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Mit festen, stolzen Schritten verließ sic den Salon. In ihren: Zimmer a.ngekcinmen, warf sie sich nieder und schluchzte. Sie kam sich erniedrigt, zertreten und wie mit Schmutz beworfen vor. Das ganze stolze Gebäude ihrer Zukuuftstrüume brach jäh über ihr zusammen. All die glänzenden Bil der von Glück und Daseinsfreude verschwanden wir eine blendende Fata Morgana. Und in dem Meer ihrer Wünsche und Hoffnungen, in den leuch tenden Wellen ihrer kühnen Träume versank langsam eine goldene, funkelnde Krone, nach der sie vergeblich die Hand ausgestreckt hatte. — Während Susi ihre getäuschten Hoffnungen zu Grabe trug, und von der Herzlosigkeit und dem Barbarismus des treulosen Verräters ganz nieder geschmettert war, trat Hauptmann von Sonnenberg in den Salon, wo der Sekretär eben die von Susi Unterzeichnete Urkunde sorgfältig faltete und in seiner Brusttasche verwahrte. Er erklärte dem Hauptmann in ganz kühler, geschäftsmäßiger Weise, was geschehe» war, und daß seine Tochter aus alle Ansprüche verzichtet hätte. „Und was soll das Geld, das da hcrumliegt?" fragte der Hauptmann. „Der Fürst sendet es Ihrer Tochter, Sie will es aber nicht nehmen, und ich darf es unter keinen Umständen zurückbringcn. Es sind zehntausend Rubel —" „Zehntau — Mein Herr, nehmen Sie Ihr Geld und scheren Sie sich zum Teufel!" Und nun brach eine Flut von Verwünschungen und Schmähun gen aus dem Munde des erzürnten Huuptmanns, daß der Sekretär ganz ver wirrt stand und nicht zu Worte kam. Alle seine Wut und seinen Zorn goß Herr von Sounenberg über die „verdammten Russen, diese Despoten und Barbaren" aus „Wenn ich je einen von diesen Verrätern vor die Augen kriege," schrie er zum Schlüsse, „dann schieße ich ihn über den Haufen. Sagen Sie das diesen sogenannten „Fürsten", die vielleicht von einem Wolga- bauern oder von einem Roßknechte abstammen." Damit schlug er dröhnend die Tür hinter sich zu. Der Sekretär verließ schleunigst das Haus und fuhr der Residenz zu. Das Geld lag den ganzen Tag im Salon. Am Abend las es der Haupt mann zusammen und verschloß cs in seinem Schreibtisch, ohne daß Susi je etwas davon erfuhr. — Am gleichen Tage noch schickte sic den Verlobungsring an den Fürsten' damit war sein Name aus ihrem Leben gestrichen. Aber cS blieb eine Wunde zurück, die bei dem Gedanken an das Ver gangene immer wieder aufs neue zu brennen anfing. Und in dem Wesen des stolzen hochsahrendcn Mädchens ging eine Umwandlung vor sich. Der Schmerz hatte in ihr junges Leben gegriffen, und sie hatte eine tiefe De mütigung erlitten, die sie nur schwer verwinden konnte. Es war, als ob die Glut des Schmerzes anfinge, dieses kalte Herz langsam zu erwärmen. — Als im Herbste die Zeitungen die Vermählung des Fürsten Boris mit einer russischen Großfürstin verkündeten, lächelte sie verächtlich. Der Fürst war in ihren Augen ein Feigling und Verräter, der es nicht verdiente, daß ihm ein deutsches Mädchen eine Träne nachweinte. 12. Anfang Oktober sollte Gertrud von Linden, die neue Hausdame, ein* treffen. Sie besaß vorzügliche Zeugnisse und Empfehlungen von „erstklassi gen" Familien, war bezüglich des Salärs sehr bescheiden, und so hatte sie der Hauptmann sofort engagiert. Er fuhr selber zur Bahn, um die Dame abzu holen. Susi lehnte es ab, ihn zu begleiten. Sie hielt es unter ihrer Würde, „einer Person, die in Stellung" kam, eine solche Aufmerksamkeit zu erweisen, und machte inzwischen einen Ritt durch den Wald. Herr von Sonnenberg stand allein auf dem Perron des Bahnhofes, als ter Mittagszug ankam. Es stiegen nur ein paar Reisende aus, zwei Bauern aus dem Dorfe, die den Hauptmann ehrfurchtsvoll grüßten. Aus einem Ab teil zweiter Klasse sprang leichtfüßig eine junge Dame in elegantem Reise- kostüm, das graue Filzhütchen keck auf den: hellblonden leuchtenden Haar, Sie sah sich erst ein wenig um, und kam dann entschlossen auf den Hauptmann zu, sah ihn mit den blauen Augen forschend an und fragte: „Herr von Sonnenberg —?" „Zu dienen —" „Trude von Linden. Ich danke Ihnen, daß Sie sich persönlich her bemühten." Sie begrüßten sich, und nachdem Trudes Gepäck in Empfang genommen worden war, bestiegen sie das Gefährt und fuhren in den klaren Herbsttag hinein. — Trude von Linden war 24 Jahre alt, sah aber so frisch und rosig aus, wie ein Mädchen von zwanzig. Die Gegend schien ihr sehr zu gefallen. „Wie schön es hier ist!" sagte sie. „Dies grüne Tal, den kleinen Fluß, die braunen Felder und den grünen Wald auf den Höhen — das alles habe ich lange nicht gesehen. Ich war jahrelang im Auslande, in Frankreich und England — und da freue ich mich doppelt der deutschen Heimat. Es ist doch nirgends so schön als bei uns in Deutschland —" „Ganz meine Meinung," sagte der Hauptmann. „Wenn wir in allem so harmonieren, dann wird es gut gehen. Sie sind sehr offen, mein Fräulein — das gefällt mir. Ehrlich gesagt — ich habe Sie mir ganz anders vor gestellt —" Die blauen Augen blickten verwundert zu ihm herüber. „Ah — alt, krumm, häßlich, was?" „Nein — nicht so fürchterlich. Aber älter, ein wenig pedantisch und mit etwas mehr Embonpoint." Trude lächelte hell hinaus. „Köstlich, Herr Hauptmann. Und da sind Sie jetzt offenbar enttäuscht —" „Aber, mein Fräulein — wie können Sie so etwas von mir denken!" rref der Hauptmann eifrig. „Ich bin wirklich erfreut, eine so gute Wahl ge troffen zu haben." „Wie unvorsichtig, Herr Hauptmann I — Sie kennen mich ja gar nicht. Wenn ich nun schlimmer wäre, als ich scheine —?" „Na — das glaube ich nun nicht. Ein bißchen Menschenkenner bin ich auch. Und wenn eins so Helle, fröhliche Augen hat, La kann es nicht so. schlimm fern." „Warten wir es ab, Herr Hauptmann! Ich hoffe, daß wir uns gut