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Sächsische Volkszeitung : 21.05.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192405212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240521
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240521
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-05
- Tag 1924-05-21
-
Monat
1924-05
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 21.05.1924
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Mittwoch, den 31. Mai 1924. Ne. litt. -eit. 3 Antisemitismus und Christentum Bon Ludwig Küsters S. I. Tagesneuigkeite« s Eine Granate in der Untergrundbahn. Am Freitagvor- «tittag wurde in einem Zuge der Berliner Untergrundbahn ain Bahnhof Spittelmarkt von Bahnbediensteten ein verschnürter Karton ausgefunden. In diesem befand sich eine etwa 20 Pfund schwere Granate anscheinend russischen Ursprungs. Der Fund wurde zum nächsten Polizeirevier gebracht und von dort durch »inen technischen Beamten abgeholt. f Anschlag auf einen A.E.G.-Betrieb. In einem Arbeits raum der A. E. G. in Berlin fanden Aufsichtsbeamte dicht neben einer in Tätigkeit befindlichen Maschine ein scharfes Geschah einer Rcoolverkanone mit entferntem Borstecker. Das Geschah wurde sichergestellt und die Polizei benachrichtigt. Der Tater konnte bisl)er nicht ermittelt werden. Es wird vermutet, dah es sich um einen Sabotageakt handelt. -f Ein 14jühriger Selbstmörder. Aus München wird gemeldet: In Simbach hat sich ein 14jähriger Knabe erschossen, weil er. wie er in einem hinterlassenen Briefe schreibt, nicht mehr mitansel)en konnte, in welch harter Not seine Mutter lebte. s Das Urteil im Prozeh Achtelik. Der grohe Diebstahls prozeh gegen die Einbrecher- und Hehlerbande Ach teilst und Genossen wurde vor dem Schöffengericht Charlottenburg zu Ende geführt. Der Angeklagte Zoll wurde nach dem überein stimmenden Gutachten sämtlicher psychiatrischen Sachverständi gen aus Grund des 8 51 freigesprochen, Achtelik erhielt acht Jahre Zuchthaus und 10 Jahre Ehrverlust, Tee 1z 0 Jahre Zucht haus und 5 Jahre Ehrverlust. Wegen gewerbsmässiger Hehlerei wurden der Kausinwnn Röder zu 2 Jahren Zuchthaus, der Kaufmann Branch zu 1 Jahr 3 Monaten Zuchthaus verurteilt. Die anderen wegen Hehlerei Angeklagten muhten wegen Man gels an Beweisen freigesprochen werden. -f Hagelunwetter in Mittelschwaben. Aus Augsburg wird gemeldet: Freitagmittag ging in Augsburg und Mittel schwaben ein schweres Hagelunwetter von mehr als halbstün diger Dauer nieder, das von einem wolkenbruchartigen Gewitter begleitet war und grohen Sach- und Wasserschaden anrichtete. Die im Vergleich zum vergangenen Jahre in diesem Jahre be sonders reiche Obst- und Baumblüte wurde in manchen Gegenden fast vollständig vernichtet. Auch auf den Feldern wurde schwerer Schaden angerichtet. s Das Grabdenkmal für Benedikt XV. Der Kardinals kommission, die vom Papst für die Errichtung des Denkmals Benedikt XV. eingesetzt ist, sind verschiedene Entwürfe zugegan gen. die genau geprüft werden. In gut unterrichteten Kreisen spricht man davon, daß das Denkmal, welches nicht allzugroh sein wird, wahrscheinlich im linken Seitenschiff der Peterskirche, gegenüber der vorläufigen Ruhestätte Leo XIII. seine Aufstel lung finden wird. Bei der Gelegenheit richtet sich die Aufmerk samkeit auch wieder auf die endgültige Beisetzung Leo XIII. in dem Grabmal, das in San Giovanni Laterano, wo der Papst nach seinem Willen die letzte Ruhe finden wollte, von Tadolini hergestellt worden ist. Dabei hat sich eine Schwierigkeit ergeben, da die Mähe des Sarkophage? nicht mit denen der Grabstätte übereinstimmen. Die Verwechslung fand statt, als Tadolini die Arbeit begann: nun muh das Grabmal erweitert werden, was mit erheblichen Kosten verknüpft ist. Daher wird wahrscheinlich die Leiche des grohen Nachfolgers Petri noch längere Zeit in der Vatikanischen Basilika verbleiben müssen. f Die Missionar-Ausstellung. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die feierliche Eröffnung der Missionar-Ausstellung am 26. Dezember dieses Jahres in Gegenwart des Papstes, seines Hof staates, des Kardinalskollegiums und des diplomatischen Korps staltfinden. Die Pavillons sind beinahe fertiggestellt, besonders die im Hof della Pigna, ebenso die aus der Hauptallee der Vati kanischen Gärten. Bald werden die Vorarbeiten beendet sein, und es wird dann'mit der Aufstellung der Gegenstände begonnen werden. Trotzdem werden diese Arbeiten noch einige Zeit in An spruch nehmen, weil die künstlerische Kommission, die das Ganze leitet, mit Recht sedcm einzelnen Pavillon eine besondere Note geben will, die es dem Besucher ermöglicht, sich über die einzig artige und gewaltige Arbeit, die die Missionen in den fernsten Gegenden der Welt leisten, sich einen Ueberblick zu verschaffen. Die Gegenstände, die einen sehr hohen Wert haben, befinden sich teils im Vatikan, teils in grohen Magazinen der Firma Taburet beim Zollamt in San Paolo. Es ist Absicht des Papstes, dah die Ausstellung vor dem Eröffnungstage vollkommen fertig ist, um Uebelstände, wie sie sich bei anderen Ausstellungen bemerk bar gemacht haben, zu vermeiden. Die Missionar-Ausstellung wird die festliche Offenbarung der moralischen und geistigen Macht der Kirche sein, und wird in Rom. dem Herzen des Katho lizismus, der Hauptstadt Italiens, zu den zwei Millionen Pil gern sprechen, die aus allen Nationen zu erwarten sind. 4 Vom „breiten Stein". In dem vielgesungenen Stndenten- liede „O alte Burschenherrlichkeit" wird In einer Strophe der „breite Stein" erwähnt, von dem die Studiosi „nicht wank ten und nick* wichen". Nur ivenige wissen noch non der ein stigen Bedeutung dieser Stelle. Der „breite Stein" hieh in früheren Zeiten der ans granitenen Platten bestehende Mittel teil des Bürgersteigs, den in den Universitätsstädtchen nur der akademische Bürger benutzen durfte. Kam ein Student daher und ihm entgeoen ein biederer Bürger, so winkte er mit dem Kopf, und der Bürger wich aus. Oft genug kam es dabei zu Ausschreitungen, und es ist nicht verwunderlich, dah in dem Streit um diese und ähnliche Vorrechte der Studenten die Stadt- Väter immer auf seiten der Akademiker standen: galt es doch, der Stadt den zahlreichen Zuzug der Studenten und damit die Universität zu erhalten. f Die Rattenzüchterin von Graz. Aus Graz wird ge schrieben: Ts ivar in der Bürgergasse in Graz, einer Gasse, die mitten durch die Stadt läuft, schon lange bekannt, dah in dem Geschäft der Frau Aurelia Mayer, einem Maschinenstrickladen, Ratten sich ganz ungezwungen in dem Kundenraum bewegen. Als den entsetzten Mitbewohnern einigemal im Hausflur und auf den Stiegen ausgewachsene Ratten entgegenlicsen, vermutete man, dah die Dame auch in ihrer Wohnung eine Rattenzüchtung grösseren Stils betreibe und beschwerte sich bei der Polizei, zu mal das Rattenunwesen von Tag zu Tag überhand nahm. Eine Kommission war dieser Tage bei der Frau erschienen und for derte Einsicht in die Wohnrüume. Die Tür wurde geöffnet — die Funkt' märe prallten zurück. In dem kleinen Wohnraum sahen sie einen Hexensabbat von weihen Ratten. Eine bei läufige Zählung ergab gegen 200 Stück! Da sich die Kom- Mission de' .'dringlichen Tiere nicht erwehren konnte, streute die Besitzerin dieser Edelzucht den Ratten nicht weniger als acht Kilogramm Mais als Futter auf. Die tierfreundliche Dame «t- klärte, dah sie vor kurzem drei weihe Natten von einem ihr be freundeten Herrn als Geschenk erhalten hatte. Die Tiere sollen sich derart rasch vermehrt haben, dah sie nun mehr als drei hundert weihe Ratten besitze. s Die Entschädigung der Opfer von Bellinzona. Wie aus Genf gedrahtet wird, ist die finanzielle Regelung der Folgen der Eisenbahnkatastrophe bei Bellinzona der Bundesbahndirektion Luzern übertragen worden Die schweizerischen Bundesbahnen stehen im allgemeinen auf dem Standpunkt, lieber Renten als Kapitalabfindung an die Geschädigten zu zahlen. Sie werden sich bei der Feststellung der an Hinterbliebene der Opfer zu zah lenden Entschädigungen auf Einkommen- und Vermögensverhält nisse der bei der Katastrophe ums Leben Gekommenen stützen. Zu diesem Zwecke sind bereits vertrauliche Auskünfte bei den zuständigen Stellen elngeholt worden, nach denen die Entschädi gungsansprüche bemessen werden sollen. s- Malereien aus dem alten Acgypteik. Professor Scei-, opcllo, dcMDirektor der italienischen - archäologischen Mission kn Aegypten» hat von seinen Ausgrabungen von Obere Unfern Blicken begegnet heute oft SaS Hakenkreuz. Früher Sinnbild oder Schmuck auf altindischcu und christlichen Monumen te», auf mittelalterlichen Glocken, in nordischer Mythologie, Ab zeichen gewisser Geheimsekten (z. B. als „Gnostikerkreuz"), ward es in den letzten Jahren besonders das Wahrzeichen ini modernen Kampfe gegen das Judentum, im Antisemitismus. Dieser urilte Kampf wurde neu entfacht durch mancherlei, was inan in der Kriegs- und Revolutionszeit über die Juden erzählte. Antisemi tische Vereinigungen entstanden und erstarkten. Die antisemitische Literatur, populär und wissensch.iftlitz eingestellt, schwoll an. Auf den Wegen, die H. St. Chambcrlain in seinein Buche „Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts" zur Be urteilung des Nassenkampfes zwischen Inden und Germanen ge gangen, folgte ihm 1020 der Assyriologe Friedrich Delitzsch in seiner Schrift „Die grohe Täuschung" und der Verleger Theodor Fritsch in dem leidenschaftlichen Buche, oas er 19ll unter dein Titel „Mein Beweismaterial gegen Jahve" und seit 1016 unter dem neuen „Der falsche Gott, Beweisniaterial gegen Jahve" herausgab. Der ehemalige Chemiker und spätere Bühnenschrist- steller Artur Dinter trug dann diese Gedanken durch seinen Zeit roman „Die Sünde wider daS Blut", der seit 1917 in vielen Aus lagen erschien, in die weitesten Kreise. Wie stellen wir uns zu alledem vom christlichen Standpunkt aus? Wir wollen in den gegenwärtigen Ausführungen keine Polemik vortragen, keine Politik und keine Wirtschastslehre. Wir beantworten leidenschaftslos die Frage: kann e>n Christ Antisemit sein? Die Antwort läht sich nicht mit einem glatten Ja oder Nein geben. Wie so oft, ist auch hier Unter scheidung vonnöten. Es gibt verschiedene Arten des Antisemitis mus Mid verschiedene Arten, ihn zu betätigen. Der dogmatische Antisemitismus, der sich gegen die Lehre des Judentums richtet, ist für den Christen eine Selbstverständlichkeit. Allerdings können wir in der Lehre des Judentums ver schiedene Entwicklungsstufen feststellen: Biblisches Judentum <bis zum Ausgang der Makkabäerzeit); Pharisäisches Judentum (bis zum Abschluß der „Mischnah", d. i. die schriftliche Nicderlegung der Geseheserklärung, um 200); Talmuöisches Judentum ibis zum Abschluß des babylonischen Talmud, d. i. die in Babylon ent standene Erlveiterung der Mischnah, nm 500); Nabvinisches Judentum (mit dem „Schulchan aruch", d. i. weitere Erklärung von Gesetz und Tradition; modernes Judentum (seit Anfang des 19. Jahrhunderts). Im modernen Judentum unterscheiden wir die orthodoxen Juden und die Neformjuden. Letztere spalten sich in drei Gruppen: gemäßigte, freiere, extreme Richtung; haben aber sämtlich di« strenge Verpflichtung des überlieferten Gesetzes und den Glauben an einen persönlichen Messias aufgegebcn. Die Lehre des biblischen Judentums, wie sie in de» Schriften des Alten Testaments niedergelegt ist, gilt auch dem Christen als Gotteswort, das vom Neuen Testament vorausgesetzt, erklärt und bestätigt wird. Auf den übrigen Entwicklungsstufen steht aber das Judentum bei aller inneren Verschiedenheit im schärfsten Gegensatz zum Christentum durch die Leugnung der Messianilät und Gottheit Christi. Da ist für einen Christen eine Verständigung unbedingt ausgeschlossen. Der Christ muß jede, wie auch immer geartete Behinderung seines Glaubens und religiösen Lebens durch jüdischen Einfluß mit aller Entschiedenheit ableynen. Das Gegenteil wäre Verschwommenheit, Gleichgültigkeit, oder Un glaube. Diesen Standpunkt wird auch der jüdische Mitbürger als berechtigt anerkennen. Mit dieser „dogmatischen Intoleranz" ist aber die persönliche, bürgerliche Toleranz, wie wir sie auch den Bekenner» anderer Religionsgemeinschaften entgegenbringen, sehr wohl zu vereinigen. Es wird darum der Christ wegen des Gegen satzes in der Lehre auch kein Antisemit, kein Judenfeind im ge- wühnlichen Sinne des Wortes. Wie urteilt aber der Christ über den R a s s e n a » t i fe rn itismus? Darf man die Juden Wege» ihrer gemeinsamen „Raffe" verachten, ihrer erworbenen Rechte mit Gewalt berauben, aus Haus und Hof vertreiben, blutige Unterdrückungen und Po grome fördern? Es ist ja ivahr, daß die Juden trotz ihrer Zerstreuung unter die Völker durch eine eigentümliche Fügung der Vorsehung im wesentlichen ein eigenes Volk geblieben sind. Es gibt auf der Welt etwa 14 Millionen Juden; 10 Millionen wohne» in Europa, davon etwa 6 im VorkriegSrußland, 2,2 im alten Oesterreich- Ungarn, 616 000 (^0,95 Prozent) in Altdentschland. Alle diese Juden sind trotz territorialer Verschiedenheiten zweifeloS eng stammeSverwondt und sich ihrer Verwandtschaft durchaus bewußt, waS u. a. in verschiedenen Vereinigungen zutage tritt, welche teil» internationalen Charakters sind, teils nur ein Land umfassen. Aber das alles gibt keine Berechtigung für den „Nassen- antisemitiSmus". Kein einziges Volk ist heute „raffenrein". Eine semitische Rasse kennt die Wissenschaft überhaupt »ich; wohl ein« semitische „Sprachfamilie", welche mit der arischen die ,-weiße (kaukasische) Raffe" ausmacht. Die ursprüngliche Stammesart der Semiten hat Chamberlain vergeblich aus ihrer Beziehung zu den .semitischen" Hetitern und „arischen" Amor,lern zu beweisen versucht. Ueberhanpt äußert sich die Wissenschaft der Biologie und Rassenlehre über die wesentlichen Eigenschaften eines „NaffentyPS", über die Erblichkeit der körperlichen und geistigen Eigenick-,sowie ihre Hcrleitung aus der „Raffe" (statt aus Ägypten Mnnecmalereckn milgebracht, d>e von den Gräbern aus der Periode der 6. bis I I. Dniiastie datieren und viel älter sind als die Gräber Tutanchainons. Tnrch ein besonderes Verfahren ist es möglich gewesen, die Malereien unbeschädigt nach Italien zu bringen. 7 Ein Walfisch an der englischen Küste angetrieben. Wie aus London gemeldet wird, wurde vor zwei Tagen ein großer Walfisch von etwa 20 Meter Länge und mindestens 50 Tonnen bei Chale auf der Insel Wight augetrieben. Wegen der großen Hitze mußten besondere Maßnahmen getroffen werden, um eine Verwesung zu vermeiden, da der Walfisch sich bereits in völliger Zersetzung befand. Das Schauspiel lockte zahlreiche Besucher an. f Napoleons Totenmaske. Ans dem kleinen holsteinischen Städtchen Preetz wird ein interessanter Fund gemeldet, der, wenn sich seine Echtheit bestätigt, eine bedeutende Napoleon- Reliquie, zutage gefördert hat; der erste Original»!,» guß d e r.T o t en m a s k e versehen mit Siegel und Inschrift des Leibarztes Napoleons I., Antom marchi. E« handelt sich dabei nach der Antiquitäten-Ruiidschair um das Exemplar» das der Arzt von den beiden Abgüssen, die er ursprünglich goß» zufälligen, anderen Einflüssen) viel bescheidener und viel weniger zuversichtlich als manche Kampfschriftsteller und Romanschreiber. Und trotz alledem sollte eine Kampfansage auf Leben und Tod gegen ein ganzes Volk berechtigt und erlaubt sein? Die christliche Nächstenliebe schließt kein einziges Volk aus, mag es geartet fein, wie auch immer. Darum widerspricht der Antisemitismus des Haffes, der Verachtung, der Gewalt unbedingt dem Grundsätze des Christentums. Die Juden sind wie alle Menschen mit uns Geschöpfe Gottes, Brüder und Glieder der gleichen Gottessamilie. Ja, wenn jemandem die Eigentümlich keiten der „Nasse" unsympathisch wären, wenn er selbst aus irgend einem Grunde einen Juden als seinen Feind ansprechen sollte, so würde das nicht von den Pflichten der allgemeinen Nächstenliebe befreien: „Liebet eure Feinde." (Mt. 6, 44.) Kann aber ein Christ Anhänger des politisch-wirt schaftlichen A »t i s e m i ts m u S sein? Verstehen wir darunter den haßerfüllten Antiseinititsmns unserer Tage, so lautet die Antwort: nein. Anders ist es, wenn dieser Kampf auf Haß und Unrecht verzichtet. Tatsächlich sind die Juden seit der Zerstörung Jerusalems lange Zeit hindurch ein Wundervoll gewesen, ein Fremdling unter den Nationen, der nicht als gleichberechtigt anerkannt wurde. Ihre rechtliche Lage war vielfach bestimmt durch das- frühere „kirchliche Jndcnrccht", welches sich allmählich entwickelt hatte, um die Inden zu schützen vor gewalttätiger Bedrückung (Päpst- li oe -u-.-. - : e ' ' Christen zu bewahren vor jeder Beein trächtigung ihres christlichen Glaubens und Lebens. Vertrieben wurden die Juden aus Spanien 1492, ans England 1290 bis 1655; in Italien durften sie nur in ihren „Ghettos" mit mancherlei Be schränkungen leben; in Frankreich und Deutschland waren sie seit dem II. und 12. Jahrhundert zahlreichen Verfolgungen auSgesetzt, die in Rußland bis zur neuesten Revolutionszeit andauerten. Ihre politische Emanzipation begann 1783 in der nordamerikanischen Union; es folgte 1791 die französische Nationalversammlung, 1796 Holland, Preußen 1812 (Rückschlag nach den Freiheitskriegen) und 1848. Norddeutscher Bund 1867,' Deutsches Reich 1871, 1919, Oesterreich >849 und 1867, Italien 1879, England 1815, 1859. Zugleich mit der politischen hob sich die wirtschaftliche Lage der Juden, welche sich stets durch großen Geschäftssinn und un ermüdlichen Fleiß ausgezeichnet haben. Die Juden sind im Erwerbsleben mehr Eigentümer und selbständige Leiter als Angestellte und Arbeiter. Sehr groß ist ihr Einfluß in Handel, Verkehr und Industrie: im Waren- und Produktenhandel z. B. überragen die Juden in selbständiger Stel lung ihren prozentualen Bevölkerungsanteil um das lOfache, im Geld- und Kreditlpindel um mehr als das 20fache, unter den Eigentümern und Besitzern um das 40fache. In ;raktischer Land wirtschaft und Handel finden sich weniger Juden lEinzelaiigaben und Zahlen, die heute der Nachprüfung bedürfen, bei Rost 27 ff; Zusammenfassung in Herders Zeitlex. 1,782). So erwarben sich viele Jude» einen großen Reichtum. Gewiß gibt es nicht nur bei den Ostjuden Arme; im Durchschnitt jedoch haben die Juden in Bezug auf Wohlhabenheit und Reichtum einen bedeutenden Vor sprung vor den Christen (vgl. z. B. Rost 36 ff). Den so gegebenen Einfluß haben Sie Inden mit der ihnen eigenen Zielstrebigkeit und Gewandtheit im wirtschaftlichen und öffentliche» Leben vielfach ansgenutzt, wobei sich ein Gegensatz zu anderen öfters ergeben konnte, da sie mit den bestehenden Ver hältnissen, soweit sie ans christlichen Wurzeln entsprungen sind, sich nicht innerlich verwachsen fühlen. Wen min jemand glaubt, gegen solche Erscheinungen mit gesetzliche» und erlaubten Mitteln im politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben Stellung nehmen zu sollen, so läßt sich vom Standpunkte des Christentums aus grundsätzlich nickts ein wenden. Abgesehen aber von den Erwägungen der Politik und Wirtschaftslehre, die uns jetzt nicht beschäftigen, verlangt das Christentum die Erfüllung verschiedener Voraussetzungen. Vor allem Wahrheit, die bei Jndenv.rfolgangen oft ver gessen wurde. Es sei nur an die unheilvollen Worte „Ritnal- mord" (Kirchl. Handlex. 2, 1787) und „Brunnenvergiftnng" (Condenhove 291 ff) erinnert. Ritnalmorde (Tötung von Christen kindern zu rituellen Zwecken sind seit dem erste» Fall von 1236 etwa 150 angeführt; aber keiner hält, wie H. L. Strack nnch- gewiesen, der wissenschaftlichen Kritik stand. Wenn in einem Fall« (was durchaus iiicht'crwiescu ist!) ein Jude sich eines solchen Verbrechens schuldig gemacht haben sollte, tat er es keinessallS im Einklang mit anerkannten jüdischen Neligiansvorschrüten. Die zweite Voranssetznng ist Gerechtigkeit: Verfolgung und Be strafung aller wirklich Schuldigen, aber keine unzulässigen Ver allgemeinerungen. Vorsicht in der Beiintzung statistischer Angaben, Ablehnung gehässiger Ilebertrcibnngen. lind in allem die Liebe, die nur mit brennender Scham manche Blätter der christlichen Geschichte aus den Zeiten der Judenverfolgung liest und deren Wiederholung verhüten muß lCondenhove >55 ff). Der kulturell-sittliche Antisemitismus gebt von der Beachtung ans, daß die Inden sich infolge ihrer günsti geren wirtschaftlichen Lage viele Kulturgüter in höberem Grade erwerben können und den so gewonnenen Einfluß zum Schaden christlicher Kultur und Sitte geltend machen. Nach Rost (41 ff) ivaren z. B. im Beginn de? Jahrhunderts in Preußen auf den böbcren Lehranstalten von de» Christen für sich zurückbehielt. Beim zweite» Abguß sprang die Form. Die bekannten Masken im Jnvalidendom zu Paris, in Malmaison, Portoferraio, im Mnsee Caranaoalet, im Beiitz des Lord Roie- bery usw. sind Nnchgnsse »ach dem zweite» Oiiginalabgiiß. welcher heute im Besitz des Prinzen Viktor Napoleon zu Brüssel iich be findet. Ten ersten Abguß behielt Antvmmarchi damals und weigerte sich, ihn an den englischen Arzt Napoleons Tr. Burla», der sich sehr darum bemühte, für die gebotene Summe von 6000 englischen Pfund zu verkaufen, weil nur zwei Abgüsse vor handen waren und er eine» der Mutter Navoleons schenken, einen für sich behalten wollte, wie er in seinen Memoiren berichtet. Er hatte Nachstellungen Tr. Bnrtons zu fürchten, da dieser die Maske unter dem Vorwand, sie sei sein Eigentum, sogar mit Hilfe der öffentlichen Gewalt an sich zu bringen versuchte, und »ahm daher die ängstlich gehütete Rcliguic mit ans die Reise, als er. >831 nach Plen ging, um an der Revvlntivn teilznnchincn. Tr. An tvmmarchi svll schon 1810 als Begleiter Navoleons sich bei einem Superintendenten in Eilend» r g aufgehalien haben, und dort scheint er die Totenmaske nun in Verwahrung gegeben z» haben, ohne sic dann zurückzunehmcn oder zurückzncrhalten.
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