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Nummer 126 - 24. Jahrgang Smal wöchentl. Bezugspreis: für Jun« S,50^t «inscht. Bestellgeld, Anze'genpreise: Die Igesp. vetttzeile »tz tztellengeiuche 20 Tte Petit-Reklamezeilr 8« Millimeter breit, 1 .<t- Osfertengebühr sür Selbst abholer 20 H, bei Uebersendung durch dt« Post außerdem Portozuschlag. Sinzel-Nr. 10. Sonntags-Nr. 1v iA. «eichästttche, Leil; Josef Fohmann. Lrelde«. SöcksWe Donnerstag, 4. Juni 1925 übermittelle Anzeigen übernehmen wir keine BeranU Wortung. Unverlangt eingrsandte und mit Rückport« «icht versehene Manuskripte werden nicht aulbewahrt. Sprechstunde der Redaktion v bis S Uhr nachmittag». Hauptschristleiterr Dr. Jeses Albert. DreSdea. «8»" m»»ekin«n l.a«er kr»»lrieUv Kep»»»lu»en Q. >^'ettinei8ts.5r Dresden rrn^ und «erlag, Saronia- Bnchdnickerei «mbH.TreKden-A. Iw Holbetnstras,- «S. gcrnni« 327S2. Poslschcckkonio Dr-Sde» l«7M Banktonlll Bassen«- » Arthschc. Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Volks,ettun« TrcSden-klllst. iS. Holbeiuslrntze «K. gernnn o/IA und Die Reichswehr Im Deutschen Reichstag wurde vor den Pfingstferien der Reichswehretat beraten. Reichswehr und Reichsmarine erfor dern eine Ausgabe von über ö 5 0 Millionen Mark jähr lich. Das alt« Herr, das ungefähr 7—Smal so groß war. wie die heutige Reichswehr, erfordert« 1)4 Milliarde Ntark. Wieder, holt ist, nicht mit Unrecht, die Frage aufgeworfen worden, ob die Erhaltung der kleinen Reichswehr, di« im Verhältnis -um alten Heer so teuer ist, sich finanziell rechtfertigen lass«. Die Verteue rung gegenüber den früheren Verhältnissen liegt daran, daß wir früher die allgemeine Wehrpflicht hatten und jetzt ein sogenann- tes Berufsheer. Trotzdem kann man der Auffassung sein, daß die Parteien der Weimarer Koalition gut beraten waren, als sie in den Jahren 1919 und 1929 die gesetzgeberische Grundlage für die Reichswehr geschaffen haben. Damals ist seitens der Rechts parteien an dieser Arbeit und an der Errichtung der Reichswehr überhaupt viel hämische Kritik geübt worden. Ueberschaut man die damaligen Mahnahmen, dann wird jeder, der nicht von Vor urteilen eingenommen ist, mit einer gewissen Genugtuung fest stellen müssen, dah wir heute ein« zwar kleine, aber wohl ge schulte und gut disziplinierte Reichswehr haben. Wir wissen, dah wir mit dieser Reichswehr keinen Krieg führen können: wir wissen aber auch ebenso, dah sie dringend notwendig ist für die Ausrechterhaltung der Ruhe und Ordnung, zur Festi gung der Staatsautorität, und dah sie immerhin «inen ansehn lichen Schutz für di« Ostgrenzen des Reiches darstellt. Die Reichswehr hat in den letzten Jahren viel im Mittel- Punkt der politischen Debatte gestanden. Kaum war sie ge schaffen, versuchten rechtsradikale Kreise Eingang in die Reichs wehr zu finden, um sie sür ihre Bestrebungen und Ziele zu gewin- nen und nutzbar zu machen. Aber auch die Kommunisten waren nicht untätig. Sie sind heute noch eisrig bemüht, kommunistische Zcllenbildungen in den Reichswehrformationen zu schaffen. Welchem Zweck ein etwaiger Elnfluh rechts oder links geeichte- ter Gruppen in der Reichswehr dienen soll, braucht nicht näher dargelegt zu werden: es genügt die Feststellung, dah diese Ver suche im grohen und ganzen mihlungen sind, Trotz- dem aber müssen wir auf die Bestrebungen, die gerade heute von der rechten Seite zur Beeinflussung der Reichswehr einsetzen, auf das genaueste verfolgen. Von einer anderen Seite ausgehend, werden gegen die Reichswehr Vorwürfe erhoben. Es wird insbesondere behauptet, die Reichswehr bilde eine fortdauernde Bedrohung des öenw- kratischen Volksstaates. Es ist u. a. richtig, dah in Kreisen der Reichswehr noch nicht überall diejenige Einstellung zum neuen Bolksstaat vorhanden ist. die unbedingt notwendig ist. Ein Neichswehrangehöriger, der sich zum Schutze der deut schen Republik auf Ehre verpflichtet hat und von eben dieser Republik besoldet und unterhalten wird, hat an erster Stelle die Pflicht, keine Parteipolitik zu treiben, sondern sich rückhaltlos In den Dienst der demokratischen Sache zu stellen. Nur auf diese Weise wird es möglich, dah die gesamte Bevölke rung der Reichswehr rückhaltloses Vertrauen entgegendrinzen kann. Auf der anderen Seite darf aber die Reichswehr nicht bet jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit öffentlich an gegriffen oder beschimpft werden. Die Reichswehr bildet seit Jahren ein immer heftiger wer- dendes Ziel für die Angriffe der französischen Chauvinisten und militärischen Gewaltpolitiker. Immer und immer wieder wird von ihnen behauptet, dah diese deutsche Reichswehr viel stärker sei, als sie im Haushalt angegeben, dah eine grvhe „Schwarze Reichswehr" vorhanden und Deutschland in der Lag« sei, tn ganz kurzer Zeit «in neues gewaltiges Heer auszurüsten. Diese Behauptung stellen die französischen Gewaltpolitiker deswegen auf, um mit einem gewissen Anschein von Recht immer neu«, unerhörte, das deutsche Volk demütigende« Forderungen stellen zu können. Das beschämende dabei ist, -ah es auch Deutsche gibt, die ihnen Hilfsdienste leisten. So hat der bekannte Pro- strssor Gumbel in Heidelberg in einem seiner Bücher u. a. fol» gendes über di« angebliche „Schwarze Reichswehr" geschrieben: „Hierunter sind zunächst zu verstehen, die schon erwähnten Organisationen, die nach Art der Schweizer Miliz ihr« Massen zu Hause oder in sorgfältig gehüteten Wasfendepots ljoben. Aber das ist nur ein Teil der schwarzen Reichswehr. Dazu kommen vollkommen militärisch organisierte, reichswehrmähig unifo» mierte und kasernierte Truppen. Mit ihren Fuhrparks und Was. fendeständen sind sie der legalen Reichswehr vollkommen ähn- lich aufgebaut. Diese neuen, oder Stinnessotdalen, wie sie ge nannt werden, sind Parallelformationen zur Reichswehr." Das Buch des Herrn Gumbel ist in di« ganze Welt geschickt worden und wurde von den Feinden des deutschen Volkes mit gieriger Freude ausgegriffen. Da» schlimmste an den Darlegun- gen de« Herrn Gumbel ist, -ah er lediglich allgemein« Behaup- tungen aufstellt und es völlig unterläßt, konkrete Tatsachen an- zugcben, um so Li« Möglichkeit einer Untersuchung zu geben. Von den Stahlhelmoerbänden usw., die unser« Auslandsbezie hungen immer wieder verderben, sehen wir hier ob. Wenn Herr Guindel auch an diese gedacht hoben sollt«, so Hütte er seine Aus. brücke anders wählen müssen. Nachdem Herr Gumbel da. Buch geschrieben hatte, ist der amerikanische Professor Morgan ge kommen und hat den Faden des Herrn Gumbel weitergesponnek, WM O -er Asm Bon besonderer Seit« wird uns geschrieben: Im AuSlanbe hat die Erklärung, die der deutsche Ver treter in Geuf über die Bereitschaft Deutschlands, den Gift- und Gaskrieg unmöglich zu machen, nicht geringe Aufmerksamkeit erregt. Weun Deutschland als gerade in der chemischen Industrie anerkannt fortschreitendes Land» eine solche Anregung gibt, so ist sie gewiß sehr hoch zu bewerten, denn sie spricht für die unbedingte Ehrlichkeit der deutschen Absichten. Mit dieser deutschen Erklärung werden aber auch eine Menge von Märchen, di« nicht nur >m AuAandc über Deutsch- lands Vorbereitungen für einen Gift- und Gaskrieg verbreitet waren, ausgeschaltet. Mau kann im Auslände die greulichsten Geschichten erzähle,, hören über die G>'fte und Gase, die Deutsch land in seinen chemische,, Fabriken fabriziert, um den nächsten Krieg auf ganz anderer Grundlage führen zu können. Richtig ist daran» dah selbstverständlich dir deutsche Forschung »nd die deutsche Wissenschaft nicht ruhen, bah sie vielmehr darnach trachten, den technischen Fortschritt auch auf diesem Gebiete in jeder Weise sicherzustellen. Dah Deutschland seine Kennt nisse und Errnngenschasten in diesen Dingen ebenso nutzbar inacht, wie seine Erfahrungen auf anderen Gebieten, ist selbstverständlich und kann und darf ihm solangr nicht verwehrt werden, als es inmitten Europas von einem Wall von Gegnern sich um geben sieht, die an alles andere, nur nicht au eine geistige oder gar technische Abrüstung denken. Gerade jetzt ist i», Reichstag der Beratung des Rcichswehretats fcstgssbrtlt worden, dah die gröhte Heeresvorlage des Kontinents ausgerechnet von dein Linkskabinett tzerriots in der sranzüsische» Kammer gefordert worden ist! Deutschland hat also alle UNache miß trauisch zu sein und nichts zu verabsäumen, was zum Schutze seines Gebiets »nd seiner Bevölkerung geeignet ersthesnt. Das hindert andererseits Dcntschlaiid aber auch kcineswegs daran, so viel an ihm liegt, mit dazu beantragen, dah di« furchtbaren Schrecknisse eines modernen Krieges, der sich in der Tat die neuzeitlichen Errungenschaften der chemischen For schung zunutze mache» würbe, vermieden werde». Wie >>,, solcher Krieg sich vollziehe» würde, welche Wirkungen er hätte, das alles ist in Schilderungen uns bereits vor Augen geführt worden, die keineswegs übertrieben sind. Dieser Krieg würde von der Luft aus fast unsichtbar sich vollziehen, er würde Tod und Schrecken und Grauen gegen eine,, »„heimlichen, sagbaren Feind verbreite», er würde aber noch mehr als jeder andere mit Waffen geführte Krieg gerade die Bevölkrr u u g, di« Wehrlosen treffen. Deutschland hat sich mit seiner, jetzt in aller Form feier lich m Genf gegebenen Anregung, eine deratige Kcjegssührniig unmöglich zu machen, und auf das schärfste zu verbieten ein Verdienst >un die Zivilisation erworben. Damit hat aber auch die deutsche Reichsregierung den schärfsten Schlag gegen alle diejenigen seiner Widersacher geführt, die mit der Br- Häuptling von deutschen Varbarismus und deutscher Unkultur die demütigenden Bestimmungen des Versailler Vertrages be gründeten und rechtfertigten. Was nun aus der deutschen Anregung wird, ist >m Augenblick noch nicht zu übersehen. Sie hat so manche Negie rungen ans der Gegenseite in eine taktische Lage inanöori'ect, aus der ein Ausweg sür diese Regierungen gesucht werde» muh. Unser« Jiifvrmationen aus Genf lasten auch erkenne,,, nah diese den Teilnehmer» an der Genfer Tagung völlig »„vorbereitet gekommene Erklärung des deutschen Vertreters wie eine nn- geheure uebecraschnng wirkte, und dah sofort eine heftige Kuliis-n- arbeit einsetzte. Deutschlnnd hat nnnmehr seine Gegner ge zwungen, Farbe z» bekenne». Man wird deshalb den, Fort gang dieser Dinge mit der allerstärksten Ansmerksanikcit ver folgen müssen. Tie Ehrlichkeit der deutsche» Anregung und ihre tlnr'.ngeschränkiheit zwingen nn» zur völligen Klarsti.-sl.mj, der Lage. Tie amerikanisch« Negierung, die einen derart wcit- gehenden deutsche» Antrag „och »icht einmal >» de» Bereich t-«r Möglichkeiten gezogen hatte, und die lediglich den Vorschlag machte, dah durch ein '-nternativnales Abkommen der .Handel mit solchen zur Kriegführung bestimmten Giften und Ga-r,, verboten werde, hat nun diesen ihre,, Antrag znrückgenomnuu und wird voraussichtlich die deutsche Anregung auch von lich aus unterstützen und nusuehme,,. Damit dürfte die Erörterung dieser Dinge in Fluh kommen, deren Ziel dahingch!, durch in ternationale Vereinbarungen t»e Verwendung von Gifte,, i„ch Gasen bei lünfttge» Kriege», wenn man diese selbst nn» ein- mal noch nicht ausschaltr-i kann, zu verkneten. Selbstverständ lich mühten dann auch d'e Sicherungen gegen Verfehlungen nnd Zuwiderhandlungen getroffen »»erden, die dann ans der'Grund lage des Pölkerbundsstatuts zu erfolgen hätten. »Wissenschaziliche Manöver" in Englanö London, 3. Juni. Der .Evening Standard" mcldett Dir englische General stab tcisfr gohe Loroereüungeu sür das kom mende erste Manöver eines „wissenschaftlichen" Krie- ge s. Zwischen 49—50 000 Mann Truppen werden daran teil» nehmen und jede erdenkliche wisienschostliche Masse soll bei dem Manöver ansprobiert werden. Frankreich wird durch Oders! Pclain nnd General Debency vertrete i sein. Die Manöver sel- Ir» Mitte August beginnen und bis Ense Dezember dauern. W MlsMres übel -ie MkWWe London, 3. Juni. Der diplomatische Berichterstatter des „Manchester Guardian" weist daraus hin, dah die entscheidenden Meinungsverschiedenheiten, die zwischen England und Frank reich beständen, nicht dahin gingen, ob Frankreich zur Verteidi gung von Polen Truppen durch die entmilitarisierte Nheinland- zone schicken könne, sondern, ob i» dem Sicherheitspakt, wie Briand das in seinem Entwurf verlangt habe, eine Bestimmung ausgenommen werden soll, die „aus ewige Zeiten jede Revision der deutschen Ostgrenzen gegenüber dem gegenwärtigen Stand" ausgeschlossen hätte. Der Berichterstatter glaubt, dah nunmehr, nachdem Briand die vertragsmähige Verewigung der deutschen Ostgrenzen preisgegeben habe, eine Zusammenkunft Deutschlands mit den Alliierten über den Sicherheitspakt werde zustande kommen können und wahrscheinlich werde Chambcrlam in Genf mit Briand das Programm einer derartigen Zusammen- Kunst besprechen. „Evening Standard" berichtet zur Sicherheitsfrage, das in London verbreitete Gerücht, wonach sich die englische Garantie für die Westgrenze nur aus 30 Jahre erstrecke, werde als unrichtig bezeichnet. Die englische Garantie würde so lange währen, wie der Vertrag in Kraft sei. Die englische Note be ziehe sich nur auf allgemeine Grundsätze. Es sei zu früh, von irgend welchen Einzelheiten oder definitiven Dingen zu sprechen, weil sich di« Lage fortwährend ändere. MM« ßtt 8l!lNM«Mle TIMM Berlin, 3. Juni. Am Donnerstagmittag dürfte die Entwassnungsnote überreicht werden. Dabei werden die Bot schafter von England, Frankreich. Italien und Japan anwesend sein. Ob eine Ucbergabe an den Reichskanzler oder an den Reichsauhcnministcr stattsindct, steht noch nicht endgültig fest. Jedenfalls wird Dr. Strcsemann am Mittwochabend und Dr. Luther am Donnerstngsrüh nach Berlin zurückkehren. Im Anschluß an die Note werden wohl langwierige Der Handlung« n gepflogen werden, die sich voraussichtlich einige Monate hinansziehen dürsten, bis über alle Beschwerde punkte der Botschafterkonscrenz ausreichend Klarheit gcsbafsen wurde. Infolgedessen wird die Eiilwaflnuiigsfrage auch von der Tagesordnung der Bölkerbundssitzuiig abgesetzt werden. An dererseits ist zu erwarten, dah im Zusammenhang mit der Mili- tärkontrollsrage nun auch die Sicherhettsfrage wieder in Fluh kommt. Sonnabend früh Derösfeniüichnng Paris, 3. Juni. Die Note der Botschafterkonserenz wird den Pariser Blättern Freitagabend zugestellt und dann So»n- abendsrüh veröffentlicht werden. Sachlieferungen und sranzösiicher Wiederaufbau Paris, 3. Juni. Der „Matin" veröffentlicht eine längere Erklärung des W i ede ra n s b a u in i n i st e r s Schmidt über die Reparationsleistungen. Bei der Durchiührung der Natural leistungen solle selbstverständlich so weil wie möglich ans die na, ticmale Industrie Rücksicht genommen werden Dis Prinzip der Naturalleistungen habe sich als solches stets sehr be währt. Vergangenen März seien Sachiieierung.cn im Werte von 200 Millionen für die Zeit bis zum 3l. Dczcmber .dieses Jahre» zur Verfügung gestellt worden. Am 25. Mai habe Frankreich be reits für 40 Millionen Sachlirsevungen absorbiert Die letzten Jahre des Wiederaufbaues würden die schwersten sein. Die Sachlieferungen hingen nicht nur von der glatten Ausführung de» Dawesgutachtens, sondern auch von dem Gelingen des Sanie- rimgsprogrammes non Caillaux ob. Er behauptet allen Tatsachen zuwider, dah das Deutsche Reich überhaupt nicht abgerüstet hätte, dah die Bezirkskommando» nicht aufgehoben worden seien, dah sie jetzt lediglich Versorgung s- steifen genannt werden, und daß bei diesen Bersoryungsstetten die Stammrollen, die Milttärpäss« genau so geführt werden, als -Ie» In der Borkrieg«»etzt der Kall gewesen sei. Herr Gumbel will Pazifist sein. Gegen die pazifistische Idee alssoIche möchten wir in diesem Zusammenhang absolut nicht» sagen. Im Gegenteil, man mutz dringend wünschen, datz all« diejenigen, Li« für Verständigung, sür den dauernden Friei den und völlig« Versöhnung sind, mit allen Kräften arbeiten, um di« verheerenden Wirkungen des Chauvinismus und wilden Na