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Nr. L« — LO. Jahrgang Mittwoch den I. Februar 1V11 Erscheint ISgllch «achm. mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. 4Iu<g«be 4 mit .Die Zeit in Wort und Bild' vierteljährlich 8 Iv An Dresden durch Boten 8 40 ^ In ganz Deutschland srei HauS 8,8» in Oesterreich 4,48 L AuSgabe » ohne illustrierte Beilage vierteljährlich 1,80 In Dresden durch Boten 8,10 X, In ganz Deutschland frei Hau» 8,88 in Oesterreich 4,07 L. - Einzel-Nr. 10 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die Ngelpaltene Petitzeile oder deren Raum nitt 18 , Reklamen mit 80 ^ die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt, Buchdrnikerei, Redaktion und Geschäftsstelle: Dresden, Pilluiqer Strafte 48. — Fernsprecher 1800 FürRückgabe »»verlangt. SchrtftstiiikekcineVerViudltchkett Redaktions-Sprechstunde: n bis 18 Uhr, VZlilea 8ie! 81« v«e»cvv«n<len Oelä an <to,n teuren, ge- oun<1he!>ssckg<j>icken 14^1, SS«»-» ncrvenrerrüttenäen OONNeNNLULL oäer 81« ipar«a 0el<t an unserem voklkeilen, gesunäkeitsrutrSglicden, nakr- kalten unä äeliltaten I»skr-Kakao. ?kä. 80.100,120.140bi8200?f. Oer1in§ ^ock8lrok, Vre8äen. dlieclerlagen ln ollen Strillteilen. ltbl Das Schreiben des Heiligen Vaters an kardinal Fischer lautet nach der „Germania": An Unfern geliebten Sohn Antonius Fischer, Kardinalpriester der heiligen Römischen .Kirche, Erzbischof von Köln. Unser geliebter Sohn, Gruß und Apostoliscl>cn Segen! Was du in deinem Namen und dem deiner ehrwürdigen Brüder, der Bischöfe Deutschlands, die mit dir die feier liche Koiiferenz in Fulda abgehalten haben, Uns über die gemeinschaftlichen Beratungen schreibst, erfüllt uns mit großer Freude, hauptsächlich da ersichtlich ist, daß bei euren Besprechungen die brüderliche Liebe geherrscht hat, so daß die Meinungsverschiedenheit beim Beraten die völlige Ein mütigkeit beim Beschließen nicht im geringsten verhindert bat. Wir freuen Uns also, daß ihr bezüglich der sozialen Frage sorgsam Vorkehrungen getroffen habt, damit die Eifersucht und die heftigen Streitigkeiten, die zwischen den beiden Arten von Arbeiter-Verbünden vorliegen, beseitigt werden, und daß ihr zu diesem Zweck den beiden Organi sationen gewisse allgemeine Satzungen auferlegt habt, die sie zu befolgen haben, damit jede in ihrem Bereich (roxiono) fortfahre, für den wahren Nutzen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und zugleich zur Förderung religiöser und staatlicher Interessen zu wirken. Erfreulich war Uns auch, daß ihr, wie du schreibst, zur Durchführung Unseres De krets ljnaru sinxiilari beschlossen habt, in einem gemein samen Schreiben das Volk zu belehren und zu ermahnen, was im allgemeinen geschehen müsse, damit die Kinder mög lichst früh znm Tische des Herrn gehen. Hierbei mögen die Gläubigen zur Erkenntnis gelangen, daß es sich nicht so sehr um die Befolgung eines vom römischen Papst gegebenen Gebots handelt, als vielmehr um die Erfüllung einer Pflicht, die sich aus der Lehre des Evangeliums von selbst ergibt, und um die Wiedereinführung einer alten und be ständigen Gewohnheit der Kirche, wo sie unterbrochen wor den war. Was die den Bischöfen von Uns erteilte Befugnis an geht, Pfarrer ans dem Verwaltungsweg zu versetzen, so wundern Wir Uns nicht, daß diesem Dekret alle jene wider streben, die sich vor ihm fürchten, und daß sie vielleicht von der Staatsregierung verlangen werden, sie solle Kraft und Wirkung des Dekrets verhindern. Wenngleich nun die An wendung einer solchen Befugnis alle mögliche Umsicht und Vorsicht erheischt, so wünschen Wir aber nicht, daß das Streben nach Klugheit jemals zur Charakterschwäche führe, infolge deren der Bischof, durch die mit der Sache ver bundenen Schwierigkeiten über Gebühr beeinflußt, das nicht durchznsetzen wagt, was er als wichtig für das Seelenheil erkannt hat: denn in der Erfüllung einer Pflicht, nament lich wenn sie direkt die Ehre Gottes angeht, ist der Kampf nicht zu fliehen, sondern vielmehr mutig von uns aufzn- nchmen, da Gott selbst den Kämpfenden als starker Helfer zur Seite steht. Bezüglich der Abschwörung der modernistischen Irr lehren nach der von Uns vorgeschrienbenen Formel haben Wir zwar in der mündlichen Besprechung mit dir eine milde Auslegung des Gesetzes angewendet und erklärt, durch das Motuvroprio seien zur Eidesleistung die Priester, die die beilige Wissenschaft an den Staatsuniversitäten lehren, nicht verpflichtet. Wenn jedoch solche öffentlichen Lehrer zugleich in der Seelsorge als Prediger oder Beichtväter tätig sind, oder ein kirchliches Bcnefizium innehaben, oder bei der kirchlichen Verwaltuna. oder an den kirchlichen Gerichten ein Amt bekleiden, so lag es durchaus nicht und liegt auch jetzt nicht in Unserer Absicht, sie von der allgemeinen Ver pflichtung zum Eide auszunehmen. Wenn ferner jene, die den Eid unterlassen dürfen — aber nur in ihrer Eigenschaft als öffentliche Lehrer — zu verstehen geben, daß sie gern llidentvr) von dieser Erlaubnis Gebrauch machen, so er wecken sie vielleicht keinen Verdacht über die Korrektheit ihrer Lehre, aber sicher zeigen sie eine beklagenswerte Ab- bängigkeit von den Meinungen der Menschen, indem sie felge der Autorität derjenigen huldigen, die nicht auS lieber- zcugung, sondern aus Haß gegen die katholische Religion in die Welt Hinausposaunen, durch den Eid werde die Würde der menschlichen Vernunft verletzt und der Fort schritt in den Wissenschaften verhindert. Deshalb kann ln dieser Sache keine DispenS außer der von Uns erwähnten erteilt werden. Uebrigens haben Wir die Ueberzeugung. daß jene, denen Wir den Eid erlassen haben, zur Be kundung ihres Mannedmutes die ersten bei der Eides leistung sein und gegebenenfalls nicht zaudern werden, da für Schmach zu erdulden: denn leicht könnten sie sich selbst als unwürdig des christlichen Lehramtes Vorkommen, wenn sic: sich schämten, unter den Dienern des Herrn Jesu Christi zu sein. Daß du deinem Volke mit liebevollen Worten be richtet hast, wie du neulich — wegen deiner großen Ver dienste um Uns — von Uns ausgenommen worden bist, freut Uns. Denn wie alle, die Uns ihre Pietät erweisen, besonders Unsere geliebten Söhne, die Kardinäle und Unsere ehrwürdigen Brüder, die Bischöfe, die mit Uns die Bürde der Leitung der Kirche tragen, Uns teuer sind, so wünschen Wir nichts so sehr, als daß Unsere Liebe und Unser Wohl wollen gegen sie offenbar werde. Zum Schluß sagen Wir dir Dank für deine Glück wünsche, die Wir von Herzen erwidern, und zum Unter pfand der himmlischen Güter, die Wir erflehen, spenden Wir dir, geliebter Sohn, und allen anderen Bischöfen Deutschlands, insbesondere dem Kardinal, dem Bischof von Breslau, sowie eurem Klerus und Volk in väterlicher Liebe den Apostolischen Segen. Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 31. Dezember 1910, im achten Jahre Unseres Pontifikates. Papst Pius X. Me gelogen wird! Dresden, den 8t.Jc.nuar 1911 Das „Berliner Tageblatt" ist eine dem konfessionellen Frieden höchst gefährliche Zeitung. Es liegt das teilweift in ihrem ganz unberechtigten Ansehen, so daß selbst Katho liken sich nur für hochgebildet halten, wenn auch sic dieses Blatt lesen. Das kann man in Cafäs, Restaurants, Bahn höfen oft beobachten. Unlängst sagte uns jemand zur Ent schuldigung dafür, das Blatt widerrufe nie. Diesen Satz finden wir besonders bei den Berichten aus dem Auslande bestätigt. Es werden da die unglaublichsten Dinge tele graphiert und besonders der römische Berichterstatter ist in der tendenziösen Verdrehung der Tatsachen unerreicht. Hier ein Beispiel. Der preußische Gesandte beim Päpstlichen Stuhle Herr v. Mühlberg hielt bei der Kaisergeburtstags- feier, der die deutschen Prälaten in Rom beiwohnten, eine Ansprache. Darüber meldet das „Berl. Tagebl.": „In energischen Worten nannte Herr v. Mühlberg es einen schweren Irrtum, wenn man in Rom glaube und aussprenge, daß der Katholizismus in Deutschland verfolgt werde. Weit eher, so sagte der Gesandte den Herren ins Gesicht, könnte man von einer „Vergewaltigung der 45 Millionen deutscher Protestanten durch die katholische Minderheit" sprechen. Das Verhalten der Kurie habe die deutschen Protestanten aufs schwerste gereizt und den reli giösen Frieden in Deutschland ernstlich bedroht. Herr v. Mühlberg warnte die Kurie darauf dringend vor einer Wiederholung von Vorstößen nach Art der Enzyklika. Wenn „heute noch (!) zwischen Rom und Berlin gute Beziehungen beständen, so sei dies einzig und allein dem starken Willen des Kaisers zu danken, dem der Vatikan, namentlich für die Worte von Beuron, nicht dankbar genug sein könne. Mit feiner Ironie fragte der Gesandte, wann eigentlich Nom sich dazu entschließen werde, den deutschen Protestantismus als „gleichberechtigte Macht" anzusehen." Daß der Inhalt dieser Ansprache vollkommen entstellt ist, mußte das „Berl. Tagebl." schon auf den ersten Blick erkennen, denn die Rede wäre eine offene Provokation des Papstes gewesen, die unter Diplomaten nur dann üblich ist, wenn der Gesandte bereits seine Pässe in der Tasche har. Man stelle sich nur die Ungeheuerlichkeit des Satzes vor, inan könne in Deutschland von „einer Vergewaltigung der 45 Millionen der deutschen Protestanten durch die katho lische Minderheit" sprechen. Diese Behauptung wäre nicht nur eine Taktlosigkeit ersten Ranges, sondern auch eine ganz unhaltbare Behauptung, für welche jede Spur eines Beweises fehlt. Wann und in welchem Staate sind die Protestanten jemals vergewaltigt worden? Eine solche Be hauptung konnte Herr v. Mühlberg nicht aussprechen, ohne daß er selbst gegen Vorgesetzte, den Ministerpräsidenten und Reichskanzler, den Vorwurf erhoben hätte, dieser habe eine solche Vergewaltigung geduldet. Die Negierung durfte eine solche herausfordernde Sprache ihres Vertreters nicht still schweigend hinnehmen, wenn der Vatikan es nicht auf ihr Konto buchen sollte. Das alles mußte sich das „Berl. Tagebl." sagen, und doch nahm es den Lügenbericht unbeanstandet ans. Was aber hatte der Gesandte v. Mühlberg in seiner Rede denn wirklich gesagt? Die „Köln. Volksztg." bringt diese im Wortlaut. In derselben sagte er: „Als ich im vergangenen Jahre die Ehre hatte, Sie bei dieser Gelegenheit hier zu begrüßen, lebte ich in der frohen Hoffnung und Zuversicht, daß wir im komnienden Jahre ruhige und friedliche Tage für den konfessionellen Frieden in Deutschland erwarten dürften. Diese Hoffnung und Zuversicht hat sich nicht erfüllt. Die guten Beziehungen zwischen meiner Regierung und dem Vatikan haben im ver flossenen Jahre eine Belastungsprobe aushalten müssen, wie sic so stark in den letzten zwei Dezennien nicht einge treten war." Weiter heißt es darin: „Wir haben nun an der Spitze einen Herrscher, der nach Möglichkeit allen Anforderungen eines so hohen Amtes zu entsprechen geeignet scheint. Selbst die zuweilen be krittelte Vielseitigkeit läßt ihn für die Lösung der schwie rigen Aufgabe als besonders geeignet erscheinen. Um so mehr muß ich es bedauern, daß man in gewissen Kreisen und in einer gewissen Presse immer wieder die Behauptung hören muß, daß die katholische Religion in unserem Vater lande verfolgt sei, daß die Katholiken sich noch ihren Platz an der Sonne erobern müssen. Wer unser Vaterland kennt und mit der Regierung wie mit der Person unseres Kaisers in näherer Beziehung gestanden hat, wird darüber bald eines Besseren belehrt worden sein." Zum Schluß sagte er: „Diese Anschauungen unseres Kaisers decken sich auch mit den Gesinnungen Sr. Heiligkeit des Papstes. Beim letzten Neujahrsempfang des diplomatischen Korps hat der Papst mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen, daß die kirchliche und staatliche Autorität zur gemeinsamen Wirksamkeit allfeinander angewiesen sind, für die Pflege der Religion und die Sicherstellung einer segensreichen Zu kunft der Völker. Wenn es im vergangenen Jahre noch einmal glücklich gelungen ist, den Sturm in unserem Voter- lande zu beschwichtigen und die guten Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und meiner Regierung zu erhalten, so ist dies dem hohen Sinn des Papstes und der starken Hand des Kaisers zuznschreiben. Beide mächtigen Herrscher haben es verstanden, sich in ihrem Vorgehen Schranken anzulegen und so unserem Vaterlande das kostbare Gut des konfessio nellen Friedens zu bewahren." Diese Ansprache ist himmelweit verschieden von jenen Mitteilungen, die das „Berl. Tagebl." davon machte. So wird gelogen, daß sich die Balken biegen, vergebens aber wird man in diesem „hochanständigen" Blatt, das selbst Katholiken zu lesen zur Bildung rechnen, eine Richtigstellung solcher Injurien suchen. Politische Rundschau. Dresden, den 81. Januar 1S11. — Die deutsche Kronprinzessin ist von ihrem Aufent halte i» Kairo so befriedigt, daß sic sich entschlossen hat, noch eine Woche hier zu verweilen und dafür den Besuch Si ziliens anfzugeben. — Der Reichstag beschäftigte sich am Montag mit Petitionen. Einen weiten Raum in der Debatte nahm die Petition der Jmpfgegncr ein. zu der ein Antcag des Zentrums vorlag, der vom Abg. Pfeiffer (Zt.) be gründet wurde und darauf hinzielt, daß der Impfzwang abgeschafft werden solle und deshalb eine Kommission ein- zusetzen sei. welche sich aus Jmpsfreunden und «gegnern zusammensetzen soll und dann das Material bearbeitet. — Im preußischen Abgeortzuetenhause wurde am Mon tag in zweiter Beratung der Forstetat erledigt. Die vom Abg. Ströbel (Soz.) gewünsche Koalitionsfreiheit der Wald arbeiter lehnte der Landwirtschaftsminister Frhr.v.Sckorlemer mit Entschiedenheit ab. Die Abg. Busch (Ztr.) und Hammer (Kons.l stimmten dem Minister darin bei, daß die staatlichen Waldarbeiter einer Partei nicht angehören dürften, welche den Staat untergraben wolle. In der Debatte wurden des weiteren Beschwerden über Wildschäden und staatliche Verkäufe von Wald- und Holz geführt. — Am Dienstag soll der Domänenetat beraten werden. — Die Zuwachtsteuer wird in dritter Lesung auf eine Mehrheit rechnen dürfen, und zwar auch dann, wenn die Steuerfreiheit der LandeLfürsten wieder hergestellt ist. Das Gesetz wird mit Wirkung vom 1. Januar 1911 in Kraft treten. — Die Arbeiterversicherung im Jahre 1909. Die Summe der ordentlichen Einnahmen stellte sich in der gesamten Arbeiterversicherung auf rund 891 608 800 Mark, hiervon machten die Beiträge der Arbeitgeber 413 497 700 Mark, die der Versicherten 342 076 300 Mark auS. Der Zuschuß deS Reichs betrug 61 500 700 Mark. Die ordent lichen Ausgaben erreichten die Höhe von rund 698 934 200 Mark ohne die Rücklagen zur VcrmögenSbildung. Die Summe der EntschädigungSleistungen ist für die Kranken versicherung (einschließlich Knappschaftskassen) auf rund 338971 900 Mark, für die Unfallversicherung aus 162 266 100 Mark und für die Invalidenversicherung auf 189 029 600 Mark berechnet. — Der verstorbene frühere Landtagsabgeordnete Jo hannes JakobSköttcr stand im 72. Lebensjahre und vertrat den Erfurter Wahlkreis. Er war Vorsitzender des Thüringer Jnnungsverbandes und Ehrenvorsitzender des Bundes deutscher Schneiderinnungen und seit 1900 Vorsitzender Ver Handwerkskammer für den Regierungsbezirk Erfurt rin den Kreis Schmalkalden. Zugleich war er Mitleiter der Erfurter Vorschußbank, 28 Jahre war er Stadtverordneter, von 1893 bis 1903 gehörte er dem Deutschen Reichstage an und von 1903 bis 1907 dem Preußischen Abgeordneten hause. Er war Mitglied der deutschkonservativen Partei. In dem ihm im Erfurter „Allgemeinen Anzeiger" ge widmeten Nachrufe wird besonders hervorgehoben, daß Jakoskötter sicher wiedergewählt worden wäre, wenn tzr in