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stir. 111 — Seite 2 Moiltag öeii 17. Mai lstlö Sächsische Bolkszeilung Die ans den Wald-Karpathen vorgedrungenen Armeen setzen ihre Vorrückung fort. Eine starke russische Nachhut wurde gestern in der Gegend der Höhe Magier« zersprengt. 7 Geschütze, 11 Maschinengewehre wurden erobert und über I lltl l> Gefangene gemacht. Unsere Truppen sind vor- mittags mit klingendem Spiel, jubelnd begrüßt, in Sam- bor ei »gezogen. In Südostgalizien wurden nördlich Kolomra »cur Angriffe der Nüssen abge - wiesen, ein Stützpunkt dem Gegner entrissen. Weiter Pruth abwärts bis zur ReichSgrenzc herrscht verhältnis mäßige Nuhe. Ter Stellvertreter des Chefs des Generalstabs: v. Höfer, Feldmarschall-Leutnaut. In dem deutschen Tagesberichte vom Sonnabend wird mitgcteilt, das; unsere Truppen bei Bvei» weitere Fortschritte gemacht haben. Die Zahl der dort seit dem 22. April gefangengenonimenen Engländer beträgt 5450, wo;» »och 500 verwundete Gefangene kom men. Auch sonst steht unsere Sache auf dem westlichen Kaiegsschauplatze gut. Im Osten und Südosten machen tmr und unsere Verbündeten große Fortschritte. Oester- reich'ich-ungarische Truppe» stehen vor Przemysl. Kronprinz Nupprccht von Bayern feiert am morgigen 18. Mai seine» 16. Geburtstag. Der vorzügliche deutsche Heerführer hat sich in diesem Kriege in besonderem Maße die Grinst des deutschen Volkes erworben. Sein Name wird mit Achtung und Hochschätzung genannt. Wir werden morgen in einem Feuilleton auf den Lebens gang des bayerischen Kronprinzen zurückkommen. Heute gelten ihm kurz die herzlichsten Glückwünsche. Möge Gott der Herr ihm ein langes Leben und in diesem Kriege weitere große Erfolge schenken. X Deutsche Unterseeboote und im Mittelmeer gesehen worden. Der englische Gesandte in Athen hat von dem englischen Admiral der Tardanellen- tiotte eine diesbezügliche Mitteilung erhalten. Ein Tieg der französischen Flotte V erlin , l5. Mai. (W. T. B.) Am 13. Mai erschien der französische Kreuzer „d'Estrstes" vor Alerandrette und stellte den dortigen deutschen Konsul in einem Ultimatum vor die Wahl, die zur Feier des Himmelfahrtstages auf dem Kousulatsgebäude wehende deutsche Flagge nieder- z » hote » oder die Beschießung des Konsulats zu ge wärtigen. Der Konsul entließ den Parlamentär ohne Ant wort. Der nun einsetzeuden Beschießung fiel nach dem 15. Schuß die Fahnenstange zum Opfer. Die Be satzung begrüßte den erstaunlichen Erfolg mit stürmischem Siegesjubel. - So hat nun auch die französische Flotte mit Heldenmut ihren ersten Schlag gegen den Bestand des Deutschen Reiches geführt: sie kann diesen Erfolg mit Stolz in den Annalen ihrer (beschichte buchen, und braucht nicht mehr mit Neid auf den englischen Seesieg bei Bergen zu blicken. Abg. Erzberger mit Steinen beworfen K öl», 15. Mai. Tie „Köln. Bolksztg." meldet aus Lugano: Bei dem Tumult am gestrigen Abend wurde der in Nom weilende deutsche Neichstagsabgeordnete Erzberger im Automobil mit Steinen beworfen. Zn der Ablehnung der Entlastung des Kabinetts Salandra durch den König schreibt das „Berliner Tageblatt": Das Geschrei der Straße, die Drohungen mit der Revolution haben aus den König den beabsichtigten Eindruck gemacht. Es scheint, daß der Krieg, den Sonnino seit langem will, k a u m u o ch z u v e r hinder n ist. Sollte der Sturm losrascn, so wird man sehen, was er alles mit sich reißt. Man winkt dem italienischen Volke mit den zweifelhaften Glanzseiten des Krieges, der Beute und dem Ruhme, aber die Mütter gehören auch zum Volke. Wie dem „Berliner Tageblatt" aus Lugano berichtet wird, hatte der König eine lange Unterredung mit dem General st absch es. Dieser begab sich dann zum Kriegsminister. Weiter heißt es: Nach Verübung wüsten Unfuges gegen die friedensfreundlichen Blätter sei eine große Menge zur englischen Botschaft gezogen und habe Hochrufe auf das verbündete England Hochrufe angestimmt, worauf der Botschafter auf dem Balkon erschienen sei und gedankt hätte. In der „Deutschen Zeitung" heißt cs: Wir müssen auf verhängnisvolle, vielleicht vorzeitige Ent schlüsse gesüßt sein. Bereit sein, ist alles. Wir sind csl Darum dürfen wir dem Schlüsse des Dranias auch weiter- hin gelassen zusehen. Der „L o ka l a n z e i g c r" äußert sich: Die Ergebnis losigkeit seiner Bemühungen, einen Ersatz für das Mini sterium Salandra zu finden, mag den König in seinem Urteil über die wahre Stimmung der Kammermehrheit un sicher gemacht haben. Billigt die Volksvertretung die Poli tik Salandra-Sonnino nicht, dann wird das Ministerium Salandra doch entlassen. Allerdings muß man fürch ten, daß die Kriegshetzer in den nächsten Tagen in maßloser Agitation das Menschenmögliche leisten und die Depu tierten, welche Gegner des Krieges sind, einzuschüchtern sich bemühen werden. In der „Deutschen Tageszeitung" wird der Meinung Ausdruck gegeben, daß die Herren Salandra und Sonnino sich tatsächlich mit den Dreiverband s- möchten zu einem für sie persönlich bindenden Abkommen eingelassen haben. England rrchnct mit einem zweiten Winterscldzug Manchester, 16. Mai. Ter Londoner Vertreter des „Manchester Guardian" ist in der Lage, zu erklären, daß das Kriegsamt einen zweiten Winterfeldzug ins Auge faßt. Ter Verlauf des Krieges zwinge zur Annahme, daß er im Herbste kaum beendet sein werde. Die Militär behörden seien zum einem zweiten Winterfcldzuge ent schlossen. (W. T. B.) Zu dem englischen Kriege gegen die Wehrlosen läßt sich der „Lokalanzeiger" über Kopenhagen melden, man nehme an, daß sich außer den internierten Wehrpflichtigen noch -10 000 Männer und 10 000 Frauen und Kinder deut scher und österreichischer Herkunft in England sich befinden. Die Demonstrationen in London und in anderen englischen Städten nehmen ihren Fortgang. Die Läden und Woh- nungen der Deutschen werden zerstört und die Polizei tut fast nichts, um die Greueltaten zu verhindern. 43 englische Kriegsschiffe verloren Nach zuverlässigen, dem amerikanischen Marineamt zu- gegangene n Informationen hat England in den ersten Kriegsmonaten insgesamt 43 Kriegsschiffe eingebüßt. Nicht inbegriffen sind darin die verloren gegangenen Hilfs kreuzer und andere zum Flottendienst herangezogenen Pri vatschiffe, deren Zahl recht beträchtlich ist. Hinreichend gewarnt! Washington, 14. Mai. (Meldung des Neuter- schen Bureaus.) Die deutsche Botschaft forderte die Zeitungen aller großen Städte brieflich und telegraphisch auf, die Veröffentlichung der W a r n u n g s a n n o u c c e i n z u st e l l e n. Es wurde kein Grund hierfür ange geben, es hieß nur, die Botschaft erachte die gegebene War nung für hinreichend. Tic Helden von der „Emden" in Aleppo K o n st a n t i u o p e l, 10. Mai. Die Ueberlebenden der „Emden" unter Führung des Kapitänleutnants Mücke sind in Aleppo eingetroffen. Die Bevölkerung der reich beflaggten Stadt bereitete ihnen einen begeisterten Empfang. Ein englischer Torpedobootszerstörer vernichtet Konstantinopel. Nach glaubwürdigen Infor mationen ist außer dem Panzerschiff „Goliath" auch ein englischer Torpedobootszerstörer von den Türken in den Grund gebohrt worden. Wegen des herrschenden Nebels konnte man es jedoch noch nicht unzweifelhaft sicher feststellen. (W. T. B.) Drei Wochen Dardanelleu-Kamps Frankfurt a. M., 14. Mai. Einen interessanten Rückblick auf die bisherigen Kämpfe an den Dardanellen gibt der 5t o n sta n t i n o pe l e r Korrespondent der Frankfurter Zeitung. Er lautet: Die feindlichen Kriegsschiffe haben seit drei Tagen weder im Innern der Dardanellen noch im Golf von Saros irgendwie ernsthafte Tätigkeit zu entfalten versucht. Die höchstbegreifliche Ab spannung der Menschen und der Munitionsverbrauch, viel leicht nicht zuletzt wichtige politische Erwägungen können dieser relativen Waffenruhe zugrunde liegen. Es wäre aber verfehlt, sich deshalb in Sicherheit wiegen zu wollen. Jede Minute kann dieser furchtbarste Kampf, den die Welt geschichte jemals gesehen hat, von neuem mit voller Wucht cinsetzen. Ein aus den Dardanellen zurückgekehrter kompe tenter Augenzeuge versichert mir, daß die dortigen, nunmehr gegen drei Wochen Tag und Nacht ununterbrochen anhaltenden Kämpfe durch das gewaltige Zusammenwirken von See- und Landmacht als einzig in der Kriegsge- schichte dastehend gelten müssen. Wiewohl England beim jetzigen Dardanellenangriff die strategischen Axiome mehr berücksichtigte und nicht so außer acht ließ, wie am 18. März, sind seine mit schwersten Opfern erzielten Erfolge gleich Null. Tenn das wenige, was sie durch die Besetzung der Spitze von Sed-ul-Bahr und eines mehrere hundert Meter breiten Streifens bei Kaba Tepe erreichten, läuft in dem Augenblick Gefahr, im Sturmangriff verloren zu gehen, wo durch irgendwelche widrigen Umstände die feindlichen Flot ten ihren Landungskorps ihre ganze Mitwirkung nicht wer den leihen können. Sechzehn Tage und Nächte hielt ununterbrochen das feindliche Bom bardement an. Durch den gut funktionierenden Aus klärungsdienst seiner Fesselballons und bei Nacht durch kraftvolle Scheinwerfer wurde beinahe jede Terrainfalte unter Feuer gehalten. Ungeheuer sind die an die türkische Armee unter solchen Bedingungen gestellten Aufgaben zu yensten. Nerven von härtestem Stahl, die Nüchternheit und Todesverachtung der türkischen Soldaten waren die glänzenden Imponderabilien dieses Widerstandes. Wenn die Leute sich gut geführt und gut verpflegt wissen, ist der Heroismus des ottomanischen Kriegers nicht zu brechen. Aber ihr Opfermut in den Dardanellen übertraf selbst die kühnsten Erwartungen. Mit berechtigtem Stolz dürfen die Türken und ihre Verbündeten auf die regenerierte Armee blicken, die auf der Wacht der Meerengen übermenschliche Leistungen vollbrachte. In dieser Zeit glich die Halb insel Gallipoli einer wahrhaftigen Hölle. Die Berge schienen sich zu bewegen und zu tanzen, die klaren Lüfte zitterten, das Meer schäumte und wallte durch den un- geheueren Truck des feindlichen Bombardements und der diesseitigen Kanonaden. Von feindlicher Seite waren im Durchschnitt täglich zwanzig Einheiten in Feuerstellung. Es wurden täglich 50000 bis 60000 Schüsse abgefeuert, eine ungeheuere Zahl, meistens auS schweren 38- und 30,5- und nur zu einem geringen Teil aus 15-Zenti- meter - Geschützen. Die Kosten des gegnerischen Bombardements bloß an Artilleriemuni tion dürften täglicha»fetwa30Millionen Der Erbherr ven Hohenau Roman von H. v. Remagen (37. Fortsetzung) Nachdruck verboten Michael brach wie ohnmächtig zusammen: Wenzel stürzte einem Rasenden gleich auf den Arzt zu und faßte ihn bei den Schultern. „Doktor!" schrie er, „cs kann nicht sein, es darf nicht 'ein! Nein, »ein, sie ist nicht tot — um meines Bruders willen sagen Sie, daß Sic sich irren, daß sie nicht tot ist, o > rmcr Waldemar, o mein unglücklicher Bruder!" „Herr Graf," entgegnete der Arzt voll Teilnahme, „jasscn Sie sich, fügen Sie sich in das Unabänderliche. Ilm die Gräfin lebend zu machen, müßte ich Wunder tun können, und ich kann nichts, als sagen, sie ist tot!" „Also tot, wirklich tot!" stöhnte Wenzel noch einmal auf, „armer Bruder, wie wirst du den Schlag ertragen, wie wer den wir vor ihn hintreten können, Michael, wir, deren Schutz er sie empfohlen hat?" „Tod und Leben, Herr Graf, liegen in der Hand des Himmels. Was können wir Menschen gegen ihn? Wer ist stark genug, den Tod abzuwehren, wenn er uns ruft? Das gereiche Ihnen zur Beruhigung, das wird auch dem Grafen Waldemar zum Tröste gereichen. Es war Gottes Wille — beugen wir uns vor dem Willen Gottes." Er reichte den Brüdern seine Hände, dann eilte er schnell von dannen. Am Fuße der Treppe trat ihm der Rentmeister Gasda scheu entgegen. „Wie steht es denn oben, Herr Doktor?" fragte er, ohne den Blick zu erheben. „Es ist zu Ende, bestellen Sie den Sarg, ordnen Sie die Leichenfeier an." „Zu Ende — ganz zu Ende!" wiederholte Gasda mit dumpfer Stimme. I» demselben Moment kam Rösche» mit fliegenden Haaren durch die Vorhalle gestürzt. Der Rentmeister sprang ihr entgegen und hielt sie in seinen Armen auf. „Wohin, mein Kind?" fragte er erschreckt. „Zur Gräfin, Vater. Ich will die Gräfin sehen, ich muß sie sehen — die Leute sagen, sie sei tot, — die Leute lügen, sie lebt. — Laßt mich, Vater, — ich fühle es, — ich weiß eS, daß sie lebt!" „Du rasest, Kindl Hier steht der Herr Doktor, — er versichert, es sei wirklich so. „ihm wirst du es doch Wohl glauben I" „Nein, nein, ich glaube es ihm nicht," schrie nun das Mädchen auf und suchte sich aus den Armen ihres Vaters loszumachen. Da. wie mit einem Schlage schien ihre Kraft gebrochen, die Arme fielen ihr matt herab. Ein Zittern lief durch ihren Leib. Weit öffneten sich die Augen und starr und seltsam glänzend blickten sie wie in eine unbekannte, wunderbare Ferne hinaus. „Es steht nicht still, cs bewegt sich, — ich sehe es!" sagte sic mit scharfem Akzent. „Was bewegt sich, was siehst du. mein Kind?" fragte endlich der Rentmeister. „Ihr Herz sehe ich, es schlägt — leise, ganz leise, aber es schlägt! Ihr Blut sehe ich, es fließt — langsam, ganz langsam!" „Du träumst, Röschen, fiel ihr der Vater ins Wort. „Armes Kind." murmelte der Arzt, „der plötzliche Schreck hat sie verwirrt." „Aber es fließt! — Ihre Lungen sehe ich, sie heben und senken sich —" „Mein Fräulein." unterbrach sic der Arzt piquiert, „ich ehre Ihren Schmerz und Ihre Treue, aber was Sie zu sehen vermeinen, sind gar nichts als die Bilder Ihrer krankhaft erregten Phantasie!" „Die Gräfin lebt —" schrie sie laut und wild auf. „Sie ist tot," sagte der Arzt rauh und hart, und er griff die Hand des Mädchens und rüttelte sie heftig. „Sie lebt." wiederholte Röschen tonlos. „Herr Rentmeister, führen Sie Ihre Tochter nach Hause. — Sie sind verantwortlich für die Szene, welche sie mit ihren Visionen erregen müßte, wenn man sie an daS Bett der Entschlafenen treten ließe." „So komm, .Kind," sagte Gasda, der seine Aufregung kaum noch bemeistern konnte. Aber das Mädchen entwich ihm. „Ich will sie sehen," rief Röschen, „will allen sagen, daß sic nicht tot ist, daß sie nicht begraben werden darf." Sie stürzte auf die Treppe zu: aber ehe sie noch die erste Stufe erreicht hatte, brach sie ohnmächtig zusammen. Der Rentmeister, welcher ihr nachgeeilt war, fing sic in seinen Armen auf, trug sie über den Hof in seine Wohnung und ließ sie sanft in einen Sessel gleiten. Der Arzt, welcher ihm gefolgt war, trat heran und fühlte ihren Puls. „Für den Augenblick ist keine Gefahr," sagte er nach einer kurzen Pause, „aber Ihre Tochter bedarf der äußersten Schonung und vollständiger Ruhe: ihre Nerven sind in be- deutlicher Weise affiziert. Ich werde ihr Erwachen ab- warten, treffen Sie, Herr Rentmeister, inzwischen die ersten Anordnungen für das Leichenbegängnis, — die beiden Gra fen werden es Ihnen Tank wissen, wenn Sie dieselben dieser traurigen Pflicht überheben." Der Rentmeister rührte sich nicht. Bleich und unbe weglich starrte er auf sein Kind. Aber in seiner Brust fing cs an zu kämpfen und zu ringen. Dieser totesähnliche Zustand seiner Tochter, seiner ge- liebten Tochter, die all seine Sorge, all sein Glück war, be deutete er schon den Beginn der Strafe des Himmels? War das bleiche Kind dort zur Sühne für das Verbrechen des Vaters bestimmt? Oder zur Rächerin der Schuld? Wer sagte ihr, was nur er und die beiden Grafen wußten, was selbst dem Scharfblick des Arztes entgangen war, — wer sagte ihr, daß die Gräfin nicht tot sei! War es sein eigenes Gewissen, das ans dem Munde seines Kindes sprach? Sie ist nickst tot. sie darf nicht begraben werden, — er wußte es ja. daß sic nicht tot war. und er sollte das Begräbnis vor bereiten? (Forts, folgt.)