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n LitSrliLtltun^ uns wiHer» Nos »WM »er »Wen Mell Vor dem Krieg und auch während des Krieges sahen die Amerikaner mit einer gewissen Geringschätzung auf Europa herab, das mit seinen ewigen Nationalitätenstreitigkeiten nicht fertig werden konnte: denn diese Probleme bestanden scheinbar sür Amerika nicht. Heute ist das anders: auch in Amerika gibt es heute N a t i o n a i i tä t e n p r o b l e m e, die man nicht mehr totschweigen kann. Das wird verständlich, wenn man be denkt, datz in Neuyork etwa 800 000 Italiener, eine Million Juden, 400000 Neger, dazu zahlreiche Grieche», Syrier usw, wohnen, so datz diese Stadt ein weit buntscheckigeres Völker gemisch darstellt, als irgendein europäischer Staat. Und das gilt nicht nur für Neuyork; vielmehr ist heute jede amerika nische Stadt ein solches ethnographisches Museum. Das Ver hältnis der bisher herrschenden angelsächsisch-germanischen Schicht zu diesen Bevölkerungsgrupen kann aus doppelte Art geregelt werden: durch Assimilierung oder durch Trennung. Die Assimilierung kann wiederum ebenfalls aus zwei Arte» er folgen: durch R a ss e n in i s ch u n g. die es in Wahrheit in Amerika von jeher gegeben hat — namentlich mit Indianern, was im Unterschied von der gleichfalls sehr häufigen Ver mischung mit Negern nicht als entehrend für die Weitzen gilt — oder als rein kulturelle Assimilation ohne solche Ver mischung. Andererseits kann auch die Trennung zwei Wege ein- fchlagen, nämlich den der örtlichen Trennung oder den der poli tischen und gesellschaftlichen Scheidung s„segregation">. Dies letztere ist bekanntlich den Schwarzen gegenüber der Fall, namentlich in den Südstaaten, wo es sogar eigene Eisenbahn- und Stratzenbahnwagen für Neger gibt, angeblich ihres Ge ruches wegen; doch dürfte der Gegensatz mehr psychischen als physischen Ursprungs sein. Eine örtliche Scheidung findet sich eigentlich nur bei den Franzosen in Kanada, namentlich in der Provinz Quebec, die dort gewissermatzen eine sprachliche, stammliche und religiöse Insel bildet. Jeder Franzose kann dort Englisch, doch sprechen sie untereinander nur französisch; und da sie sich zu dem gleich sehr stark vermehren, so behaupten sie sich dort nicht nur neben dem englische» Element, sondern sie beginnen es sogar zu verdrängen. Die Religion dieser Franzosen, die haupt sächlich unter Ludwig XIV. in Kanada — damals Neu-Frank- reich genannt — angesiedelt wurden, ist bekanntlich die katho lische; sie sind trotz dem Gegensatz von Sprache und Kon fession sehr englandfreundlich gesinnt, da sie wissen, datz ihr Volkstum bei der Einverleibung Kanadas in die Vereinigten Staaten bedroht wäre. Die Vereinigten Staaten selbst kannten ursprünglich den Gegensatz der Nationalitäten nicht. Da die ersten Einwanderer durchaus religiös eingestellt waren und die Einwanderer über wiegend deshalb nach Amerika kamen, um dort den religiösen Bedrückungen der europäischen Heimat enthoben zu sein, so war Nicht die Nationalität, sondern das Religionsbekenntnis die Grundlage der Gemeinschastsbildung; und diese Bedeutung der Religionsgemeinschaften hat sich im öffentlichen Leben Ameri kas bis heute erhalten. Im beginnenden 10. Jahrhundert, als die Eroberung des Westens vollzogen wurde, prägte dann das Grenzertum, das mit seinen gemeinsamen Schicksalen gleich falls ausgleichend wirkte, namentlich im Norden Amerikas tttren einheitlich en Typus aus; und dieser Typ ist seit dem Bürgerkrieg auch in dem ursprünglich seudalen Süden herr schend und so zum allgemeinen amerikanischen Standardtypus geworden. Auch die starke Technisierung des Landes war einer starken Vereinheitlichung und Standardisierung des Landes gün stig; bedenkt man zum Beispiel, datz es in Chicago ein Waren haus gibt, das Jahr sür Jahr acht Millionen Kunden in den Binnenstaaten mit Kleidung versorgt, so wird man sich über die Eintönigkeit der Kleidertracht, Hüte und Schuhe, die schon man chem Reisenden bei den Amerikanern ausgefallen ist, nicht mehr «mindern. Da überdies das amerikanische Unternehmertum die billigen fremden Arbeitskräfte gern verwendete, so war man in der Zulassung Andersrassiger sehr tolerant: anderseits war auch bei diesen selbst, da sie ja meist aus den untersten Volksschichten heroorgegangen waren, in der Regel — eine Ausnahme machten bekanntlich die deutschen Achtundvierziger — kaum ein Bedürf nis nach Behauptung von Sprache und Volkstum vorhanden. Erst während des Weltkrieges merkten diese fremden Be völkerungsteile. datz sie innerlich doch noch in der alten Heimat wurzelten: doch wurden diese nationalen Bestrebungen energisch unterdrückt, wie es noch heute von seiten des Ku-Klux-Klans ge- In -er Fremde Säug' nicht das Böglein Mit munterm Schall, Blühten nicht Blumen Allüberall. Glänzte nicht nieder Der Sterne Schein: Möcht' ich auf Erden Kein Wandrer sein. An mir vorüber So fremd als kalt Eilen sie alle Hin ohne Halt. Wo mir das Herz jetzt Vor Freuden schwillt, Ob es vor Schmerz jetzt Mir überquillt. Fort drängt sich jeder, So schnell er kann; Keinen bekümmert Der fremde Mann. Aber das Böglein Auf Zweig und Ast Singt seinen Grutz mir Auf kurzer Nast; Aber das Nöslein An öder Kluft Streut mir entgegen All seinen Duft; Aber die Sterne So klar und licht Mahnen und trösten: Verzage nicht! I. N. Vogl. schielst. Immerhin datieren von jener Zeit die Beschränkungen der Einwanderung so wie gewisse Versuche zur Erhaltung und Züchtung einer nordisch-germanischen Edelrasse, deren Verfech ter aber merkwürdigerweise gerade die Deutschen nicht zu dieser rechnen wollen. Nach welcher Seite sich diese Gegensätze entwik- keln werden, ist sür die Zukunst Amerikas natürlich von höchster Wichtigkeit. Voraussichtlich werden sich, nachdem die amerikani sche Bevölkerung sehhast geworden ist und sich mit ihrer Heimat zu verwurzeln beginnt, stärker als früher Unterschiede von Ge gend zu Gegend entwickeln, bei denen die örtliche Nasseneigen- art, sowie die Mischung eine erhebliche Rolle spielen und die frühere amerikanische Art verändern werden; ist doch auch seit einem Jahrhundert aus dem finstersten Puritaner der Neu-Eng- land-Staaten der vergnügungsfreudige Amerikaner von heute geworden. M IMe MIM W Von Generalsekretär K. Ioergcr, Freiburg. Alljährlich versammelt der Deutsche Karitasverband die Führer der karitativen Organisationen aus allen Teilen des Reiches zu einer grohen Karitas-Heerschau, dem Deutschen Karitastag. Im letzten Jahre fand diese bedeutsame Tagung zu Breslau statt, verbunden mit einem mehrtägigen Lehrgang zur Einführung in die neuen Wohlfahrtsgesetze. In oer Pfingstwoche dieses Jahres wird der Deutsche Karitastag in der alten Bischossstadl Bamberg zusammentreten, um in ernsten Beratungen die dringenden Fragen der kirchlichen Wohlsahrts- arbeit zu besprechen und Anregungen sür die zu ergreifenden Hilfsmatznahmen zu geben Die ersten beiden Tage, am 2. und 3. Juni, sind vor allem den Sitzungen karitariver Fachverbände und mehrerer Fach ausschüsse oes Deutschen Karitasvcrbandes gewidmet. Den Mit telpunkt der Tagungen bildet die Sitzung des Zentralaus chusses, die am Donnerstag und Freitag der Pfingstwoche statt- inden wird. Auher dem Tätigkeitsbericht des Präsidenten sind ür die Tagesordnung vorgesehen: „Organisatorischer Ausbau der örtlichen Karitasarbeit und Seelsorgehilse" von General sekretär Kuno Ioerger uno Generalsekretär P. W. Wie sen; „Strafgefangenensürsorge" von Pfarrer Kosmeier - Nürnberg und Pfarrer F a tz be n d e r - Düsseldorf: „Fürsorge, für Lebensmüde" von Dr. Hans Rost-Westheim; „Unsere Arbeit sür das Gemeindebestimmungsrecht" van P Franke-Haid- hausen: „Das Problem der Wanderer- und Obdachlosensür- sorge" von Direktor Dr. Brüll-Köln: „Wohnungsfürsorge als Grundlage der Volksgesundung" von Stadtrat Michael Gasteiger - München An den beiden Abenden finden jeweils öffentliche Ver sammlungen statt; am 4. Juni wird der Präsident des Deut schen Karitasverbandes. Msgr. Dr. Kreutz, sprechen über „Die sozial-karitative Bedeutung der Bodenreform", sowie Sozialminister Oswald-München über „Wohnungsreform". Außerdem wird Se. Exzellenz der Hochwürdigste Herr Erzbischof Dr. Iakobus v. Hauck die Versammlung mit einer Ansprache beehren. Für den Abend des 5. Juni ist eine Karitas versammlung für Akademiker vorgesehen. Der letzte Tag der Woche ist in erster Linie für Besichtigungen der karitativen An stalten der Stadt Bamberg bestimmt. Gleichzeitig finden mehrere Lehrgänge statt: am 2. Juni ein Kurs sür Schwestern der ambulanten Krankenpflege, am 4. Juni ein Lehrgang für Anstaltswirtschaft und am 5. Juni ein solcher für Schwestern der Kinderfürsorge. Für den 3. Juni sind Sondertagungen für die Lehrerschaft und für die kalho- tischen Seelsorger in Aussicht genommen. Der Deutsche Karitastag 1925 wird versuchen, insbeson dere die vorbeugende Karitasarbeit dadurch zu fördern, datz e> sich in verstärktem Maße mit den verschiedenartigen Quellen der Not in seinen Beratungen beschäftigt. Anmeldungen zur Tagung sind an den Karitasverband sür die Erzdiözese Bamberg sBamberg, Weise 6) zu richten, der auf Wunsch auch Wohnung und Verpflegung vermittelt, boiel ürstenhos ° Q-Mits Kotei üer 5elprlg desuchenllea »alholllrrll kille Llmmei mit kisit- mrck lvarmwasser »Preise müßig Ein Besuch in Grotzschweidnitz Wer mit der Bahn von Lübau nach Zittau fährt, der freut sich der herrlichen Landschaft, die sich vom Zuge aus ihm oar- oietet. Weithin lugt der majestätische Löbauer Berg hinaus in die gesegneten Gefilde, die er betreut. Reichlich lohnen die ruchtbaren Felder all die Mühen eines fleißigen Menschen- chlages. Viele ahnen ober nicht das namenlose Elend, welches Zch hinter dem Kiefern- und Fichtenkranz bei der Haltestelle Grotzschweidnitz verbirgt. Umweht von der frischen Lanoluft liegt hier vor den Blicken Neugieriger verborgen die Landesheil- und Pflegeanstalt gleichen Namens. Eine kurze Wanderung durch Nadelholz führt uns bald an den Gebäudekomplex der Anstalt. Auf den ersten Anblik ist man bestimmt überrascht. Man hat vielleicht ein altes Schlotzgemäuer vermutet oder eine alter tümliche Burg mit Hohen Mauern und tiefen Gräben. Oder gar strenge Wachposten? Nichts von all dem. Wer nach Großschweid nitz kommt, muß sich von solchen Vorstellungen sreimachen. Die vielen hübschen, gleichgebauten Häuschen machen einen sehr an genehmen Eindruck. Gefällig ruht das Auge des Besuchers aus ihnen. Man könnte eine Siedlungskolonie vermuten, wie sie vielfach außerhalb unsrer GrotzsMte in den letzten Jahren «mporgewachsen sind. Gutgepflegte Gartenanlagen um die ein zelnen Häuschen erhöhen den sympathischen Eindruck. Etwa 50 verstreut liegende, aber planmäßig geordnet« Häuser mögen es sein. Sie alle überragt die stattliche Kirche. Wenn sie erzählen nönnte! Wieviel Klagen armer, schwergeprüfter Menschen hat sie schon vernommen und wieviele fanden Trost im geweihten Raume! Menschen versuchten vergebens oftmals den Unglück lichen aufzurichten. Ja, sie haben's schwer, sind in harte Zucht genommen, denen die Sinne gestört sind! Die leitenden Aerzte, Geheimrat Ackermann und Medizinal rat Nerlich sind gern Führer denen, die sich ein klares Bild einer modernen Irrenanstalt machen wollen. Gern und freundlich geben sie uns Aufklärung, datz man sich keine besseren Führer denken kann. Mit ihnen besuchen wir einzelne Häuser. Die Anstalt unterscheidet drei Arten von Kranken: Ruhige, Halb ruhige und Unruhige. Je nachdem sind sie in verschiedene Häusergruppen untergebracht. Angenehm fällt uns überall die peinliche Ordnung und Sauberkeit auf. Große, Helle Säle stehen den Kranken zur Verfügung. BlendenLweihe Betten, freundlich, lächelnde Schwestern überall. Wie Schutzengel walten sie ihres Amtes, die lebendgewordene Liebe und Sorgfalt. Mutter und Schwester suchen sie den Insassen zu sein. Wer jemals schon der Obhut von Schwestern anvertraut war. der weiß, welch eine Glut von Liebe, die Mitverstehen und Mittragen des Leides ist, sie für die ihnen Anvertrauten im Herzen tragen. Und gerade hier in Schweidnitz, wo Liebe so segensreich wirkt, wird man an manch zarte Schwesternhand erinnert, die im Kriege in schweren Stunden Sorgen aus der Stirn glättete und ein Wort der Aufmunterung fand. Unsre Kranken müßten verzweifeln, gäbe es heute nicht mehr solche Heldinnen christlicher Nächsten liebe. Die Kranken fühlen sich aber auch wohl. Bei den Ruhigen ist kaum etwas von irgend einer Störung zu merken. Sie brauchten auch nicht hier zu sein. Doch hier sind sie den Sorgen und Aufregungen des Lebens entrückt und sin- in guter Pflege. Manche leben noch in den Nöten des Krieges oder weilen mit ihren Gedanken in den Wirrnissen der Inflation. Ein altes "lütterlein freut sich nichtahnend des Besitzes alter Eisenmünzen, nder« vertreiben sich die Zeit mit allerlei Handarbeiten, Man mutz staunen, was einzelne da fertig bringen! Wunderschöne Häkel- und Stickarbeiten, Papier- und Holzarbeiten zeigen sie und freuen sich der Anerkennung. Es sind Leutchen, einfältig wie Kinder, sür unsere Welt zu gut. Sie würden draußen nur ein Lächeln, wenn nicht Schlimmeres finden. Glücklich sind sie, doch noch etwas tun zu können. Ganz anders ist es bei den Halbunruhigen. Hier merkt man sofort gröbere Schäden der Sinne. Sie fühlen sich verfolgt und bedrückt von irgendwelchen Vorstellungen. Ihr Denkvermögen ist gestört. Schon die zurück- gebliebene körperliche Entwicklung deutet auf schwere Schädi gungen hin. Oftmals sind sie gutmütig wie kleine Kinder, andere aber brauchen strenge Bewachung, da sie sonst für die anderen Mitbewohner gefährlich werden könnten. Manche singen mit der Vollkraft ihrer Stimme unverständliche Lieder, andre reden, daß Kein Mensch sich etwas zusammenreimen kann. Aber die Aerzte und Pfleger wissen doch sich Einblicke zu verschossen in ihre Gedankenwelt, vermögen die Lücken in den Denkreihen auszufüllen und einen Sinn herauszusinden. Umsonst ist alle Mühe, ihnen Fehler abgewöhnen zu wollen. Immer und immer werden sie wieder gemacht. Einige sind trotzdem im Hause unentbehrlich. Sie haben in manchen Arbeiten eine außerordent liche Geschicklichkeit und Gewandtheit, sei es im Flicken, Nähen, Stopfen, Wäschelegen, oder bei Gartenarbeiten und im Kar- tosfelschälen. Das mag ihnen, wenn ost auch unbewußt, ihr Los erleichtern, daß sie doch der Menschheit noch dienen können. Etwas Niederdrückenderes läßt sich ja überhaupt nicht denken, als unnütz zu sein unter den Menschen, nicht mehr tätig sein zu können. Hier fühlt man erst deutlich, wie glückstich ein Mensch sein kann, der weitz, datz er seine ihm gestellte Ausgabe, seine Pflichten erfüllen kann. Wie ganz anders ist es bei den Unruhigen! Der Mensch heit ganzer Jammer packt einem, wenn man diese Abteilung besucht. Schon von weitem wird man aufgeschrcckt durch den Lärm und die Unruhe, die hier herrscht. Wer nicht über starke Nerven verfügt, um ruhig zu bleiben, der lasse sich nicht zum Be suche verleiden. Er hätte zu starke Aufregungen zu ertragen. Manche der Kranken müssen gepflegt und gewartet werden wie kleine Kinder. Niemals dürfen sie ohne Aufsicht bleiben. Sie kennen niemanden, nicht sich, nicht ihre Angehörigen, einige lichte Augenblicke ausgenommen. Sie vermögen oftmals kaum die ihnen erwiesenen Liebesdienste richtig zu deuten. Einige schreien laut, ohne irgendwelchen Grund, daß es durch Mark und Bein dringt. Andere schimpfen unter Anwendung ihres ganzen Stimmregisters und sinken darnach in einen längeren Ruhe zustand. wenn ihre körperlichen Kräfte ermattet sind. Andere schlagen sich selbst oder suchen Händel mit den Nachbarn. Ein zelne sind so menschenscheu, datz sie unter der Bettdecke Schutz suchen vor den fremden Menschen. Dort ist eine Frau, die nicht Namen und Alter weiß, eine andre rauft sich im Haar, man fühlt selbst Schmerzen bei dieser Selbstyuälerci. Da sitzt eins ältere Frau und spielt mit dem Teddybär, den sie mit einer rührenden Liebe an sich drückt und besorgt ist, daß man den selben ihr nicht entreißt. Hier liegt eine junge Frau mit Nervcn- und Muskellähmung. Wie tot scheint sie. aber sie hört alles. Künstlich muß man ihr die Nahrung zuführen und sorgen für die Sauberkeit ihrer Bettstatt. Der Arzt hebt ihren Arm hoch, Kraft- und leblos fällt er nach unten, sobald die Unterstützung aufgehoben wird. Schwerzubehandelnde br^ 'st man in kleinen Stuben unter, abgesondert von den übrigen. Das sind die berüchtigten „Gummizellen". Was stellen sich manche Leute darunter vor! Sie müssen ihre Vorstellungen bedeutend korri gieren. Es sind angenehm«, kleine Stübchen, in denen die hier Untergebrachlen durch ein Türfensterchen dauernd beobachtet werden können. Das Fenster ist erhöht, ein Fensterbrett sehlt, um nicht Gelegenheit zu schassen, daß die Armen in einem unbe wachten Augenblick Versuchungen erliegen. Das Bett liegt nicht hoch über dem Boden Die Kranken bewegen sich frei. So bewohnte eine Kranke eine solche Zelle. Sie litt an religiösem Wahnsinn. Alle vier Wände hatte sie mit allerhand frommen Bildern ausgemalt: neidlos muhte man anerkennen, sie waren nicht schlecht: Christusköpse, blutende, mit einem Dornenkranz gezierte Herzen Jesu, Dornenkrone, fromme Sprüche. Manche Bilder sind ganz originell und nicht ganz wertlos. Deutlich zum Vorschein kommt die Ideenarmut, immer und immer wieder dasselbe Motiv, meist in derselben Ausführung und in denselben Farben. Ihre geistige Tätigkeit ist fast immer getrübt, bei vielen fragt man vergebens »ach dem Namen. Eine gibt sich aus als Prinzessin, als Verwandle eines hochseudalen Hauses u. a. In vjelen Fällen ist natürlich an Heilung nicht mehr zu denken, schöne Erfolge sind aber bei der Behandlung der Para lyse errungen worden. Bekanntlich ist das diejenige Erkrankung des Gehirns, die von der Syphilis stammt Man ist in Groß- schweidnitz hofsnungssroh, wenn der Fall nicht allzulange zurück- licgt und wenn man sofort die richtige Behandlung wählt. Unser liebenswürdiger Führer zeigt uns auch einige dieser Kranken, solche, bei denen die Kur fortschreitende BeFecung erkennen läßt, solche, die ini Ansangsladium sind, und er erzähl! mit stolzer Freude von gelungenen Behandlungen. Diese Leute konn ten ihrem Berufe und auch ihrer Familie wieder zugesührt werden. In Großschweiduitz werden die Syphilitiker der üblichen Salvarsankur unterworfen, hieraus erhalten sie eine Malaria- einspritzung. Dadurch erzeugt man hohes Fieber, das man einige Zeit wirken läßt. Nach dieser Behandlung setzt erneu! eine solche mit Salvarsan ein. Die Erfolge in Grotzschweidnitz mit diesem Vorgehen sind recht beachtlich, so daß man wohl sagen darf, datz die Syphilis nicht unbedingt unheilbar ist. Voraus, etzung ist lediglich die zeitige Erkenntnis der Krankheit, die achgemütze Behandlung und die Ausschaltung jeglicher Pfuscher. Ueberaus reizvoll ist die Besichtigung der technischen An lagen. Ein riesiges Kesselhaus versorgt die sämtlichen Anlagen mit Heißluft zur Heizung. Ein 4 Kilometer langer uiuerird'scher Kanal leitet die verschiedenen Röhre» und Kabel bis in die cnt- legensten Häuser. Wohl an IN Dampfkochapparale sorgen sür die Herstellung der Speisen. Der Küchenzettel ist sehr reichhaltig und muß erst vom Arzte genehmigt sein. Besondere Maschinen ermöglichen die schnelle Zubereitung von Kartoffeln, Gemüse, Fleisch. Technisch hervorragend eingerichtet ist der Waschsaal. Da stehen Wasch-, Plätt-, Wringmaschinen, Trockenräume mit Warnstufteinrichtung, elektrische Rollen u. a. m. Das Auge einer Hausfrau mutz entzückt sein bei diesem Anblick. Einige der Kranken helfen mit bet all diesen Arbeiten und verdienen sich damit einen kleinen Lohn. So sehen wir die Landesanstalt Grotzschweidnitz gewiß al« eine Stätte der Not und des grausigsten Elends. Sieht matt aber die Mienen so vieler, dann weiß man auch, datz dieser Ort ihnen eine Stätte der sittlichen Zufriedenheit ist. Viele der In sassen haben es zu Hause nicht so schön wie hier unter der Obhut tüchtiger Aerzte und der liebevollen Pflege menschensreundlichet Schwestern. Helfen und Dienen, das ist der Leitgedanke, der sie Heldentaten im Stillen vollbringen läßt. Aber auch ein Gesüht der Dankbarkeit gegen den Herrn da droben steigt in uns auf, datz er uns vor diesem Jammer bewahrt hat und in Zukunft fernhält Fritz Günther, Leutersdorf.