäftsgebaren der Pjandbriesanstait von der Aufsichtsbehörde genügend beaufsichtigt worden ist. Nach den Anstattssatzungen ist für die Ucbcrwachung der lausenden Geschäftsführung seitens des Wohlfahrtsminisleriums ein beson derer S t a a t s k o m m i s s a r in der Person des Ministerial, rates Fischer bestellt worden. Das Ergebnis der über diese Frage im Ausschuß angestellten Erhebungen wird demnächst nach Abschluß der gesamten Untersnchuiigsverhandlungen. der noch im Laufe der Woclie vor Ostern zu erwartei» ist. festgestellt wer den. Bemerkt mag noch ivc'den. daß außer dem obengenann ten Dr. Kann inzwischen auch »och Carlowiß verhaltet ist. Die Soldaten -erÄaiserirr Roman von Julians von Stockhaujen (51. Fortsetzung.) „Ist denn die alte Menschheit tot, Majestät?" fragte leise die Frau. „Alt, alt! Stephanie! Mein Gott, wie entsetzlich lang ist das her.daß Schlesien ein Problem war, daß man Ungarn mit Privilegien überschüttete und Frankreich haßte! Trug man nicht vor kurzem Allongeperücken, Stephanie? Sehen Sie, Stephanie, schließlich begriff man: Schlesien ist perdu, lebte, verschmerzte, baute um. Die Politik mit Versailles ward völlig umgestellt: dem stärkeren Bedürfnis zufolge verbündete man sich, wo man einst haßte. Ja, ja, die Politik begriff man und wandelte sich, aber die Ideen und brausenden Gedanken einer neuen Epoche, die sperrt man auch heute noch aus, will sie nicht wahr habe», möchte sie zertreten. Gewiß, die Freiheit der Geister ist nicht so greifbar profitlich wie etwa ein französisches Bündnis. Und so geht man mit der Zeit um wie mit einem renitenten Soldaten; man sperrt sie in Arrest". „Majestät," lächelte die Fürstin, gewiß waren wir die Sol daten der Kaiserin. Aber vergessen Sie nicht, daß wir von Sieg zu Sieg geführt wurden." „In den Schlachtfeldern Schlesiens ist viel begraben, Ste phanie, wühlen Sie es nicht auf! Es ist vorbei, ist eine histori sche Reminiszenz. Heute brennt uns nicht mehr der Kampf mit dem äußeren Feind, nein, Madame, es handelt sich um eine völlige Umstellung aller Begriffe. Der Kampf des Neuen mit dem Alten setzt ein . Ich fürchte, die Schlachtfelder von Hoch- ktrch und Torgau waren ein Schachflgurenbrett dagegen." Die Fürstin lächelte fein: „Sind wir nun also die Soldaten des Kaisers?" Und mit einer leichten Geste fügte sie bei: „Wir sind gewillt, Sire, mit Ihnen eine neue Wett zu suchen." Josef sah sie an: „Ja. Stephanie," sagte er langsam, „wir sind freil'^ Leise bebend hob die Fürstin den Kopf; in ihren Augen schimmerte Angst: „Mein Freund. Sie hissen die Segel, aber wissen Sie, welche Winde das Schicksal sendet?" „Ich hoffe ein guter Steuermann zu sein, Stepbanie!" „Mein Freund, der Kapitän des Schiffes aber?'^ „Meine Freundin, die Zeit des Kapitäns ist erfüllt!" Dir Fürstin nahm die Hon- des Kaisers in die ihre: „Mein Freund, wenn das höchste Wesen, an das wir glauben, Ihr Le ben so vollkommen erfüllt, wie es Ihre teure Person erschuf, so will ich ewig die Gerechtigkeit des Himmels preisen." „Das danke ich dir, Stephanie," flüsterte Josef mit ver schleierter Stimme. Die Fürstin bog sich vor und drückte ihre Lippen auf die Augen des Kaisers. Joses nahm sie zart in seine Arme; sanft hielt er die Frau an sich. „Ich fühle, wie dein Herz schlägt, Stephanie." „Es gehört Ihnen, mein Freund," erwiderte schwermütig die Fürstin. Langsam zog Josef die Frau näher: er küßte ihren Mund, ruhig, beinahe traurig. Die Fürstin rückte ihren Sessel heran: sie ließ des Kaisers Hand nicht los. „Lieber, lieber Freund," flüsterte sie mit wehvoller Zärtlichkeit. „Ach, Stephanie, wie ich leide, leide!" Seine Finger krampsten sich um die Hand der Fürstin. „Sie Hütte nicht ster ben sollen, meine wunderbare Blume. O mein Gott, warum konntest du so Vollkommenes schaffen, um es zu zerbrechen? Isabella, Isabella! — Manchmal ist es mir, als hänge ein Hauch von ihr an Ihnen, Stephanie Sie haben ihr Schweigen, wenn Sic mich anhören, ihre gute Art, sich auszudriicksn, die schwer mütige Melodie ihrer Geste. Stephanie, liebe Freundin, es ist mir solche Wohltat, bei Ihnen zu sein!" Die Fürstin neigte sanft den Kopf. „Sie dürfen mich nicht mit ihr vergleichen, mein Freund. Sie, die schön und vollkom men war wiS ein Frühlingstag, mit mir, einer herbstlichen Frau. Aber ich bin sehr glücklich, wenn Sie bei mir an sie denken." Josef stand auf, ging hin und her, blieb stehen. „Wie schön du bist. Stephanie, so reif, so voll Ruhe!" Mit einem entzückenden Lächeln sah sie zu ihm auf. ..Es Ist sehr scharmant von Ihnen, dies nicht aus Rechnung meiner Jahre zu setzen." Eist fach sagte Josef: „Deine Reise. Stephanie, tut mir so gut!" Er ging wieder hin und her. „Stephanie." er sprach ge quält, sein Gesicht war ganz verschaltet, „diese Frau ist cntsetz- lich! Stephanie, es ist. um wahnsinnig zu werden! Was kann nach Isabella mir Josefa sein?" Er sachte bitter und brutal. „Was gib* man mir nach einer süßen Blume diesen bayrischen Kohlstrnnk? Und nicht ge nug damit, daß man sich mit meinen Respcktsgcfühlen begnügt — man verlangt mehr. Man will Liebe, Stephanie. Liebe! Ich könnte den Verstand verlieren! Diese Ehe ist ärger als die Galeere!" „Mein Freund, sind wir nickt Steuermann e-nes guten Schiffes?" fragte die Fürstin. Der Kaiser blieb mit einer raschen Wendung stehen. „Das ist es. Stephanie, ist Sinn und Ziel meines Daseins. Aber, schöne Fron, ist nicht vielleicht auch die Galeere leichier zu rudern als zu steuern?" „O du Armer," klagte die Fürstin, Träne» in de i Augen Joses starrte hinaus. Vor seinen Blicken dehnte sich der buntfarbige Garten der Fürstin, in dem weiße Götter >n gil benden Alleen standen. Er aber sah über t->es hinweg in ein weites Land, bewegt wie Meereswelien. und seine Hand war cs, die Ebbe und Flut gebot. Er lächelte sieghaft. „Mein Vater repräsentierte den Kaiser, ich aber b i n Kai ser. Fünfundzwanzig Jahre regierte eine Frau über Oesterreich, eine Fra», die aile Männer zu Soldaten, i-niienloseii. geha-.chen- den Soldaten umschus." „Man sagte aber, sie machte jeden Man» ?»m Helden, der zu ihr trat," fügte die Fürstin bei Mit einer harten Gebärde schnitt Josefs Hand die Lust. „Ihr Mann war ein Heid im Gehorsam. Franz schmieg. Josef aber wird reden!" Und schneidend, fast erbittert: ..Ein Mann ivird neben der Frau stehe», und die Herrschaft gleitet aus ihren Händen in die seinen." „Mein Freund, es werden stolze und gerechte Hände sein, die uns binden." Der Kaiser ivarf den Kopf zurück: „Ich liebe meine Mut ter, Stephanie, aber zu viel ibres Blutes kreist in dem meinen, als daß es nicht nach seinem Rechte verlangte. Dies Recht aber heißt: Negieren!" Die Fürstin spielte nachlässig mit ihren Ringen. „Fast möchte ich sage». — lachen Sic nicht, mein Freund, über die philosophischen Anwandlungen Ihrer Freundin: ober mir ist, als ob der Mann in Ihnen die fiinsnndzwanzig Jahre Knecht schaft eines Mannes an der Frau rächt." Josef fuhr zusammen. Schweigend durchmaß er das Zimmer. Die Fürstin sprach leise weiter. Wenn sie den Kons bewegte, irisierten die Perlen in ihren zierliche» Ohren: der Puder in ihrem, in lose Locken aufgesteckten Haar verlieh ihr einen schmachtenden Reiz. „Ich verehre ihn so sehr, den seligen Kai ser! Nie habe ich einen Menschen mit so viel Takt und Güte gekannt, einer Güte, die i» stillen Schmercen reif geworden war! Oh, er war immer so heiter. Wie entzückend wußte er z» plau dern. schalkhaft und drollig! Aber oft ewvfand ich, wie eine gewisse traurige Resignation über seinem Wesen lag. Und da« machte ihn gütig! Er war ein Meister in der Knnst. sich zu be herrschen. Und in seinem Schweigen barg sich viel." (Fortsetzung folgt.)
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