Volltext Seite (XML)
Zweites Blatt Nr. 69 Sächsische Volkszeitung vom 24. März 1911 Deutscher Reichstag. Sitzung vom 22. März 2 Uhr 20 Minuten. Abg. Dr. E ä r w i » ke l (Ntl.) tritt für die Komniis- sionSanträge ein. Wir sind gegen jede Gesetzesänderung. Abg. Dr. Nösicke (Kons.): Die von der Kaliindustrie aufgebrachten Gelder müssen nach 8 27 wieder dieser zu- fließen mit Ausnahme der Ausgaben deS Reiches. Wer soll die Propagandagelder erhalten? Auf den Preis haben diese keinen Einfluß. Seit dein Bestehen des Gesetzes ist noch kein Pfennig an Propagandageldern bezahlt worden. lHört!) Die landwirtschaftlichen Genossenschaften haben noch keinen Pfennig von diesen Geldern erhalten, und doch Propaganda gemacht. Der Wert der Empfängerprobe ist nn Steigen begriffen; es wird heute reell geliefert; früher mar mehr Untergehalt vorhanden. Warum bringt man die Politik in diese Frage herein? Der Bund der Land wirte hat als solcher mit der Sache nichts zu tun, nur die Genossenschaft desselben. Wir haben nichts dagegen, wenn alle Genossenschaften Propagandagelder erhalten. Aber das letztere ist kein Vergnügen. Ein Zusammenschluß aller Organisationen bringt Vorteile und es ist gut, daß ins ffalibezieher sich zusammenschließen. Man kann uns keine Korruption Nachweisen, man redet davon, aber eine solche ist nicht da. (Beifall.) Abg. Gothein (Vp.) kommt auf die Schaffung des Gesetzes zu sprechen; dieses habe große Spekulationen her- rorgerufen. Die ganze Art der Propaganda im Jnlande ist verfehlt: man braucht gar keine solchen Versuche mehr zu machen, denn es ist alles ausprobiert. Die kaufmännische Propaganda ist viel wichtiger und diese soll nichts erhalten. Redner bespricht den Fall Soxleth-Wagner. Der Bund der Landwirte ist ein politischer Verein und darf daher keine Propagandagelder erhalten. Wir protestieren gegen die Unterstützung politischer Vereine durch die Reichskasse. lBeifall.) Abg. Dr. Arndt (Rp.): Zuerst muß der Etat fertig gebracht werden; das ist unsere Pflicht. Politische Organi- stionen erhalten nichts von diesen Geldern. Es sind Jn- knistriegelder und diese müssen der Industrie zugeführt werden. Abg. Korfanty (Pole): Der Abg. Dr. Heim l'i sich nicht erboten, für uns in die Kommission einzutrete.i; ich habe mich an ihn gewendet um Information, da sagte cr mir, daß er nicht Mitglied der Kommission sei. Da er der beste Kenner des Kalihandels ist, habe ich ihm unseren Sitz angeboten und er hat der guten Sache genützt. Wir können für den Kommissionsantrag nicht stimmen. Für die politischen Genossenschaften muß auch Propagandageld gegeben werden. Abg. Hilpert (wild) tritt für Zulassung der kleinen Genossenschaften zum direkten Kalibezuge ein. Abg. Dr. Heim (Ztr.): Alle Gelder aus der Kali abgabe sind für die Industrie zu verwenden. Ein Reserve fonds hat keinen Sinn. Wir müssen in der Auslandspro paganda tüchtig arbeiten, um den Markt zu besetzen, das ist besser als ein Reservefonds. In der Kommission hat man sich meiner Auffassung stark genähert. Redner begrün det seinen Antrag, der sich mit der Höhe der Abzüge, Staffe lung der Nabattsätzc, Veröffentlichung der Probeabnahme- bestimmungen und der Zuwendung an inländische Kor porationen befaßte. Das Hans tagt bei Abgang der Züge weiter. Ein wertvolles Geständnis über das Verhältnis des Sozialismus zur Freimaurerei enthält das angesehenste wissenschaftliche Organ der deutschen Sozialdemokraten „Die neue Zeit". Aus Unvor sichtigkeit plaudert ein „Genosse" im letzten Hefte die sonst so sorgsam verheimlichte Wahrheit aus, daß der inter nationale Sozialismus im Dienste der internationalen Freimaurerei steht und letztere dieselben Ziele wie ersterer verfolgt. In der erwähnten Zeitschrift heißt es wörtlich: . „Das Proletariat wird sein Ziel um so leichter und eher erreichen, je mehr es alle Institutionen der bestehenden Gesellschaft in seinen Dienst stellt. Während die Gegner durch ein religiöses Dognia zusammengehaltcn werden, hat die sozialistische Partei mit ihren wenigen zerstreuten Truppen alle Ursache, jede Hilfe anzunehmen: neben de u Gewerkschaften und Genossenschaften wird sie auch die Freimaurerei benützen müssen. Beide zusammen werden den Klerikalis- in u s (lies: die katholische Kirche, Anmerk. d. Red.) ver- n i ch t e n, mit dem bis jetzt noch keine Macht und keine Revolution fertig werden konnte. Beide erstreben dasselbe Ideal der allgemeinen Humanität. Nichts trennt sie als einige Vorurteile. In ihrer Grundtendenz und in ihrem Wesen i st die Freimaurerei s o z i a l i st i s ch; die Reaktion bekämpft die Freimaurerei energisch: denn sie weiß, fällt sie — fällt auch die Republik, das große Werk der Revolution, und der Sozialismus fällt mit ihr; sie bildet eine feste dauerhafte Organisation, die einzige, die der Kirche gleich stark gegenllbersteht, nnt ihr kämpft; und da der Sozialismus unmittelbar gegen die Kirche gerichtet ist, würde er durch Verbindung mit der Freimaurerei eine besondere Kraft bekommen." Das sind doch recht wichtige Geständnisse: Gewerk schaften und Konsumvereine sind also der sozialdemokra tischen Partei nur Mittel zum Zweck, der in der Be kämpfung und Vernichtung der katholischen Kirche besteht: da die Freimaurerei sich dasselbe Ziel gesteckt hat, so mar schieren Sozialdemokratie und Freimaurerei gemeinsam darauf los. Die sozialdemokratischen Agitatoren dürfen natürlich nicht so offenherzig sein, wie das nur für die „wissenden Genossen" geschriebene Organ, sonst würden den verführten Arbeitern die Augen aufgehcn und eine Massenflucht aus den sozialdemokratischen Organisationen sichre die Folge. Gemeinde- und Vereinsnachrichten. * Marienberg (Erzgebirge). Ein besonderer Festtag für unsere Gemeinde war Sonntag am 19. März (das Fest des heiligen Joseph). An diesenl Tage enrpfingen 19 Erst kommunikanten aus der Hand ihres Priesters zum ersten Male die heilige Kommunion. Zu Beginn des Gottes dienstes bewegte sich ein stattlicher Zug von Knaben und Mädchen durch das Schiff der Kirche nach dem zu dieser Feier besonders festlich geschmückten Altar. Hier hielt der jeeleneilrige Herr Expositus Mühr an der Hand der Worte des göttlichen Heilandes: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben eine von tiefstem Herzen kommende mW auch sicher zu aller Herzen gedrungene Ansprache, in der er sowohl die Kinder wie die zahlreich erschienenen Erwachsenen zur Treue für Glauben, Kirche und Gott eindringlichst er mahnte. Nach feierlicher Erneuerung der Taufgelübde sangen die Kinder im Angesicht des im Tabernakel wohnen den Gottessohnes das schöne aber ergreifende Lied: Fest soll mein Laufbund immer steh'n!, dann, während des Hochamtes, nachdem die Erstkommunikantei'. noch 2 Vers« des Liedes: Jesus, Jesus, komm zu mir gesungen hatten, traten diese zu den Stufen des Altars, um den göttlichen Heiland in ihr unschuldiges Herz aufzunehmen. Mit feier lichem Tedemn schloß die schöne Feier. -- Im Anschluß an die Nachmittagsandacht fand im Vereinssaale eine kleine Feier für die Erstkommunikanten, deren Eltern und Ange hörige und die übrigen Gemeindemitglieder statt. Die Kinder erhielten Kaffee und Kuchen. Herr Expositus Mühr hielt die Festrede. Er bezeichnet«: darin den 19. März, das Fest des heiligen Joseph, des Schutzpatrons unserer heiligen Kirche, als besonders zur Feier der heiligen Erstkommunion geeignet. Der heilige Joseph stamme cms königlichem Ge, schlecht, doch habe er sich einen unvergänglichen Ruhm da durch erworben, der Nährvater des göttlichen Heilandes zu sein. Mit Arbeit habe er sein Leben hingebracht, aber er habe gezeigt, wie man die Arbeit im christlichen Sinne auf fassen müsse: Aus Liebe zu Gott! Alles zur Ehre Gottesl Das Andenken, was der Priester heute den Kindern schenke, zeige den göttlichen Heiland im Kreise seiner Apostel, wie cr sich ihnen zur Speise gibt. Einer nur ist es, der sich scheu aus dem friedlichen Kreise drückt, es ist der unglückliche Judas! Er geht Humus zum häßlichen Verrat! Dieses Andenken solle die- Kinder durch das Leben begleiten, es solle sie erinnern an das Glück der Stunden von heute. Auch möchten sich die Kinder in ihrem reinen jugendlichen Herzen gern ihres Religionslehrers erinnern. Nun sagten Kinder Gedichte auf. An musikalischen Vorträgen wurde geboten: Largo von Händel, Harfenspiel vorum von Mozart, Träumerei von Schubert und das Lied An der Weser. Die Stunden waren nur zu schnell verflogen, aber sie werden gewiß allen Teilnehmern, namentlich aber den Kindern, eine schöne Erinnerung für das Leben bleiben. * Pirna. Ein Tag der Gnade im wahrsten Sinne des Wortes war der 12. März, der Tag der hl. Firmung für die Gemeinde Pirna, ein Tag des Segens und der Freude. Am Bahnhofe wurde der hochw. Herr Bischof von den Herren des Kirchen- nud Schulvorstandes empfangen, und diese geleiteten ihn nach der Stätte des Ausspendung des hl. Sakramentes. Beim Eintritt ins Gotteshaus begrüßte ihn die „Cäcilia" unter Leitung des Herrn Lehrers Smie mit dem Hymnus „Rece «mevi-ckos maxuu»" von Ebner. Während des hl. Meßopfers führte derselbe Verein die Missa „Salve Regina." von Witt auf. Nach der Firmungs ansprache wurde an über 200 Firmlinge das hl. Sakrament gespendet. Am selben Vormittage versammelten sich in dem neuen, prächtig ausgestatteten Jünglingsheim die Ver- — 48 — William Alfreday, George Paterson, Lovely, Alcoat, Convelly, Ragesby, Mattergeat, Hakingham, Sunderscot, Eherseat. Mit jedem dieser Namen war ein Titel verbunden, welcher die Nach forschungen Gastons erleichtern sollte. Der größeren Sicherheit halber schrieb er die Namen in sein Notizbuch. Plötzlich fielen kleine Steine und wildwachsende Früchte auf ihn. Er sah auf und bemerkte auf dem oberen Teile der Kuppel inmitten von Sträuchen: und Schlingpflanzen eine Herde von Affen, welche Grimassen schnitten, indem sie eine drohende Haltung annahmen, und ohne Zweifel zu ernsteren Feindseligkeiten übergegangen sein würden, wenn nicht die Klugheit sie zurückgehalten hätte. Es waren die heilig gehaltenen Affen, welche Indien mit religiöser Verehrung umgibt infolge der Tradition, nach welcher die Vierhänder den: Ramah einen mächtigen Schutz gewährten, als er das Reich durch die Erobe rung der Insel Ceylon erweiterte. Die Art, welche Gaston bemerkte, gehörte nicht zur Gattung der Schlankaffen, welch letztere von den Indiern besonders verehrt und als heilige Tiere gehegt werden, weil sie glauben, daß die Seelen ihrer verstorbenen Angehörigen in diesen Affen fortleben. Von kleiner Ge stalt, das Gesicht mit dichtem Haar bedeckt, mit einem kurzen und buschigen Schwanz versehen, nehmen sie nur einen untergeordneten Rang ein in der Stufenleiter der dem Brahma teuren Affen; allein trotz der Bescheidenheit, die ihnen diese niedrige Rangstufe hätte einflößen sollen, schienen sie nicht weniger geneigt, ihr Privilegium als „heilige" Tiere aufrecht zu erhalten und mit vereinten Kräften das Gebiet zu verteidigen, wo ein Eindringling sie zu stören sich erlaubte. Plötzlich stürzte einer der Affen durch eine Luke, die nach einem von den Brahininen bewohnten Saal führte, fiel in einen dort stehenden gefüllten Kessel, worin eine Mischung von Zucker, Teig und aromatischen Pflanzen kochte, und hauchte unter Zuckungen und Stöhnen, das aus einer menschlichen Kehle zu kommen schien, sein Leben aus. Entsetzt waren die Brahminen emporgefahren und eilten nach dem Kessel, nm das „heilige" Tier vielleicht noch zu retten. ..Er ist tot," sagte einer derselben. Eine traurige Stille folgte diesen Worten: Welche Reihe von Kata strophen bedeutete dieses Ereignis! Um den Leichnam auf den: Boden liegend, riefen die Brahminen die Namen aller Götter des indischen Pantheons und flehten sie an, ihres Zornes Lauf abzuwenden. Gaston war iirzwischen von seinem Beobachtungsort herabgestiegen und bereitete sich vor, zu dem Feigenbäume zurückzukehren, als eine wunderliche Musik an sein Ohr schlug. Es war wie ein Konzert von kläglichen Stimmen, die sich ihm näherten. Dann sah cr ein lebhaftes Licht, welches durch die Türe der Pagode sickerte.' Die zwei Flügel öffneten sich hastig und zeigten daS Innere des erleuchteten Tempels. Gaston hatte nur Zeit, sich in ein dichtes Magnoliengebüsch zu werfen, und-von da aus sah er das ganze Personal des „heiligen" Monumentes in einer Prozession herauskommen. Von Zeit zu Zeit hielt man inne, sprach ge heimnisvolle Formeln aus und vollzog Zeremonien, deren Bedeutung Gaston entging. — 45 — 'Nach einigem Nachdenken sprach er mit leiser Stimme mit den Männern, die ihm blind gehorchten. Man führte uns durch die Tiefen des Waldes bis zum Eingang einer inmitten von Bäumen versteckten Pagode. Auf den Klang der Glocke erschien ein Brahmine, der Mahunt oder Tempelherr. Meine Mutter wurde trotz meines Geschreies von mir getrennt; ich sah sie nichr wieder. Nach einigen religiösen Förmlichkeiten wurde ich das Eigentum der Pagode, die sich hinter diesen Bäumen erhebt." Als sie ihm dann weiter erzählte, was sie alles zu erdulden gehabt, und wie sie sogar einmal von einer Rotte von englischen Offizieren bei irgend einer Gelegenheit so brutal gemißhandelt wurde, daß noch heute die Narben der Striemen zu sehen waren, ließ sie Gaston nicht mehr weiter sprechen. Er fühlte den Sturm des Zornes in sich grollen. Auch wenn kein Ver wandtschaftsgrad zwischen ihm und Davisa — dies war der Name des Mäd chens — bestanden hätte, so würde sich seine Ehrenhaftigkeit empört und er einen bitteren Zorn gegen diejenigen empfunden haben, welche ihre Macht so schmählich mißbraucht hatten. Dann wich die Entrüstung einer herzbrechenden Schwermut. „Armes Kind," sagte er, „du kannst nicht bleiben in dem Sumpfe, der dich umgibt. Fliehe mit mir, Davisa!" Nie mehr seit dem Ereignis, das sie zur Waise gemacht hatte, waren s» liebevolle Worte an sie gerichtet worden. Sie verstand, daß sie der Gegen stand einer aufrichtigen Freundschaft war. Ihr Blick nahm einen unbeschreib lich dankbaren Ausdruck an, ihr Antlitz verklärte sich und eine Anwandlung von Enthusiasmus zog sie zu Gaston hin, dann aber schüttelte sie traurig den Kopf. „Mit dir fliehen, ja, das wäre gut, allein eine Kette, die ich nicht sprengen kann, fesselt mich an die Pagode. Fliehen! Doch die Rache der Brahminen würde mich überall hin verfolgen, mich und denjenigen, der inich ihrer Gewalt entreißen wollte. Wir würden fortwährend Nachstellungen auS- gesetzt sein: Verräterhäude würden unvermerkt Gift in deine Speisen tun. selbst die Schlangen würden zu Genossen ihres Hasses werden und wenn du schliefest, würde man sich in deine Wohnung schleichen. Vor einigen Monaten wollte eine meiner Gefährtinnen fliehen; zwei Tage später fand man auf der Straße ihren Leichnam. Ich will deinen Tod nicht verursachen, niemals!" „Der Haß der Feiglinge ist nur für diejenigen zu fürchten, welche Angst davor haben. Die Leute erschrecken mich nicht, komm also, ich werde dich zu verteidigen wissen." Sie hörte ihm mit Bewunderung, mit Begeisterung zu; eine neue Welr von Gefühlen und Gedanken tat sich vor ihr auf. „So würde auch mein Vater gesprochen haben," sagte sie, „und je länger ich dich betrachte, je länger ich dir zuhöre, desto mehr scheint er mir in dir zu leben. Ich bin bereit, dir zu gehorchen und dir zu folgen." Gaston »varf nun seine Blicke auf den See. Dieser hatte seine ge wöhnliche Ruhe wieder erlangt, die Stille ward nur mehr unterbrochen durch das Rauschen des Windes in den Blättern und das Geschrei der Wasservögek. Die Bajaderen waren fort und der Ruf, den sie an ihre verschwundene Ge fährtin gerichtet hatten, war nicht einmal an ihr Ost; qedrungen. l 7 „Um die Krone de« Großmoguls.'' «j H