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Kirche und Unterricht. ir lproselytenmacherei? Akatholische Blätter wollen «inen neuen Fall von Proselytenmacherei entdeckt haben. Der Mannheimer „Volksstimme" (Nr. 316) geht nämlich ein« Zuschrift aus Marxdorf (bayr. Pfalz) zu, in welcher der dortige katholische Pfarrer als „beruflicher Prose lytenmacher" hingestellt wird, weil er — notabene in einem einzigen Falle — eine Frau und deren Verwandten zu be stimmen versucht habe, ein neugeborenes Kind gegen den Willen des „freireligiösen Vaters" taufen zu lassen. Die ganze Fassung des Artikels beabsichtigt offenbar den An schein zu erwecken, als habe der Pfarrer die Frau dazu überreden wollen, ihr Kind von ihm taufen zu lassen. DaS trifft aber nicht zu. Der Pfarrer lehnte vielmehr die Erteilung der Taufe ohne die vorherige Einwilligung des Vaters ausdrücklich ab und bat bloß die Mutter und deren Angehörigen, die ihm seit langem bekannt waren und die alle noch katholisch sind, bei dem früher katholischen, jetzt freireligiösen Vater dahin wirken zu wollen, daß er sich nachträglich noch mit der Taufe seines Kindes einverstanden erkläre. DaS tvar alles, was seitens des Pfarrers geschah, und die Unterlassung seines Vorgehens wäre eine Vernach- lässigung seiner priesterlick)en Pflicht getvesen. Ir Bon einer wunderbare» Heilung berichten sozial demokratische Zeitungen unter spöttischem Achselzucken. In Mühlberg (Unterinntal) erhielt die 18jährige Therese Baumgartner Plötzlich die Gesundheit wieder, nachdem sie <eit ztvei Jahren und zehn Monaten an beiden Füßen voll ständig gelähmt war und die Aerzte sie bereits aufgegeben hatten. Der christlichsoziale „Tiroler Anzeiger" führte die s-.S »»» . « i—»»»»»- überraschende Heilung auf „das grenzenlose Vertrauen der Verkrüppelten auf die Hilfe Marias" zurück, die sozial demokratischen Blätter (siehe u. a. die Bielefelder „Volks macht" Nr. 271) aber höhnten: „Was nicht alles dem gläu bigen Volke vorgemacht wird. Und das Tollste ist, daß es noch iminer Leute gibt, die solchen offenbaren Schwindel glauben." — Diese Angaben beruhen, was die Schilderung und die plötzliche Heilung anbelangt, allerdings auf Wahr heit. Ob es sich aber dabei um ein Wunder oder um eine plötzlich erfolgte natürliche Heilung handelt, läßt sich nicht bestimmt sagen. Ein Schwindel von seiten der geheilten Person oder deren Angehörigen erscheint ausgeschlossen. Tatsache ist, daß die Person an den geschilderten Leiden litt, jahrelang um Heilung gebetet hat und nun wirklich, und zwar plötzlich geheilt worden ist. Vermischtes. V Das Kind. Vor einiger Zeit wurde in England wo bekanntlich die Liebe zu den Kindern mitunter recht komische Formen annimmt, auf die beste Beantwortung der Frage: „Was ist ein Kind?" ein Preis ausgcsetzt. Es kamen dabei recht seltsame, aber auch mancherlei recht hübsihe Antworten zutage. Es seien hier die folgenden wiedergegeben: Was ist ein Kind? Des Vaters Nebenbuhler in der Mutter Liebe. — Der magische Zauber, durch welchen ein Haus in ein Heim umgewandelt wird. — Eine aufge brochene Knospe am Baume des Lebens. — Der beste För derer der schönsten Eigenschaften der weiblichen Natur: der Selbstlosigkeit. — Das Schloß an der Kette der Liebe. — Das, was der Mutter Mühen vermehrt, des Vaters Kasse erleichtert und als Alarmglocke für die Nachbarschaft dient. — Das, was das Haus glücklicher, die Liebe stärker, die Ge duld größer, die Hände geschäftiger, die Nächte länger, die Tage kürzer, die Börse leichter, die Kleider schäbiger, di« Vergangenheit vergessen und die Zukunft Heller macht. v Zukünftige Theaterstücke. Der erste Akt des neuen Dramas spielt im Blitzznge, der zweite im Lenk ballon. der dritte im Auto, der vierte im Unterseeboot, der fünfte in der Flugmaschine. Sprachecke des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. tätigen. Abschlüsse auf Lieferungen werden heute oft nicht mehr „gemacht", sondern „getätigt"; vermutlich er scheint ein „getätigter" Abschluß besser als ein gemachter. Vielleicht hat einmal ein findiger Geschäftsreisender, dem nur ein mäßiger Abschluß geglückt war, seinen Auftraggeber damit beschwichtigt und verblüfft, daß er ihm den Abschluß als „getätigt" vorstellte. Unsere Handlungsreisenden fotz ten aber keinem veralteten und häßlichen Kanzleideutsch weitere Verbreitung zu verschaffen suchen. Denn nach Aktenstaub und Schreibstubendunst riecht dieses Wort. Ein Bedarf dafür liegt nicht vor, da eS vollkommen genügt, wenn „Abschlüsse gemacht" oder „Lieferungsverträge abge schlossen" werden, ebenso wie inan eine Wahl nicht zu täti gen braucht, weil man sie vollziehen kann, wenn man nicht gar vorziehen wollte, ganz einfach zu „wählen". Auch wes halb ein notarieller Akt getätigt werden müßte, ist nicht ein- zusthen; genügte es wirklich nicht, ihn zu vollziehen ode» auszufertigen? Darum meide man das Wort, denn es hat etwas Gesuchtes an sich unter allen Umständen. Lie erkälten sicli niekt^ w«on 8io warme ellase bekalteo. Lalamanäer - Ko,»nolilenüUekel, l). N. O. kl. bieten Ibren Müssen «ickero«, 8ekutr unci Xii»«. ?r«I» In l.uxu,euslütnunz Kl 16 SO 0»» lei «le Kr»n<l8vt>I» Zslsmanäer Lidiitijse» m b. U„ serlin ^iecjei-l388unK Dreien 8ee8lra6e 3. Kräftige Kalkle^erstiekel mit »laiken sloppelsoillen, clauerkan unä elegant, »mplvklsn wir »I» >VinI»r»lIe>»> lür vimen uml Hen«n. Wnkeltepreii ... kl. 12 50 I.t«u»»u»ttUuullß Kt 16.50 korder» 8ie kluiterduot» — 76 — Viktor ahnte, Laß die Sorgen sich riesenhoch türmten. Er sah auch, daß Hilde nicht so glücklich war, wie er vorausgesetzt hatte; auch an ihrer Seele schien ein Lkummer zu nagen. Er fragte nach ihrem Leben und wie eS ihr gehe. Sie erzählte ihm bereitwillig, aber auf den Grund ihrer Seele ließ sie ihn doch nicht blicken. Es !var Abend, als Hilde von Viktor Abschied nahm. Als sie schon an der Tür stand, bettelte er: „Nicht wahr, du siehst manchmal nach mir? Ich bin so ganz verlassen. Kein Mensch küminert sich um michl Wenn es auch nur einmal im Monat ist, Hilde! Ich freue mich darauf wie auf einen schönen, lichten Tag!" Da eilte sie zu ihm zurück und küßte ihn. „Ich komme, so oft ich kann. Wir gehören doch zusammen, wir sind eines Blutes, Zweige von einem Stamme — echte Sonnecks! Es ist ein Gewitter über unö gekommen, und der Sturm hat uns gezaust, aber wir wollen stark beiden im Glauben an unS selbst und im Gottvertrauen. Die Sonne wird wicderkommen!" Ein frohes Lachen trat in seine Augen; er drückte ihr dankbar die Hand und sah ihr nach, bis sich die Tür hinter ihr schloß. Dann lag er wieder still und suchte einen Weg, der hineinführte ins Leben. — 11. Einige Tage später kam auch Iris, einer Aufforderung des Justizrates Büchner folgend, in die Residenz. Gar zu gern hätte sie Hilde von Sonneck avfgesucht, aber sie fürchtete, sie zu belästigen und wagte sich nicht in das vor nehm abgeschlossene Palais hinein. Der Justizrat war ein alter, ernster Herr, der sich ihr als Jugendfreund ihres Vaters vorstellte. Er holte einen Aktenfaszikel und begann seine Er läuterungen. Darnach stellte sich der Fall in folgender Weise dar: Der Vater von Iris, Heinrich Bergmann, brachte seine Lehrjahre in England in verschiedenen technischen Betrieben zu, war dann als Begleiter eines Ingenieurs nach Kleinasien und in die Türkei gekommen, wo er ver schiedene Fabrikbetriebe einrichten half. Dort hielt ihn eine romantische Liebe fest und er verheiratete sich mit einem schönen, aber armen Mädchen. Bald kam er in Not und wäre nun gern in die Heimat zurückgekehrt, allein es fehl- tem ihn, die Mittel dazu. Nun hatte aber der junge Techniker eine Erfindung gemacht, auf die er große Hoffnungen setzte; doch fehlte es ihm an Geld, um sie zu verwerten. ES handelte sich uni einen sinnreichen Mechanismus zur Kraftübertragung bei Maschinen, wodurch nicht nur ein konipliziertes Räderwerk unnötig, sondert auch der ganze Bau der Maschinen und der Betrieb vereinfacht wurde. Von dieser Erfindung machte Heinrich Bergmann seinem Bruder Mit teilung und zugleich den Vorschlag, diese gemeinsam auszunützen. Leo Berg mann, der nach beS Justizrates Aussage von jeher ein schlauer Fuchs ge wesen war, witterte einen Vorteil und verlangte detaillierte Zeichnungen. Heinrich sandte sie ihm, war aber klug genug, seine Bedingungen zu stellen, ehe er sein Geheimnis preisgab. Auch die Briefe seines Bruders, sowie die Originalzeichnungen hob er sorgfältig auf. — 73 — Freiherr v. Seeburg und Frau v. Sperber standen auf ewigem Kriegs fuß. Letztere fürchtete seinen beißenden Spott, erwartete aber doch jeden Lag seine Rückkehr, um die Neuigkeiten der Residenz und des Hofes zu er fahren. Er war unerschöpflich in Anekdoten und Witzen, die er mit einer Wichtigkeit erzählte, als sei das seine Lebensaufgabe. Hilde wunderte sich manchmal, wie ein Mann wie der Hofmarschall sich mit solchen Nichtigkeiten abgeben konnte und gar keinen höheren Lebenszweck kannte, als die kleinen und großen Schwächen der Menschen zu erforschen und sie zu geißeln. Er schien ihr geradezu ein Rätsel. Manchmal war es ihr. all schlummere unter diesem schillernden Kleide des Spottes doch ein guter, ge sunder Kern; aber wenn er dann wieder mit beißender Ironie über seine Mit menschen hsrfiel. schwand diese gute Meinung sofort. Einmal sagte sie ihm das geradezu ins Gesicht. Der Hofmarschall nickte ihr nach dieser Frage zu. „Sehen Sie," sagte er, „die gleiche Frage habe ich mir selber schon vor gelegt. Ich lveiß nur zu gut, daß ich ein alter Spötter bin, und die Frau Lberhofmeisierin weiß es noch besser." Diese seufzte aus tiefstem Herzensgründe. „Traurig — aber wahr!" sagte sie. „Sie haben mir übrigens alles redlich heimgezahlt, liebe Sperber," er widerte er, „denn, liebe Sperber: Ihr Schnabel ist noch schärfer gewetzt als der des Vogels, dessen Namen Sie tragen." „Das verbitt' ich mir!" „Verbitten Sie sich's immerhin; wahr ist's doch. Und ebenso wahr ist es, daß Sie ani besten in der Residenz den Punsch zu bereiten verstehen. Bitte unr ein Glas." Das verwhi.ii' Frau v. Sperber. Hilde gaudierte sich über das Gezänke der beiden und lachte. „Sie weichen meiner Frage aus," sagte sie. „Doch nicht," gab er zurück. „Denn sehen Sie — das ist unser Leben in dem Palais seit zwanzig Jahren. Jeder Tag bringt einen kleinen Streit und dann die Versöhnung. Sonst wäre dieses Leben ja nicht zu ertragen. Freilich, früher, als man noch jung war — oder als man sich wenigstens jung fühlte — da klopfte es da unterm Brustlatz oft recht wild und das Herz schlug Generalmarsch. Was, Sperberchen?" „Ach Gott, früher, früher . . „Na, Sie müssen nicht lamentieren, Sperberchen! Sie haben stets einen Kieselstein im Busen getragen —" „Sie sind ein Ungeheuer —" „Weiß ich . . . Aber die schöne Zeit ist vorüber. Man ist alt ge- H worden. Und doch nicht klug. Früher hat man über uns gelacht und über unsere dummen Streiche — „Aber Herr Hofmarschall. Sie führen zuweilen eine Sprache, die sich nicht für das Ohr einer jungen Hofdame ziemt —" „Weiß ich alles — aber wahr ist's doch! . . . Früher hat man über uns gelacht — jetzt lachen wir über andere! DaS ist der ganze Witz. Und wenn man so sein ganzes Leben lang in dieser dicken, feierlichen Lust zubringt, da schwimmt man mit dem Strome." tO „Schloß Sonneck.-