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Sächsische Volkszeitung : 27.05.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192505274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250527
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250527
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-05
- Tag 1925-05-27
-
Monat
1925-05
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 27.05.1925
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Grundrenke, Wohmmgsnsk» Bodenreform, Freiland Bon Oswald v. Ne ll-B r e un in g S. I., Düsseldorf. Nus dein an zahlreichen Orten Sachsens und Thüringens ge haltenen Vortrag, dein 3. Teil vom „arbeitslosen Einkommen". Wohnungsnot und Wobnnngselcnd: zwei Worte, in denen furchtbarste Anklage gegen »liiere heutige geseltschasiliche und ivirt- schastlirhe Ordnung enthalten 'st! Tos rasche Wachstum der Bevölkeruiigszahl in den lehren Jahrzehnten, zurück',»führen ans die lange Friedenszeit 1Y71-1914, aus ausgezeiichnete Fort schritte der Medizi» und Hhgie>.c, mochte eine geivii'e Verengung des NahrnngSspielratinis'mit sich bringen, aber der Wolinungd- spielraum hätte doch weder verengert werden müssen noch dürfen. Mochte es der Erde schwer werde», plötzlich eine so grosse Zahl Menschen zu ernähren, — aber zum Wohne» bot sie ihnen doch wahrhaftig Platz genug! Nicht die Erde war und ist zu klein, um allen ihren Bewohnern Platz zu biete» — Raun« für alle hat die Erde, ober die Menschen waren zu klein, zu kurzsichtig, zu engherzig, »>» de,, viel- gerühmten sozialen Geist des Jahrhunderts auf dem aller wichtigsten und grundlegendsten Gebiete, der Beschaffung des Obdachs für alle Volksgenossen zu betätige», hier wahrhaft Durchgreifendes zu schassen. ' Das, die Kirche nicht mit verschränkte» Armen zu'ehen kann, wenn ein Großteil des Volkes durch Mißstände im Sicdlnngs- iind Wohnungswesen nichtz bloß dem gesundheitlichen, sondern „och vielmehr dem sittliche» Rum ansgesetzt, aufs äußerste gefährdet ist, — vielleicht richtiger gesagt: >n den vlMsi.chen und moralischen Abgrund hinabgestoßen wird, — das ver steht sich wohl von selber. Tie Kirche, die für die Heilig- haltung der Ehe, des christliche» Familienlebens einstens dem Zorne gekrönter Häupter, mächtiger Monarchen Trotz bot, beute aber lieber die kalte Abwendung ganzer verweichlichter Völker erträgt, als daß sie auch nur «in Jota preisgäbe von 'ihrem Ideal der Einheit und Reinheit der christlichen Ehe, dies« Kirche lann wahrhastig nicht unbekümmert sein, ob unserem Volke WohiiungSmöglichkeiten geboten werden, bei denen ei» Aamilienleben bestehe» kann, oder nicht. Trotzdem verhält sich dis Kirche äußerst zurückhaltend, teilweise sogar ausdrücklich ab lehnend gegenüber heute weit verbreiteten Ideen, mit denen man die Wohnungsfrage und nebenbei noch so ungefähr alle übrigen Fragen unserer heutigen Gcsellschasts- und Wirtschafts, ordnniig lösen zu können vermeint oder doch wenigstens vor gibt. (Tie Kirche sieht sich zu dieser Stellungnahme ge zwungen gegenüber den unberufenen Kräfte,,, die sich da ans Werk machen, um von falschen, unchristlichcn Ideen ausgeheno ans falschen, auch wirtschaftlich verfehlte» Wegen die Frage der Grundrente und die Wohnungsnot zu lösen. Agrar- sozial i S in ns und Freiländlerei muß die Kirche atz te b n e n. Diesen gegenüber steht die maß- und vlanvolle Bodenreform im Sinne des Artikels 155 der Becsassung des Tentschen Reiches und des Bundes Deutscher Bodenresor- mer. Freunde nnd Förderer dieser Bodenreform »inisen die Erfahrung machen, daß sic als nnkatholisch angegrifsen und verschrieu werde». Damit tut man Ihne,, Unrecht. Trotz ge legentlicher Entgleisungen handelt es sich im Grunde um tiefe christliche Idee». Rüttelt das christliche Gewissen auf; eS han delt sich „in Erfüllung ernstester Christenpflichten: die christ liche Famitie steht aus dein Spiel!) Der Stein des Anstoßes für alle Richtungen der Bodsn- reformer ist die Grundrente, neben dem Zins dir ver- nbsche»i»ihSwürdigste Art des „arbeitslosen Einkommens". Der Bauer Kilia» in lB:rlÜ!i-)Schö»berg, der einen Kartoffelacker für 2700 Taler gleich 8100 Mk. kaufte und später als Bau land für 6 Millionen Mk. verkaufte, wird noch lange „znm ab scheulichen Excmpel" durch die Flngblattliteratur der Boden reform» und Freiländer gezerrt werden. Was hat der böse Mann getan? Hat er in Terrains spekuliert? Nein! Er war Bauer und baute Kartoffeln, bis jemand kam and ihm die sechs Millionen bot» wenn er ihm den Kartoffelacker über lassen wollte. Er war es zufrieden, nahm die sechs Millionen an und gab den Kartoffelacker her. Worin liegt nun d'c Bosheit seiner Tat? Daß er ohne sein Zutun reich geworden ist? Nein, das wäre auch der Fall, wenn er die sechs Millionen geerbt oder i„ der Lotterie gewonnen hätte. Die Bosheit besteht darin» daß diese sechs Millionen „kapitalisierte Grundrente" sind! Was ist das? Wenn in einer aufblü- henden und sich ausdchnenden Stadt das Wirtschaftsleben kraft voll sich entwickelt und reiche Verdienstmöglichkeite» bietet, dann müssen diejenigen, ivelche a» diesen Vorteilen teilhcibcn wolle», ihre Betriebs- und Geschäftsräume auf dem Grund und Boden dieser Stadt unterbringe,i, ja selbst ihre Wohnung in wenig stens leicht erreichbarer Nähe brr Stadt wählen. Es sind asio Vorteile der Lage, die durch die Entwicklung der Dinge ganz bestimmtem Grund und Boden auhaften. Tie Besitzer oder Bearbeiter des Bodens habe» diese Vorteile nicht geschai,:,'.; sie sind zugewachjen. Sie haben aber ein -Monopol auf diese Vorteile, da Grund und Boden in bestimmter Lage natür lich nur in beschränkter Menge vorhanden sein lann, nicht vermehrbar, also konknrrenzlos ist Diese Vorteile des durch Die Flucht aus dem Daksrlan-e Es ist eine alte Erfahrung, daß die Größe der Erfassung und das Erlrennen der Bedeutung der Geschehnisse mit dein Quadrat der Entfernung von ihnen wächst. Das gilt wohl mit keiner ^Ausnahme für alle in den letzten zehn Jahren sich ab spielenden großen Ereignisse. Nicht zuletzt auch für die den Leidensweg des deutschen Volkes bis zum Höchstpunkt abgetrie bene Zeit, die gemeinhin als die Inslationsperiode angesehen wird. Eine vor kurzem vom Statistischen Neichsamle veröffent lichte Statistik der überseeischen Auswanderung in den letzten seais Jahren gibt die Möglichkeit, nachzuprüfen, inwieweit der sich von Tag zu Tag während der Geldentwertung verengende Lebensstandard der deutschen Bevölkerung Auslaß zum Verlassen des Heimatlandes war. In den ersten beiden Jahren nach dem Waffenstillstände machen die durch den Friedensvertrcrg Deutsch land auferlegten Bedingungen das Auskommen einer starken Auswanderung unmöglich. Wenn auch diese Hemmnisse durch die Gesetzgebung in verschiedenen überseeischen Ländern in den nach folgenden Jahren nicht wesentlich beseitigt sind, hat doch vom Jahre 1831 ab die Auswanderung einen ungeheuren Auftrieb er fahren. Sie zeigt in runden Ziffern folgendes Bild: im Jahre 1921 --- 2100» Auswanderer im Jahre 1922 --- 39 000 Auswanderer im Jahre 1923 --- 117 900 Auswanderer im Jahre 1924 --- 59000 Auswanderer Es ergibt sich mit aller Deutlichen, daß mit dem fort währenden Sinken der Mark auch dauernd die überseeische Aus wanderung steigt. Der höchste Stand wird dabei naturgemäß nn Jahre 1923 erreicht, in dem die Zahl der Auswanderer mit zirka 117 000 eine Höhe erreicht, die fast das Fünffache dessen ist, was im Durchschnitt der Jahre 1904—1913 (zirka 25 090) die deutsche Erde verließ. Nach der glücklichen Stabilisierung der Währung, der da mit verbnndenen geordneten Finanzgebarung im Innern und als Folge davon einer, wenn auch langsam ansteigenden Besse rung der wirtschaftlichen Verhältnisse, ebbt der Strom der Deutschland verlassenden Menschen, wenn auch vorläufig noch durch die ungeheure Arbeitslosigkeit begünstigt, erfreulicher weise stark ab. In der Zeit der heftigsten Inflationserscheinun- oen war demnack der stärkste Ausmankerunasdrana ZU ver- Qualität, hier insbesondere durch sein« Lage bevorzugten Grun de? Mid Bodens, nach ihrem jährlichen Geldwerte abgeschätzt, die Jahressumme dieser Vorteile ln Geld aus- gedrückt, heißt Grundrente. Tie Kapitals»»«»«-, de- »en Zinsenanskominen dieser Jahressumme gleichkommt, ,st die ..kapitalisierte Grundrente". — Ta der Grundbesitzer natür licher Monopolist ist, kann er mir die Bedingungen vorschreibe», unter denen ec mir sein Grundstück mit den anhastenden Vor teilen der Lage »sw. zu Eigentum oder zur Nutzung überläßt. Miete (pachte) ich es, so muß ich ihm die jährliche Gruno- renlc, kaufe ich cs, so muß ich ihm die kapitalisierte Grundrente dafür bezahlen. So muß also der wirtschaftlich Tätige, der seine Betriebs-, Geschäfts- oder Wohnräume in oder nahe der Stadt haben in,iß, den Ertrag seiner Arbeit — znm erheblichen Teil-' — an den Grundbesitzer, der nichts tut, als „Grundrente" abfnhren; der Grundbesitzer bezieht die Grundrente als „arbeitsloses Einkommen". — lind das ist „och nicht das Schlimmste: nicht bloß gegenwärtige und sichere, sonder auch zukünftige, bloß erhoffte und gemutmnßke Vorteile läßt sich der Grundeigentümer im Verkaufspreise seines Grundstücks bezahlen; er bezieht arbeitsloses Elnkommen von der Arbeit zukünftiger Geschlechter, nimmt deren Arbeitsertrag schon heute vorweg. Dagegen empört sich das Rechtscmpfinoen nmsomehr, wenn man dom Wohnungs« und anderen Luxus von Tirrainspeknlaiiten gegenüber auf der anderen Seite setzen muß das Wotznungseiend, den ganzen, wahrhaft herzzerrei ßenden Jammer der Arbeiterviertel so mancher deutschen Groß städte. Wer das ansehen und gleichgiltig vorübergehen kann, der ist kein Christ mehr. Manchmal weiß inan wirklich nur noch den einen Trost: Während die Füchse ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester haben, hatte der Menschensohn auch nichts, wohin er sein Haupt lege, lind als der Sohn Gottes '.n diese Welt kam, da scheint er eigens an unsere Tage mit ihrer himmelschreiende» Wohnungsnot gedacht zu haben: als erstes aller seiner Leiden hat er die Wohnungsnot mit uns teilen wollen: er, der Eigentümer allen Grundes und Bodens auf der ganzen Erde: er kam in sein Eigentum und dir Seimigen nahmen ihn nicht auf! Ter Sohn Gottes, der wahre oberste Eigentümer allen Grundes »nd Bodens, den er erschaffen, obdachlos; — dieie Tatsache sagt uns doch mit unvergleichlicher Aiilchauli, hi->.: die Eigentumsverhältnisse allein tun es nicht. ES handelt sich um viel verwickelter! Zusammenhänge, um ein Zusammen'plel vieler verschiedenartiger Kräfte. Allzu einfach und leicht denkt i»an sich die Sache, wen» man glaubt, man brauche nur Grund eigentum oder Grundrente abzuschafsen, »nd so sei auk wun derbar einfache Weife allen geholfen. Anpreisungen volkswirt schaftlicher Allheil- und Wundermittel fahlen ebenso unter den Begriff der Kurpfuscherei und SchwuidÄreklamc wie Gesnnd- heitSpilleii, die gegen alle Krankheiten helfen und ihre» Käufer ewig jugendsrisch erkalten solle». Auf den Arzneimittellchwiil- del fallen nur die ganz Dummen herein, weil der Verdacht uns behutsam macht, vielleicht liege dem Anpresier „,ehc an un sere:,, Geld als an unserer Gesundheit; der niitangezeigte Ver kaufspreis des Mittels gibt dieser Vermutung sa Nahrung. Gegenüber dem Allheilmittelschwindcl auf sozialem und wirr- sckaftlichem Gebiet dagegen zeigen manche sonst vorsichtige Men schen eine erstaunlich: Leichtgläubigkeit. Was kan» denn der Mann für ein Juicresse haben, mich zu betrügen? Er vertritt doch so edle, uneigennützige Absichten! Es kann zugegeben werden, daß viele dieser wirtschaftlichen Wunderdoktoren keine bewußten Betrüger sind. Ost sind es Phantasten, Lustschloss:c- bnncr, ost aber zugleich fabelhaft oberflächliche und leichtfertige Köpfe, teils ehrgeizige, teils kindisch eitle Menschen. Die An maßung, mit der sie über die Wissenschaft von Fach, über alle Forschungen nnd Vorschläge vor ihren eigenen absprechen, dür>te doch stutzig machen. Sei nur frech im Behaupten, und als Be weis bringe noch kühnere Behauptungen; dann findest du aiäu- bia: Leser.' Nach diesem Rezept sind viele dieser tzieformschrisicn verfaßt. Man wird zugegeben haben; unser Bodcnrccht ist einer , Vervollkommnung »ach der sozialen Seite hin nicht nur fähig, sondern geradezu bedürftig Gerade seine technisch höch ste, Vollkommenheit ist sein großer sozialer und ökonomischer Mangel. Tie juristisch überaus vollendete Durchbildung ins besondere des Grundkredites (Hypothekenrccht) erleichtert und fördert die Ueberkapitalisierung der Grundrentc, die Vorivez- Eslomptiernng künftig erst zu erwartender Grundrenteiisteigr- rnngeil durch de» gegenwärtigen Eigentümer. Ties zu b-üern wird Aufgabe des Grniidkrcdilrechtes der Zukunft sein. Einer Konfiskation der Grundrente bedarf es dazu nicht. Für uns handelt es sich hier um die Frage; ist die Grund rente an sich sittlich erlaubt oder verwerflich? Trägt sie mit Recht das Brandmal des „arbeitslosen Einkommens"? Darf sie deswegen konfisziert, weggesteuert werde»? Bo» der Grundrente gilt ähnliches wie vom Zins. — Bei jeglicher wirtschaftlichen Produktion wirken Sachgüter und iuenschliche «Arbeit zusammen. Nicht die Fabrik allein erzeugt die Fabrikate, sondern der Fabrikant mit den Arbeitern und der Fabrik. Nicht der Sandmann allein erzeugt den Weizen, sondern sein Acker »nd Gottes Sonne im Verein mit der mensch lichen Tätigkeit. Nicht der Bergmann allein noch Mutter Lror allein schenken uns die Kohle, sonder» Mutter Erde ließ fie zeichnen. Während also auf der einen Seite die Nutznießer der Inflation eine Konzentration von Kapital und Macht von un geheurem Ausmaße bewerkstelligen konnten, sehen wir aus der anderen Seite zehntausende arbeitswilliger und arbeitsfähiger, meist zu den besten Kräften zählender Volksgenossen, die mit tiefem Groll im Herzen gegenüber dem Staat, der für ihre reg samen Hände keine Bctätigungsmöglichkeiten bieten kann, das Land ihrer Väter verlassen. Eines der traurigsten Kapitel des Umschichtungsprozesses der ersten Nachkriegsjahre, das kurz mit dem Satz gekennzeichnet werden kann: Die Flucht aus der Mark war Ursache zur Flucht aus dem Baterlande! Geburlenüberschutz in Berlin Das Hauptgesundheitsamt von Berlin teilt mit: Berlin hat in den letzten Jahren regelmäßig ein Geburtendefizit gehabt, das heißt, dis Zahl der Todesfälle war höher als die der Ge burten. Jedoch war schon in einzelnen Wochen oeS JahceS 1924 in Berlin ei,, geringfügiges Ueberwiegen der Gebürte» über die Stcrbefälle zu beobachten. Im erste» Vierteljahr 1925 überwiegt in Groß-Berlin die Zahl der Geburten die der Todes fälle um fast 600 (1924 im gleichen Zeitraum 4400 Todesfälle mehr als Geburten) und dcis, trotzdem erfahrungsgemäß im Februar „nd März die Sterblichkeit, besonders der Säuglinge, lowic an Tuberkulose und an Erkrankungen der AtmnngSor- gane aller Art höher ist als in de,, anderen Monaten. Unter Be rücksichtigung dieser Tatsachen würde, wenn man annimmt, daß die derzeitige Gebürte,izisscr nicht mehr steigt, für das Jahr 1925 ein Geburtenüberschuß von etwa 6000 Köpfen zu erwart:» sc:,, gegenüber einem Geburtendefizit von rund 5000 Köpfen nn Jahre 1924, wenn man die Sterblichkeit in der Höee des Vorjahres annimmt. Nach den bisherigen Ergebnissen ist sogar mit einer erheblich geringeren Sterblichkeit zu rechne» als 1924, so daß vielleicht noch ein höherer Geburtenüberichuß für 1925 sich ergeben wird. In dies«,, vorläufig nur sehr lang sam steigenden Geburtenziffern darf man nicht zuletzt einen Ausdruck der Besserung der wirtschaftlichen Lage erblicken. GewerkschaNsbilder aus Svwjetrutzland In Rußland sind die Gewerkschaften nicht freiioillige V'r- einigungen von Arbeitnehmern zur Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, sondern staatliche Zwangsiiistitute zur Stiit- wachsen und der Bergmann holt sie ans Tageslicht. Eine Tren nung des Erträgnisses nach Anteil der Natur (Kapital, Pro duktionsmittel) einerseits, Anteil der menschlichen Arbeit an- dercrseits, ist ganz unmöglich. Wide sind beteiligt am ganzeit Ertrag. Darum ist auch die Behauptung, eS lass« sich au» dem Ertrage des Grund und Bodens ein Anteil aussondern/ der nicht auf Rechnung menschlicher Arbeit komme, sondern rein arbeitsloses Einkommen darstellr, die „Grundrente", nur sehr eingeschränkt wahr. Zudem ist durchaus nicht jede? arbeitslose Einkommen als solches schon z» verurteilen. Aber der Konjunkturgewinn, der Wertzuivachs des Bodens» der durch die allgemeine Blüte des Wirtschafhslebens, durch Straßen- und Elsenbahnbanten usw. herbeigeführt wird, auf die Arbeit anderer sich zurückführt, der ist doch ungerecht, muß konfisziert werde»? Vorsicht! Ter Satz läßt sich umk-hren: ist es wirklich eine Forderung von Recht und Gerechtigkeit^ daß solche Konjunkturgewinne nicht dem einzelnen verbleiben, sondern der Mgemeinheit zugesührt werden, dann ist es ebenso Forderung der Gerechtigkeit, dnß Konjunkturverluste nicht aus dem einzelnen hängen bleiben, sondern von der Allgemeinheit über nommen werden. Wer also z. V ein Bailgrundstück z» den heutigen übersteigerten Preisen zu erwerben genötigt war, der wird, wenn eine Bodenreform die Preise städtische» Baulandes auf den Preis unwirtlichen Oedlandes (!) herabgedrückt haben wird, ans 1'ffentlichen Mitteln Schadenersatz zu beanspruchen haben! Will man dies nicht gelten lassen, dann muß man sagen: es liegt in Gottes Plan, daß Verschiedenheit unter den Menschen sei, daß der eine Glück, der andere Mißerfolg habe. Ta der volle Ausgleich, die volle Verwirklichung der Gerech tigkeit für eine andere Welt Vorbehalten ist, bedeutet eS kein Unrecht, daß es hier dem einen besser geht als dem andern. Ein Recht, es ebenso gut zu haben wie der Nebcnmeilsch, «st weder aus dcc Verminst noch aus der Offenbarung abznleite», sondern mir aus der Gedankenwelt des Marxismus (Sozialismus, Kommunismus). Ta Gott der Herr den Menschen verschiede,,: Lose bestimmt, dürfen wir sie nicht grua^'c,!!, olcicki machen wollen. Wir dürfen und solle» aber hinacveccen ans Milderung der schroffen Ge ge ns ätze. Wir miissen daher sorgen für die unbedingten Lebensbedürfnisse des einzelnen, den» auf das znm Leien Notwendige hat jeder Mensch ein wahres, gottgegebenes, nnvcränßerlichcs Natnrrecht. Tarn», ist die WohnnngS- snrsorge durch eine vernünftige Siedlungs - u n d B n n - Politik mit allem, was dazu gehört (Bodenrecht, Erbbap und Erbpacht, Grundkredit usw-i fine der dringendste» so zial en Pflichten der Gegenwart, die nur allzu lange vernachlässigt wurde. Aber noch etwas anderes: die All gemeinheit, der Staat, braucht Mittel zur Erfüllung dieser und anderer lebensnotwendigen oder doch lebenswichtigen Auf gabe». Woher die Mittel nehme»? Ta ist allerdings wohl- berechtigt, an erster Stelle den „unverdienten" Wertzuwachs als Stencrqnclle heranzuziehcn, nicht weil Wertzuwachs unge recht wäre, sonder» weil er, wie am leichtesten gewönne», so am leichtesten zu entbehre» ist, weil er in besonderem Maße ei» Erzeugnis ösfcntlichcr Veranstaltungen und Zustände ist, darum gerechterweise auch zuerst zu den ösfenilichen Aus gaben wieder verwandt wird. Tie Kirche, die unter anderen wirtschaftlichen Verhält nisse» dem Zins lange Zeit hindurch ablehnend gegeilüb-rsta-id, hat die Grundrente allezeit anerkannt. Kirchlicher Besitz, das Vermögen kirchlicher Stiftungen wurde jederzeit vorzugsweise in Grund nnd Bode» angelegt, nicht nur zur eigenen B'wirt.- schastnng (z. V. Bebauung durch o,e Klöster für den eigenen Bedarf), sonder» sogar hauptsächlich zur Verpachtung, Ansle'. Innig, zum Bezug von „Grundrente". Zeitweilig war die Küche die größte Grnndbesitzerl». Begreiflich, daß Agrarsozialisten und Freiländler die Kirche grimmig hassen, ihr vorwerscn: aus Eigennutz, um ihre Grnndccnten nicht zu verliere», stelle sie ihre „schwarzen Polizisten" zur Verstärkung der Grünen nnd Blauen bei; als Grundrentnerin sei oie Kirche die geborene Verbündete des Kapitalistenstaates zur Unterdrückung des arber- tcilden Volkes, po» dessen Schweiß der Kapitalzins wie die Grundrenle erpreßt werde. Nu», die Geschichte zeigt »ntz ei» anderes Bild: die Zinsbnuern der Kirche in früherer, die Päch ter kirchencigenen Landes in tzcntiger Zeit wissen, warum sie dieKwsie als Grundherrin jedem anderen Grundherrn vorziehe,i. Tlewahr- tzait humane und soziale Handhabung des Pachtrechtes seitens der Kirche (vgl. CJCan. 1479, 1540—1542) ist ein Ruhmes- blatt in ihrer Geschichte. Für den Katholiken aber muß sie Tatsache, daß die Kirche die Grundrente nie beanstandet hat, vielmehr selbst Grundrentnerin ist und sein will, genügen, nin ihn vorsichtig zu machen gegenüber allgemeinen Angriffen ans die Grundrente, wo mit Heu Auswüchsen auch da- w.-mnde »nd Berechtigte verworfen wird. Die Stellung der Katholischen Kirche zu einer maßvollen Bodenreform im Sinne des Art. 155 RV. kennzeichnen die Worte, mit denen der verstorbene Erzbischof von Münch:» und Freising, Kardinal v. Bettilnger, seinen Beitritt zum Bunde Tentscher Bodenreformer, dem viele hohe Kirck-ensürste,, als Mitglieder angehören, erklärte; „Ich will, daß di- Kirche. d>: ich vertrete, in dieser Frage nicht mitgeht oder gar nachhintt, sondern sie soll vorangehen: denn es wird die Stunde komm'», nnd zwar Haid, wo das Volk seine wahre» Freunde -r'.-nnen wird an der Stellung zu dieser Frage." zung der Sowjeldiktatnr. Z.vuug .,ar noch nie eine G-sinn» ,gs- einstellung erzwungen, sonder» „ach dem unterschiedlichen Maße der Selbstachtung ausbegehrenden Trotz oder zermürbenden Stumpfsinn, den Sumpfboden der Korrnpiion. Und wenn Tomski, der Führer der russischen Gewerkschaften, auf einem Kongreß des Schnciderverbandes, Veruntreuungen von Verba,ds- grldern als abscheuliche Erscheinungen beklagt, so «st das in mehr als einer Beziehung beachtenswert. Die VerbandSheiträge werden in dem Lande „östlicher Freiheit" durch die Betriebsräte oder Bevollmächtigte erhoben. Die scheinen es nun für zweck dienlicher zu halten, mit de» einkoinmendc» Gelder» ihr Be- dürsnis nach „geistigen" Getränken zu befriedige», /da sje eben gar kein inneres Verhältnis zn ihrer Gewerkschaft finden könn-n. Das geschieht nicht etwa vereinzelt, sondern Tomiki spricht von einem Massencharakter, dem die „gemütlich-gleichgültigen" Führer der Gewerkschaften kerne Bedeutung beimessen. Das «st ganz natürlich. Tenn diese sind ja nur anssühcende Organe der Befehl« von „oben" und mögen selbst wohl die Sinnlnsig- teil des Jiistrumeiites einsehen, das man „höheren" Jnteregeg dienstbar machte. Aber Tomski ist so sehr in der Sowjetidio« logie befangen, daß er dir eigentliche Ursache nicht erkennt, sondern „Schlamperei" und den niedrigen kulturellen Stand der Arbeiter dafür verantwortlich macht, daß Tausende von Ru beln von Mitgliedern der Betricbsansschüsic versoffen würdsir. Niemand hat diesen Vorgängen Beachtung geschenkt. Bückier nicht geführt worden, die Revisionskommissionen haben nicht gearbeitet. Es ist für einen normalen Menschen unverständ lich, daß man die bewußt herbeigeführte kulturelle und wirtschaft lich« Versklavung der Arbeiter für Dinge zur Rechenschaft zi:ht, deren man sich selbst anklagen sollte. Interessant ist, daß Tomik« di: Ausräumung der Mißstände nicht durch Erziehung zur Selbstständigkeit und Selbstachtung zu erreichen sucht, sondern eben durch das alleinige .Heilmittel des Niederhaltungskiitippels: „Tazn genügen Repre,sali«>, nicht. Wir werben es durchsetzen, daß unsere gesetzgebenden Instanzen das Strafmaß für oerartige Verbrechen auf lue höchst« Stufe heraufsetzen." D>« höchste Sinke bedeutet in Rußland Tod durch Erschieße». Armes Rußland! So oder so wirst du einmal an der zer tretenen Menschenwürde deiner arbeitenden Volksgenossen zn- grundegehen. Und «» ist gut so, daß die Bäume der Sklave» Halter nicht in den Himmel wachsen. S-i.
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