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'.Man achsijche Bartszeuunsi vom 19 Oktober 1L<1I Nr. 2.>9 Deutscher Reichstag. Die Sitzung beginnt um 2 Uhr 20 Minuten. Präsident Graf Schwerin gedenkt der verstorbenen Abgeordneten Hng, Frank-Ratibor und Liebermann von Sonnenberg. Tos Hans erhebt sich zum Gedächtnis von den Sitzen. Es folgt die Beratung von Petitionen. Ueber den Antrag betreffend Antignafchrift wird mit den Stimmen der Rechten, des Zentrums und des größten Teiles der Na- nonalliberalen zur Tagesordnung übergegangen. Als Material wird die Petition auf Erlast von Bestim mungen zum Schutze der Arbeitswilligen und gegen Ver- rnfserklärnng überwiesen, zur Erwägung die Petition auf Herbeiführung paritätischer Arbeitsnachweise. — Die Pe- rition auf Schaffung eines Hüttenarbeiterschntzgesetzes wird narb kurzer Debatte dem Reichskanzler als Material über wiesen. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr: Neichsvereinsgesetz- interpellation. Aus Stadt und Laad. (Lorpetznaq aus dem Hanptblatt.) —* Die Errichtung eines Kinderhortes in Ver bindung mit der städtischen Kinderbewahranstolt Marien- bofsstraß : 80 ist i i der letzten Ratssitzung, vom 1. November !91 l'ab, beschlossen worden. Die Leitung des Kinderhortes wurde dem Fraucnbilssverein in Vorstadt Pieschen über- tragen, der sich zur Verwaltung derselben bereit erklärt hat. Für die Lieferung von Nahrungs mitteln und V e r b r a n ch s g e g e n st ä n d e n für die Anstalten der Stadt Dresden sind vom städtischen Kranken pflegamte neue Bedingungen ausgearbeitet und vom Rate genehmigt worden. Es kommen hierfür folgende Anstalten in Frage- Tie städtischen Krankenhäuser nebst Säuglings heim, die städtische Heil- und Pflegeanstalt, das Waisenhaus, die Arbeitsanstalt, das Vcrsorghaus, die Erziehungsanstalt, die Kinderpflegeanstalt, das Findelhans, das Waisenhaus und das Alnmnenm der Krenzschule. —* Für die Leiterinnen und Gehil finnen der städtischeir K i n d e r b ew a h r a n - st alten sind neue Gehaltsstaffeln zur Regelung und Ver besserung ihrer Bezüge ausgestellt worden. Es handelt sich um sechs städtische derartige Anstalten, die sich in den Vorstädten Pieschen, Altgrunas Trachau, Kaditz, Mickten und Cotta l befinden. Ter Rat hat auch die Uebernahme der vollen Versicherungsbeiträge für die erwähnten Ange stellten dieser Anstalten beschlossen. -2 Grad Neaumur unter Null zeigte das Thermometer in vergangener Nacht auf den Höhen und in der Umgebung von Dresden. Infolge des Frostes war namentlich im Großen Garten ein außerordentlich starker Vlätterfall eingetreten, so daß der schöne Park nunmehr ein schon recht herbstliches Aussehen zeigt. —* Der Streik in den Schokoladen- und Zucker- warenfabriken hat in den letzten Tagen derart zuge nommen, daß sich gegenwärtig ca. 2800 Arbeiter im Aus- stande befinden. Die Zahl dürfte sich in den nächsten Tagen vergrößern. —* Eine zeit geni äße Umgestaltung der B e r » f s f e u e r w e h r soll ans Beschluß des Rates zur Durchführung gebracht werden. Die Umgestaltung soll all mählich erfolgen und zwar so, daß den hauptsächlichsten Mängeln durch sofortige Maßnahmen abgeholfen wird, während im übrigen ein Plan zur organischen Weiterent wickeln ng des gesamten Feuerlöschwesens ausgestellt wor den ist, der »ach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel dnrchgeführt werden soll. Um stets genügend Mann schaften und Material zu Nettungs- und Angriffszwecken ans den Brandstellen zur Verfügung zu haben, ist bestimmt worden, daß bei Bränden im Bezirke der Feuerwachen 3, 6 oder 7, deren Feucrlöschzüge nur ans zwei Fahrzeugen bestehen, gleichzeitig die auf den benachbarten Kompanie- wachen 1 und 2 und der Feuerwache 8 nntergebrachten Dampfspritzen mit ausrücken. Zur Schaffung vollbesetzter schlagfertiger Züge und Dainpfspritzenzüge »nd um sämt liche ständige Sicherheitswachen aus der Zahl der im Dienste befindlichen Mannschaften stellen zu können, sollen noch 28 Stellen für Feuerwehrleute begründet wenden. Weitere Verbesserungen betreffen die Umgestaltung und Schlauch wagen mit Gasspritzeneinrichtung, die Durchführung des automobilen Betriebes der Fahrzeuge, die allmählich erfol gen soll, die Vornahme eines Neubaues der Kompanie wache 2 an der Louisenstraße, der Neubau der Wache 3 an der Dürerstraße und die Neuerrichtung einer Feuerwache in Vorstadt Planen. Für diese Verbesserungen wurden insgesamt 48 695 Mark für fortlaufende und 35 000 Mark für einmalige Ausgaben in den nächstjährigen Hanshalt- Plan eingestellt, sowie 2 000 000 Mark ans der Anleihe bewilligt. —* Der Maurer Göhlert hat gegen das gegen ihn gefällte Todesurteil das Revisionsverfahren beantragt. Auch hat er ein Geständnis bis jetzt noch nicht abgelegt. —* Das Strafverfahren gegen den 20jährigen Tischlergescllen Breuer, der im Verdachte stand, den Raub mord an dem Droschkenkutscher Winkler im Großen Ostra gehege verübt zu haben, ist seitens der Staatsanwaltschaft infolge mangelnder Beweise wieder eingestellt worden. Armaberg, 17. Oktober. Ein Schadenfeuer zerstör'e in vergangener Nacht das bedeutende Warenlager des Warenhauses Arnold Frank. Auch der Gebäudeschaden ist bedeutend. -'" ' ' Ml Döbeln, l7. Oktober. Ein kritischer Unfall er- eignete sich während der Tanzmusik im Gasthofe zu Pamlitz insofern, als Plötzüch der gußeiserne Kronleuchter van der Decke herabstiirzte, sodaß sämtliche Petroleumlampen ex- plädierten. Erfreulicherweise wurde jedoch niemand verletzt und es trat nur ein geringer Brandschaden ein. Als die Feuerwehr eintraß war der Brand bereits wieder gelöscht. Leipzig, 17 Oktober. Am graphischen Gewerbe streiken hier immer noch 1100 Gehilfen bei 74 Firmen. 18 kleinere Firmen haben dis Forderungen der Gehilfenschaft bewilligt. Potsckappel, 17. Oktober. Im Leichtsinn erschossen hat hier der Kartoffelhändler Döhring den Lehrer Breitfcld ans Falkenstein, als er ihm die Ladevorrichtung zeigen wollte. Der Schuß war dem Lehrer, der sich in den nächsten Tagen mit einer jungen Dame aus Potschappel verheiraten wollte, direkt ins Herz gegangen. Zwickau, 17. Oktober. Die hiesigen Bergarbeiter nahmen in einer stark besuchten Versammlung nach einem Vortrage dsS Landtagsabgeordnetcr. Kraußc eine Resolution einstimmig an. in der die Werkbcsttzer infolge der außer gewöhnlichen LebenSmittelteuernng ausgefordert werden, ihr den Arbeiterausschüssen im Frühjahre gegebenes Versprechen einzulöscn, bet günstigerem Geschäftsgänge eine entsprechende Erhöhung der Löhne eintreten zu lassen. Vermischtes. V Ein Arzt war beschuldigt, ein löjähriges Lehr mädchen bei ciner Untersuchung in seinem Sprechzimmer geküßt und dabei ungehörige Redensarten gemacht zu haben. Das ärztliche Ehrengericht verurteilte ihn mit der Entziehnng des aktiven und passiven Wahlrechtes zur Acrztekaniiner auf die Dauer von zwei Wahlperioden und 300 Mark Geldstrafe. Der Ehrengerichtshof wies die da gegen eingelegte Berufung als unbegründet zurück. Tie Verteidigung läßt, sagt der Ehrengerichtshof, erkennen, daß der Angeschuldigte sich kaum noch bewußt gewesen ist. wie schwer sich ein Arzt gegen ein Mädchen verfehlt, das im Vertrauen auf die Würde des ärztlichen Berufes Rat und Hilfe sucht. v Große Erregung herrscht in der Gemeinde Srirbocchrd, im Weißenburger Komitat, wegen eines Besitz streites. Die Gemeinde war vor etwa 100 Jahren eine Besitzung der Familie Batta, welche dieselbe verpfändete und nicht wieder auslöste. Die Gläubiger parzellierten die Besitzung, und seither hat sich die Gemeinde sehr entwickelt. Nu» tauchte vor einigen Jahren eine alte Erbin der Familie Batta auf, die die ganze Besitzung im Prozeßwege znrück- erlangcn will. Mit einigen Landwirten bat die Erbin be reits einen Ausgleich getroffen, gegen 626 andere aber den Prozeß angestrengt, von dessen Ansgang das weitere Schick sal der Leuts abhängt. Vor einigen Tagen meldeten sich zwei greise Bauern, welche die Angaben der Erbin be stätigten. Die Zeugen wurden von den Bauern halbtot geprügelt und seither ist die Gemeinde von der Gendarmerie besetzt, da man ernste Ruhestörungen besorgt. vDie erstcn Maultiere hat jetzt die Allgemeine Berliner Oiunihns-Gesellschaft in den regelmäßigen Dienst eingestejlt. Man verspricht sich von der Neuerung sine er hebliche Ersparnis. Literatur. „Die Mädchcilbühnc", Monatsschrift für Jungsrauen vereine, weibliche Dilettantenbühnen, Mädcheninstitute, Schulen und .Kindergärten. Theaterverlag Val. Höfling, München. Bezugspreis: ganzjährig 12 Hefte mit Zu stellung durch Kreuzband 4,80 Mark. Preis des einzelnen Heftes 50 Pf. — Das Programm, das dieses neue Unter nehmen sich gestellt hat, soll die weibliche Jugend durch ge sunde, deutsche Kost belehren, begeistern, bilden und unter halten. Dafür gibt das uns vorliegende erste Heft den besten Beweis: »reden einem größeren Theaterstück „Frie- densengel", das sich nach dem Urteile von Professor Dr. 4'. Anselm Salzer weit über den Durchschnitt erhebt, enthält das Heft ein reichhaltiges Material: vollständig abge schlossene Lustspiele, Scherze, Lebende Bilder, Prologe. — 96 — — 93 — von seiner neuen Hausdame, daß der Baron dieses „Meerwunder" sich mal ansehcn wollte. Und als er eine Stunde in Trudes Gesellschaft zugebrackst batte, war er von ihrem schlichten »nd herzlichen Wesen so bezaubert, daß kl einen Toast ausbrachte auf die „Sonne von Sonnenberg". Die beiden alten Herren überboten sich in Zuvorkommenheit und Liebenswürdigkeit, und Klingenberg war von Stunde an täglicher Gast in Haus Sonnenberg. „Es ist so gemütlich, so traulich und schön, daß man gar nicht mehr gehen mag," sagte er. Als Susi, der Hanptmann und Baron Klingenberg an einem der fol genden Tage ausrittcn, fragte Sonnenberg, ob Trude auch passionierte Reiterin sei. „Nein," sagte sie, „das ziemte sich auch nicht für meine Stellung." Die Herren protestierten dagegen, »nd jeder bot sich an, Trude in die Geheimnisse dieses Sportes einznwcihen. „Ich würde nicht um eine Welt ein Pferd besteigen," sagte sie lachend, „cS sei denn — ein hölzernes." — Die Zeit floß ruhig und still dahin. Nach ein paar Wochen traf die Nachricht ein, daß Sibylla v. Hohenberg an Herzschwäche gestorben sei. Der Haiiptmann reiste mit Susi zur Beerdigung und wollte dann zur Erholung noch eine kurze Badekur nehmen. Aber schon am dritten Tage kehrte er nach Hanse zurück. Alles war ihm draußen zuwider gewesen; er fand das Essen in den Hotels schlecht und teuer, die Betten kalt, die Zimmer unruhig. Als er »'jeder im durchwärmten Zimmer in Haus Sonnenberg saß, und die Tee maschine behaglich schnurrte, drückte er Trude die Hand. „Wie froh bin ich, daß ich wieder hier bin!" sagte er. „Ich habe hier ein so trauliches Heim, wie nie zuvor. Das haben Sie mir bereitet — und ich danke Ihnen dafür." Trudes Wangen färbte jähe Nöte, und sie entfernte sich eilends aus dem Gemache. Draußen weinte sie vor Freude, und sie war so froh, so froh. — — Susi fand Haus Sonnenberg, als kaltes Wetter eintrat und als sie ihre Allsritte anfgeben mußte, entsetzlich öde und einförmig. Weder dem Schach spiel, noch Trudes Musik vermochte sie Geschmack abzugewinnen, und selbst ihre französischen Romane erschienen ihr fade und reizlos. Das waren ja doch nur Illusionen, was in den Büchern stand; sie aber wollte erleben, lvas Dichter und Schriftsteller so eifrig schilderten. Und so siedelte sie zu Anfang des November in die Residenz über. Sie tat cs mit einem geheimen Unbehagen; sie dachte an den verflossenen Winter, an die hohen Erwartungen, mit denen sie in die Residenz gekommen war, an die kühnen Träume — und an das jähe Ende derselben. Was wollte sie nur in der Residenz? — Sich einen Mann er obern? — Nein, nur leben, genießen, sich freuen und bewundern lassen! Und >n aller Stille den Herzensspurcn nachgehen, die sich in weite, weite Ferne verloren hatten. Susi wohnte wieder bei dar alten Exzellenz in der Vorstadt-Villa. Die alten Leute nahmen sie freundlich auf, aber Susi schieu eS doch, als cb ihr Be nehmen etwas zurückhaltender geworden wäre. Wenn sie es sich auch nicht eingestond, so litt sie doch darunter. Und eines Tages erfuhr sie von der Frau Staatsrat, die nie lange etwas verschweigen konnte, den Grund. Die alten Leute zürnten ihr, daß sie dein Leutnant v. Sommer, einein nach jeder Seite hin vorzüglichen Menschen, den Abschied gegeben hatte. „Ter eine kommt nicht in Betracht," sagte der Hauptmann, „und Wolf — der ist, wie ich Ihnen schon sagte, ein Weltbummler, ein unruhiger Geist, der nirgends Ruhe findet." , Es gibt solche Menschen. Sie sind beständig auf der Jagd nach dem Glück und können es nicht finden. Aber nicht immer trifft sie selber die größte Schuld. Manche finden eben in der Heimat, im eigenen Hause den Frieden und die Ruhe nicht, nach denen sie sich sehnen, und das treibt sie immer wieder hinaus in die weite Welt, ins Ungewisse . . Herr von Sonnenberg hustete ein paarmal verlegen, um einer Antworr enthoben zu sein, und sie fuhren weiter, ohne diesen heiklen Punkt wieder zu berühren, bis Hans Sonnenberg von der Höhe herabgrüßte. Die weiße«, Mauern glänzten hell im Sonnenschein, und lvie eine goldene Wolke lag es zwischen Schloß und Park. Ringsum standen die Bäume im herbstlichen Schmucke, die Blätter glühten wie große Rubine, Saphire, Topasen, und der Himmel strahlte in sanften Farben lvie ein Opal. „Wie wniiderschön!" rief Trude ans. „Hier muß es sich köstlich woh neu. Das Schloß trägt seinen Namen mit Recht: das ganze Haus ist voll Sonnenschein." Der Hanptmann dachte: „Wenn es doch so wäre!" und sagte dann zu seiner Begleiterin: „Ich hoffe, daß Ihr Eintritt dein Hanse Glück bringen wird. Sie haben so etwas Frisches, Helles und Sonniges. Und recht vie! Sonne, auch im Innern des Hauses, tut uns not. Ich heiße Sie willkommen in Hans Sonnenberg. Möge es Ihnen eine Heimat werden!" Ueber Trudes Gesicht huschte ein Heller Schimmer. Sie drückte dein Hanptmann die Hand und sah ihn dankbar an. „Das ist ein froher Gruß," sagte sie. „Ich danke Ihnen von Herzen dafür und hoffe, daß mir Hans Sonnenbecg auch wirklich eine Heimat wird. Tenn da ist unsere Heimat wo wir Liebe finden und glücklich sind." Mit diesen Worten betrat sie, ein wenig bange zwar, doch voll frohec Zuversicht, Hans Sonnenberg. Susi war erstaunt über die Jugend und das frische Wesen der neueil Hausgenossin. Trude war fast von gleicher Größe lvie Susi, mir etwas zarte: gebaut; ihr Gesicht besaß nicht die vornehme Schönheit, die Snsi anszeichnete. war aber regelmäßig und sehr hübsch. Besonders reizend standen ihr die Grübchen, wenn Trude lachte, und der warme Glanz in ihren Augen nahm sogleich für sic ein. Susi aber sah in ihr nur die bezahlte Dienerin und war lalt und hochfahrend gegen Trude. Als sic dann beim Kaffee saßen und Trude den Hausherrn bediente, ihm die Zigarre» bereit stellte, Sahne aut- goß, die Zuckerdose präsentierte — da beschlich Susi, die von ihrem Vater kannl beachtet wurde, ein unangenehmes Gefühl der Eifersucht, als ob plöh lich eine Nebenbuhlerin in? .Hans eingetreten sei. Sie hüllte sich vornehm in Schweigsamkeit und zog sich, sobald es anging, zurück. Ein tiefes Miß- lranen erfüllte sie gegen die neue HauSgenossin, die offenbar bemüht war sich von der liebenswürdigsten Seite zu zeigen und einen möglichst günstige» Eindruck auf den Herrn de? Hauses zu machen Susi nahm sich vor, ihr scharf ans die Finger z» sehen, sie namentlich in die ihr gebührende »ntergeordnets Stellung znrückzndrängc» -Gr ihre Abhängigkeit deutlich fühlen zu So.orelwerg