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Nr.7» »». Jahrg. Fernsprecher: Redaktton 21366 — Geschäft-ftelle 1S01S Postscheckkonto: Dreede« Re. 14787 SMllfttw Donnerstag, 7. April 192L Redaktion und GeschLftostelle. Dresden« R 16. f>olbeinsteaße 46 B«zug<Pr«iSl Vtertcljührlich sret -au» A«»«ad« I mit Illustrierter Beilage IL.VL ^c. Ausgabe n Il.Sti ^ einschlteblich Posldeslellgeib Lie Tächftsche VolkSzettinig erscheint an allen Wochentage» nachm. — Sprechstunde der Redaktion: II bis IS Uhr vorn:. Anzeige» > Annahme bon cheschttslSanzeigen bis 1« Uhr. Non Familienan^igen bis I I Uhr vorn:. — Preis siir die Pettt-Spaltzetlc InIV^c, im Rettamctctl S.k« FamiUcnanzctgcu I.SU^k. — Für nudentiim gclchriebene, lvmic durch Fernsprecher ausgegebenc Anzeigen idniien wir die Verantwortlichkeit siir die Nichtigkeit des üe^tc? nicht übernehmen Weiter wursteln? H Die Frage, ob die Regierungserklärung im Landtage und die sich daran anschließende Besprechung der politischen Lage, d h. des Kominunistenaufstandes und seiner Folgen sowie die zweite Beratung des Amnestiegesetzes, Klarheit in die poli tische Lage Sachsens bringen werden, ist noch ganz zwei felhast. Immerhin wird von der Sitzung des Landtages, die am heutigen Nachmittage stattfindet, viel abhängen. Bis zum gegenwärtigen Augenblick hat man allerdings den Eindruck, als ob bei den gegenwärtigen Regierungsparteien, soweit sie in der Regierung selbst vertreten sind, große Geneigtheit bestehen Würde, weiter zu wursteln. Daß das auf die Dauer ebenfalls kein haltbarer Zustand sein würde, braucht nicht besonders be tritt zu werden. Man kann sich aber des Eindruckes nicht er- wchren, als ob einige Politiker nach dem Satze handeln wollten: Zen gewonnen, ist alles gewonnen. Diese Bewegung erscheint dadurch einigen Impuls erhalten zu haben, daß die Kom munisten am Mittwoch vormittag zum großen Erstaunen der übrigen sozialistischen Parteien bei den Ausschußberatungen er schienen sind und auch am Nachmittage an der Sitzung des Ple nums sich beteiligten. Damit hatten offenbar die Sozialisten, soweit sie von einer Aenderung des Regicruiigskurjes nichts wissen wollen, nach dem Auszugs der Kommunisten der Diens- tagsitzung nicht gerechnet. Man scheint sich in diesen Krei sen daher am Mittwoch der Hoffnung hingegeben zu haben, daß die Drohungen der Kommunisten, ihre schützende Hand von der Regierung zurückzuziehe», nicht allzu tragisch genommen zu werden brauchen. Nun heißt es ja allerdings, die Kommunisten wedle,i doch die Regierung zum Rücktritt zwingen, wenn sie den tb'-i den Kommunisten in Aussicht gestellten Anträgen ihre Zu stimmung versagen würde. Es wird nun wohl fast alles in die'cr Hinsicht von der Regierungserklärung abhängen, tue heute nachmittag im Landtag abgegeben wird. Die vor liegenden Presseäußerungen lassen aber doch schon -- wenn auch n-clt verbindlich — einige Schlüsse für die Entwicklung in den nächsten Tagen ziehen. Da »ruß vor allem darauf hingewiesen werden, daß die Gegensätze in der mehrheitssozialdem okra tischen Fraktion eine ganz außerordentliche Verschärfung gefunden haben, und daß zur Stunde, in der diese Zeilen ge- schrieben werden, noch ein gewaltiges Ringen zwischen den bei- den Richtungen vor sich geht. Der Führer der sogenannten ra dikalen Chemnitzer Richtung, Herr Abg. Fellisch, hat zu die sem Zwecke noch einmal schwerstes Keschütz in seiner .Chem nitzer Volks stimme" (Nr. M vom 5. April) aufsahren lassen. Die „Chemnitzer VMssti'mme" ist der Ansicht., daß die Arbeitsgemeinschaft de? 'MeMeitssozialistcn gut den Unabhän gigen „sich bisherz'hprzüglich bewährt hat". Von welchen Ge sichtspunkten die Richtung Fellisch anLgcht, zeigt sich -n folgen- den Auslassungen der „Chemnitzer Volksstimme". Sie spricht von der Zukunft der Herrschaft der sozialistischen Wirtschaft und schreibt: „Für diese Zeit gilt es zu rüsten und unsere Organisa tion schlagkräftig zu gestalten. Wer aber den fortschreitenden GesundnngSprozeß des Proletariats aufhält, wer unsere so stolze anfschwungnchmende Partei in Stücke schlagen und Unabhängigen nebst Kommunisten die Hasen in die Küche treibe» will, der mißachtet den Willen der Parteigenossen im Lande, der setzt sich über den erbitterten Widerstand der so zialdemokratischen Arbeiterschaft gegen eine Verbindung mit der Volkspartei kalt hinweg und besorge so die Geschäfte der Reaktion. Ob die Parteigenossen draußen aber eine solche sinnlose Katastrophenpolitik sich bieten lassen werden, diese Frage ist längst keine Frage mehr." Man sieht daraus deutlich, daß diese Politik tatsächlich nur von parteiegoistischen Gesichtspunkten ans gemacht wird. Die „Chemnitzer Volksstimme" polemisiert kn schärfster Weise gegen ihre eigenen Parteigenossen in Dresden und Leipzig und droht bereits mit dem nächsten sächsischen LandeSparteiiag. Außerdem ließen sich das Blatt und seine Führer in einer Versammlung an> letzten Sonntag durch die sozialistischen Chemnitzer Partei- smiktionäre ein Vertrauensvotum auSstellc». Dabei scheint eS allerdings doch nicht so glatt gegangen zu sein. Denn selbst die „Chemnitzer Volksstiinine" muß berichten, daß der Abgeordnete Castan gegen die Politik seines Genossen Fellisch polemisierte. Bei dieser Gelegenheit hielt Herr Fellisch natürlich eine Rede, in der er nach dem Blatte erklärte: „Die proletarische Sammel stelle der Klassenkämpfer muß bei der Mchrheitspartci bleiben; dem, uns trennt nichts von den im kommunistischen Lager doch noch in großer Zahl- vorhandenen ehrlichen Arbeitern, die genau wie wir mit Verbrechern nichts zu tun haben wollen." Dem gegenüber ist es von Interesse, die Stimmung der So zialdemokraten in dem von dem Kommunisten- aus stand betroffenen Gebieten zu erfahren. Am letzten Sonntag fand in HeIbra eine große Versammlung der Sozialisten statt, in der folgende Resolution eiustimmig zur An nahme gelangte, die, wie ver „Vorwärts" schreibt, «die Stim mung des größten Teils der Bevölkerung in Mitteldeutschland in recht klarer Weise zum Ausdruck bringt": „Die heute in Heldra tagende Versammlung verurteilt auf das Schärfste die kommunistische Irreführung der Mas sen und spricht ihre tiefste Entrüstung aus über das ver brecherische Gesindel, das durch Raube», Plündern und Mor den das größte Elend über die Arbeiterschaft gebracht Hai. Sie weist ferner jede Geineinschaft mit den kom munistischen Parteien entschieden von sich, nachdem diese offen dazu aufgefordert haben, vor allem die Funktionäre der SPD, IlSPD und der Gewerkschaften totzu schlagen. Sie haben damit in roher Weise den Haß gegen die eigenen Arbeilsgenossen gepredigt." Das hört sich denn doch ganz anders an und trägt jeden falls den tatsächlichen Verhältnissen mehr Rechnung. Die sozia- listischen Parteivertreter bon Mitteldeutschland weisen „jede Ge meinschaft mit den kommunistische» Parteien entschiede» von sich", während Herr Abg Fcllisch am selben Sonntag erklärte, für ihn und seine Freunde komme „aber nicht die Kommunisti sche Partei als solche in Frage, sonder» wir habe» es mit den politisch irregeleiteten Arbeitern als Menschen zu tun", Herr Fellisch gibt sich auch der Illusion hin, daß der Auflösungsprozeß der Kommunistischen Partei nicht aufzuhalten sei. lind er scheint dieser seiner Illusion auch jetzt durch möglichst viel Konzessionen an die äußerste Linke Rechnung tragen zu wollen. Naturgemäß versucht die Presse der Unabhängigen Sozialdemo kratie de» Bestrebungen derer in ver MehrheitSsozialdema- kratie, die nicht auf dem Boden des Herr» Fellisch stehen, daS Wasser abzugraben und sie in den Augen der sozialistischen Ar- bciterschGt zu diskreditieren. Jedenfalls kann mau dem Ent- kampfe innerhalb der Mehrheitssozialdcmokratie mit großer Spannung entgegensetzen und es wird für die zukünftige Ent wicklung dabo» außerordentlich viel abhängen. Das Dres dener Organ der Mehrheitssozialdemokraten nahm auch Roch am gestrigen Mittwoch eine der „Chemnitzer Volksstiinine" entgegengesetzte Haltung ein und schrieb über das Auftreten der . Landtagskommunisten am Dienstag u. a. fol gendes: ..Das ebenso heuchlerische wie freche Spektakeislückchcn wäre belanglos, wenn es nicht verriete, wie sich die Kom munisten in Zukunft aufzuspielen gedenken. DaS ist wieder deshalb nicht gleichgültig, weil sie als Stützen der seitherigen Regierungsmehrheit in Betracht kommen und deshalb ikr Ver halten znm Ausgangspunkt bedeutsamer Entscheidungen wer den kann." An der Tatsache, daß die kommunistischen Abgeordneten, die auch das Dresdner mehrheitssozialdemokratische Organ als „Moskauer" bezeichnet,, als Regierungspartei nicht mehr in Frage kommen, kann wohl kaum gerüttelt werden. Am schwer sten scheint eS den Mehrheitssozialdcmokraten zu werden, sich von den Unabhängigen zu trennen und daher scheint, wie schon oben aiigedentet, bei einem Teil von ihnen die Geneigiheit zu bestehen, schließlich auch ohne kommunistische Unterstützung mit den Unabhängigen weiter zu regieren. Wie bereits gestern an anderer Stelle unseres Blattes berichtet wurde, hat eine mehr- heitSsozialdemokratische Bezirks-Versammlung in Dresden ein stimmig erklärt, „daß es ans die Unabhängige Partei ankomme, ob sie die Koalition bis zu den Demokraten und Zentrum er weitern wolle". ES braucht wohl kaum besonders betont z» wer den, daß die Z c n t r u m s p a r t e i eine Koalition bon den Demokraten bis einschließlich zu den Unabhängigen nicht unter stützen würde. Wir glauben auch nicht, daß bei den Demo kraten allzu viel dafür Geneigtheit vorhanden ist. Zu einer ähnliche» Bemerkung in einem Artikel des Dresdner mrhrheits- sozialcemükratischen Organs nehmen jetzt auch die im Fahrwasser der Demokratischen Partei schwimmenden „Dresdner Neueste» Nachrichten" (Nr. 80 vom 7. April) Stellung. An dieser Aeußerimg kann man nicht so ohne weiteres vorüber gehen. Der mehrheitssozialdemokratische Politiker und frühere Finaiizuiiilister Ritzsche hatte die Frage untersucht, wie und unter welchen Bedingungen die Demokratc» wieder in die Re gierung ciiitretcii könnten, nachdem auf die Tatsache hingewiesen worden war, daß die MehrheitSsozialdemokrate» unter allen Umständen gewillt seien, mit den Unabhängigen zusammen wei ter zu arbeiten. Dazu schreiben nun die demokratischen „Dres dener Neuesten Nachricüten": „Das heißt also, daß die Negierung bereit ist. den schweren Kampf, den ihr die Kommunisten in der kommen de» Zeit ansagen werden, auf sich zu nehmen, und daß sie glaubt, dem Ansturm mit Hilfe der Demokraten Stand halten zu können. Ob diese Annahme richtig ist, er scheint nach Lage der Dinge einigermaßen zweifelhaft. Denn der Abzug der neun Kommunisten wird nicht wengcmacht durch den Zugang der acht Demokraten, wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kau», daß durch eine Teilnahme. der Demokraten an der Regierung die OpposilionSlust der beiden großen bürgerlichen Parteien geringer werden würde." Diese AuS-lassiliig zeigt, daß im demokratische» Lager doch eine Strömung Vorhände» ist. die nicht abgeneigt wäre, mit den Unabhängigen in eine Negierung cinzutretcii. Daran ändert auch nichts, daß das genannte demokratische Blatt daznsngt, in Wirklichkeit schienen aber die Dinge wesentlich anders zu liegen, und dann von einer Mitteilung ans parlamentarischen Kreisen Kcniilnis gibt, wonach die bürgerlichen Parteien nicht mehr ge willt seien, die bisherige schwächliche Haliung der Negierung den Kommunisten gegenüber länger mit anzusehen. Wir glau be» allerdings nicht, daß im demokratischen Lager die Richtung, die mit einem Iiisanimengehen mit den Unabhängigen lieb äugelt, die Oberhand gewinnen wird. Ein führender Politiker der de »iokratis ch e » Partei hat jeden falls sich dahin geäußert, daß er für seine Person ein Zu- s a ni ui enge h e n mit de n ll n a b b ä n g igen able h n e n würde. Die Siuiauon hat sich aber inuiniehr durch einen Zwi schenfall in der Miitwoch-Sitziiiig des Landtages verschärft. Bei der bekannten Frage der Kinderznlagen, daS heißt der Gleichstellung der sächsisckie» Beamten mit de» Reichsbeaniten, kam cs z» einem Z u s a »i m c n st o ß zwiscben dem mehrheits- sozialdeinokratischen Fiuanz»>inister Hcldt und dem demokra tischen Abgeordnete» Dr. Dehne. Herr Heidt erklärte am Schlüsse seiner AnSsichrnngen als Minister etwa folgendes: Wenn er als Parlcimann sprechen würde, würde er erklären, daß die Demokratische Pariei eine Partei sei, mit der man nicht mehr verhandeln brauche. Er hat damit der Demokratischen Partei am Vorabend der Reglerungsertläenng und inmitten der Negierungskrisis den Fehdehandschuh hiugeworfeii. Das würde natürlich nicht bedeuten, daß nicht doch irgend eine Koalition mit den Demokraten zustande kommen könnte, aber voraussicht lich doch keine Koalition, in der Herr Finanz»,inister Heldt sitzen würde. Man muß es letzten Endes selbstverständlich der Demo kratischen Partei überlassen, ob und inwieweit sie gewillt ist, aus diesem scharfen Vorstoß die Konseglicuze» zu ziehen. Wir haben diesen Vorgang deshalb angeführt, um zu zei ge», wie außerordentlich gereizt die Stimmung im Landtage gestern war, was sich übrigens auch bei verschiedenen anderen Reden bemerkbar machte. Nun ist gewiß die Möglichkeit, daß auch ohne die Unterstützung der Kaminnnisten die gegenwärtige mehrheitssozialistisch-unabhängige Negierung auf einige Zeit fortwurstcln — um noch einmal diesen trivialen Ausdruck zu gebrauchen — könnte, nicht ganz von der Hand zu weise». Aber cS wäre das eben doch nur auf einige Zeit möglich. Wir wür den daun eben eine schleichende Krisis bekomme», der unseres Erachtens allerdings Neuwahlen boruiziehen wären. Sowohl die außenpolitische wie auch die iunerpolilische Situa tion verlangt auch in einem Lande wie Sachsen, daß mir klare Verhältnisse bekommen. lml- Sächsischer Landtag Dresden, 0. April. Präsident Fräßdors eröffnet die Sitzung l.lö Ubr. Die Abstimmung zu den Anträgen im Bericht des HauShaltauS- schusseS B über die Linderniig der Not der Erwerbs lose» wird ans Antrag der Rechten absatzweise borgen, inmen. Die Anträge des Hanshaltaiisschnsses B haben folgenden Wortlaut: Der Landtag wolle beschließen: I. zu den Anträgen Drucksachen Nr. 10 und 18 A. die StaatSregiernng zu ue.inktra,:u. 1. bei der Reichsreg'--.-u>>g mii allem Na.bdr.tck ->» er streben, daß ganz Sachsen als ein einheitlicher Not- standsbezirk anerkannt wird, 2. bei der Reichsregiernng die beschleunigte Erledigung des vom Landtage am 21. Januar I02l angenomme nen Antrages wegen Gewährung einer einmalige» Beihilfe an Erwerbslose zu erbitte», I. bei der Rcichsregierutig im.Falle der Ablehnung zu 2 Genehmigung zu den lleberschreitungeu der ArbeitS- loseii-Ilnterstützungs-Bestimmnnaen belreffs der Ge währung einer einmaligen Beihilfe für Erwerbslose zu erbitte». Die bereits bon den Gemeinden ausge- zahlten einmalige» Unterstützungen sind bei den Zah lungen der einmaligen Beihilfe vom Staate anzu- rechncii, 4. bei der Reichsregiernng dabin zu wirken, daß diese die gesetzliche Einführung der Erwerbslosenrersicbe- rnng mit Beschleunigung betreiben möge; B- 1. die vom sächsischen Arbcitsininistcrinin beim Reicks- arbeitsmiiiisteriuin mit Schreiben vom 81. Dezember 1920 und 7. Januar 1921 gestellten Anträge, die be zwecken : a) Arbeitslosiakeit infolge Streiks und Auswerrnug als uiitcrstützuiigöbercchtigt anznerketiiien (8 6 Absatz 2 Satz 1),