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Donnerstag den LS. September 1V20 Nr. »1». Seite, lichen Recht und von der lirchiichen Autorität berakm lassen; di« kirchliche Autorität, welche aus eine 1900jährige Ersahruug zurück- blicke» könne in den verschiedensten Kulturstaaten wolt: die konfes sionell« Schule Der Redner gab alsdann Aufklärung über Fragen, die aus der streitenden Elternschaft an die Schulorganisatwn gerichtet waren und die Schulsteuern, Schulgcls. Religionsunterricht zum Gegenstand halten und schloß mit den Worten des Abgeordneten Dr. Porsch aus der verflossenen Würzbm-er Tagung: „Wir stehen vor der Trennung von Staat und Kirche und vor einer Neuordnung unseres Schulwesens, bei welcher wir die christliche und damit die katholische Schule nur insoweit haben werden, als die Katholiken, insbesondere die katholüchen Eltern, auf dem Plan« sind. Katholiken von Plauen, seid aus dem Plane! — Dir Diskussion ging weiter. Der Vorsitzende, Herr GuShurst, war mahrhastig weitherzig. Alle gegnerischen Redner, wenn sie auch Nichtkalholiken waren, «»hielten das Wort. Zuerst sprach eine halbe Stunde Stadtverordneter Hofsmann (Unabhängig). An sach lichen Ausführungen brachte er folgendes: Die schulärztliche Für sorge lasse in der katholischen Schule z» wünschen übrig, Kinder seien aus der 6. Klasse entlassen. — Die Ausführungen von vier anderen gegnerischer Rednern wurden kaum von den Zuhörern angehört uni gingt?» im Lärm unter. — Zu den Ausführungen des Stadtverordneten Hosfmann (Unab hängiger) clrgreift Herr Direktor Schindler das Wort zur Rich tigstellung: Wir hatten für die latholischen Schulen seit 1912 einen Schul- arzt Dieser Schularzt hat voriges Jahr die Untersuchungen gründ licher vorgenommen, als das sonst der große» Zahl deic Kindr-r wegen möglich ist. Tie Lehrer opferten ihren freien Nachmittag und beteiligten sich an den Untersuchungen; auch die Väter und Mütter waren eingeladen und fast alle erschienen, Um eine ganz gewissen hafte Prüfung des Gesundheitszustandes vornehmen zu könne», fand ^die Umersuchung beim Arzte selbst, nicht in der Schuh: statt. In der nächsten Echulausschußsitzung fand deshalb eine Interpellation statt. Es wurde angesragt, weshalb die Kinder zum Arzt geführt worden wann; das sei nicht angebracht. Man siel also dem übgrgewissen- hafien Schularzt der katholischen Schule» in den Arm. Wie kann man sich denn heute über ungenügend« schulärztliche Fürsorge be klagen? Kinder seien aus der 6. Klasse der latholischen Schule entlassen worden. Das ist »rer in einem einzigen Falle vorgekommen. Ein Knabe, der vom Arzt mit sechs Jahren und mit 14 Jahren als völlig unleriichtsunsähig erklärt worden i-st, besucht auf Bitten der Mutter die katholische Schule, lediglich, weil dieses bedauernswerte Geischöpf Freunde in der Schule halt« und dann doch einige Stunden des Tages gut unlcrgebracht war. Vom Besuche der Hilfsschule war der Knabe ausgeschlossen worden, weil nicht einmal für die evangelischen Kin der genügender Platz vmhandrn sei. Ist denn die Behandlung des harmlosen, gutmütigen Jungen «in Vergehen? Muß deshalb die Schule ausgehoben werden? Uebrigens ist es uns beim besten Willen nicht möglich, soviel Minderbegabte latholischv Kinder in Plauen auszubringen, um eine eig'ne Hilfsschule einzurichten Die Forderung einer kalholisch-ton- sestionellen Hilfsschule ist von uns niemals gestellt worden. Wen sich Segen eine solche Anstalt ereifert, lämpfl gtgen Windmühlenslügel. Soviel zur Richtigstellung. Hätten die Herren, die solch unzutreffende Sachen verbreiten, erst einmal bei der Schulleitung angefragt, dann wäre die Berichtigung sofort erfolgt. Im Schulausschusse konnte ich nicht Stellung nehmen, da ich als gewählter Vertreter d'r-r katholischen Gemeinde seit Anfang des Jahres leine Einladungen zu den Sitzun gen mehr erhalten habe, auch keine Mitteilung darüber, ob und warum ich ausgeschlossen bin. Ich hoffe aus eine baldige glückliche Beendi gung d«s Streiks und bitte die katholischen Elttrn, uns ihre Kinder in die katholischen Schulen zu schicken. Htrr Rechtsanwalt Tr. Hille sprach das Schlußwort. Es sei scharf hergegangen am Abend. Eines müßten die Gegner aner kennen. sie seien zu Worte gekommen, — Die Strafverfügungen möch ten die Erziehungsberechtigten nicht fürchten; er sei der Ueberzcngiing, llmßAi'kvn nur» 8—8 6«üd«k», oamMl-bel-ei, Knn»I»«n«n> LsbalsborgsritraSs 19, ssreidorgsr?I»kr 19, Vkottinoe- »tnlS« S4, Killniteer 8te»S» 47, k«->esol,a!1,1eeks SV, Vksdsrga«« 4, HorollwsnsIraSa 12, lVatpurgisstraSs 1, tiolinoirslrsSs IS, plotealwusr- ste»8» 14, Kugiburgor Steaks 84. s167S nüsse. da di« Eltern sür ihr gute« Recht m Herzen den Eltern von Plauen die ka- daß Freispruch erfolgen «> kämpften Er wünsche von cholisch? SHrklr — ' Die Versammlung war in gewissen Letten so stürmisch bewegt, so daß alle Worte untsrgingen. Sie ist ein Beispiel dafür, welch hart, Kämpfe di» Schulsache noch nach sich ziehen wird auch an an dren Orten; sie ruft allen katholischen Eltern zu: Nur grüßte Entschiedenheit und Prinzipienfestigkeit ra,nn die christliche Schule retten! — Den Plauener Schulbehörde» abäc hat die Versammlung gezeigt, wie sie den Bogen überspannt haben, wie die katholischen Eidern mit geringen Ausnahmen für ihr; Schule bi« auss äußerste kämpfen. Nicht eher wird Rübe werden, bis die Eltern ihr Recht erhalten. — Am Lage »ach der Versammlung streike» über 800 katholische Schulkinder Plauen». Katholiken, unterstützt di: Glaubensgenossen sn PlauenI Gaben nimmt entgegen: das katholische Pfarramt in Plauen (Vogt- land), Postscheckkonto Leipzig Nr. 98 88S. Die deutschen Reichsfinanzen Berlin, 22. September. (Amilich) Heute nachmittag fand unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten eine Kabinettssttzung statt. Gegenstand der Verhandlungen war die Finanzlage des Reiches. Die Vesoldungsfrage, in der die Schwierigkeit der Fi nanzlage in letzter Zeit besonders deutlich zum Ausdruck kam, bildete nur einen politisch und materiell allerdings wichtigen Teil der Be ratungen. lieber di« Grundlagen der zu verfolgenden Finanz politik ergab sich ein« einheitliche Auffassung des Kabinetts, Zur Aufrechterhaltung des von dem Reichssinanz- mtnisier e'ugerelchien RücktrittsgesucheS lag leine Ver. anlassung mehr vor. Der Reichsfinanzminister leitete die Be ratung mit einer eingehenden Darlegung der Reichsfinanzlage ein. Im Anschluß an diese Ausführungen erörterte das Kabinett zunächst den Reßrenlenvorschlag für die Vesoldungsordnung. Die Beratungen führten zn dem Beschluß, daß der Referentenvorschlag mit Vorbehalt kleine»' Abänderungen zur Grundlage des Gesetzentwurfes gemacht werden soll, lieber die Notwendigkeit des Erlasses eines Sperr« gesetzes, durch welches eine einheitliche Regelung der Beamten besoldung im Reiche und den Ländern gesichert werden soll, herrschte Einstimmigkeit. Die Vorlage wird dem Reichsrate und dem Reichs tage alsbald zugehen. Der Neichssinanzminister entwickelte daraus in programmatische» Ausführungen eine Reih« von Forderungen, die er zum Zwecke der Gesundung der Neichssinanze» als unumgänglich notwendig bezcichnete Hierbei wurde als ein mütiger Wille des Kabinetts festgeslellt, daß die von d«r National versammlung verabschiedeten Stcuergesetze unbedingt durchgeführt werden. Keinerlei Abschwächung der Steuergesetze ist beabsichtigt, insbesondere gilt dies von dem Reichsnotopfer. Ein Gesetz entwurf. der auf der Grundlage des Neichsnotopsers einen erheblichen Teil seines Ergebnisses alsbald dem Reiche zusühren soll, wird mit Beschleunigung eingebracht werde». Das Rcichssönanzministerium wird dem Reichstage sofort nach seinem Zusammentritt Nachweise über den gegenwärtigen Stand der Steuerveranlagung und -Erhebung geben. Tie weiteren Erörterungen über die programmatischen Dar- b.-gungen des Reichsfinanzminifters führten zu voller Einmütigkeit tn dem Beschluß, die Stellung des Reichsfinanz Ministers im Reichslabinett zu stärken uind seinen Einfluß auf! die Finanzgebarung des Reiches zu erweitern. Dieser Beschluß wurde wesentlich mit Rücksich daraus gefaßt, daß eine un bedingte Notwendigleit besteht, zur Berineidung des Zusammenbruchs unsevcir Finalen einen Stillstand und womöglich einen Ab bau in den Reichsausgaben herbeizusühren, und alle Mittel zu ergreifen, um der weiteren Geldentwertung zu begegnen. Ueber folgende Grundsätze wurde ebenfalls Ein stimmigkeit hcrbcigesührt: In den ordentlichen Etat von 1921 sollen grundsätzlich keine neuen Ausgaben eingestellt werden. Eine shstemaiische Einschränkung dsv bisherigen Ausgaben ohne Unterbindung des Ausbaues von werbenden Anlagen soll in allen E'ats durchgeführt werde». Neue Beamtcnstellen sollen nicht geschaffen werde». Weiter wurde beschlossen, größte Sparsam keit auf persönlichem und sachlichem Gebiete bei schärfste» Nachprüfung aller Einsätze und Kürzung durch da- Reichs- finanzinmisterium, fortschreitende Abbau der bisher genehmigten Stellen, erneute Nachprüfung des Bedarfs in den einzelnen Ressorts unter Entsendung besonderer Kommissare oder sachverständiger Be auftragter des Finanzministeriums, scharfer und beschleunigter Ab bau der bestehenden Kriegsorganisationen, insbe» sondere der Kriegsgesellschasten und KrietzSstellen, unter Mitwirkung und Mitkontrolle des Rttchssinanzminislenums, schleunige Abwicklung der Kriegsfonds und Abbau der noch bestehenden Stellen des alten Heeres. Das Reichssinanzmintsterium wird darüber bet Zusammn-e- tritt des Reichstages sofort eine Denkschrift vorlegen Zusam menlegung aller Organisationen, welche gleichen Zwecken dienen. Ein besonderer Kommissar vom Reichssinanzminislerium wird alsbald die Zusammenlegungsarbeit rinleiten. .. lg de« Eisen. Da« Reichslabinett ist der Auffassung, daß die Beseitig»,, Fehlbetrages von IS Milliarden bet der 'Ei,-,,, bahn und 2 Milliarden bei der Post mit allen Krätzen angestrebt werden muß. Ueber die notwendigen und bereits in An. griff genommenen Maßnahmen machte der Reichsverkehrsminister Zn. gehend Mitteilungen. Schließlich trat das Kabinett i» eine Ex. vrterutig der S o z t a l t si e ru n g S fr a g en ein und besckiloß Z„. stimmig, den Reichswirtschastsminister zu beauftragen, aus der nun vorliegenden Grundlage des Berichtes d«r Sozialisierungskommisstun umgehend den Entwurf eines Gesetzes über die Sozialisierung de» Bergbaues vorznlegen. Die Ueberprüfung der Ernäb. rung« Politik dcs Reiches im Zusammenhänge mit der sinan- zielten Lage und der Weiterbehandlung der Wirtschaflsfragen ersvtzi, im Wirtschaftsausschuß des Reichslabinett-, !er am Freiing die pro- nammatischen Beratungen fortsetze,, wird Die obcrschlcs, s», Frage hat das Relchskabineit heute nicht beschäftigt. Die An. gaben eine« Mittagsblattes, die von einem neuen, vom Reichsminister Dr, Simon» ausgearbeiteten Plan« für Oberschlesien wissen wollen, sind völlig unzutreffend. Das Wirt-chafis- und F inauzpros.r ri nm Berkln. 22. September. lAmtklchl In der h-nilgen Sitzung de» Re>chskabin,'tts fühlte Reichssinanzministcr Dr. Wirib au«r Wir sieben offenknnbia vor der Notwendigkeit. ,,»S über die finan zielle La->e des Reiche« Rechenschaft zu geben. Wir müssen zu weit- tränender Entscheidung kommen und ein Wirtschaft«, „nd Finnnzvrogramm für die nächlle Zeit un« vornehmen Schlechte Finanzen sind wohl auch der Ausdruck einer krankhaften Wirtschaft. Niemand, insbesondere die Beamten, sollten sich der Gewalt dieser Sprache entzieh-n. Der Voranschlag kür da» Jabr19S9 siebt, wie er I b,m Reichstag rueebt. Einnahme« und Ausgabe, in HSbe von W7 M'l'arden 'wr. Der außerordentliche Etat steht Ausgaben vor in Höhe von 89,7 Milliarden und Einnahme» von 2 Milliarden, hat afto e'nen Fehlbetrag von 87 Milliarden. In diesen ZM-m find dl« reichseinrnrn Betriebe, Eisenbahn nnd Poll, nicht mit entbasten. Für ste lv-rd vielmehr ei» besoudcrer Hauskalt ausgestellt, bei dem jetzt für d'e ReichSeisenbahnvcrwaltung ein Fehlbetrog von 16 Milliarden und bei b-er Post r!» F hi betrag vonüberSMisfiarben sestiteht. Wen« e« nun auch oelvna-n Ist. den ordentlichen Haushalt bei bbchfter Anspannung aller E!r abmcquellen aus dem Papier zu balancieren» so verbleibt immer hin an» den nicht gc'c-ckien Ausgaben der außerordentlichen Haus- ba'1» der Post d Eisenbahn ein Stesamtsrhlbetrag von «7.7 nnd 18 Milliarden gleich SV.7 Milliarden Mark. Bei drn Ausgaben iind im außerordentlichen Haushalt allein an Aufwendungen aus Anlaß der Durchführung des Frieden^. Vertrags und ft'ner Bortrüge für da» RechnnngSiabr 1929 28 Milliarden Vorgehen. Dam kommen noch die finanziellen Anlagerungen an da« R ch sür Entschädigungen an RuchSange- bö'Ige aus Anlaß des FrlcdensveitrmS, welche geschützt weid n auf 7 M'lliarden, lkr Abtretung der deu '-den Handelsflotte ans 90 Mil liarden, sür die Liquidation deS den scheu Eig nuwtS im Ausland ans 10'/, Milliarden, für Ablieferung von Krieg- erät nlw. ouf 18'/, Milliarden. Die Gesaottlorderung für Enischüdigunaen au ReichSannehörige infolge de» Kneges beruft sich demnach ruf 131 Milliard e, wobei das In den lcnt i Wochen erfolgte Sinken de« Ma-lwerteS noch n-cht berückst,-^ at ist. Nicht entbalten find in diesen Zahlen die Summen, die das Reich für Lieferungen und Le-stungen zn v bat, die als Wiedergutmachung im Sinne de» Friedensvertrags an die einzelnen Ententestaat-n gewährt worden find und weiter gewährt w den. und deren Geiamthöhe sich überhaupt noch nicht absehcn läß:. Man muß sich nur diese ge- wa' wn, ans dem FriebenSv -trag infolge de« K.ie'eS sich ergeben den ZIss : einmal ruhig überlegen, um die ungeheuren Lall , di« allein au» Anlaß de? Friede"''Vertrags auf ! i liegen, cr nessen zu können. Die Krie-^auSgndcn llir das RectznungSiahr 1919, sowie für da« erste T tiel 1920 »' d der vorauSllchttlck« Bedarf für die Zeit vom 1. August 1920 bl<- einschließlich 8l. Mä->, 1921 w d sich auf ' ' l-sstcr-, rund 84 Milliarden M k belaufen. Eine Ziffer verölen!- noch besondere Beachtung, daß für den ge nannten Zeitraum allein für die Besatzung» he ere, den WiedergutmachungS-AuSschuß und andere alliierte Kommissionen 14,9 Milliarden erforderlich blei>en. ES ist deshalb nicht zu verwundern, daß die schwebende Schuld deS Reiches gewaltig in die Höhe geht und daß ihr Anwachsen »nd die damit verbundene Papierflut als lawinenhaft bezeichnet werden muß. Die schwebende Schuld de» Reiches ist im Jahre 1920, und zwar bi« zum 18. Sepie ..tk, um 47,6 Millte-ven gewachsen. Dt» diskontierten Schatzanweisungen und Schatzw. H el beliefen sich am 18. September auf 182,8 Milliarden Mark, wozu sich weitere Zahlungsverpflichtungen au» Schatzanweisungen und Schatz»,eckst "», sowie Sichcrheitsleistungen in Hohe von 18,4 Milliarden tz. rk gesellen. Dt, Gesamtschuli mit Einrechnung der fundierten Schuld im Betrage von 91 Milliarden beträgt demnach 242,7 Milliaroen. Dazu treten die den Ländern noch restlich M iiM Die Verderberin Roman aus der römischen Tampagna von Peter Dörfler (6. Fortsetzung.) Und wer war jener Feind? War es mein Vater? Sie leug» wie vor dem Bewaffneten, einen Mann zu haben. Ist der Vapr in ener unheilvollen Nacht ermordet worden? Wäre mein Sinn in enen entlcheidcndcm nächtlichen Sninden, die unser Glück begruben, chon geweckt gewesen, ich wüßt, Antwort auf alle dt« Sphinxrätsel, ür di« ich jetzt keine Lösung sind---. Ich sagte schon, daß ich so viel über die Erinnerungen der Schreckensnacht nachgedacht habe, daß ich picht mehr unterscheiden kann, was Wahrheit und was di« Frucht phamastisckier Grübelei ist. Wenn ich doch das ein« wüßte, ob der goldene Ring, der klingend ans den MarmorbMm fiel und blitzend' an mir emporspranq, der Trauring meiner unglücklichen Muvter ge wesen ist! Ach, wie ringe ich danach in den Kammern der Seele, die all meirre Erinnerungen an das Zusammenleben mit meiner Mutter wie heilige Reliquien ausbewahren, ein Kreuzbild zu er späh n, und wären es auch nur zwei quer übereinandergelegde rohe Stccklein, von einer Staude gebrochen, oder ein Madonnenbild, und wäre «S nm ein halberlöschtes Papier mit der ausgedruckten holden Gestalt eines Santo, so wie «s di« Priester den Kindern auf der Straße geben! O, welch ein Triumph wäre solch ein Fundl Welch rin Adelsbries. welch ein weitästiger Stammbaum — denn dann wäre ich gewiß, ein echter Römer zu sein und lei» Jude oder Bastatrd Romano de Roma — welch ein Mensch kann mit solchem Stolze von ßiner Vaterstadt sprechen wie der Römer, welch ein Fürst und König hätte eine erlauch'ere Ah-enr ihe als der echte Römer! Die lateinische Rasse, und mir ihr verschwistert und blutsverwandt die griechische, stelle,, das Edelreis dar, durch welches die ganze Menschheit der Wildheit und Barbarei entrissen worden ist. Das weiß ich jetzt, seit dem ich die klassischen Studien treibe und die Blätter der Geschichte Mit begeistertem Herzen umwende und Augen bst-kommen Hab« sür die Wucht der römischen Bauten und die Schönheit der griechischen Sta tuen. Märe ich nur in Zweifeln, ob meine Mutter einte Römern» oder Griechin gewesen Ist so schwelge ich in anmutigem Spiel deS Für und Wider, und eine wie die andere Entscheidung würbe ich mit einem „Applaudo" begrüßen. Aber jcm andere Frage, ob Römerin odor Jüdin, quält mich wie «in Volk die Unqewißheit, ob die nächst: Stunde Sieg oder Niederlage, Triumph oder Schande bringen werde. Wenn ich denke, was Große« mir meine Mutkr schenkte, wenn sie mit römischem Blute die Gefäße meiner Adern füllte, dann verehre sch ihr Andenken in heiliger Ehrfurcht trotz aller Leidabariinde. in die Abaut bat. Ich darf nicht sagen: Hier leben die Taten deiner Väter; die Unsterbliches in die sterblichen Frühling, und Sommer htneingebaut habe«, sind Fleisch von deinem Fleisch. Ist doch ille» tz^mein und niedrig, wa» ander« Nationen geschaffen haben. Wa« ist mir Babylon und Memphis, was Salem und Ninive? Ich kenne nur sie uns, ihre arme Brut, trotzig mit hinabriß. Aber wenn sie als Jüdin mich in den jüdische» Stamm einreihte, dann habe ich an all edm Großen, wa» ich hier in Rom sehe »nd in den Büchern des LiviuS und LaciiuS lese, leinen Teil Als ein Fremder gehe ich durch Rom und bestaune mit indischem Auge, was eine fremd« Nation eine Liebe: Roma, Momal Hatte ich schmiegsam: Tonerde hier und gehorchte di« Kraft und Geschicklichkeit meiner Fiuge.r dem Befehle meines Geistes und Wil lens, ich könnte der Mutter Gestalt nur Gcsichtszüg« nachbilden bis aus den letzte» Zug, so treu hat mein Gedächtnis jede Linie dieses schönsten Antlitzes ausblwahrt, das ich je gesehen habe. O diese Züge, die mir lange Zeit neben der Schwester kindlich unfertigem Antlitz entgegenttalen, fremd und götterser» waren sie mir, und doch habe ich-sie so heiß geliebt wie nichts aus der Welt. Diese breit« Stirn, die wolLnschtver übqr den Augen lastet! Der Schwung der tieflchwarzen, schmalen Brauen, deren Bogen von einem einzigen Pinselstrich eingeschrieben zu sein schien, kühn und zart zugleich. Darunter lohte das Feuer der dunklen Augen. Es war kein Herd- seuer. Meine Mutter glich einem düstcrschönen, abgeschlossenen Götterbain und ans ihren Blicken glastest » Opserbrände ohne Unter laß. Denn in Gedanken schlachtete und vernichtete sie zu icdcr Stunde ihre Feinde nnd verzehrte sie mit dem hi-llauf lodernden Feuer ihres Hasses. Manchmal zog sie den Schütter der seidenen Wimper über diese einzig ossenstehende Psvne ihres Jnnlebens. Dache sie wohl über die Ereignissie jener Schreckens nacht nach? Nie bewegte sich der schöne, stolze Mund, um im heimlichen Selbstgespräch mit den Ge sichten zu reden, die vor ihrer Seele standen. Dieser Munsl Ein mal muß er koch auch gelacht habenl Sonst wäre er unmöglich so weich und schön gebildet worden Jsitzt aber war es ibm durch einen harten Entschluß ihres ungeheuren Willens verboten. T!o mio, unsere kleine Virginia war oit so drollig, daß sie mit ibrem holden Lachen und ihren lustigen Einfällen Wölfe beMmt batte. Aber Mntters Mimb schien sich nicht einmal gegen ein Lächeln wehren zn müssen. Jmmvr aber, w-nn ich in Stunden heiße» Heiniwebs und qänlender Zweifel das Entlitz der Mutter aufdecke, dann lege ich kein götilicnen Bild die eine Frage vor: Welcher Rasse gehörst du ans O wie schön war dies« Nase geformt! Wie wölbten und blähten sich ihre Flügel, wenn sie erliegt war! Und der Nucken des schmalen Nasenbeins ver lies in sanfter Schwingung, ohne allzu männl'ch und hart hervorm- svringen. War nur ein Zug, eine Linie semitischer Bildung in die- 8>c«n> Formen? In peinvoller Angst sehr ich sie bisweilen so. . . Dann zuck« ein Schmvrz in mir auf, als hätte mir jemand -ine ent» ehwndr Episode aus ihrem Leben erzählt. Wie oft studiere ich die GesichtSzüge der altrömlischen Frauen, die uns die Epitaphken »nd Statuen der großen Künstler ausbewahrt haben, odsr ich betrachte die edlen Frauen, d«: unser Kloster besuchen oder in der Carrozza an der Pforte vorbeisaftren. Und wenn ich dann sinke, daß gerade die römisch«» Frauen di« starke, rückwärts neigend, Stirn, den charakter vollen Schwung der Nase und di« säst mandelförmig r.-schlitzten, weit und dunkel wie Krater geöffneten Augen besitze», dann juble ich aus. Romana de Noi. a! Und ich schwöre bei Juno, der Mutter der Götter und Mensche», und bei der Mutter der Heroen Romulus und Remus und bei all den schönen und edlen römischen Fc.ruen, die cer Welt ihr» Bezwinger und Herrscher gegeben haben: Meine Mutter ist ihrer wert, denn sie ist von echtem Stamm! Derselbe uralt-heili,: Wurzelstock, dem di« Gracchenmutter und Livia und Vittoria Colonna -c«: »sprungen sind, hat auch ihr Vlm nnd Säst und Mark gegeben. Und darum, wenn Ich durch das Form» schreite nnd römische Gt.z- schichte studieren, bin ich im Vaterhaus nnd durchwandere meine Ahnengalerie. O Mutter, wenn ich dein gedenkst, dann werden all meines Lebens Rätsel wieder «n mir woch! Heimatsehnsucht um schleicht mich, die Campagne, das Land der Ruinen und Räiftl, zieht mich an. Ich vergessen, wie es voll von Fiebeksünsten und Schrecke» ist Ich weiß nur noch, daß ich dort meine Mutter und Schwester begrabe» habe, und daß meine ganze Lwbe in.einem der Täler be graben liegt, und daß ich dort einmal selig wie ein Vogel und un glücklich wie ein ruhloser Dämon gewesen bin. Jetzt aber dünlt wich alles wundersam schön. Campagna, ich fü'ltte mich vor dir wir vor einer Versucherin! . . . Deine Erinnerungen umstricken mich wie eine Zankenoelt. Hilf. Himmel, — was steigt da plötzlich in mir auf, welche Bilder, welche Sehnsucht so groß und schön, daß ich mich fürchte und entsetze! Ms ein unwissender Wilder habe lch in der Cam pagne gelstbt. Wie schön müßte sie sich dem Wissenden offenbare»! Noch einmal möchte ich durch das Steppengras zigeunern und dm Frühling der Macchien schauen, noch -.inmal möchte ich am Strand« dahinreiten, hoch auf struppigem Roste mit fliegendem Haar und fliegendem Herzj nl Bor mir das blaue Meer, hinter mir dir golden« Sonne und ganz im Süden der Zaubcrberg des Circcselsovs. O Campag'na, du hast mir die Schwester gemoidn und die Mutter verschlungen! Campagna, du Füllhorn, überfliegend von Schönheit, von Heitttrkeit und göttlicher Melancholie! Ich habe dich geliebt wie Zeus seinen Olpmp, und ich fühle es, daß di-e Liebe zn dir nur ge schlafen hat, aber schlafend gewachsen ist und nun in mir brennt wie ein zehrend Feuer. Mein Geheimnis schlummert in dir. O, wenn ich es weck.m könnte! Dkr Mutter Grab könnt: reden. All meine Zweifel und Nöte fänden dort ihr« Erlösung. Mutier, warum habe ich dich solange nicht heimgesucht! Dringen nicht fernher Stimmen zu mir und rufem: „Komm heraus. Sohn der Campagna! Die Mut ter trautrt um dich Sie ist müde ihrer Einsamkeit und ihrer Ge heimniste »nd sendet dir Botschaft, du möchtest zu ihr .'ommen . . . .* Mehr hatte der Professor seinem Schäl« nicht entrissen. E' sah wohl, daß der letzte Teil nicht für seine Augen bestimmt war, denn er war rin Bekenntnis, keine Stilübung DaS Gelesene ge nügte ihm zu dem bündigen Urteil: Romolo ist ein Schwarmgeist. Man muß ihm seine Flügel stutzen sonst ziehen wir eincu Kuckuck in unserem Neste aus ^Fortsetzung folgt s < .