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2. Beilage zu Nr. 225 der „Sächsischen Volkszeitung" Pslitische Wschenschau. Ter Schluß des zweiten Teils der Entscheidungsopera tion auf mandschurischem Gebiete, deren erster Teil Liao- jang bicß. läßt immer noch aus sich warten und es ist immer noch zweifelhaft, ob derselbe sich bei Mukden oder bei Tie- ling abspielen wird. Ueber Port Arthur verbreiteten Pa riser Blätter die Nachricht, daß es bereits gefallen sei. Diese Nachricht erwies sich aber gar bald als eine in einem großen Bankkontore gemachte, als eins jener sauberen Mittel, deren sich Börsenaristokraten hin und wieder bedienen, um einen fetten Bissen einzuheimsen. Noch in den letzten Tagen ge langte wieder ein französisches Schiff nach Port Arthur hin ein, und so lange dies immer noch möglich ist, und so lange der in seinen Verteidigungskünsten unerschöpfliche General noch über genügend Verteidigungskraft verfügt, ist auch an einen baldigen Fall Port Arthurs nicht zu denken. Aber fallen wird doch Port Arthur, wenn es Nußlands Absicht sein sollte, einen Winterfeldzug zu vermeiden, und das sckieint nicht der Fall zu sein. Vielmehr scheint Rußland, »veil es weiß, daß es, wenn es jetzt zurückweichen sollte, seinem An sehen in aller Welt den Todesstoß geben würde, nunmehr seine Hoffnung für den Feldzug aus den Winter verlegt zu haben. Das gebt schon daraus hervor, daß die russische In tendantur mit dem Transport der Wintertleidnng nach dem fernen Osten begonnen hat, daß durch ein Reskript des Zaren die Neubildung einer zweiten Armee, die nicht weniger als fünf Armeekorps zählen soll, und durch welche die Gei'amt- zisfer der russischen Strcitkräste in Astasien ans eine halbe Million gebracht wird, angeordnet worden ist und daß ge rade jetzt der französischen Regierung, die versucht batte, von Vermittelung zu reden, eine scharfe Absage durch Rußland zu teil wurde. Das russische Volk selbst fühlt immer weniger für diesen Kiüeg und immer mehr erkennt man die wahre Ursache dieser Erscheinung, die wahre Ursache der bisherigen Mißerfolge. So schrieb im „Grashdanin" Fürst Meschtscherski: „Deutschland überraschte vor 36 Jahren die Welt mit einem unerwarteten Siege, wie Rußland gegenwärtig mit einer unerwarteten Niederlage. Deutschland und Japan verdan ken ihre Kriegserfolge der trefflichen Volkserziehnng und einer ausgezeichneten Kriegsbereitschaft. Wo ein Heer vor handen ist, da muß es auch tüchtig und zur Mobilisierung jederzeit bereit sein. Aber was uns außer der .Kriegs tüchtigkeit ganz besonders fehlt, das ist der Patriotismus!" Auch die Japaner werden immer richtiger eingeschätzt und besonders von Franzosen ans. So schrieb der Pariser „Eclair": „Seit dem Kriege von 1896 ist Japan der Zu fluchtsort aller asiatischen Aufrührer und Unruhestifter ge worden. Dort schmieden sie ihre Komplotte. Man kann die Spuren der japanischen Jntriguen ans den Philippinen verfolgen und die des Geldes, das gezahlt worden ist und noch gezahlt wird, um die Empörung der Filipinos und der Malaien zu nähren. Mit der Hartnäckigkeit und Geduld, die ihre Rasse charakterisiert, schleichen sich die Japaner in alle asiatischen Staaten, in kleine wie in große, in Siam, den Norden Chinas usw., ein. Das Ernsteste aber ist, daß diese japanische Propaganda bereits Indien berührt, daß be reits Beziehungen zwischen Japan nnd Afghanistan und Per- sien bestehen, denn zur Zeit weile eine persische Mission in Tokio und eine japanische in Teheran." Ja, Asien den Asia ten unter japanischer Oberhoheit, das ist das Endziel Ja pans. Doch die Erreichung dieses Zieles ist heute bereits in weitere Ferne gerückt. England erkannte rasch dieses Ziel, erkannte, daß ihm in Asien ein weit gefährlicherer Feind als Rußland in dem so machtvoll vorwärts strebenden Jat'an entstehen werde, daß es gerade jetzt Zeit sei. beide Gegner zu sclhvächen und so trieb es Japan in den Krieg. Jetzt hat England durch die Erwerbung Tibets ein festes Bollwerk gegen einen Einfall in Britisch-Jndien von Nordosten her geschaffen, jetzt ist durch die Zähigkeit der Russen in Port Arthur und der Mandschurei Japan bereits stark geschwächt, ist auch Rußland schon aus Jahre hinaus verhindert, mit den Waffen in der Hand England in Zentralasien entgegenzn- treten, jetzt konnte daher auch der Londoner „Standard" iclwn zum Ausdruck bringen, daß England die russische Stimmung über das Wegschnappen Tibets „Wurscht" sei, konnte schreiben: „Tb die Verwickelungen Rußlands in Tst- asien uns unsere Aufgabe erleichtert haben, indem sie die Männer an der Newa abhielten, die in Lhassa gesponnenen Ränke auch ferner zu unterstützen, ist überflüssig zu unter suchen. Wir batten selbst keinen Wunsch, einzugreisen, tonn ten aber fremdes Eingreifen nicht dulden." Und wie benimmt sich die russische Presse gegenüber dem Tibetvertrage? Sie schweigt oder schreibt wie die „Nowosli": „Das Protektorat über Tibet ist für England eine neue Ga rantie der Verteidigung Indiens. Rußlands Interesse» in Zentralasien sind mit denen Englands eng verbunden. Tie beiden Nationen sind von denselben Feinden umringt nnd haben gegen dieselben Gefahren zu kämpfen, so daß der Er folg der einen nicht den Neid oder die Unzufriedenheit der anderen erregen sollte. Deshalb dürfen wir das englische Protektorat über Tibet nicht als ein gegen die russischen Interessen gerichtetes politisches Ereignis betrachten." Für wahr ein Banchrntsche» Rußlands vor England in optima forma. H«r Wohnv-riHSfraste. Unter Vorsitz des Herrn Professor Tr. S ch l o ß m a n n fand am 29. September eine überaus zahlreich besuchte Ver sammlung (zirka -129 Personen» in der Reichskrone statt, in der zu dem Bauvorhaben des Dresdner Spar- und Banvereins hinsichtlich des von ihm erworbenen ehe maligen Förstereigrnndstückes an der Königsbrücker nnd Panlstraße seitens der Arbeiterschaft Stellung genommen werden sollte. Herr L a n d g e r i ch t s d i r e k t o r D r. B c ck e r wies einleitend darauf hin, wie sich gerade in nnse rer Zeit überall nnd ans allen Gebieten die einzelnen Inter essengemeinschasten zu festen Verbänden organisierten. An Stelle der atomistischen Vereinzelung tritt die feste Gliede rung der Jnteressenpolitik. Bei allen Vorteilen ist damit unverkennbar die Gefahr verbunden, daß Einseitigkeiten und Gegensätzlichkeiten übermäßigc Betonung finden. Tie Richtigkeit dessen erweise recht deutlich das Vorgehen der Hausbesitzervereine gegen das neue Projekt des Spar- und Bauvereins. Seit drei Jahren sei das fragliche Grundstück öffentlich zum Verkauf ausgeboten. Als der Verein ein Gebot darauf gemacht, habe n je mand t r o tz l e b h a f t e r P r o p a g a n d a eS zu übersetze n g e w a g t. Mit scharfem, sicherem Blick hat allein der Dresdner Spar- und Banverein erkannt, daß das Areal wie kaum ein anderes in Dresden im Interesse der Minderbemittelten nutzbar gemacht werden könne. Bei dem Fehlen jeder lokalen Bebanungsvorfchrist konnte man bei der ganzen Lage des Grundstücks mit Sickierbeit aus ge schlossene Bauweise rechnen. Daß diese Erkenntnis nieman dem anders als dem Verein gekommen sei und daß ibm nun allein die Vorteile dieser gesunden, zielbewnßte» Boden- Politik erwachsen müssen, erregt begreiflicherweise Mißgunst und Neid bei der Gegnersckwst. Ta alle Opposition nicht verfängt nnd nicht verfangen kann, sucht man den Verein durch den Vorwurf des B o d e n s p e t u laut e n t » in s zu diskreditieren. Es isi, wie alles bisher vorgebrachte, ein „Versuch mit untauglichen Mitteln". Tatsächlich hat sich allerdings der Verein bereit erklärt, einer großen Beruss- genossenschast eine» Teil seines Areals zu einem erhöhten Preise für ein großes Geschäftshaus zur Verfügung zu stelle». Indessen, das ist keine „Treiecks-Speknlation" nach berühmtem Mnsier. Sie hat vielmehr, neben dem Ziele der Verbilligung der Wolmiingspreise ans dem verbleibenden Areale, nur den Zweck, den Wobnungsbedars in der Gegend zum Vorteile aller zu steigern. Tie Gegnerschaft glaubt, durch den Verzicht ans den osfensichtlichen eigenen Vorteil, mit der Vereitelung dieses Projektes dem Dresdner Spar- »nd Banverein einen empfindlichen Nachteil znsügen zu können. Auch insoweit unterliege» aber wieder die Gegner einem verhängnisvollen Irrtum. Tas fehlende große Ge schäftshaus wird nicht von dem Verein, sondern nur von dem angrenzenden Hansbesitzerstande vermißt werden. Der Dresdner Spar nnd Banverein macht dagegen sein Vor gehen ausschließlich von dem Nachweise des vorhandenen Be dürfnisses abhängig. .Kaum daß sein Projekt bekannt ge worden. sind ihm sofort zahlreiche Snmpatbiebezeugungen nnd Wolmnngsgesnche zngegangen. Tie heutige Versamm lung solle des weiteren Stellung dazu nehmen nnd bekun den. wie der Arbeiter nnd der kleine Beamtenstand sich zu der ganzen Frage stelle. Da sei es nun von besondere»! Werte, daß in eben diesem Augenblicke die Entschließung der städtische» Behörden bekannt werde, mit nächstem Jahre end lich die W o h n n n g s o r d n n n g in vollem Umfange dnrchznführen. Das muß notwendigerweise eine vermehrte Nachfrage nach gesunden, billigen Kleinwohnungen Hervor rufen, deren Mietpreis ohne Untervermietnng aufgebracht werden könne. N jemals sei also das V o r g e h en d e s D r e sd » er S p a r - und B a u v e r e i n s zeit- g e m ä ßer g e k o m m e » a l s e b e n jetz t. An diese Ausführungen knüpfte sich eine angeregte Dis- gegen den Wind, in direkter Richtung gegen die Südspitze der furchtbaren Godwin-Sandbänke zu. Der Kanal bot einen prachtvolle» Anblick. Tie Lonne war hinter dem Land versunken und ließ die Kuppe» der schwarz-blauen Vorberge in rotem Licht erglühen. Auf dem Hinterteil des Schiffes stehend, sah man starre weiße Klippen in pitoreskcn Formen sich gegen das dunkle Wasser abheben. Zur Rechten zog sich das Land, eine Bai bildend, zurück: seine Ufer waren flach bis nach Deal bin, hinter dieser Stadt aber erblickte man eine lange Front düste rer Felsen, welche schwarz gegen den roten Abendhimmel bervortraten. Tie auf dem Lande mit der zunehmenden Dunkelheit sich immer mehr vertiefenden Schatten ließen die Häuser kaum mehr erkenne», hin und wieder aber unter schied man noch kleine Schiffe, die dicht am Strand entlang fuhren, oder Schmacken mit roten Segeln, welche langsam »m die zahlreichen Land spitzen schlichen. Allmählich brach die Nacht herein, man gewahrte nichts mehr, als das starke gleichmäßige Licht des Lenchttnrmcs auf dem höchsten Gipfel der äußer sten Klippe, das Flimmern der Laternen ans den in den Downs vor Anker lie genden, oder dorthin segelnden Schiffen nnd die Signalfeuer auf den Godwin- Sandbänken. Die Wolke», welche bei Sonneniintergang fcbieferfarbig ansgeseben hatten, waren jetzt weiß und wälzten sich wie große Dampfmassen über die Sterne. Gerade vor dem Schiffe zeigte sich eine weiße, blinkende Linie, ein ge spenstisches Gewühl von Schaum: ein großer roter Stern, leuchtend wie ein fcstgchaltenes Meteor, welcher einige Augenblicke vorher noch fern geschienen hatte, nahm zu an Umfang, wurde unheimlich und drohend. Eine tiefe Stimme klang durch das Dunkel: „Alle Mann auf Deck! Nuder hart backbord!" Getrampel von Füßen, dann Stille: schnell wie ein abgefeuerter Schuß schwirrt das Rad herum: das rote Licht vorn fliegt mit Schwindel erregender Schnelligkeit nach links: donnernd schlägt die Leinwand aufeinander, und die Passagiere stürzen erschrocken auf Deck, verwundert, das Schiff ungefährdet zu finden. „Großsegel anholen?" Wiederum eiliges Laufen an die Brassen: kräf tiges Ziehen unter Gesang der Mannschaft: die Naaen drehen sich, der Wind faßt das Segel, das Schiff legt sich so stark über, als wenn es Umschlägen wollte, ängstliche Passagiere stürzen mit Geschrei nach der Luvseite. Während dem erfolgt aufs neue ein heiseres Kommando. Auch die Fockraaen fliegen herum, und in wenigen Minuten fliegt der „Meteor" durch das Wasser, mit seinem Bug Deal zugewandt; der Helle phosphoreszierende Schein der God win-Sandbänke verschwindet. Noch dreimal legte das Schiff während der nächsten Stunde ui». Um halb zehn Uhr hörte der Wind auf, und der Mond stieg aus der See, wie ein großer gelber Schild. Es lag etwas unbeschreiblich Feierliches in dem Auf gang dieses Gestirns, wie es im Nebel über den Rand des Horizontes cinpor- stieg, und einen Kegel zitternden Lichtes über die rollenden Wogen warf. Die Segel des „Meteor" fingen den Glanz auf, und das lange Kielwasser glitzerte im Lichte wie eine Schleppe von Silberflittcrn. Ties leptere mit Jobns Sold vereinigt, den Doll» jeden Monat ein ziehen Wille, reichte ans, sie standesgemäß zu erhalten. Bis zu der Zeit, Ivo Holdsworth segeln sollte, war das Leben der jungen Leute wir ein JdpII. Nach der Hochzeit verreisten sie erst eine Woche und Toll» sah die Welt, London nämlich, welches sie beklemmte und einfchüchterte. so daß sie sehr froh war, als sie wieder heimkehren konnte. Ziemlich drei Mo »ate hatten sie noch vor sich nnd das schien ihnen eine lange Zeit, sich des Lebens zu freuen. Tie kleine Wolke am Horizont wurde allerdings jeden Tag größer und größer. Tollh fab sie nnd wußte, daß in Feit von drei Mo naten dieselbe den Himmel überzogen nnd die Erde mit ihrem bleiernen Schatten bedeckt haben würde, aber sie vermied es, nach jener Richtung zu blicken und richtete ihre Augen lieber auf den blauen Himmel oben, und war jo glücklich in seinem heiteren Lichte, als wen» er nie eine Versinsternng er leiden könnte. Frau Fleinming und Tolly batten viele Freunde in Sonthbonrne, mit welchen sie in dieser Zeit häufiger wie sonst in regem geselligen Verkehr standen. Sogar der Pfarrer lud sie ein nnd kam auch zum Tee in ihr Hans, Tie Erinnerungen an w zugebrackite Stunden sind unvergänglich, sie wirken erfrischend auf Herz nnd Sinn des Menschen bis an fein Ende, Jahre noch, nachdem die Inschriften auf den Gräber» des Pfarrers nnd Frau Flemmings kaiim mehr zu entziffern waren, gedachte Holdsworth noch jenes Abends: wie das Küssen den schüchternen Herrn Jackson in Verlegenheit setzte, 2. Kapitel. Nack, den Downs. Ter „Meteor" war ein vollgetakelter Treimasier von l l>»> Tonnen. Tas Schiff war von alter Bauart, mit großen Fenstern am Stern, einer an sehnlichen Kajütenfront und starten Spieren. Indessen, wenn auch »ach alt modischem Muster gebaut, waren doch seine Linien w rein, wie die eines Aber deeii'KIippers. ES bot eine» herrlichen Anblick, wie es ans der Höbe von Gravesend lag. Ter klare Soinnierhiminel verwandelte das blaue Wasier des Flns'es in einen Spiegel, welcher das Bild des Schisses in erhöhter Schönheit zurück warf. Viele Boote waren »in feine Seite» geschart, nnd ans der Fallreeps treppe fand ein reger Verkehr statt. An der Gai'sel webte die Flagge und am Vortovp flatterte der blaue Peter, das Signal iür alle, die eS angnig, daß bald die Anker gelichtet werden würden. Es hatte nach Newnork gesrachtet. von dort sollte es ein neues Cargo südwärts bringen, hieraus Eallao anlansen, und erst dann seinen Kurs wieder nach der Heimat nehmen. An Bord befanden sich mehrere Passagiere erster Klasse: einige von diesen standen an der Fallreepstreppe in leisem, erregtem Ge'vräcb mit Freu» den, während andere, auf dem Hinterteil des Schiffes, sinnenden Auges nach dem Ufer blickten. Zu den letzteren gehörte eine Witwe, die ihren Mann vor einigen Wochen auf dein Kirchhof einer kleinen kenti'clie» Stadt begraben batte. Sie ging mit ihrem Knaben nach Newnork, wo ihre Verwandten lebten. Hand in Hand standen die beiden da, das Kind mit herumschweifenden ver- wunderten Augen, die Mutter, den starren Blick ans das Land geheftet, welches ihrem Herzen heilig blieb, dnrch die geliebte Hülle, die in ibm ruhte.