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Sächsische Volkszeitung : 15.10.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190810155
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19081015
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19081015
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-10
- Tag 1908-10-15
-
Monat
1908-10
-
Jahr
1908
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 15.10.1908
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— Nach drn Aenderungen deS GZetzkiilwUlseS über die Errrichluirg von Arbriteltawmrr« soll die Bildung der Arbetterkammern numnehr den Landesregierungen zugeieilt werden; hierdmch füllt die Anlehnung an die Berufs geiwssenlchasten weg. Au Stelle des kvmplizierten Wahl rechtes des e sten Entwurfes tritt ein unmittelbares und allgemeines Wahl-echt. — Bet den Wahlen zum oldenvurgischen Landtage siegten in allen Wahlkreisen die bürgerlichen Listen. Nur in Rüstringen wurden die vier sozialdemokratischen Kandi- aalen einstimmig gewählt — Bet den Wahlen zum anhaltischen Landtage wurden l l Nationulliberale, 6 Freisinnige, ein Sozialdemokrat und 6 Abgeordnete unbestimmter Parteirichlung gewählt. — ZentrumSschwtndel nennen es hiesige Blätter, wenn wir erklären, das; wir immer gegen die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Kinder und Ehegatten ausgetreten seien. Nun können die genannten Blätter auch nicht die Spur »n.'lkS Beweises dafür erbringen, daß wir früher anders handelten. Was tun sie? Sie ziehen einzelne Aus- füdntngen von Zenlrnmsabgeordneten heraus, die sich sympathischer zu dieser Steuer stellten. So erklärte zunächst her Zentrumsabg. Fritzen i» einer Rede zum Etat l 005/06: ..Man werde im äußersten Falle dazu schreiten müssen, die Deszendenten und- Ehrgatten zu besteuern. aber mir bei höheren Vermögen, so daß der mittlere Bürger- und ^Bauernstand nicht davon betroffen werde." „Im äußersten Falle", wer aber sagt, daß dieser jetzt vorliegt? Es gibt ganz andere Steuern, die den Mittelstand mehr schonen. Die freisinnigen Blätter weise» nach, daß das Zentrum selbst unter Führung des Abg. Zehnhoff j„ der 6. .Kommission seinerzeit einen Antrag aus Einführung einer allgemeine» Nachiaßsteuer eingebcacht hat. der dann freilich, als sich der Bedarf an neuen Stenern geringer herausstellle. zurück gezogen wurde." Diese Behauptung ist unwahr: üaS Zentrum hat diesen Antrag nicht gestellt, der Abg. Zehnhcff tat dies als Referent für das ganze Gesetz und daher mußte das Zentrum auch seinen Antrag znrückweisen. BKrcuin aber oerschweigen die freisinnigen Blätter, daß selbst der Abg. Wiemer sich im Jahre 1006 gegen diese Steiler ausgesprochen hat? Warum jetzt nicht mehr? — Gegen die Witwe»' und Waisenversicheruug macht d e ..Frs. Ztg." iNc. 280) mobil. Zur Einführung dieser Versicherung ist da* Reich scholl durch die bekannte !ox Trimborn verpflichtet, durch den Paragraph 15 des Zoll- »ansgesetzes von 1002. in dem angevrdnet wird, daß die Mehrerträge aus den Vieh- und Fleischzöllen zur Erleichterung der Durchführung einer Witwen- und Waisenversorgring ri.id bis zum Inkrafttreten eines besonderen Gesetzes atizu- 'amnelu sind. Ein bestimmter Zeitpunkt, bi« zu dem da« Reliktenversorgungsgesetz ferirg sein muß, wird durch die E-x Trinitron» nicht vorgeschrieben. Doch hat der Gesetz geber den I. Januar 1010 als äußersten Termin angenommen, denn der Absatz des § l>5 lautet folgender maßen: ..Tritt dieses Gesetz brs zum I. Januar 1010 nicht in Krost. so sind von du ab die Zinsen der angejammelleir Mehrcrträge sowie die eingehenden Mchrerträgs selbst oeu e nzelnen Javalidenversichernnzsanstallea nach Maßgabe der von ihnen im vorhergehenden Jahre »usgevrachten Ver- sichenmgsbeiträge zum Zwecke der Witwe,.- und Waiscn- versorgung der der ihnen Versicherten zu überweisen." Das Blatt hält sich nun darüber ans. daß diese Vergaictn.'g ei» unglückseliger Gedanke gewesen >ei. Die Freisinnigen haben bekanntlich die lox Tnmborn abgehnt, wie sie ore große Frage lösen wolle,.', haben sie bis zur Luir.de noch nicht gesagt; das genannte Blatt schreibt nur: ., Danach n.tterliegl «s für uns keuuin Zweifel, daß die BeitragSpft cht des Reiches für die Arbeiterrelllten von dort Zollriemm.hlii'.'N in jeder Wsiie vollkommen unabhängig zu machen ist." Das sieht so aus. als wvlliö man die 50 Millionen Mark Zolleinnuhmen. die süe diesen Zweck seilgelegt sind, sur andere Ausgaben oerwenden. Rette volkswirtschaftliche Kenntnis. Ter „Vor uxirts" sieht es ats seine Ausgabe an. die ganze heutige Wirtsch.tzlsol'dnniig über den Haufen zu werfen und zu ver donnern: dabei aber zeigt er eine Unkenntnis, die zum Lachen reizt. So ist ihm schon dieser Tage ein schwerer Hereinfall in Sachen der Einfnhrscheine passiert. Ter Elnfnhrschein ist bekanntlich ein Schein, der nicht hei der Elnstihr, sondern bei der Ansfubr von Getreide ausgestellt wird. Er heißt Einfuhrschein. weil er zur zollfreien Ein fuhr einer entsprechenden Menge von Getreide berechtigt. „Jeder Inhaber des AnssnhrscheineS," so lautet das Forum Irr. „ist berechtigt, diesen bei der Begleichung von Zoll- gefallen von Roggen, Weizen risio. bei jeder Zoll- oder Stenerstelle des deutschen Zollgebietes statt barer Zahlung in Anrechnung zu bringen." Und was macht der Phantasie reiche' „Vorwärts"mann ans der Sache? Ohne mit der Wimper zu zullen, schreibt er: „Wenn jemand ainerita- ni'llx'ii Weizen einsührt, dann kann er den erlangten Ein- siibr'chei» wieder verkaufe», z. B. an den Besttzer von Ge irelde, das an der deutsch russischen oder österreichischen Grenze lagert. Die Zollast reduziert sich für den Getreide mworteur nm den Betrag, den er für den Sllxstn erlangte. Und der Erporteur erhebt, wenn er Getreide ins Ausland sch.istt. ganz gleich, ob es deutsches oder ausländisches Ernte- Produkt ist. von der Reichskcisse den vollen Zoll." An der ganzen Darstellung ist nicht ein einziges Wort richtig. Ein von der irdischen Kultur noch nicht beleckter Mond- bewohner hätte keine größere Konfusion nnrichten können. Tic Nachlasisiriikr — rin Zugeständnis au die Linkr^ Bei den Erörterungen über die Ausdehnung der Erbschafts firner, die an .Kinder und Ehegatten fallen, wird von m'ttetparteiischer und offiziöser Seite oft hervorgehoben, daß die Nachlaßsteuer ein Zugeständnis an die Parteien der Linken sei. die ihrerseits »nieder Zugeständnisse auf dein ckebiete der indirekten Stenern mache»» müßten, deswegen sei es die Pflicht der rechtsstehenden Parteien, einen Pflcck .'.urückzustecken, da die Reichsfinaiizreform ohne gegenseitige Zugeständnisse nicht zustande kommen könne. Diese Auf fassung ist nach der Deutschen Tageszeitung" irrig. Was zunächst die indirekten Steuern anlangt, so leiden die rechtsstehenden Parteien ebenso darunter, wie die links stehenden: ja diese oder jene von den indirekten Stenern muten den Kreisen, die in den rechtsstehenden Parteien ihre Vertretung haben, besondere und bedenkliche Opfer zu. Aber selbst wenn der Ausbau der indirekten Steuern in gewissem Sinne ein Zugeständnis an die rechtsstehenden Parteien wäre, so könnte doch die Nachlaßsteuer nicht als ein ausgleichendes Zugeständnis an die Linke aufgefaßt werden. Richtig ist ja. daß die Presse der Linken früher die Nachiaßsteuer niit größerer Entschiedenheit gefordert hat und daß auch beute »wch einige liberale Blätter diese Forde rung niit ziemlick)er Lebhaftigkeit aufrecht erhalten. Aber andererseits hat sich doch bereits ein bemerkbarer und be deutsamer Umschwung vollzogen. In nationalliberalen Blättern sind Artikel gegen die Nachlaßsteuer veröffentlicht worden, die an Schärfe nichts zu wünschen übrig ließen. Die freisinnige „Bossische Zeitung" gab zu, daß auch ihr Briefe zugegangen seien, in denen gegen die Nachlaßsteuer die lebhaftesten nnd schärfsten Bedenken geäußert wurden. Eine freisinnige Versammlung in Westdeutschland hat so gar die freisinnigen Abgeordneten des Reichstages aufge fordert. gegen die Nachlaßsteuer zu stimmen. Das find be deutsame Zeichen der Wandlung, die sich zu vollziehen be ginnt. Ter Protest in liberalen Kreisen würde noch »veit schärfer und noch »veil »iiiifasseiider sein, wenn inan überall die Wirkungen der Nachlaßsteuer dnrchdacht hätte. Tie meisten liberalen Leute denken aber bei der Nachlaßsteuer nur an daS bare Geld, ai» die Staatspapiere, an die Aktien, die vererbt werden. Sie berücksichtigen nicht, daß auch der Nachlaß der Steuer unterworfen wird, der in dem Handels geschäfte. in der Werkstatt, in der kleinen Fabrik, im Haus halte und in dem sonstigen Besitze steht. Endlich ein koiiscrvativcr Ruf nach Sparsamkeit. Tie konservative ...Krenzzeilg." iiiackit endlich gegen das viele Pensionieren der Offiziere auch Front und schreibt: „Ter Reichstag hätte es längst erkennen und anssprechen muffen, daß es doch nicht nötig sei. ein so großes Kapital von aiierzogeiieiii Pflichtgefühl, Lebenserfahrung, Mensck-en- kenntnis nnd Wissen, wie es in den» verabschiedeten Teile des deutschen TffizierkorpS anfgespeichert ist, brach liegen zu lassen." Ter hier gegen den Reichstag erhobene Vorwurf »st unbegründet, es ist vielmehr vom Zentrum immer bei der Beratnng des Etats darauf hingewiesen »vorder», wie bedenklich das gewciltige Anwachsen des Pensionsfonds ist Tas erwähnte konservative Blatt beschäftigt sich dann mit den Zulagen, den Verpflegung« und Versehungsgeldern und schreibt darüber unter anderem: „Es genügt zu be merken, daß der Reichstag, da er bei allen diesen als Po sition in» Etat erscheinenden Tinge» das Mitbewilligungs recht bentzt, zu dem inateriellei» Inhalte aller Reglements und Tieustvorschriften. die die hier augedeuteten Materien im einzelnen regeln, ein Wort »iiilznreden hat. Ein Wunder ist. daß er eS »ich bisher hat entgehen lassen, darin liegt eine wichtig!.' Handhabe, um die viele»» persönlichen Extra bedü» »iiiir'e aus ein verständiges und erträgliches Maß zu vermindern." Tie „Teutsche TageSzeitg." will diese gut begründete Auffassung nicht gelten lassen. Ter Reichstag habe das uiizweuelhaite Recht, Etatspositiouei» abzulehncu. wenn sie ihm nicht begründet erscheinen. Er sei aber nicht berechtigt, zu dem materiellen Inhalte der Tieustvorschriften „ein Wort mitznreden". Seien diese Vorschriften derart, daß sie allznhobe Ausgaben zur Folge haben, dann könnten diese Ausgaben abgelehnt werden. Wie aber der Reichstag zu den» materiellen Inhalte der Tieustvorschriften ein Wort mitreden solle und könne, sei unberständlich. Eine derartige Anssai'sting widerspreche der. die bisher in konser vativen Kreisen allgemein war. Hiervon ist nur der letzte Satz richtig: bisher haben sich die Konservativen zurückge- haltei», aber gerade die „Krenzzeilg." scheint jetzt zur besse ren Einsicht gekommen zu sein. Wir freuen uns darüber. Oetterrerckr-Nnqari». — Aas allen Teilen Bosniens laufen beständig Tele gramme in Sarajevo ein. wclche den Jubel der katholischen Bevölkerung zum Ausdrucke bringen. Auch ein Bruchteil der Türken schließt sich diese»» Kundgebungen an. Nur die Serbe-» sind v, ll Ingrimm nnd sprechen von Rachepläinn. Ihr führendes Blatt, die „Srpska Nißc". erschien am 7. Oktober in Trauernnnnhmnng. winde jedoch konfisziert. — Bosnien und die katholische Presse. Ans Budapest wird ein charakteristisches Woit de« Thronfolgers belichtet, an dessen Authentizität kaum zu zweifeln ist. Er habe nän lich geäußert: „D»e Vorgänge iu Belgrad beweisen k> ir. »nie richtig jene Stimmen geurteilt haben, welche auf die Gefahr der großserbtschen Propaganda aufmerksam machten und ener ische Maßregeln verlangten." Nun darf aber nicht vergessen werden, daß dies zuerst und lange Zeit hindurch ausschließlich die katholiche Presse getan hat. Während „die katholische Presse" unablässig auf die immer weiter umsichgreifendo Revolutionier»»^ Bosniens durch die Belgrader Emissäre hstiwies. suchte die „Neue freie Presse" und ihre Gefolgschaft Oesterreich in Schlummer zu wiegen, durch die Versicherung: „Die angebliche großserbische Propaganda ist nur eine Erfindung der Klerikalen." DaS geschah noch im heurigen Frühjahre. In» Lichte der heutigen Tatsachen muß jedem klar werden, daß eine derartige Irre- 'ührw g der öffentlichen Meinring einem Verrate cm Oester reich gleichkommt. — Gestörte Freundschaft. Es ist cin offenes Geheimnis, daß die jungtürklsche Bewegung freimanrerischen Ursprung» ist; woraus sich auch erklärt, warum die Jungtürken seitens der Freimaurer aller Staaten so überaus wohlwollende Unterstützung finden. Auch die österreichisch-ungarischen Logenbrüder brachten der jungtürkischcn Revolution Cym- pachten entgegen, und so ist eS auch selbstverständlich, daß die freisinnige publizistische Meinung unermüdlich im Lobe der Jungtürken tätig war. Das Organ der symbolischen Großloge von Ungarn, der „Orient", und das Organ der österreichischen Freimaurer, der „Zirkel", fordern direkt die „Brüder" auf. nach junglürkischer Methode ihren öffent lichen Ewflnß umzuwerten. Und nun ist Plötzlich ein böser Krach zwischen den österreichisch-ungarischen und den jung- türkischen „Brüdern" elngetreten. Die Annexion Bosnien» benützten die türkischen, italienischen und englischen Frei- maurer in Konstanttnopel, um einen allgemeinen Boykott der österreichischen Kaufleute zu proklamieren. Gelbst- v'»Kändltch wurde dieser Boykott nicht au» ethischen staats- politischen Motiven veranlaßt; nein, die nüchterne Geschäft»- konkrmrenz war allein bestimmend. In ßKonstantinopel erlebt man nun täglich daS Schauspiel, daß Freimaurer gegen Kaufleute und Firmen Hetzen, die zum großen Teile selbst wieder Freimaurern gehöre». Wie der Handel in der Levante, so ist auch das KaufmannSgcschäfl in Kon- stanttnopel zum größten Teile in Händen der Juden. Diese österreichisch-ungarischen Juden gehören aber vßlfuch der symbolischen Großloge von Ungarn an. Da der Boykott gegen österreichische Kaufleute so strenge durch- geführt wird, daß sich in keinem der Geschäfte Kunden z , zeigen wagen, so haben nun die geschädigten Kaufleute neben --schritten bet dem österreichischen Botschafter auch eine Aktion bei der Großloge veranlaßt. Von zahlreichen, in Konstanttnopel wohnenden Freimaurern aus der Monarchie wurde förmlich mit Enthüllungen gedroht, fall» nicht die Großloge die türkischen „Brüder" zur Aufhebung des Boykotts veranlassen werde. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Zwischenfall die Möglichkeit bietet, die revolutionäre Mache der verjudeten Freimaurer noch ein gehender zu besprechen. Wie wir ferner erfahren, ist an die führenden „Br." Journalisten in den Wiener Redaktionen ein streng vertrauliches Zirkular ergangen, über di.e Boykott- bewegung irr Konstaminopel nur daS unumgänglich Not wendigste zu melden und auch dann nur zu berichten und sich jeder angreifenden Form zu emhulten. Man kann be gierig sein, ob die Solidarität der „Br." Freimaurer auch hier, wo es sich um den eigenen Geldsack handelt, standhält. Balkan Die ruhige Art und Weise, wie die Skupschtina an die Beratung über die Stellungnahme Serbiens zur politischen Lage schreitet, hat in hohem Maße zur allgemeinen Beruhigung deigetragen. Während die kriegslustigen Elemente die sofortige Entscheidung der Skupschtina für eme kriegerische Aktion erwarteten, erregt es^in ernsteren Kreisen hohe Befriedigung, daß die Volksvertreter ihr für das serbische Volk iuhultschweres Votum nicht auf Grund der ersten Eindrücke und rein persönlicher Empfindungen, sondern erst nach reiflicher Beratung und ausführlicher Darlegung der Lage seitens der verantwortlichen Regierung zu sälün entschlossen sind. Die kluge Haltung der Abgeordneter» wird als Gewähr dafür angesehen, daß eine übereilte Entscheidung nicht zu befürchten ist. Aus dem gleichen Grunde wird auch ein eventuelles Mißtrauen gegenüber der Regierung nicht als Anzeichen für eine KriegSIust der Abgeordneten aufgefaßt sondern lediglich als Tadel dafür, daß die Regierung in ihrer Protestnote gegen die Annexion Bosniens und der Herzegowina den Empfindungen des Volkes vn dieser Hinsicht nicht vollen Ausdruck gegeben hat. In politischen Kreisen herrscht die Meinung vor. daß die^Altradikalen als führende politische Partei bloß auf der Rekonstruktion des Kabinetts bestehen, in bezug auf die bosnisches Frage aber dafür eintreten werden, daß die Regelung derselben zunächst einer europäischen Konferenz in dem festen Vertrauen überlassen werde, daß dieselbe den berechtigten Ansprüchen des serbischen Volkes Rechnung tragen werde. Italien. — Christliche Gewerkschaften oder katholische Fach abtrilungcn? „Das Thema", so schreibt man in Nr. 231 (zweites Blatt) ans Rom der „Germania", „wird nicht allein in Tentschland erörtert, sondern auch in Italien. Die vom Volksvereine eiilbernfeiie Soziale Woche in Brescia hat sogar eine gründliche Aussprache darüber herbeigefnhrt. Einer der Redner äußerte seine Meinung kurz dahin, daß die Frage in der Theorie byzantinisch anmnte, andere wie der hielten dafanr, daß eine allgemeine Entscheidung un möglich sei, sondern in jeden» einzelnen Falle auf die Zeit- »lnd Ortsverhältnisse Rücksicht genommen werden müsse, »nie man ja in der Tat schon seit längerer Zeit verfahre. Professor Toniolo aber, der Vorsitzende des Volksvereins für das katholische Italien, erachtete es für notwendig, sich rechtzeitig über die »nichtige Angelegenheit klar zu werden, und führte nach einer näheren Schilderung und Zurück weisung der katholischen Fachabteilungen folgendes ans: .Weiter kommt in Betracht jener Zusammenschluß vor» Personen, die bei ihren» Eintritt in gewerkschaftliche oder Fachverbäiide sich in negativer Form verpflichten, in ihren Beziehungen zu einander und zu anderen sozialen Klassen alles zu vermeiden, was den sittlichen Grundsätzen der christlichen Gerechtigkeit widerspricht, zum Beispiel in erster Linie die Faniilie und das Eigentirinsrecht zu achten, ohne daß jedoch von ihnen ein ausdrückliches Glaubensbekenntnis verlangt wird. Tiefe Auffassung, die in Dentschlrmd An nahme fand, wurde von den neu entstandenen internatio nalen Gewerkschaftsvertiäiiden und auch auf dem Züricher Kongreß für gut befunden. Tie näheren Umstände be weisen auch, daß sie genügt, um den Beifall aller Arbeiter zu finden, die vor den» gottlosen Sozialismus Abscheu haben nnd die von dem Glauben getragene christliche Moral als die Grundlage der Hebung der menschlichen Existenz anerkennen." Toniolo fand mit seinen Anschauungen den Beifall der Versammlung. Es war auch längst kein Zwei fel mehr, daß die führenden Geister in» sozialen Leben des katholische»» Italiens für christliche, aber nicht für konfes sionelle gewerkschaftliche Zusammenschlüsse eingenommen seien. In einem durchweg katholischen Lande ist diese Stel lungnahme gewiß beachtenswert. Frankreich. — Die parlamentarische Session wurde am 13. d. MtS. in vollkommener Ruhe eröffnet. Die Sitzung des Senats hat nur etwa 20 Minuten gedauert. Die Deputierten- kammer vertagte sich bis Donnerstag. Rrrftland — Der Rektor der Universität zu Moskau erließ folgende Bekanntmachung: Infolge der gestrigen Obstruk tion der Studenten und deren grober, die Professoren be- letdigenden HandlunpSmeise beschloß da» Bureau de» Unt- versltätSrateS, den Rektor zu ersuchen, dah er für heute eine außerordentlich« Sitzung des Rates anberaumo und die vorläufige Einstellung der Vorlesungen anordne. Japan —. DaS im Umlauf befindliche Gerücht, daß Japan die Annexion Korea» beabsichtige, wird al» unzutreffend bezeichnet. Persien. — Da» dem Schah ergebene Stadtviertel Dawatschi hat nach mehrtägiger Schießerei die Waffen gestreckt und
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