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zweites Blatt Zächsischk Bolkszeitung vom 15. Oktober 1«MK Nr. 236 Die Sozialdemokratie uirv d s Agra system. Z,ir die Sozialdemokratic ist die Behandlung des Agrarproblems, d. h. der Frage, wie sie sich die zukünftige Entwickelung des landwirtschaftlichen Betriebes sowie Be- rnssstandes iin Hinblick ans dessen Einordinmg in das so zialdemokratische Zukunfts-systein denkt, bisher eine harte 'Nuß gewesen. Tie Lösung dieser Frage ist aber nin so drin gender, als man auch in den sozialdemokratischen Kreisen davon überzeugt ist, das- ohne die Gewinnung der länd- lachen Bevölkerung eine Verwirklichung der politischen und wirtschaftlichen Ziele der Sozialdemokratie so ziemlich aus geschlossen ist. Taher erscheint es sehr begreiflich, daß man sich wiederholt ernstlich mit dem Agrarproblem in der Par tei beschäftigt hat. Tas Resultat war stets ein negatives. Man blieb im allgemeinen io klug wie zuvor. Zu einem eigentlichen Ägrarprogramm ist die Partei bis heute nicht gelangt. Ta aber, wie schon betont, die Gewinnung der Iändlicj>ei« Bevölkerung für die Sozialdemokratie eine Lebensfrage ist, wurde auf dem sozialdemokratischen Peirtei- inge in Nürnberg im vorigen Monat von revisionistischer Seite die Einsetzung einer Kommission beantragt, die er neut sich mit dem Agrarproblem beschäftigen soll. Der Par- teitag willfahrte dem Antrag. Damit ist das Problem von neuem anfgerollt und wird bei den Erpansionsbestrebungen der Revisionisten ohne Zweifel die Zukunft in besonderem Maße beschäftigen. Dieter Umstand gibt dem neuerdings unter die Mit arbeiter am „bürgerlichen" „Tag" getretenen Revisionisten Richard Ealwer Veranlassung, in dem revisionistischen Moniteur, den „Sozialistischen Monatsheften" «Mr. 20) fich die zukünftige Behandlung des Agrarproblems eine AW Vorwort zu schreiben. Er betont mit Recht, daß die Sozial demokratie, um zu praktischen Maßnahmen zum Zweck der Gewinnung der bäuerlichen Bevölkerung zu gelangen, einer gewissen Theorie zur Begründung derselben nicht entbehren kann. Hier liegt aber die ganze Schwierigkeit. Tenn in der offiziellen Partei stehen sich bezüglich der Beurteilung des Agrarproblems zwei Auffassungen schroff entgegen, über deren Inhalt wir am liebsten „Genossen" Ealwer selbst reden lagen möchten. Er äußert darüber: Die ursprüngliche und noch heute offiziell vertretene Auffassung geht davon ans, daß auch auf die Entwickelung der Landwirtschaft genau das zutreffe, was von der Ent wickelung der Industrie gilt. Ter mittlere und kleine Be trieb werde durch den Großbetrieb verdrängt. Ter kapita listische Konzentrationsprozeß vollziehe sich, wenn auch in etwas anderen formen und in langsamerem Tempo, inner halb der Landwirtschafr. Tie Anfrechterhaltnng eines Mittelstandes werde nur durch besondere Umstände, durch staatliche Maßnahmen, durch die Art unserer Handelspolitik ermöglicht. Es fei nur eine Frage der Zeit, und der Pro zeß, nach dem sich Grund und Boden in den Händen weniger bereinigen müsse, setze auch in der Landwirtschaft ein und fege den selbständigen Bauernstand von der Bildfläche weg. Ten schärfsten Gegensatz zu dieser Auffassung bildet die Be hauptung, daß in der Landwirtschaft der Großbetrieb dein mittleren und kleinen Betriebe keineswegs überlegen sei, sondern daß gerade das Gegenteil zntreffe. In der Land wirtschaft zeige sich eine ganz andere Entwickelungstendenz als in der Industrie: Nicht in der Herausbildung großer Betriebe, sondern in der Förderung der bäuerlichen Inter essen liege die Zukunft der deutschen Landwirtschaft. Es gelte daher hier nicht die These von der Trennung des Arbeiters von seinem Produktionsmittel, die als Voraus fetzung für eine sozialistische Organisation der Landwirt- sclcaft von der skizzierten Auffassung angesehen wird. Nicht die Verdrängung des Bauernstandes, sondern eine genossen- scl)aftlict)e Zusammenfassung und Bestätigung bezeichne den Weg zu einer künftigen sozialistischen Organisation der Landwirtschaft. Zwischen diesen beiden Auffassungen klafft ein tief gehender Gegensatz. Tie tatsächliche Entwickelung der Tinge in der Landwirtschaft hat der zweiten Auffassung Recht ge geben. Jene formuliert Ealwer dahin: Es ist kaum bestreitbar, daß der kapitalistische Ent wickelungsprozeß in der Landwirtschaft dem in der In dustrie sehr unähnlich isi. Ter industrielle Großbetrieb ist etwas ganz anderes als der landwirtschaftliche Gros: betrieb. Ter Ausdehnung des gewerblichen Großbetriebes stehen weit weniger Widerstände entgegen als der des land wirtschftlichen. Im letzteren spielt die Maschine eine weil geringere Rolle als in, elfteren. Man muß jedenfalls zugeben, daß die Banernbetriebe vorläufig und noch für lange Zeit die ausschlaggebende Rolle in der deutschen Landwirtschaft spieleil werden. Mil dieser Tatsache und Aussicht sollte mail sich in erster Linie absinden. Vermögen wir dies «licht, so werden wir der 'Agrarfrage noch sehr lange mit verschränkten Armen gegenüberstehen müssen. Weiter aber sollte anerkannt werden, daß die Interessen der Groß grnndbcntzer und der Bauern im allgemeinen viel einheit licher sind, als wir zugeben wollen. Es fehlt ja nicht an Stimmen, die die Bauern das Stimmvieh der Großgrnnd belitzer nennen, aber diese Meinung ist nnhallbar . . . Tie Interessen beider Grnvpen mögen sich nicht immer deckeil. es mag sogar häufig Banernschichtc'n geben, die sich zurück- gesetzt fühlen, aber der Grund ist meist darin zu suchen, daß die Interessen der Bauern in den verschiedeneil Landes- teiien selber sehr stark divergieren. Eine Prolelarisiernng des Bauernstandes liegt also noch in weiter Ferne, und damit erledigt sich auch die Frage, ob nnd wie weit sich Erobei nngen sür die sozialdemokratischen Ideen unter unserer bäuerlichen Bevölkerung werden machen lassen. Eine andere Frage ist allerdings die: wird es nicht eher nnd leichter gelingen, unter den Landarbeitern Anhänger sür die Sozialdemokratie zu gewinnen? Auch hier ist Ealwer recht zweifelhaft nnd die Schwierigkeiten erblickt er vor allem wieder in der Verschiedenheit der ge werblichen nnd landwirtschaftlichen Entwickelung. Mit vollem Recht führt er dal über ans: Ilm den Arbeiter in der Landwirischaft besserstellen zu können, dazu ist es notwendig, daß sich der landwirtschaft liche Betrieb auch rentiert. Wollen wir die deutsche Land wirtschaft schutzlos der überseeischen Konkurrenz preisgeben, glauben wir, daß die Entwickelung unserer Landwirtschaft den nämlichen Weg einschlagen müsse wie die englische, dann könnten wir uns, falls wir die Macht dazu hätten, unseren Willen dnrchzusetzen, jede Agitation unter den Land arbeitern ersparen. Tenn dann würde die Entwickelung der Tinge den Zustrom der ländlichen Arbeiter »ach den Städten nnd gewerblichen Zentren io sehr steigern, daß die heutige Leutenot als recht befriedigender Zustand dagegen erscheinen würde. E.s handelt sich hier um einen allerdings sehr heiklen Punkt, der aber bei der Erörterung der Agrar frage nicht zu umgehen ist. Kommen wir dem landwirt schaftlichen Arbeiter mit der Forderung, den Schutz der Landwirtschaft niederreißen zu wollen, so eröffnen wir ihm die Aussicht auf eine Periode des Niederganges seiner Ar beitsbedingungen und seiner Arbeitsgelegenheit. Und es ist sehr zu erwägen, ob man mit einer solchen Forderung auf die Tauer Glück unter den landwirtschaftlichen Ar beitern haben kann und wird. Die Interessen des land wirtschaftlichen nnd des gewerblichen Arbeiters zeigen hier zurzeit noch einen Gegensatz auf, den die sozialistische Theorie bei ihrem heutigen Stande nicht anszngleichen vermag. Mit den Zukunftsanssichten unter der Laudbevölkernna ist es demnach für die Sozialdemokratie schlecht bestellt, und zwar für den radikalen Flügel in der Sozialdemokratie nicht minder wie für den revisionistischen. Ter Umstand zugleich, daß dieser dem Agrarproblem ebenso ratlos gegen übersteht wie jener, ist die beste Gewähr dafür, daß auch die revisionistischen Bäume in Zukunft nicht in den Himmel wachsen werden. Ohne die Stimmen der bäuerlichen Be völkerung wird es der Sozialdemokratie niemals gelingen, zu ihrem Ziele: die Eroberung der politischen Macht, zu gelangen und damit dem Znknnftsstaate näher zu kommen. Daraus ergebe«« sich die hohen Aufgaben, die den« Staate nnd der« nicht der Landwirtschaft angehörenden Erwerbs ständen bezüglich der Erhaltung und Förderung der Land wirtschaft im Interesse einer ruhigen Fortentwickelung des Ganzen erwachsen! PptPstjubeLseirr i" 5r.^rncnz. Wenn es galt, Treue und Liebe zu bezeigen g.gen Shron und Altar, io scharten stcb allezeit die Katholiken nn- wrer alten Sechsstadt Kamenz einmütig zusammen. Eure 'chöin und erhebende Bekundung ihre-: echt katholischen Glaubens war auch die an: Sonntag im neuen Saale zu „Stadt Dresden" abgehaltene Papstseier. In stattlicher 'Anzahl hatten sich die Gemeindemitglieder abends 7 Uhr versammelt. Anwesend waren unter anderen der Herr Domkapitular Senior I. Skala Bautzen, Ihre Durchlauch ten Reichsgräfin und Komtesse zu Stolberg Stolberg auf Branna, die Herren Pfarrer Hitzke-Kamenz, Pob.I Berus- dort. Inst Ralbitz nnd Kaplan Rhede-Nebelschütz. Vor den« Podium harte das prächtige mit Blumen nnd Pflanze«: ge schmückte Bild des heilige«« Vaters Aufstellung gefunden. Eingeleitet wurde die Feier durch den vierstündigen Beitrag der Weberichen Inbelonvertüre, gespielt von den Herren Lehrern Westlich und Hilticher, «vorauf Fräulein Gersdor' mit tiefer Empfindung einen Prolog sprach. In beredten Worten begrüßte nun Herr Pfarrer Bernhard Hinke die Festversammlnng nnd hieß alle herzlich will kommen, gleichzeitig auf alle in unserem geliebten Sachten- laude so schön.verlaufene Jubelfeier«« hinweisend, denen sich auch die nm'erige würdig anreihen möge. Der guigesthnlte. unter Leitung des Herrn .Kantors Westlich stehende „Eäcilien Ehor" brachte „Sonntag", ge mischter Ebor von 'Nagler und „Die Himmel rühmen des Ewigen Ebre" von Beethoven wirkungsvoll zu Gehör. Hierauf betrat der Festredner Herr Domkapitular Senior I. Skala-Bautzen das Rednerpult. In liefdurchdachtem, fast eiltstüudigem Vorträge zeigte der geschätzte Redner an einzelnen hervorragenden Zügen im Leben nnd Wirken Pins X. die liefe Demut desselben, gepaart mit felsenfester Glauheustreue und unerschütterlichem Gottveriranen. zeich nete ein hellstrahlendes Bild von der Geschichte des Papst tums und die in ihrem Berufe duldenden Päpste. Mit dem Gelöbnis: „Wir wollen nnd werden als gute katholische Ebristen allezeit treu znni Papste als dein Haupte der Kirche irelien", brachte derselbe eilt dreimaliges Hoch auf unseren, glorreich regierenden heiligen Vater ans, in welches aste in edler Begeisterung eiitstinniiten nnd darauf die Papsthymne stehend sangen. In freudig bewegten Worten gedachte nun Herr Kantor G. Westlich in einer patriotische«« Ansprache unseres treugeliehte.n Landesherr«« nnd des gesamte«« Kö niglichen Hauses und brachte ein dreimaliges Hoch an« Se. Majestät König Friedrich August ans, welches in der Fest-- versaniwlnng begeisterten Widerhast fand und mit der stehend gesungenen Sachsenlniinne schloß. Drei von Bunt- fener ninstrahlte lebende Bilder: 1. „Am Marterl"; 2. „Hul digung vor der Büste des Papstes"; 3. „König Friedrich A ugust" nmrahmten die Feier nnd trüge«« zur Feststim- iining bei. Reicher, oft nicht endenwostender Beifall wurde den Tarhietnngen und allen geschätzte«« Herren Rednern zu teil. Herzliche Dankesworte richtete Herr Pfarrer Hitzke an alle, welche zun« Gelinge«« dieser erhebenden Kund- gebnng beigetragei« hatte««. Besonderer Tank gebüstrt aber vor allem dem Herrn Festredner Domkapitular Senior I. Skala Bansten, welcher stereitwilligst sterbeigeeilt war nnd die Festversaiiiinlimg durch seine«« so schönen Vortrag ehrte! und hoch erfreute. Aber auch Gott den« Allmächtigen wurde, gebührender Tank gezollt. Brausend ertönte der gemein schaftlich gesungene Ambrosiaiiische Lobgesang und beschloß' den offiziellen Teil der so herrlich und würdig verlaufenen Papst-Jubelfeier. Ter zweite Teil bot noch mancherlei Schönes nnd stielt die Fcstbersammlung ««och lange Zeit in begeisterter Stimmung beisammen. I>. Al. Ans Stadt und Land. <Fortsetzung ans scn« OaupG'-al!.- — * Ein historisches Grab, und zwar dasjen ge der Gustel vor« Blasewitz auf den« alten EliaSlriedyose, wird demnächst verschwinden, da die Säkularisation des alten Friedhofes, auf den« schon seit langer Zeit keine Be erdigungen mehr staltfinden. in einig-n Jahren bevorsteht. Die „Gustel von Blasewitz", die von Schiller in« ..Wallen- Das Recht des sagenannten Dreißigsten. Bon Rechtsanwalt I)r. Nrend tn Dresden. sNachdriuk »erboten Weit ins Mittelalter zurück weist eine eigenartige, dem l^edanken der Menschlichkeit nnd der Billigkeit entspringende Rechtsvorschrift: der D r e i tz i g st e. Was darunter zu ver stehen sei. mag uns das Bürgerliche Gesetzbuch selbst sage««. Es lautet in« 8 iWst folgendermaßen: „Der Erbe ist verpflichtet, Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu dessen Hausstande gehören und von ihm Unterhalt bezogen haben, in den ersten dreißig Tagen nach den« Eintritte des Erb falles in demselben Umfange, wie der Erblasser es getan hat, Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Woh nung und der Haushaltsgegcnstände zu gestatte««. Der Erb lasser kann durch lctztwillige Verfügung eine abweichende Anordnung treffen. Die Vorschriften über Vermächtnisse finden entsprechende Anwendung." Es wurde bereits auf die historische Reminiszenz des Nechtssatzes hingewiesen. Freilich war er im Mittelalter verknüpft mit religiösen Vorstellungen. Er diente nicht der Umgebung des Toten, sondern dein Toten selbst. Sein Wiste sollte auch über den Tod hinaus sich noch unverändert entfalten, es sollte in der nächsten Umgebung des Toten zu nächst alles beim alten bleiben, gleichsam ein Traum mehr Gewalt über die Dinge dieser Welt haben als die rauhe Wirklichkeit selber. Davon ist in unseren« Rechte keine Spur «««ehr vorhanden. Der Zweck des Gesetzes ist es allerdings auch, die Schroffheit des Ueberganges aller Rechtsverhält nisse durch den Erbfall zu mildern, aber das Gesetz hat es, wie überhaupt das moderne Recht, nur mit dem Lebenden und seinen materiellen Interessen zu tun. Das Recht des Dreißigsten steht zu Familienan gehörigen des Erblassers. Unter Familienangehörigen versteht das Gesetz Vertvaudte jeden Grades nnd auch Ver schwägerte, beispielsweise eine Nichte, die dem Onkel den Haushalt geführt hat, eine Schwiegertochter, eine Enkelin. Dagegen schließt das Wort Fainilienangchörige die Nicht- verwandten ans. Das Recht des Dreißigsten steht also nicht zu: der Haushälterin, der Gesellschafterin und allge mein nicht Personen, die, ohne wit dein Erblasser verwandt ,zn sei««, ans grund eines Vertragsverhältnisses seinen Hans- , halt teilen. Tas Recht des Dreißigste«« steht aber ferner nur solchen Fainilienangehörigen zu, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu seinen« Hausstande gehört und von ihm Unterhalt bezogen haben. Diese Gesetzworte bedürfen kann« einer erklärenden Ausführung; es «nag nur darauf hingc- «viesen sei««, daß eine vorübergehende Trennung vom Erb lasser, beispielslveise eine Erholungsreise des Familien angehörigen. natürlich die Zugehörigkeit zum Hausstande § nicht aufhebt. ; Personei«, bei denen die genannten beiden Bedingun gen, Familienangehörige zu sein nnd den Hausstand des Erblassers zu teilen, Zusammentreffen, haben also das Recht des Dreißigsten. Dieses Recht ist eil« Vermächtnis und ge währt einen Anspruch gegen de«« oder die Erben, die Be- . nllhnng der Wohnung und der Hanshaltsgcgenstände zu dulden, «vie der Erblasser es getan hätte, nnd Unterhalt zu I gewähren, und zwar beides 30 Tage lang nach den« Ablauf j des Todestages. Ein Recht muß zwangsweise verwirklicht »verden kön nen, so sagt wenigstens eine bedeutende Gruppe von Rechts philosophen. Es fragt sich nun. wie wird das Recht des Dreißigsten verwirklicht? Zunächst ist zu bemerken, daß das Recht auf den Dreißigsten nur einen Anspruch gegen den Erben auf Unterhaltsgewährung und Gestattung der Benützung der Wohnung und deS Hausrates gewährt, dagegen nicht das unmittelbare Recht auf die Sache selbst. Es ist erfahrungs gemäß cnlherordentlich schwierig, dein Nichtjuristen diesen Unterschied deutlich zu machen. Am übersichtlichsten ist viel leicht der Gedanke, daß ein sogenanntes Sachenrecht unmit telbare Herrschaft über die Sache gewährt, ein sogenanntes Forderuilgs« echt dagegen nur eine ««nmittelbare Herrschaft, insofern nämlich der Schuldner des Forderungsrechtes etwas zu tun verpflichtet ist, durch das die nniilittelbare Herrschaft sich ergebe«« kann. Verweigert also der Erbe die Unterhalt tungsgewährung oder Benntznng des Hausrates nnd der Wohnung, so hat der Berechtigte nur de«« Rechtsweg, gegen den Erbe«« porzngeben. Eine Klage ist offenbar nutzlos, «veil über sie in aller Regel erst entschieden werden könnte, nachdem das Recht des Dreißigsten durch Ablauf längst er loschen ist. Dagegen gewährt das Gesetz das Hilfsmittel der sogenannten einstweiligen Verfügung. Diese kann äußersten Falles in wenigen Stunden erlangt und zwangs weise vollstreckt werden. Interessante Rechtsfragen ent stehen in der Richtung, ob das Recht des Dreißigsten nach' Ablauf der 30 Tage noch Wirkungen äußert, wenn es wäh rend der 30 Tage ans irgend welchen Gründen nicht benutzt wird. Doch würde die Erörterung dieser Fragen über den Rahmen einer allgemein verständlichen und allgemein inter essierenden Skizze Wohl hinansgehen, und es mag nur dar-, ans hingewiescn werden, daß das Recht nur unter der Vvr- anssehnng erhalten bleibt, oder sich in Schadenansprüctz« nmsetzt, daß der Berechtigte den Erben zur Erfüllung seiner Pflichten rechtzeitig anfgefordert und dadurch in Verzug gesetzt hat. Das Recht des Dreißigsten wäre beinahe vorn Bürger lichen Gesetzbuch«? abgelehnt worden und ist erst in letzter Stunde noch hereingekommen. Möge es den Geist der Milde und des Trostes, dem es seine Aufnahme in unser Gefetzj verdankt, auSströmen und damit dartun, daß der Gesetzgeber; es mit Recht aus alter Zeit und einer ganz anderen Gedan kenwelt herübergenommen hat.