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Sonntag, de» 17. April LVLV V. Jahrgang RlyflscheNolkMitunl s i «« » . Inserat« werden die K,e>pnlle:»' PetttzeUe oder deren Nai , . mit «uSiiahme der Sonn- und Festtage. §^L?-«n»!lÄr »« ei-- üetwnft,prei-I. Nr. «8S«. Unabhängiges Tageblatt füv Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die «gespaltene PetitzeUe oder deren Raum mU LL 4, Nellamcn mlt SO ^ die Zeile berechnet, bei Wtedecholnngen entsprechenden Rabatt. Vuchdrnikerel, Redaktion nnd Geschäs , list»»»e0ei LreSdeu, Ptlluttzer Strasje 4». — Fernsprecher lttvtl gürRSSgabe unberlanat. SitirUtftück« keine Merblndlichkett NedattionS. Sprechstunde: ««—L» Uhr. Lssto LvruAU-lusUs! ^O r- »«"°kd«. »u« Uo'r- °°ä sruarro» „SU« nnU L^otl 2oi-dnullg « E 60 Llnrk an " lokLnv-veorxou-XUv» 18 I Frankreichs Altersverstcherungsgeseh. Dresden, den 16 1910. Das Alterversicherungsgesetz ist angenommen. Noch im letzten Augenblicke war da§ Werk gefährdet; wie immer hatte der Radikalismus es eiliger mit seinem Sturm auf die Kircl-e als mit sozialer Fürsorge. Schließlich aber siegw doch die Furcht vor den Wählern, um so mehr, als am 8 Mai schon die Wähler zur Urne treten werden. Vor vier Jahren, als die ersten Beratungen über das -m schaffende Gesetz begannen, lagen drei Entwürfe vor ein Entwurf der Kammer, der dem Staate die Riesenlast eines Jahresaufwandes von 426 Millionen Franken auf- erlegt hätte, ein Senatsentwurf, der die staatliche BerhU.- auf 189,5 Millionen Franken im Höchstfälle beschrankt:, und ein Negierungsentwurf, der diese Summe gleichfalls erreichte, aber die Beitragsleistungen in den ersten Zähren der Wirksamkeit des Gesetzes bedeutend ermäßigte. Dre jetzt zustande gekommene Vorlage ist ein Kompromiß zwischen den beiden letzteren Entwürfen. Sie lehnt sich rn den Grundlinien an das deutsche Vorbild an. Von ihm hat sie die Ideen der Zwangsversicherung, der Verteilung der Lasten auf Arbeiter, Arbeitgeber und Staat, die Ver- bindung von Alters- und Invalidenrente übernommen. Die Zwangsversicherung erstreckt sich auf die Lohnangestellten beiderlei Geschlechter in der Industrie, den Handel, dre freien Berufe, die ländlichen Dienstboten und auf alle anderen, die sonst kein Versorgungsrecht genießen. Aus geschlossen sind die Bergarbeiter, auch die Seeleute, die be- reitS Sondergesetze haben. , Die Pflichtbeiträge, die ohne Rücksicht auf dre Lohn- höhe festgesetzt sind und Unternehmern und Versicherten zu gleichen Teilen zur Last fallen, belaufen sich auf 9 Franken für die männlichen, 6 Franken für die weiblichen und 4,50 Franken für die Minderjährigen unter acht- zehn Jahren. Die Versorgungsberechtigung beginnt mit dem 65. Lebensjahre und gliedert sich in dreierlei Be- züge: 1. eine feste Lebensrente von 120 Franken, 2. eine be wegliche, je nach Leistung des Versicherten sich bemessende Altersrente, 3. ein Zuschuß des Staates in der Höhe eines Drittels dieser Rente bis zu 60 Franken, der jedoch nur dann geleistet wird, wenn der Versicherte mindestens 30 Jahre lang und die letzten 10 Jahre ununterbrochen seine Beiträge bezahlt hat. Als Normalhöhe der durch eigene Beiträge er worbenen Altersrente nimmt das Gesetz 180 Franken an, so daß die Gesanitversorgung beim Manne im Mittel sich auf 360, bei der Frau auf 240 Franken stellen, günstigstenfalls aber 414 Franken bezw. 370 Franken erreichen würde. Im Falle der Invalidität tritt das Rentenbezugsrecht ein, im Todesfälle stehen den Hinterbliebenen der noch nicht in den Genuß der Rente gelangten Versicherten folgende monat liche Abfindungen zu: Kinderlose Witwe 60 Franken auf ein Vierteljahr, Witwe mit einem Kind 60 Franken auf ein halbes Jahr, Witwe mit 2 Kindern 50 Franken auf 6 Mo nate, Witwe mit 3 und mehr Kindern 60 Franken auf ein halbes Jahr. Anstatt auf Rentengenuß kann die Versiche rung auch auf Kapitalabfindung zu dem Zwecke des An kaufes eines unveräußerlichen und unverpfändbaren Stück Landes erfolgen. Der Wohltaten des Gesetzes können auch die kleinen Handwerker und Pächter teilhaftig werden. Ein schließlich dieser Gruppe schätzt die Regierung die Gesamt- zahl der versicherungspflichtigen Personen auf 14 300 000. Der Verwaltung des Versicherungsgeschäftes dienen staatliche Versicherungsanstalten und ähnlich wie bei unserer Privatbeamtenversicherung auch Ersatzinstitute. Die Beiträge der Arbeitgeber wie die Zuschüsse des Staates werden fortlaufend dazu verwendet, den vom ersten ^ahre ab fällig werdenden Zahlungspflichtungen an Jnva- lide, Hinterbliebene und Lebensrentenberechtigte zu ge- nllgen. Die Beiträge der Lohnangestellten hingegen wer- Len angesammelt zur Bildung eines Altersrentenfonds: die Kapitalisation wird schätzungsweise in 80 Jahren eine Hohe von 61/2 Milliarden betragen. Mali kann nicht gerade sagen, daß das Gesetz sich durch Anpassung an die moderne, sozialreformerische Gedanken- Welt und Praxis auszelchnet und einen großen ideellen Fortschritt auf dem Gebiete der Altersversorgung bedeutet Sc'ne schwächste Seite ist zweifellos der verwaltungs-' technische Aufbau, dem es an straffer Gliederung und Zen- tralisatwn fehlt; es wird noch manches geändert werden müssen. Trotzdem darf das Gesetz aber Anspruch erheben zu den größten Ruhmestaten der neuzeitlichen Sozialpolitik ^ ^ ^ ^8 Wohlergehen der Pwblem " '""E Freden des Landes hochbedeut. 1« ^ÜI- uni Kartell Viosciien. Kolliers, > kinge. ketten I— che 5ctiön5ten dieulieiten. keeüe keäienungl Liüige speise! Ovsscien-zX., LeliössevALSss 4 neben fserrselch s 51m fütmarü Politische Rundschau. Dresden, den 16. Avrü 1910. — Der lebenslängliche bayrische Reichsrat Dr. Eugen von Buhl ist am 12. April in seiner Wohnung im Hotel Marienbad in München an einem Herzschlage gestorben. — Das Kaligesetz dürfte doch noch in dieser Session zu stande kommen, aber in ganz anderer Form, als es die Re gierung vorgelegt hat. Nach unseren Informationen wird nur eine Kontingentierung des Absatzes vorgeschrieben wer den, aber eine Vertriebsgcmeinschaft wird nicht zustande kommen. Wer mehr absetzt, als ihm das Kontingent zuläßt, zahlt 20 Mark pro Doppelzentner reines Kali an die Reichs kasse; entscheidend für den Auslandsansatz ist das Quantum für den Jnlandskonsum. Zur Deckung der Kosten wird eine Fördergebllhr von 1 Mark pro Doppelzentner reines Kali festgesetzt. Die Höchstpreise für das Inland sollen gesetzlich vorgeschrieben werden, so daß die Landwirtschaft gesichert ist. Kainit soll höchstens 1,15 Mark kosten. Dieses Ge setz kann noch vor der Vertagung erledigt werden. — Eine Erklärung Dr. Bitters. Am 10. April hielt der Zentrumsverein für den vierten hannoverschen Reichs- tagswahlkrcis in Osnabrück eine Generalversammlung ab. Der Abgeordnete des Kreises, Dr. Bitter, hielt eine Rede über die politische Lage. Im Laufe seines Referates kam er auch auf die Osterdienstagskonferenz zu sprechen. Er erklärte: „Auf Einzelheiten will ich nicht eingehen. Nltt kaI eine will ich betonen, daß beide Richtungen mit aller Enk- schiedenheit für den politischen, nicht für den konfessionellen Charakter des Zentrums ein getreten sind. Die Differenz, die zwischen den Meinungen der beiden Richtungen etwa geblieben war, ist überbrückt durch die Erklärung des erweiterten Landesausschusses der Zentrumspartei. Ich bin der Ansicht, daß für beide Rich tungen Platz auf dieser Brücke ist, mit anderen Worten, daß beide Richtungen von dem Boden der Erklärung aus ge meinsam den Zentrumsgedanken fördern und Zentrums politik betreiben können. Dabei betone ich, daß ich auch persönlich auf dem Boden der bekannten Zen trumserklärung stehe." In der Diskussion wurde Dr. Bitter von dem christ lichen Arbeitersekretär aufgefordert, sich zu dem zu äußern, was in dem veröffentlichten Protokoll der Osterdienstags versammlung über die christlichen Gewerkschaften gesagt war. Dr. Bitter erklärte: „Es liegt auch nicht der mindeste Anhalt zu der An nahme vor, daß ich meinen, im letzten Wahlkampfe darge legten Standpunkt in Betreff der christlichen Gewerkschaften geändert habe. Ich habe schon früher erklärt, daß es ein Unding ist, die christlichen Gewerkschaften zu bekämpfen. Sie sind gegebene wirtschaftliche Errungenschaften, mit denen man rechnen muß und die man nicht ungestraft be kämpfen kann. Es ist durchaus zu verwerfen, daß Fachab- Leitungen nnd christliche Gewerkschaften sich bekämpfen. Die Verschmelzung beider Richtungen wäre zwar das Ideal, aber sie müßten doch zum mindesten schiedlich friedlich nebenein ander bestehen und dasselbe Ziel zu erreichen suchen. Es ist unrichtig, die christlichen Gewerkschaften zu bekämpfen und die Fachabteilungen zu unterstützen. Man muß die christlichen Gewerkschaften achten und ihre Bestrebungen unterstützen." — Erlaß des preußischen Kultusministers gegen die Schundliteratur. Die Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur durch die Schule fordert ein Erlaß des Kultusministers von Trott zu Solz, dem wir folgendes ent nehmen: „Die durch Schund- und Schmutzliteratur entstehenden Schädigungen der sittlich-religiösen Anschauungen unseres Volkes machen die Hilfe der Schule in dem gegen sie er- öffneten Kampfe nötig. Ich habe das Vertrauen, daß das K. Provinzialschulkollegium seine besondere Aufmerksamkeit bei Besichtigungen der Lehrerbildungsanstalten und bei son stigen Gelegenheiten darauf richtet, daß die Präparanden und Seminaristen Bücher lesen, die wahrhaft geistbildend und veredelnd wirken können. Es wird dies allein indes nicht genügen, um sie für den ihnen als Lehrern bevor stehenden Kampf gegen die schlechte Literatur zu befähigen. Zu diesem Zwecke wird cs vielmehr, abgesehen von der ge- samten erziehlichen Einwirkung auf die Zöglinge, die be- sondere Aufgabe der Lehrer des Deutschen sein müssen, bei der Aneignung einer ausreichenden Kenntnis guter Jugcnd- und Volksschriften namentlich die Seminaristen des dritten Jahrganges auf die vorhandene Schmutz- und Schundlite ratur hinzudeuten, und ihnen deren Charakter und Gefah ren auch an einzelnen angemessenen Beispielen zum Be wußtsein zu bringen. Gegebenenfalls dürfte es sich emp fehlen, wenn der Direktor des Seminars selbst sich dieser Aufgabe unterzieht, deren hoher Bedeutung nur ein sehr taktvolles und besonnenes Verfahren gerecht werden kann." In entsprechender Weise sollen auch die Direktoren der höheren Lehranstalten angewiesen werden, daß namentlich die Verwalter der Schülerbibliotheken, sowie die Lehrer deS Deutschen ihrerseits Mitwirken, die Bestrebungen gegen die Schundliteratur zu unterstützen. — Die sieben Sozialdemokraten im preußischen Land tage haben wieder einmal einen Skandal gemacht, der aber für sie schlimme Folgen haben wird. Ter wieder einge tretene Zchngebote-Hoffmann scheint der Führer der Radau- lustigen zu werden. Abg. Stübel meinte gegenüber einer Rede des Ministers: „Das sind ja auch nur PhrasenI" Der Präsident machte ihn darauf aufmerksam, daß der artige Zwischenrufe der Ordnung des Hauses nicht ent sprächen. Und der Genosse besaß die unerhörte, allen« parlamentarischen Anstande ins Gesicht schlagende Frech heit, darauf zu antworten: „Sie wissen- ja selbst nicht mit der Ordnung Bescheid, das haben Sie ja erst gestern be wiesen!" Dieser direkte Angriff auf die Person des Präsi denten löste einen Sturm der Entrüstung bei den bürger lichen Parteien aus. Die Rufe: „Unerhört!", „Unver schämtheit!" mischten sich in das immer lauter und drin gender werdende Verlangen nach einem Ordnungsruf. Der Präsident aber erklärte: „Ich rufe den Herrn nicht zur Ordnung. Es nutzt ja nichts, ich habe kein Mittel. Ich kann ihn nur ersuchen, sich zu benehmen, wie es unter königstreuen Leuten Sitte ist." Diese letzten Worte wur den von den Sozialdemokraten nur mit höhnischem Ge lächter beantwortet. Der Präsident wandte sich ihnen darauf zu mit den Worten: „Herr Abgeordneter, Sie sind ja auch ein königstreuer Mann, denn Sie haben dem König Treue und Gehorsam geschworen." Wie die Sozialdemokraten ihren Eid bewerten, das bewiesen sie mit dem Zuruf: „Den Witz haben Sie ja schon einmal gemacht!" Wieder brach das Haus, vor allem die Rechte, in entrüstete Protestrnfe aus; man verlangte von neuem, daß der Präsident mit einem Ordnungsrufe auf diese Frechheit antworte. Aber! der Präsident erwiderte auch diesmal, und mit vollem Rechte: „Sie können nicht verlangen, daß ich den Abgeord neten zur Ordnung rufe. Ich habe kein Mittel, Ruhe zui schaffen. Sie müssen eine Geschäftsordnung schaffen, mit der ich cs kann. Der Minister hat das Wort." Erst bei diesen Worten beruhigten sich die Genossen so weit, daß der Minister seine Rede zu Ende führen konnte, worauf sich das Haus vertagte. Solchen Vorkommnissen scheint nur eine Verschärfung der Geschäftsordnung Vorbeugen zu können. Die Geschäftsordnungskommision des Abgeordnetenhauses beendete auch bereits die Beratung des konservativen An trages ans Abänderung der Geschäftsordnung und nahm gemäß den Anträgen der Subkoinmission und dem konser vativen Anträge mit großer Mehrheit die von uns gestern mitgeteilte Ergänzung des § 64 der Geschäftsordnung an. Die Sozialdemokraten haben es nur sich selber zuzuschreiben, wenn noch schärfere Bestimmungen getroffen werden. Aber, so wie bisher geht es nicht weiter. Aber der „Vorwärts" verteidigt noch das rüpelhafte Benehmen seiner Leute. — Der Hansabund als Störenfried. Nach der Meldung liberaler Blätter beabsichtigt der Hansabund für die Reichs tagsersatzwahl im Kreise Ueckermünde-Usedom-Wollin einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Darüber ist die liberale Presse sehr wenig erbaut. Sie erwähnt dabei, daß schon seinerzeit im Kreise Randow-Greifcnwagen „übereifrige Hansabündler" einen früheren Konservativen als Kandida ten aufgestellt hätten. Damals sei allerdings die Kandida tur infolge des Dazwischentretens der Berliner Zentrallei- tuug des Hansabuudes zurückgezogen worden. Hinter der Hansabund-Kandidatur im Kreise Ueckermünde-Usedom- Wollin aber stehe die Berliner Zentralleitung. Es entbehrt doch nicht eines gewissen Humors, daß der Hansabund gleich bei seinen! ersten Auftreten im Wahlkampfe liberale Kreise stören muß. — Die deutsche Wehrkraft findet ihre Stütze in der Landwirtschaft: einige Professoren haben dies bestritten; nunmehr aber hat die Militärverwaltung selbst eine Um frage veranstaltet und diese bestätigt unsere Auffassung in allen Teilen. Der 1. Dezember 1906 war der Richttag, er umschloß also solche Leute, welche 1884 bis 1886 geboren wurden. 1885 war Volkszählung, die für Deutschland fol gendes Bild ergab: Es stammten von der Gesamtbevölke rung des Reiches aus Gemeinden von weniger als 2000 Einwohnern 56,29 Prozent, von 2000 bis 5000 Einwohnern. 12,39 Prozent, von 5000 bis 20 000 Einwohnern 12,92 Pro zent, von 20 000 bis 100 000 Einwohnern 8,90 Prozent, von 100 000 und mehr Einwohnern 9,49 Prozent; zusammen 99,99 Prozent. Wären nun die fünf Gruppen in gleicher Weise an der Zusammensetzung der Armee beteiligt, so müßten sich in letzterer dieselben Prozcntzahlcn an an nähernd gleicher Höhe wicderfindcn. Das ist aber keines wegs der Fall; vielmehr ergibt die Berechnung, daß bei Gruppe 1, die die Hauptmasse der Landbevölkerung ent hält, die Prozentzahl ihres Anteiles an der Armee um bei- nahe 14 vom Hundert höher ist. als sie nach der Anzahl