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Zweites BLan Sächsische Bolkszeitu»g vom 29. April 1919 Nr. r>7 keine Ueberschähung der Vauarbeiterlöhne! In der Vorstellung weiter Kreise unserer Bevölkerung find die Maurer, Zimmerer und Bauarbeiter die bestge- stelltesten Arbeiter. Man hört von Stundenlöhnen von 50 bis 60 Pf. oder noch mehr, vergleicht sie mit den Löhnen anderer Arbeitergruppen und glaubt dann zu finden, daß die Bauarbeiter doch ausgezeichnet bezahlt sind. Eine solche Meinung ist aber grundfalsch. Wenn man das Einkommen der Bauarbeiter berechnen will, darf man nicht einfach die Stundenlöhne zugrunde legen, sondern es mutz dabei beachtet werden, daß das Jahreseinkommen der Bau arbeiter von einer ganzen Anzahl anderer Umstände ab- hängig ist. Zunächst ist zu beachten, daß Stundenlöhne über 50 Pfennige nur in größeren Städten und in den Jndustrie- bezirken bezahlt werden. Eine Statistik, die 1905 für die Maurer aufgenommen wurde, ergab, daß nur 30,6 Prozent der Befragten einen Stundenlohn von 50 Pf. und darüber erhielten, wohingegen 29,5 Prozent mit 40 bis 49, 39 Pro- zent mit 30 bis 39 und 6 Prozent unter 30 Pf. pro Stunde entlohnt wurden. Dieselben Lohnverhältnisse treffen für die Zimmerer zu. Die Bauhilfsarbeiter dagegen sind ge- wöhnlich 10 Pf. pro Stunde niedriger entlohnt. Seit Auf- nähme der Statistik sind wesentliche Verschiebungen der Lohnverhältnisse nicht zu verzeichnen. Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, daß nicht von den höheren Stnndenlöhnen an einzelnen Orten mit besonderen Teuerungsverhältnissen Schlüsse auf die allgemeine Ent lohnnng der Bauarbeiter gezogen werden können. Nach Abzug der gesetzlichen Feiertage kann im günstig sten Falle ein Bauarbeiter rund 2800 Stunden im Jahre Beschäftigung finden. Bei einem Verdienste von 50 Pf. pro Stunde ergibt sich das Jahreseinkommen von 1400 Mark. Tatsächlich wird dieser Verdienst aber nicht erreicht, weil die Zahl der gearbeiteten Stunden von den Witterungsver hältnissen abhängt. Wie oft kommt es nicht vor, daß 1 bis 2 Tage in der Woche wegen Regen gefeiert werden muß. Im Winter ruht durchschnittlich die Bauarbeit 8 bis 10 Wochen wegen Frost. In keinem (Gewerbe ist der Wechsel der Arbeitsstelle so groß wie im Baugewerbe. Das hat seine natürlichen Ursachen. In einigen Wochen sind unsere gewöhnlichen Wohnungsbanten im Rohbau voll endet. Die Arbeiter sind dann meistens gezwungen, eine neue Arbeitsstelle aufzusnchen, was nicht ohne Verlust von Arbeitsstunden, ja Tagen geschehen kann. Vor wenigen Jahren war es noch üblich, daß die Arbeiter in solchen Fällen, wenn irgend möglich, bis zum Wochenschluß (Sonn abend) beschäftigt wurden. Heute gibt es das nur noch wenig. Zuletzt ist auch nicht zu vergessen, daß ein großer Teil der deuschen Bauarbeiter sogenannte Saisonarbeiter sind, die gezwungen sind, zwei Haushaltungen zu führen. Tau sende ziehen alljährlich in die Großstädte und Industrie Zentren. Monatelang sind sie von ihren Familien getrennt und müssen die Kosten eines doppelten Haushaltes be streiten. Alle diese Dinge müssen berücksichtigt werden, wenn man Vergleiche zwischen den Löhnen der Bauarbeiter und der übrigen Arbeiterschaft ziehen will. Sächsischer Landtag. Dresden, den 27. «rrU 1910. Die Erste Kammer trat heute in Gegenwart des Prinzen Johann Georg zu einer dreistündigen Sitzung zu sammen und nahm zunächst den Entwurf eines Gesetzes betr. die Grundrenten- und Hypothekenanstalt der Stadt Dresden mit den von der ersten Deputation beantragten Abänderungen an. Vizepräsident Oberbürgermeister Geh. Rat Dr. Beutler dankte hierbei der Staatsregierung und der ersten Deputation für das der Vorlage entgegen- gebrachte Wohlwollen. Kammerherr SahrervonSahr- Ehrenberg erklärte, daß er aus sanitären Gründen die im 8 8 des Entwurfes vorgeschlagene Schwemmkanalisation nicht anerkennen könnte. « An zweiter Stelle nahm die Kammer den Entwurf zu einem Gesetze betr. die Feststellung der Unschädlichkeit bei den Landrenten und den Landeskulturrenten unverändert nach der Vorlage an. Weiter genehmigte die Kammer nach einem Berichte des Vizepräsidenten Oberbürgermeister Geh. Rates Dr. Beutler einen Gesetzentwurf zur Abänderung des Gesetzes vom 3. Juli 1902 betr. die direkten Stenern, sowie Titel 14a von Kapitel 96 des ordentlichen Etats, die Volksschulen betreffend. Oberbürgermeister Dr. Dittrich wies darauf hin, daß namentlich die Stadt Leipzig durch das neue Ge setz schwer geschädigt werde, weil sie eine viel zu geringe Staatsbeihilfe erhalten würde als bisher. Hierin liege eine große Ungerechtigkeit, weshalb er die Negierung bitte, solche Schäden in Zukunft abzustellen. Staatsminister Dr. v. Rüger kann eine Ungerechtigkeit nicht anerkennen, wenn er auch zugeben wolle, daß die Stadt Leipzig bei den neuen Bestimmungen ungünstiger dastehe. Staatsminister De. Beck erklärte, daß ein schonender Ausgleich getroffen worden sei, um diese Härten nach Möglichkeit abzumildern. Außerdem genehmigte die Kammer nach Kapitel 80 und 99 des ordentlichen Etats betr. die Hochbauverwaltnng und die Taubstummenanstalten und ließ schließlich noch eine Petition auf sich beruhen. Nächste Sitzung: Dienstag den 3. Mai mittags 12 Uhr. Kirche und Unterricht. k Konsekration des neuen Bischofs von Leitmerit». Es ist nunmehr bestimmt, daß die Konsekration des neuen Oberhirten der Lcitmeritzer Diözese, des Bischofs Joseph Groß, am 2. Mai in dem St. Veitsdome zu Prag durch den Kardinal Skrbensky stattfinden wird. Die feierliche Inthronisation ist 14 Tage später, am 5. Juni, in der Leitmeritzcr Domkirche. Durch erstere erhält der Neu- ernannte die bischöfliche Weihe, durch letztere nimmt er feierlich Besitz von seiner Würde und seinem Amte. Das Geschenk des Papstes für den Wallfahrtsort Tschcnstochau. Demnächst wird die vom Papste für das be rühmte Marienbild in Tschenstochau (Rußland) gewidmete mit Edelsteinen besetzte goldene Krone eintreffen. Die russische Regierung gestattete die zollfreie Einfuhr. Be kanntlich war das Marienbild seines kostbaren Schmuckes beraubt worden. k Tie künftigen Kardinale. Im heurigen Juni sollen neue Kardinalsernennungen erfolgen. 18 Kardinalshüte sind frei, wovon aber angeblich nur sieben oder acht zur Vergebung gelangen. Sicher sind auf jeden Fall bereits folgende Kardinalsernennungen: Granito Belmonte, Nunzius in Wien; ferner Amette, Erzbischof von Paris; B u r n s, Erzbischof von London; Bella, Erzbischof von Lissabon: weiters Bisleti, der Majordomus des Papstes und endlich Giustini, der Sekretär der Kongregation der Sakramente. Volkswirtschaft. Handel und Verkehr. I> Von der Berliner Börse. Fondsbörse vom 23. April. Bei Eröffnung zeigte sich geringere Kauflust, eher Neigung zu Abgaben. Wenigstens trat diese Tendenz auf den wich tigen Gebieten der Montan- und Bankaktien klar in die Erscheinung. Auf dem Bahnenmarkte hingegen nahm die Aufwärtsbewegung der letzten Tage zunächst ihren Fort gang. insbesondere wurden wiederum Anatolier, Schantung und Warschau-Wiener gekauft. Die allenthalben zutage tretende Steigerung der Einnahmen fördert das Interesse für Bahnwerte. Was die oben gekennzeichnete Zurück haltung der Börse ans den anderen Gebieten anlangt, so war sie vornehmlich durch die wenig befriedigenden Mel dungen von Nenyork und Paris sowie durch die noch immer nicht behobenen Geldsorgen hervorgerufen. Die Gold eingänge in London bleiben weiterhin unzureichend. End lich verstimmten auch die Meldungen über Feierschichten auf einer Zeche der Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft. Im weiteren Verlaufe verlor auch der Bahnenmarkt seine Festigkeit, und auf den übrigen Gebieten verstärkte sich die Nealisationsneigung derart, daß die Börse schließlich den Eindruck der Flauheit machte. Montanwerte büßten meist über 1 Prozent ein, Banken waren weniger stark rückgängig, tendierten jedoch ausnahmslos nach unten. Am Bahnen markte gingen Warschau-Wiener schließlich über 2 Prozent unter die gestrigen Schlußnotierungen zurück, ferner lagen Amerikaner schwach, während Meridionalbahn und Fran zosen leicht gebessert blieben. Anatolier und Schantung stellten sich schließlich ^ Prozent unter die ersten No tierungen. Renten waren fest. Schiffahrtswerte abge schwächt. Elektrizitätsaktie» nicht einheitlich. Schluß matt. Privatdiskont unverändert 3'/, Prozent. — Produkten börse vom 23. April. Von Amerika lagen zwar wieder höhere Notierungen vor, doch blieben hier am Frühmarkt Weizen und Roggen fast unverändert, da einige Reali sationen eine Preissteigerung verhinderten. An der Mittag- lörse trat zunächst keine nennenswerte Veränderung ein. Die Käufer hielten sich zurück und das Geschäft blieb klein. Genchlssaal. Dresden. Ter Prozeß Berger kontra Rundschau begann am Mittwoch vor dem Schöffengerichte. Es waren über 40 Zeugen geladen. Vor Eintritt in die Verhandlung ermahnt der Gerichtsvorsitzende die Zeugen in eindringlicher Weise, -- >' EW Z 1 — 144 — Ein paar Männer kamen zögernd heran und verpflichteten sich ebenfalls zur Arbeit. Die Frauen und Mädchen hielten noch zurück; sie wollten es erst crbwarten. Franz war zufrieden: sechs Männer, das war genug für den An fang. Er frohlockte im stillen. „Wartet nur," dachte er, „ich bringe euch alle noch herum, alle. Mit Gewalt niuß man euch ja doch zum Glücke verhelfen, ihr Dickschädel." Sie gingen auseinander, und die Sache wurde von den Bewohnern des Erlengrundes bis in die Nacht hinein besprochen. Franz geleitete Grete noch ein Stück Weges. Da kam ihnen der Post bote entgegen und brachte einen eingeschriebenen Brief, dessen Empfang Grete bescheinigen sollte. Sie gingen zusammen zum Buchhofe. Franz wog den Brief in der Hand und besah sich die Schrift, so gut es in der Dämmerung möglich war. Er zuckte zusammen: seines Vaters Schrift! Was bedeutete das? Setzte er den Kampf fort? — Oder war es ein Friedenszeichen? Er blieb nicht lange im Zweifel: sein Vater kündigte eine Hypothek von zweitausend Gulden. Franz biß die Zähne zusammen. Also Kampf! Gut. er nahm ihn auf. Am anderen Tage schon gab er das Geld zur Post. Das litt sein Stolz nicht anders. Auf dem Wege zum Buchhofe begegnete ihm Lorenz Mnrrner. der frühere Knecht von Buchhofe. Er schien schon in der Frühe getrunken zu haben, denn er roch nach Branntwein. Es ekelte ihm vor dem Menschen. Der Knecht kam auf ihm zu und schrie ihn an: „Ins Zuchthaus bringe ich euch alle — alle — Lumpenbandel" Franz trat zur Seite. Die alte Bauernregel fiel ihm ein: daß einem Betrunkenen ein Heuwagen ausweichen müsse. Aber das schien den Knecht nur noch mehr zu reizen. Er sprang auf Franz zu und gab ihm einen Stoß. „Dich mein ich — dich!" In Franz rührte sich der Bauernstolz. „Mensch, geh mir ans dem Wege!" Der Knecht lachte roh. „Fürchten? Vor so grünem Jungen? Na, das gibt's nicht. Ins Zuchthaus —" Da packte ihn Franz mit beiden Händen, hob ihn hoch und schleuderte ihn mit solcher Gewalt über die Straße, daß er in dem nächsten Graben wie tot liegen blieb. Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, ging er heim und an die Arbeit. Dort erwartete ihn eine freudige Ueberraschung. Die Männer aus dem Erlengrunde waren da und verlangten, daß ihnen die Arbeit ange wiesen würde. Auch einige kräftige, junge Mädchen hatten sich ihnen beigesellt und wollten es mit der Feldarbeit versuchen. Franz ging mit ihnen auf die Felder und wies ihnen die Arbeit an. Er war fröhlich und heiter gestimmt. Nun hatte er da mit einem Male eine kleine, feste Kerntruppe von arbeitsfrohen Menschen, mit deren Hilfe den Buchhof bewirtschaften konnte. Das war ein froher Ans blick in dieZukunf /. — Eine Woche lang ward rüstig gearbeitet, und Franz sah init Ver- wundern, wie das begonnene Werk sichtlich voranschritt. So ein paar Jahre lang gearbeitet, und der Erfolg konnte nicht ausbleiben. Das mußte eine Freude werden. Franz Tafinger war der Liebling des Dorfes. Ein schöner flotter Bursche, war er allen gut gewesen und jetzt, als er mit dem Ehren zeichen der deutschen Krieger, mit dem Eisernen Kreuze auf der Brust aus Frankreich zurückkehrte, erschien er den Leuten wie ein glänzender Held. So sehr man seinen Vater fürchtete und haßte, so sehr ward er geliebt. .. 141 Ganz schlimm war der Zustand des Hauses, mehr als zwanzig Jahre war nichts mehr daran geschehen, und er wollte es gründlich ausbessern. Das Haus sollte von außen sein altes, liebes Gesicht behalten — aber es mußte im Innern viel erneuert werden, wenn es ein behagliches Wohnen auf dem Buchhose werden sollte. Es war eine schwere, mühsame Arbeit, und sie kostete dem jungen Bauern große Opfer an Mühe und Geld. Dabei drängten die Feldarbeiten, und was das Schlimmste war: es fehlte an Händen, die bei der Arbeit Zugriffen. Da war guter Rat teuer. Oft zerbrach er sich den Kopf darüber, wie dem wohl abzuhelfen sei, wo und wie billige Arbeitskräfte zu bekommen wären. Abends, wenn die Arbeit getan war, setzte er sich auf ein Stündchen vor des Spielmanns Haus und plauderte mit diesem von dem krausen Welt lauf. Ta war es lieb und traut. Ta blühte der Flieder im Garten, da sang die Geige, und die Friede! huschte für eine Viertelstunde herüber. Die beiden neckte» sich und trieben ein. schalkhaftes Spiel und lebten heiter und sorglos wie ein Spatzenpaar, das sich zankt und streitet und doch wieder verträgt. lieber aller Arbeit und allen Sorgen war es Mai geworden. Der Früh ling lachte über den See, die Bäume standen in weißem Blust. Es war ein wunderbarer Maiabend. Ein leichter Wind rüttelte über den Bäumen, weiße Blütcnflocken flogen durch das Tal, ein köstlicher Duft stieg auf den Gärten und Feldern auf, die Sonne schoß purpurne Pfeile über das Land — da fingen Fenster und Giebel in Rosenpracht zu glühen an. Die Luft war so köstlich, daß man leicht und frei atmete wie auf hohen Alpen bergen und sie duftete wie Balsam. Franz saß vor dem Spiolmannshäuschcn und reckte die Arme hoch. „Himmel, wie ist die Welt so weit und die Heimat so schön!" Hans, der Spielmann, kam mit der blanken Trompete aus der Türe und setzte sie an den Mund — ein Heller, lockender Ton zog in den Abend hinaus, süß und schmelzend wie ein Liebeslied. „Hoho," sagte Franz, „gilt der Gruß der Liebsten?" Hans lachte, setzte die Trompete wieder an und wiederholte den Lockruf. Dann nickte er. „Das heißt: Feierabend!" „Sonst nichts?" „Doch: Komm zu mir!" „Na, da wird man bald ein rotes Röckchen flattern sehen." „Kann sein, Franz. Warum lockst du nicht?" „Geh — ich Hab zu viel Arbeit, zu viel Sorgen." „Du bist zu ernst, das ist nicht gut für ein Liebespaar! Liebe will Son nenschein, Freude, Glanz, will Klang und Sang — sonst verkümmert sie. Sonst wird sie sauer, wie Wein, der nicht gärt." „Du magst recht haben." Er lachte. „Ich will meine Gret holen, sie soll auch mitlachen." Nun lachte Hans. „Brauchst nicht gar weit zu gehen. Dort oben unter den Linden leuchtet ihr blondes Haar." Er winkte hinauf mit der Hand. Da stieg Grete mit errötendem Gesicht herab und setzte sich zu ihnen unter den Fliederbusch. „Schau, schau," sagte Franz, „ich hätte nicht geglaubt, daß mein Mädel den Weg zum Liebsten sucht." -'-W . V ^ ^Heimaterde/