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H °r - o lisek «,t .««« 1 »ger in ^il-- i ; sowie ^il-- Ilstatt. tt." Die 0 L, "1« .V I» ,70.;. n S t" NNIA 1070 ner r. 27. io«. Arschetat täglich «achm. mit Ausnahme der Somr-». Festtag». BezagSpreiSr Vierteljährl. 1 Mk. 80 Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer «888. Bet außerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-PreiSliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vuclxlnrclrerel. ^eüaimon unL kercbsNrrttller Dresden, Pilluitzer Sttaße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bet Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. IS««. Nr. 280. «ath-lik-ut Melchiades. Donnerstag, den 10. Dezember 1903. Protestanten: Judith. 2. Jahrgang. Die Lage in Ostafieil. Rußland und Japan rüsten zum Kriege und Europa weiß Eigentlich sehr wenig von dem wirklichen Stande der gegenwärtigen Rüstungen, da von den Beteiligten mit der Wahrheit bös umgesprungen wird. Nur das Gefühl der Sorge verstärkt sich von Woche zu Woche und lastet immer schwerer auf dem ostastatischen Verkehr. Gewiß sind sich die Negierungen Rußlands und Japans ihrer Verantwort- lichkeit bewußt und eifrig bemüht, wenn nicht einen dauern- den Frieden, doch einen Friedenszustand auf Zeit herzu stellen und dadurch den Krieg zu vermeiden, den beide Staaten wegen der Ungewißheit des Ausgangs und der zweifellosen Vernichtung des Wohlstandes bei den Siegern wie bei den Besiegten fürchten, aber ebenso gewiß drängen in dem japanischen wie in dem russischen Volke zahlreiche Kreise zu einem Waffengange. Das beständige Wachsen der Rüstungen auf der einen, die zunehmende Lähmung des Handels aus der andern Seite drohen beide Nationen zu dem Punkte zu treiben, wo der Krieg als letztes Mittel zur Erhaltung des Staates erscheint. Die Eifersucht und die innere Feindseligkeit der Japaner und der Russen stammt nicht von gestern, nicht von der Festsetzung der Russen in der Mandschurei her. Die sibirische Eisenbahn war lange, ehe sie vollendet wurde, eine Sorge und ein Schreckgespenst für die Japaner. Sie fühlten, wie der Niese ihnen dadurch unaufhaltsam näher rückte und ihre Stellung in Korea immer ernster bedrohte. Ohne Eisenbahn hätten die Russen nie daran denken können, in Korea und in den nordchinesischen Provinzen Handels- und Machtrivalen Japans zu werden. Wie sehr die langsam vorrückende Eisenbahn das Selbstgefühl und den Ehrgeiz Rußlands steigerte, zeigte sich schon bei dem Kriege Japans gegen China in den Jahren 1894 und 1895. Rußland hinderte Japan die Früchte des Sieges zu genießen; das hat das aufstrebende Japan noch nicht vergessen. Nun kommt noch, daß Rußland immer weiter seine Krallen vorstreckt. Die Mandschurei ist eine russische Provinz geworden, von russischen Eisensträngen durchzogen, von russischen Kosakenabteilungen besetzt und durchstreift. Ueberall längs der Bahn erheben sich kleinere und größere russische Nieder lassungen, Handelsplätze zugleich und Burgen. Port Arthur und Dalny werden gleichsam aus der Erde gestampft, Mukden, die altchinesische heilige Stadt mit den Kaiser gräbern, untersteht den Befehlen eines russischen Obersten. Gegen jedermann, mag es sich nun um Räuber, Boxer oder kaiserlich chinesische Truppen handeln, hält Rußland sein Recht, seinen Frieden und seine Ordnung aufrecht. Trotz seiner Versicherungen denkt er nicht daran, die Mandschurei zu räumen, und damit keinem ein Zweifel über seinen Willen komme, übergibt es das ganze neu erworbene Gebiet einem Statthalter mit vizeköniglichen Befugnissen. Auch ohne Worte spricht diese Haltung deut lich zu dem Hofe von Peking wie zu all den anderen Mächten: hier stehe ich, vertreibt mich, wenn ihr es könnt. Japan war seit dem chinesischen Kriege nicht in demselben Grade tätig. M^hr als einmal bot sich ihm die Gelegenheit, festen Fuß in Korea zu fassen und seine Herrschaft dort anszudehnen, aber es fand den Mut zu seinem kühnen und raschen Handeln nicht, obwohl sich jeder weitsichtigere japanische Politiker sagen mußte, daß ihm Rußland ohne Kampf die Halbinsel Korea schwerlich gönnen würde und daß die Gefahren dieses Kampfes um so höher stiegen, je mehr die russische Stellung in der Mandschurei sich ver stärkte. Der Versuch der Japaner, Formosa zu kolonisieren und die Eingeborenen zu unterwerfen — ein Versuch, der noch nicht geglückt ist — war eine Kraftverschwendung, da er Japan von seinen eigentlichen Zielen ablenkte. Diese liegen ausschließlich in Korea, um der japanischen Aus- Wanderung ein neues lohnendes Gebiet zu verschaffen und in dem Einfluß auf die Nordprovinzen, um dort die „gelbe Rasse" zum Widerstand gegen die immer mächtiger heran drängenden Flutwellen des Rnssentnms zu erziehen und zu rüsten. Die Japaner spielen sich gern als die Vor kämpfer Ostasiens, als die Nation auf, die europäisches und ostasiatischcs Wesen zu einer neuen und höheren Kultur form verschmelzen wird, aber gegenüber der zielbewnßten Tätigkeit und Energie der Russen, die sich durch keine Schwierigkeit aufhalten oder ermüden läßt, haben sie den kürzeren gezogen. Als England und Japan im Jahre 1902 ein Verteidigungsbündnis schlossen, glaubten viele, der Ent- scheidnngskampf stände unmittelbar bevor, die beiden Mächte würden die Russen znm Abzüge aus der Mandschurei zwingen, aber sie haben sich wohl gehütet, die Hand zum Schlage zu erheben, und jetzt ist jeder überzeugt, daß Eng land wenigstens im Anfänge des Kampfes seinem Ver bündeten die Sache allein wird ansfechten lassen. Nur in dem Falle, daß es siegreich bliebe, dürste Japan des engli schen Beistandes und der englischen Treue sicher sein. Politische Rundschau. L eutschland. — lieber das Befinden des Kaisers schreibt die „Nord- deutsche Allg. Zeitung": Gleichwie der Kaiser die sofortige Bekanntgabe des Berichts über die Operation verfü te, hat er auch jetzt die ärztlich anferlegte Frist der Schonung nicht verkürzen mögen, und gerade dieser Umstand muß aufs stärkste dazu beitragen, die frohe Zuversicht in allen Kreisen nachhaltig zu befestigen, daß wir Se. Majestät binnen kurzer Zeit seines hohen Amtes in vollkommener Kraft und Frische walten sehen werden. — Initiativanträge aus dem Reichstage. Die Elsässer haben mit Unterstützung der Polen einen Gesetzentwurf über die Einführung allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahlen zum Landesansschuß für Elsaß-Lothringen einge bracht.— Die Konservativen stellten Anträge auf Unfall- sürsorge für die bei Rettung von Personen oder Sacken verunglückten Personen, betr. Pensionsversicherung der Privatbeamten, Versicherung für Handwerker, Abänderung des 8 883 des Bürgerlicheil Gesetzbuches (Tierschaden), die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen in Handwerks betrieben, Beihilfe an Mannschaften des früheren Veteranen standes und Aufhebung des 8 84 des Unfallversicherungs- gesetzes (Reservefonds). — Die N ati o n a l I i b e r a l en wünschen Gesetzentwürfe über die Staatsangehörigkeit, das Vereins- und Versammlungsrecht, den Schutz der Gehilfen der Notare, Rechtsanwälte usw.; die Sicherung der Bau forderung und Gewährung von Anwesenheitsgeldern an Reichstagsabgeordnete. — Die Reichspartei fordert eine obligatorische Invalidenversicherung für die selbständigen Handwerker. — Das Zentrn m hat bekanntlich auf nahezu allen diesen Gebieten seine eigenen Anträge schon mit gebracht. dazu aber noch weitergehende für die Arbeiterschaft. — Der Toleranzantrag wurde vom Zentrum wieder eingebracht. Er enthält jenen Teil, welcher bereits vom vergangenen Reichstag angenommen worden ist, und welcher die Religionsfreiheit der Reichsangehörigen regelt. Sodann sind im 2. Teil des Zentrumsantrages wieder jene Bestimmungen enthalten, welche das Zentrum seinerzeit zurückgezogen hat; sie beschäftigen sich mit der Religions- freiheit der Religionsgemeinschaften. Wir werden auf diesen Antrag noch zurückkommen. — Aus parlamentarischen Kreisen wird uns geschrieben: Die Neichüfinanzreform hat fast sämtlichen Fraktionen des Reichstages große Enttäuschung bereitet, nur in den natioualliberalen Kreisen ist man mit ihr im allgemeine» zufrieden und auch die äußerste Rechte hat nicht viel Be denken. Auf der linken Seite sieht man dieser Reform völlig ablehnend gegenüber. Engen Richter, der in der „Freis. Ztg." im letzten Monat eine auffallend verdächtige Stellung eingenommen hat, erklärt sich nun rundweg gegen den Entwnrf und die Sozialdemokratie schließt sich hier an. lieber die Stellungnahme der Zentrnmsfraktion mutz man sich auch in allen Kreisen klar sein, da ja der ganze Ent wurf gegen die seitherige Finanzpolitik des Zentrums ge richtet ist. Wer dies nicht glauben sollte, dein sagt es offen die Berliner Presse. So erklärt das „Berliner Tage blatt"! Der neue Entwnrf, der wegen Antastung des etats rechtlichen Palladiums des Zentrums, der „oiaimuln Frankenstein", bei der ausschlaggebenden Partei starke Gegnerschaft finden dürfte und auch bei den liberalen Par teien als eine neue Einschränkung des Einnahmebewilligungs rechts auf Gegenliebe nicht zu rechnen hat, ist nichts als ein neuer Flicken auf dem abgetragenen Gewände unserer Neichsfinanzgesetzgebung. — Wir wissen nicht, ob der „Lokal-Anzeiger" die Hintergedanken der Regierung dar- legt, wenn er schreibt: „Die Franckcnsteinsche Klausel hat Hshes Ziel. Original-Erzählung von W. Dora. (6. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Ja", erwiderte Reinhold und ein Seufzer entrang sich seiner Brust, „ich hatte andere Pläne damals. Du hast Recht. Hätten meine Wünsche sich erfüllt, so weilte ich vielleicht längst an den Ufern des Laplatastromes, oder des Ganges, oder wer weiß, wo in irgend einem Urwald. Aber es kam eben anders. Ehe ich meine Studien voll endet, starb mein Vater und da meine Mutter nun allein und mittellos in der Welt stand, gab ich den Drang zur Ferne auf — um ihr Alter von Sorgen frei zu halten. Ich hatte mich loslösen wollen von allen irdischen Banden und fühlte mich Plötzlich an die Erde gekettet — ich hatte nach dem Höchsten gestrebt und kämpfe nun den nüchternsten Kampf — ums tägliche Brot!" Lieinhold schwieg und legte den Kopf in die Hand. Es war, da er von seiner Jugend Hoffen und Entsagen sprach, als werde die alte Sehnsucht wieder wach. Voll innigster Teilnahme schaute der Prinz in sein bleiches Antlitz. „Armer Freund, ich verstehe Dich. Deiner großen, nach den höchsten Idealen strebenden Seele ist es schwer geworden, sich in enge, kleine Verhältnisse zu zwängen." „Ja", sagte Reinhold, indem er mit der Hand über die Stirne strich, als könne er die trüben Gedanken dort hinwegwischen, „das Opfer ist mir schwer geworden, aber ich habe eS niemals bereut. Wie konnte ich auch anders", fügte er weich hinzu, „es war ja nur ein schwacher Tribut der Dankbarkeit an die treueste, beste der Mütter I Doch, sprechen wir lieber von Dir, Du verwöhntes Kind des Glücks, das stets nur die Sonnenseite des Lebens gekannt hat, wie ist eS denn Dir ergangen?" „Mein Leben floß einfach dahin und läßt sich in wenig Worte zusammenfassen. Nachdem ich vor zwölf Jahren das Kollegium in Feldkirch verlassen hatte, verbrachte ich die üblichen Semester auf der Universität und widmete mich dann der diplomatischen Karriere. Erst lebte ich einige Jahre als Gesnndtschafts-Attachä in Wien, dann in London nnd bin nun seit vorigem Herbst der Gesandtschaft in Constantinopel zugcteilt." „Da wird wohl Deines Bleibens hier nichl lange sein?" sagte Reinhold. „Anfänglich hatte ich allerdings vor, nur einige Wochen bei meinen Eltern in Wartet) zu verleben, allein ich habe einen Magnet hier gefnnden, der mich nnwiderstehlich fesselt und ich bin nm eine Verlängerung meines Urlaubs ein gekommen, die ich auch erhalten habe. Wir Attaches sind keine so unentbehrlichen Persönlichkeiten, daß das Wohl der Staaten durch unser Fehlen gefährdet wird und wenn meine Wünsche sich erfüllen, so möchte es sein, daß ich gar nicht inehr ans meinen fernen Posten znrückkehre. Aber", fuhr er seufzend fort, „ich bin noch weit vorn Ziel! Seit bald drei Monaten bin ich hier in fast täglichem Verkehr mit ihr und — bin ihr noch nm keinen Schritt näher gekommen." Reinhold war merkwürdig still gewesen, während der Prinz gesprochen. Es war, als gleite ein Schatten über seine Züge und die Lippen preßten sich so fest aufeinander, als wollten sie die Worte mit Gewalt zurückdrängen. Jetzt aber legte er seine Hand in die des Prinzen nnd sagte herzlich: „Der Preis ist auch des Ringens wert, mein Freund; Gräfin Jsabella ist ein schönes, hochherziges Geschöpf, gebe Gott die Erfüllung Deine« Höffens. Jetzt aber laß uns hineingehen", fügte er, auf die Hellen Fenster des Saales deutend, hinzu, „mir ist, als hätten ihre dunklen Augen schon oft nach Dir gespäht — vielleicht bist Du dem Ziel so fern nicht, als Du denkst." — Cäcilie, die sich früher zurückgezogen hatte, schlief schon längst, als Jsabella einige Stunden später mißmutig und verstimmt in das Schlafgemach trat, das die beiden Mädchen miteinander teilten. Sie war noch immer aufgebracht gegen Reinhold, gegen den Prinzen und am meisten gegen sich selbst, doch dies einzugestehen, ließ ihr Stolz nicht zu. Sie dachte noch nicht an Ruhe und warf sich geräusch- voll in den Lehnstuhl nieder, der am Fenster stand. Cäcilie erwachte nnd schaute erstaunt auf Jsabellrs seltsames Treiben. „Aber Jsabella, was machst Du denn?" fragte sie, „wirst Du nicht auch endlich zu Bett kommen? es muß schon sehr spät sein?" „Ich kann nicht schlafen!" rief Jsabella, der es wohl tat, ihren: Unmut Lust zu machen, „mein Kopf schmerzt und all meine Pulse klopfen. O der abscheuliche Mensch!" Cäcilie richtete sich in ihrem Bett auf und rieb sich den Schlaf ans den Augen. „Was ist denn geschehen? Von wem sprichst Du denn?" — „Von wem anders, als Doktor Schönberg, o könnt ich ihm nur sagen, wie ich ihn hasse!" „Schönberg?" fragte Cäcilie erstaunt, „was hat er denn getan?" „Er hat mich furchtbar beleidigt," erwiderte Jsabella, „aber ich habe mich gerächt — ich denke, er weiß nun, was ich von ihm halte." „Seltsam," sagte Cäcilie, „ich traf ihn, als ich den Salon verließ, im Vorsaal nnd er schien ganz ruhig nnd heiter. Wir stiegen plaudernd zusammen die Treppe hin auf und er hat sogar von Dir gesprochen." Jsabella hob den Kopf ans dem Batisttnch empor, in das sie ihr Gesicht gedrückt hatte, stand auf nnd setzte sich auf Cäcilies Bettrand. „Wirklich? hat er das getan? sagte er Dir. daß ich ihn beleidigt hätte?" „Ganz nnd gar nicht, er sprach im Gegenteil, als ob Ihr die besten Freunde wäret." „Der Heuchler!" rief Jsabella empört, „ich glaube, der Mensch hat kein Herz nnd kein Gefühl." „Und ich glaube im Gegenteil, daß er ein sehr großes, gutes Herz hat." „Was verstehst denn Du von Männerherzen. Du kleine Heilige," lachte Jsabella, deren Unmut zu schwinden begann. (Fortsetzung folgt.)