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Und welche andere Freude hattest du denn? Keine, nicht die kleinste gönnte nian'^dir, alles Mitztou nnd Verbitterung nin dich hermn, Herzensarmut und Kleinlichkeit, Du muhtest ja böse nnd mürrisch werden, es war eine Natur notwendigkeit." Sie brachte ihm die Blumen, es war auch wilder Thmian dabei und Heliotrop. „So, mm fahren wir noch bis znm Waldrande. Unter den Kiefern ist cs köstlich, dabei schmeckt dann dao Mittagessen." Marwitz sagte kein Wort, aber um seine Mundwinkel zuckte es ver räterisch. nnd dieses Zeichen genügte Ilse: sie wusste, datz auch die Liebens würdigkeit, ein freundlicher Umgangston geübt sein will. Der alte Herr hätte sicher nichts anderes als ein unwirsches Brummen hervorgebracht, daher war er lieber still. Sie schob den Wagen, wobei sie leise vor sich hinsang, von den Sommer Vögeln und der Nachtigall, von den Sternen und dem „Guten Mond", Volkslieder in einer geradezu vollendeten Vortragsweise. Und dann hatten sie die surrenden, flüsternden Föhren erreicht, deren Kronen sich beim leisesten Luftzüge hoben. Ilse nahm ein rcichbelegtes Weihbrot ans ihrem Handtäschchen und gab es dem Greise, eine kleine Flasche mit Himbeerlimonade folgte; er griff hastig danach, ohne zu fragen, ob auch Ilse durstig sei. Erst bildete sich eine Falte ans seiner Stirn, die dem dreifachen Fleisch- belag galt, aber der Gedanke, das; diese „Verschwendung" nicht sein Geld kostete, glättete seine Mienen und er lieh es sich wohlschmecken. * -X * Mar Borchcrt nnd der Amerikaner hatten ihre Pferde bereits einem herbeigeeilten Stallknecht übergeben und betraten soeben den Vorgarten, als auch Frau Bödow mit einem Tablett, ans den; eine kleine Kanne mit Suppe nnd daneben eine Tasse stand, erschien. Sie erwiderte die Grütze der Herren mit einem freundlichen Nicken, prallte aber sichtlich betroffen zu rück, als sie bemerkte, das; ihr Schwager und Ilse hier nicht mehr waren. „Fräulein v. Lukado fährt Herrn Marwitz drautzen im Felde spazieren," sagte Borchert, „wir sind ihnen soeben begegnet." „Nun, das ist aber doch eine starre Eigenmächtigteit von dem jungen Mädchen!" rief die Dame, „mein Schwager ärgert mich ja absichtlich, wo er nur kann nnd ich lasse es mir gefallen um des lieben Friedens willen, von einer Fremden aber lasse ich mir nichts bieten!" Sie hatte das Tablett unsanft auf den Gartentisch gesetzt und fuhr nun scheltend fort: „Die einzige Ruhestunde, die ich mir vormittags gönnen kann, raubt mir dieser Querkopf. indem er Plötzlich statt des gewohnten Bieres eine warme Suppe wiiuscht — sie verschwieg natürlich, daß sie es ihrem Schwager schon verschiedentlich rundweg abgeschlagen hatte, ihm eine Suppe zum Frühstück zu bereiten — „ich stelle mich au den glühenden Herd, um nur ja auch die kleinste Pflicht zu erfüllen, und nun stehe ich hier, als sei ich in den April geschickt worden! Solche Schikane lasse ich mir aber nur einmal bieten, das soll mein Herr Schwager erfahren!" „Neben Sie.Nachsicht, verehrteste Frau." beschwichtigte Borchert, „Sie haben es mit einem eigenwilligen Kranken zu tun. und das Bewußtsein Ihrer Güte muß Ihnen der schönste Lohn sein." Mit einer entsprechenden Handbeweguug fügte er hinzu: „Der Herr dort wünscht Ihnen vorgestellt zu werden. Es ist unser künftiger Hausgenosse, Herr Jones Trollohn, mein Herr Volontär, welchen in die Geheimnisse der Landwirtschaft einznweihen ich die Ehre haben werde." Jones neigte sich schon über die Hand der Hausfrau. „Gewähren L>ie mir ein kleines Plätzchen m Ihrem Familienkreise, meine Gnädigste, meines Dankes sind Sie sicher." Er sprach das Deutsche sehr geläufig. Die Anrede „gnädige Frau" hatte sich hier noch nicht eingebürgert; die Damen wurden vernünftigerweise von Dienstboten sowohl, wie von den Bekannten mit ihrem Familiennamen angeredet, Frau Bödow aber fühlte sich doch geschmeichelt. Sie musterte den geschmeidigen, jungen Mann mit sehr wohlwollenden Blicken. „Ich heitze Sie willkommen. Herr Trollohn, Ihre Zimmer stehen in Bereitschaft, Sie können noch heute Ihren Einzug halten." „Ich danke Ihnen tausend Mal, gnädigste Frau, und werde mich be mühen. Ihnen in keiner Weise lästig zu falleil." „O, in; Gegenteil, wir freuen uns auf Ihre Gesellschaft, Herr Trollohn, kommen Sie nur. Sie können gleich mit uns zusammen frühstücken." Jones verneigte sich und blieb au Frau Bödows Seite. Gleich darauf ward auch ihm der imponierende Anblick des alten Schlosses mit der Säulen halle, der Ilse so sehr überrascht hatte. Jones blieb unwillkürlich stehen. „Welch ein herrlicher, imposanter Ball!" rief er, „und der Besitzer solch eine verwitterte Ruine. Hat der alte Herr denn gar keine Freude an diesem Prachtschlosse?" „Eine Ruine, Herr Trollohn. das war das rechte Wort, es ist nur ein Jammer, datz solch ein elender Krüppel, der sich und anderen zur Last ist, Jahr mn Jahr dahinlebt, während so manches frische, blühende Leben weg- stirbt . . . Aber da sind wir schon, und glücklicherweise alle beisammen." Der Frühstückstisch war auch heute dicht unter den Bogenfenstern des Schlosses gedeckt, nur datz ein luftiges Zelt mit wehenden Gardinen den Sonnenstrahlen wehrte. Und auch heute wieder trat der Kontrast zwischen dem Frühstück des Besitzer von Blankenstein und dem seiner Familie be deutend hervor. Dort die unbelegten Stullen und eine Wassersuppe, hier goldig funkelnder Wein, Geflügel, italienischer Salat, Schinken und eine Eierspeise, auch köst liches Obst und frischgebackencs Weißbrot. Bödow und seine Töchter hatten die Servietten bereits auseinandergcfaltet, nun erfolgte die gegenseitige Vor stellung. auf einen Wink der Hausfrau wurde noch ein Kuvert aufgelegt. TrolloynS gesellschaftliche Gewandheit und Ueberlegenheit ließ ein Gefühl des Fremdseins gar nicht aufkommen, es war, als sei man bereits seit Jahr und Tag mit ihm bekannt. „Wie mir scheint, gibt Ihr Herr Schwager Ihnen zu freundlichen Ge- stnnungen keinen Anlaß, meine gnädige Frau." sagte er, das Gespräch von vorhin weiterführend. Dieses „gnädige Frau" klang der ganzen Familie wie eine bezaubernde Musik, die man wieder und wieder zu wiederholen verlangt. „An Streit und böse Worte müssen Sie sich hier gewöhnen, mein bester Trolloyn." sagte Bödow. sein Glas mit dem funkelnden Malaga er-