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Nummer 80 - 24. Jahrgang Snial wSchtl. Bezugspreis: sür «pril L,50 .«t'einsck'l SesteUgeld. «nze acupretle: Tte la-jp. Pelit»ile 3» Ste lengeiuche 20 H. Tt« Peut-Retlamezeile gg Millimeter breit. 1 ^t. Ossertengebühr sür Selbst abholer 20 H, bet Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10. SonntagS-Nr. IS H. liieichästlicher Leil: Josef tzohmann. Dresden. SMllsctie Sonnlag, 5. April 1925 Im Salle höherer Gewalt erlischt iede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung von Lnzeigen-Äufträgen«. Leistung von Schadenersatz. Für undeutlich u. d. Fernruf übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Berant- Wortung. Unverlangt eingesandte und mit Rückporto nicht versehen» Manuskript» werden nicht aulbewahrt. Sprechstunde der Redaktion d bis S Uhr nachmittag». Hauptschriftleiter: Dr. Joses «lbert. Dresden. auwekier Lark Frötschner Schiehg. « Dresden WeschiiftSftelle der Sächflsa-en «olks»e«»una »»d Druik nnd Arriaai Saxoina-Buchdrnlkerei GmbH» Dresden-«»»». lk, Holbeinslrahe 16. gernn» S27W. PosUcheckkonto Dresden 11797. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsische» Volk»»ei«un, Dresden-ilNsl. 16. Hoibeinsirahe 16. gernnn S272L nnd VTöSo. Auf dem Wege zum Wiederaufbau Oeslerreichlscher Brief Zg. — Wien. 1. April 1923. Auf dem Wege zum Wiederaufbau Deutsch-Oesterreichs sind in den letzten Wochen ganz bedeutende Schritte unternom men worden und die restlichen Forderungen des Völkerbundes aus dem Genfer Vertrage gehen der Erfüllung entgegen. Früher denn je konnte Heuer das Parlament den Bundesvoran schlag unter Dach bringen, trotzdem die Opposition fast bei je dem Kapitel ihre sogenannten Prmzipienreden vom Stapel lau sen ließ. Der Bundesvoranschalg sür 1928 bewegt sich im Nah men des erweiterten Normalbudgets und schließt mit einem Ab gang von 676,1 Milliarden Kronen ab, -er seine Erklärung in 780 Milliarden Kronen für «Investitionen findet. Sieht man von diesem Anlagekapital ab, so haben wir in Oesterreich bereits ein ausbalanciertes Budget, das sozusagen die letzte Wegstation auf dem opservollen Wiederaufbau ist. In Eile sucht der Na tionalrat so manches Versäumnis nunmehr wettzumachen. So stehen gegenwärtig die Steuernovellcn in erfolgversprechender Beratung. Das steuerfreie Existenzminimum, das bis jetzt 1200 Schillinge jährlich betrug, wird durch die Novelle auf 1400 Schillinge erhöht. Gleichzeitig tritt die schon lang geforderte Ermäßigung der Körperschafts- und Erwerbssteuer in Kraft, doch dies alles nur im Wege des Kompromisses. Der Kaufpreis war für die Regierung nicht imrSer gering: sie mußte, um über haupt vom Fleck zu kommen, sogar manchen prinzipiellen Standpunkt der Opposition zum Opfer bringen. So trat u. a. eine Verlängerung und Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung ein. Wenn auch die durch die kunstvollen Gliederungen des Lohnklassensystems dem Staate aus dem Abgerungencn keine finanzielle Mehrbelastung ersteht, so mußte er dach von seinem grundsätzlichen Standpunkte in der Arbeitslosenfrage absehen. Ein Leidenskind bildet die Länd-erkonferenz, die nun schon seit Jahr und Tag einberufen wird und wieder aus einandergeht, weil es den Gewaltigen der Bundeshauptstadt Wien einfach nicht behagt, von ihrer Sonderstellung auch nur das Geringste preiszugeben. Der bisher erreichte Erfolg ist der, daß zwei Ausschüsse gewählt wurden, in denen einerseits die finan ziellen Angelegenheiten zwischen Bund, Ländern und Gemein den bereinigt werden, und anderseits die Berwaltungsreform im Wege einer Verfassungsänderung festgelegt werden soll. Wäh rend die finanzielle Auseinandersetzung eine Art Zentralisie rung durch die Kontrolle des Rechnungshofes über die Geba rung der Länder beinhaltet, geht das Ansinnen bei der Verwal tungsreform auf eine völlige Föderalisierung Oesterreichs hinaus. In der Hauptsache soll die sogenannte Doppelverwaltung (Bun des- und Landesbehörden) Im den Ländern aufgehoben und die Agenten der bisherigen „mittelbaren Bundesverivaltung" von den Landesregierungen im selbständigen Wirkungskreise über nommen werden, so daß in Hinkunft Aemter der Bundesregie rung sich nur mehr am Sitze derselben, in Wien, befinden wer den. Der Dcrivaltungsapparat wird dadurch vereinheitlicht und der Regierung bietet sich weitere Gelegenheit, den noch immerhin beträchtlichen Beamtenapparat abzubauen und für das Staatssäckel so manches zu erübrigen. Im Zusammenhang da mit tritt eine Aenderung in der Teilung der Steuerertraasanteile zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zugunsten der Landcs- finanzen ein. um damit die Mehrbelastung durch den zusammen gelegten Verivaltungsapparat zu bestreiten. Auch wird die Möglichkeit der Vereinheitlichung der Steuergesetzgebung in den Ländern und Gemeinden erörtert. Ein spannendes Ereignis bildete die Reise des PrM- oenten der österreichischen Nationalbank, Dr. Reisch, und des Bundesfinonzministers Dr. Ah rer nach London. Bekannt lich bestehen zwischen der Bank von England und der österrei chischen Ralionalbank große Gegensätze, die durch die weltbe herrschende Stellung der Dank von England den kreditsuchen den Oesterreichern stete Schwierigkeiten bereiten. Diese Mei nungsverschiedenheiten aus'ugleichen war Sinn und Zweck der Reise beider Männer. Dr. Reisch kam mit dem RUcktrittsgesuch in der Tasche unverrichteter Sache nach Hause, doch scheint die Wiener Luft ihm alle Mißstimmung genommen zu haben, denn sein RUcktrittsgesuch trägt er noch imme r in der Tasche, lieber die Unterhandlungen Dr. Reischs in London wurde be kannt. daß es sich nicht, wie vielfach behauptet wird, um die Er mäßigung der Bankrate handelte, wenn auch Normann, der „Governor" der Bank von England, die volkswirtschaftliche These vertritt: „Hoher Zinsfuß, keine Inflation"; sondern man vrlorgsreksnirsi s Hldevk, Zorek, Oer Ooltsuaker. kkomsn .... Um 3.50 kksnik«! - tNsneM, L. v., Oss Uosenvunäsr Uoman ged Um 5 80 UUNIq, Zo»«k, Oie Ki,cbe im ^slclviiilcel unä anäere Öescbieliten ged. Um. 4.50 tzt/edei-, Oreirebminclsn. ln^uszsden von Um. l.80 dis Um. 6 00 ». SiiMIi. "2L IreM-It.. L°°>'LL W krMs Ser Mise» MlWe» Freitagabend wurde folgende Erklärung der Parteien ausgegeben Zwischen den Beauftragten der Zentrumspartei, der Sozialdemokratischen Partei und der Deutschen demokra tischen Partei fanden Freitagabend im Reichstag In Anwesen heit des Reichskanzlers Marx erneute Verhandlungen statt. Nach einem gründlichen Gedankenaustausch und einer umfassenden Programmdarlegung des Herrn Marx beschlossen sie einstimmig (die deutsch-demokratischen Vertreter unter Vor behalt der Zustimmung ihres Parteiausschnsses, der am Sonn tag Zusammentritt), Herrn Reichskanzler a. D. Wilhelm Marx zur Wahl als Reichspräsidenten vorzuschlagen. * Ueber die Verhandlungen, die mit dem vorstehenden Be schlüsse geendet haben, geht uns aus dem Reichstage folgender Bericht zu: Der verflossene Freitag ist in der an dramatischen Zwischen- und Wechsclfällen so überaus reichen parlamentarischen Epoche der letzten Wochen wohl einer der markantesten Tage gewesen. Man muß es schon, selbst miterlebt haben, welche Fülle von sich überstürzenden Ereignissen sich zutrug, bis aus den Verwick lungen der verschiedensten und teilweise kritischen Art sie klare Linie sich wieder herausbildete. Der Tag begann, wie bereits berichtet, mit der Sitzung des Reichsparteiausschusses der Deutschen Zen trumspartei, in welcher Fehrenbach den Bericht über die Borgänge der letzten Tage und über die Vorbereitungen zu der Aufstellung einer Sammelkandidatur Marx erstattete. Der Neichsparteiausschuß, ersüilr von dem Willen, dieser Kandidatur zum Siege zu verhelfen, beschloß nach ganz kurzer Aussprache die Stellungnahme des Parteivorstandes zu billigen, wonach die Kandidatur Marx auch für den zweiten Wahlgang aufrecht er halten werden soll. Dieser Beschluß wurde einmütig gefaßt. — Damit war für das Zentrum die klare Linie gegeben, und die Front geschlossen. — In erfreulicher Weise ergänzt wurde diese Entscheidung durch die ebenso geschlossene und einheitliche Haltung der preußischen Zentrumssraktion, die nach der letz tägigen Entwicklung der Dinge in Preußen dort die Kandidatur Braun für die Minislerprüsidentschast einmütig unterstützte, so daß was auch stimmungsmähig von außerordentlicher Bedeu tung war, diese Wahl schon im ersten Gang zustande kam. Nun war inzwischen beim Vorsitzenden der Neichstags- fraktion ein Brief des Vorsitzenden der Bayrischen Volksparlei eingcgangen, in welchem eine Besprechung beim Reichskanzler Luther angeregt wurde mit dem Ziel, über die Möglichkeiten einer bürgerlichen Sammelkandidatur noch einmal zu sprechen. Nachdem der Parleiausschuß die Sammelkandidatur Marx be reits aufgestellt hatte, versprach er sich von dieser Besprechung freilich nicht mehr viel. Doch wurde, da immerhin die Mög lichkeit vorlag. für die Kandidatur Nfarx eine breitere Basis zu schassen, ein Unterhändler in diese Besprechung entsandt. Dort wurde aber im Gegenteil von Reichskanzler Luther auf die Bedenken, hingewiesen, die ein heftiger Kamps, namcnllich auch nach der konfessionellen Seite hin, auslösen müsse, und es wurde in Anregung gebracht, den stellvertretenden Neichspüsidcntcn Simons als Sammel-Kandidaten zu benennen. Es war zwi schenzeitlich auch der Gedanke ausgetaucht, durch ein ver fassungsänderndes Gesetz Simons für sieben Jahre zu bestätigen. Doch wurde bei der allgemeinen Ablehnung der Parteien dieser Gedanke rasch wieder satten gelassen. Die dann später fortgesetzten Besprechungen beim Reichskanzler, an denen dann auch die Vertreter der sozialdemokratischen Partei teilnahinen, ergaben keine neue Möglichkeit zu einer scheint hauptsächlich deshalb verschnupft zu sein, weil Oesterreich im Gegensatz zu der Entschließung der Konferenz zu Genua nicht die Bank von England als Bankverbindung auserkor. Präsident Reisch scheint in der Beziehung in London bündige Zusagen ge macht zu haben, die ausländischen Guthaben nicht mehr bei Pri vatinstituten zu plazieren, sondern bei der Bank von England. Bei den Verhandlungen scheint nicht Reisch derjenige gewesen zu sein, der Aufklärungen bot, sondern vielmehr die Engländer, die u. a. bemängelten, daß das Kostdeviscngeschäft der National bank nicht die erforderliche Einschränkung gefunden habe. In allen Fragen wird man den Engländern wohl kaum willfahren können, die die Lage Oesterreichs ja mehr oder weniger nur vom Hörensagen -kennen und die volkswirtschaftlichen Probleme viel fach noch nach dem alten Manchester-Liberalismus zu lösen su chen, d« in Oesterreich heute angewandt, wohl zur Katastrophe führen müßte. Oesterreich ist ein bettelarmes Land geworden, das unter großen Opfern um seine Existenz ringt. Die versteckte Deslationspolitik zur Stützung der Währung hat den Rest des Einigung und der Führer der Bayrischen Volkspartei erklärte, daß seine Anregung ergangen sei, noch ehe ihm der Beschluß des Zentrums bekanntgewesen sei. Ausdrücklich sei hervorgchoben, daß der Vertreter der Deutschen Bolkspartel erklärte, seine Partei könne sich, nachdem sie auf Iarres festgelegt sei und an ihn festhielte, sür eine bürgerliche Sammelkandidatur nicht inehr cinsetzen. Die Deutschnationalen gaben eine völlig ausweichende Erklärung, mit der überhaupt nichts anzufangsn war. So erwies sich dieser Versuch als ein völliger Fehlschlag. Der sozialdemokratische Vertreter Wels warf die Frage auf, warum man denn erst heute, nachdem die Parteien mitten in ihren Beratungen ständen nnd zum Teil schon damit zu Ende wären, noch einmal diese Frage answerfe und warum man das nicht vorher getan hätte. Darauf konnte keine Antwort gegeben werden. Der Reichs kanzler, den, die Situation ganz offensichtlich durchaus unange nehm war, schloß daher die Versammlung, nachdem Fehrenbach ausdrücklich festgestellt hatte, daß sämtliche Parteien gegen über den Anregungen des Reichskanzlers sich die Entscheidung ihrer Fraktion Vorbehalten hatten. In der Nachmittagssitzung des N e i ch s p a r t e i a u s. schusses der Zentrum spartet erstattete zunächst Reichskanzler Marx einen eingehenden Bericht über seine Be mühungen, als Ministerpräsident in Preußen, angestckts d-r ungeheuren Notlage dieses Landes eine arbeitsiähige -mg zu schassen. Tie Versammlung nahm mit dem a mgröi wir Interesse Kenntnis von den Schwierigkeiten und Hemmnissen, die bei diese» opferwilligen Bemühungen Marx bereitet worden sind. Inzwischen waren die Dinge wegen der Rcichspräsi- deutschest endgültig geklärt. Reichskanzler Marx dankte den Mitgliedern des Parteiausschusscs für das große Vertrauen, das ihm entgegengebracht wurde und er versprach, sich allen Opfern im Interesse unseres liebe» deutschen Vaterlandes und Volkes freudigst unterziehen zu wolle». Iustizrat Mönnig-Köln, sprach sodann das Schlußwort, indem er zu begeistertem Schassen und Arbeiten für den Sieg aufforderte und ei» Hoch aus Marx ausbrachtc, das ein jubeln des Echo fand. Mit dem Versprechen, mit größtem Elser sich den kommenden Aufgaben zu widmen, ging dann der Parteiausschuß auseinander. Somit steht die Kandidatur Marx nunmehr endgültig lest. Der Will« zum Siege wird ihr auch zum Ersolg verhelfen. Der Lügensesdzug beginnl Tic Verwirklichung der Sammelkandibatur Marx hat in der Presse drö Rcichsblocks eine mas-lose Bestürzung bervorge- rnsen. Statt aber mit ehelichen Waffen zu kämpfen, greift man zu Lüge und Betrug. — So werde» in der deutschnationalen Preise Farn, und Inhalt nach freilich geradezu kindische Mit teilungen verbreitet, daß die Sozialdcuiotraten de», Zentrum be stimmte „B e d i n g n n g e n" auserlegt hätten, daß Marx tick Hab verpflichten mü'scu, gewisse „sozialdemokratische« Tendenzen" zu nuterstühen, und ganz unsinnig ist die weitere allen Ernstes dcn deiitschnalionalcn Leiern vorgetragene „Bedingung", daß das Zen trum sich verpflichten müsse, die Regierung Lut sec zn stürzen. Von alledem kan» selbstverständlich nicht im geringsten d e Rede sein. Auch im Rcichc-parteiausschnß ist das an drncklich von den Unterhändlern festgestellt ivi-.zc>. Im übrig n iit so die Er ziehungsarbeit an d n Tent,'chnatloualen im Reiche tag derart gut im Kon ge. daß es rin Haller Unsinn wäre- diese R> gieeiuig stürze» und die Teutschnationalen aus der Veror.rworuuig entlassen zu wollen! freien Kapitals gebunden, so daß der Privatwirtschaft heute nur Auslandskredite auf die Beine Helsen können, dies umsomehr, da schon in Fricdenszeiten Oesterreichs Industrie und Handel au! Kredite eingestellt war. Die Bank von England, die sozusagen den Schlüssel für diese in der Hand l>at. weiß diese ungeheure Macht dem armen bedrückten Oesterreich gegenüber wohl auszu nützen und wird die Nationalbank wohl auf die Knie zwingen. Alles Wohlwollen hat sich Oesterreich trotz alledem noch nicht verscherzt. Beweis hierfür ist der 22-Mittionen-Dottar-Kred:t an die österreichischen Bundesbahnen zur Durchführung des Elektrifizierungsprogrammes und der Kredit an die Nlpine- Montan-Gcsellschaft, die beide über den Weg über London zu- gestanden wurden. Man sieht in Oesterreich nicht so sehr den unsicheren Kantonisten, als vielmehr ein dankenswertes Aus- bentungsobjekt, bei welchem Streben man mit -Hartnäckigkeit sich die größten Geschäftsvarteile zu sichern sucht. Es geht vorwärts. Das muß jeder Unvorein genommene zugebcn. Die Arbeitslosigkeit hat ihren Höhepunkt