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Romanbrilage der Sächsischen VollSzeitung. — 92 — — 89 — vertragen und in meinen Pflichten werde ich es sehr genau nehmen. Die sind Wohl lehr schwer, was?" „Es geht an!" Und nun schilderte der Hauptmann der jungen Dame die Verhältnisse m Haus Sonnenberg erzählte von Susi und von Wolf, der immer in der Welt herumgondle — von Erich schwieg er. „Ich glaube Übrigens," schloß er, „daß es Ihnen in Haus Sonnenberg gefällt. Nur eines fürchte ich, mein Fräulein —" „Das wäre?" „Daß es Ihnen zu einsam wird in Haus Sonnenberg. Sie haben vermutlich stets in großen Städten gelebt, kennen ihre geistigen Genüsse — wir aber rönnen Ihnen nichts bieten —" „O — ich verlange auch nichts als Arbeit, die das Leben ausfüllt und es froh inacht. Ich kann mir nichts Schöneres denken, als auf dem Lande zu leben inmitten einer schönen Natur, eine Heimat zu haben, wo der deutsche Wald rauscht und die Vögel singen, wo die Luft so würzig und frisch wie Gottes Atem von den Bergen weht, wo jeder Fuß breit Erde heiliges Land ist. Wie schön muß es sein, auf der eigenen Scholle zu sitzen, ein freier Mann, der keinen Herrn über sich hat als den hohen blauen Himmel und den Herr gott droben. Ich beneide Sie um Ihren Landsitz, Herr von Sonncnberg; er bedeutet eine Heimat, die ich nie gehabt habe. Wie glücklich müssen Sie sein, das Erbe Ihrer Väter bebauen und wieder an Ihre Kinder vererben zw können! Mir ist es, als ströme ein heiliger Segen aus dieser Erde, der alle beglückt, die auf dieser Heimaterde wohnen und wirken — der Segen der Arbeit und des Fleißes!" Trudes Wangen hatten sich gerötet, ihre Augen leuchteten und aus ihren Worten klang Helle Begeisterung. Der Hauptmann sah sie von der Seite an. Das war gar nicht so übel, was das Mädchen da sagte, wenigstens klang es ihm angenehm im Ohre, und er fühlte etwas wie Stolz und Befriedigung, daß er der Besitzer eines Gutes war, daß er das besaß, was sie kurzweg eine „Heimat" nannte. Eigentlich hatte er diesen Besitz nie so recht geschätzt; er nahm ihn als etivas ganz Selbst verständliches hin, als müßte es so sein; er hatte nie daran gedacht, daß es auch Menschen gebe, die keine Heimat hatten, die keinen Fuß breit Erde besaßen, der ihnen zu eigen gehörte, die ruhelos, heimatlos durch dieWelt zogen.— Eine leichre Verlegenheit bemächtigte sich seiner, als er die junge Dame so begeistert reden hörte. „Sie zeigen mir da eine ganz neue Seite des Lebens," sagte er. „Im Grunde genommen habe ich keine besondere Freude am Landleben und von der Bewirtschaftung eines Gutes verstehe ich nicht Viel. Ich war früher Offizier, da ist dies Wehl erklärlich; ich bin das Leben in der Großstadt gewohnt, und als ich meinen Abschied nahm, da erschien mir das Leben auf dem Lande — wie eine Art Verbannung." „Ach, das ist schade. In der Großstadt ist man gezwungen, mit hundert Menschen zu Verkehren, die uns oft recht unsympathisch sind. Man ist ein Sklave der Höflichkeit und der Etikette. Auf dem Lande aber kann man sich frei und ungezwungen bewegen, man kann einen kleinen Kreis lieber Men schen um sich sammeln und mit ihnen im trauten Verkehr leben. Und erst auf einem Gute, wie das Ihre! Da ist man ein König in einem kleinen, stillen Reiche und tausend Freuden blühen in solcher Einsamkeit. Ihre Söhne haben Loch Freude an diesem Besitze, nicht?" Langsam, die Hand auf das wildpochende Herz gepreßt, trat sie an den Tisch zurück. Der Donner grollte draußen in der Natur, flammende Blitze zuckten nieder, aber sie achtete des tobenden Unwetters nicht. Der Sturm in ihcer Brust war noch heftiger als der draußen in der Natur. Blitzschnell war ihr Entschluß gefaßt. Dem Sekretär fest in die Augen sehend, sprach sie mit klarer, fester Stimme: „Dieser Brief besagt gar nichts, mein Herr. Teilen Sie dein Fürsten mit, daß ich an seinem Worte festhalte. Hier —" sie erhob die Hand, an der ein kostbarer Brillant funkelte — „hier trage ich den Ring des Fürsten, der uns beide bindet. Sagen Sie ihm: ich gebe ihn niemals frei! Nie—mals!" Sie schleuderte dieses Wort dem Manne förmlich ins Gesicht und glaubte ihn entwaffnet zu haben. Zu ihrer Verwunderung»blieb er aber völlig kalt. „Gnädiges Fräulein," sagte er, „dieser Widerstand wird Ihnen nichts nüyen. Fürst Sergius ist unbeugsam. Es wäre daher das Beste, wenn Sie arn seinen Sohn verzichten und diese Verzichtleistung durch Ihre Unterschrift rechtskräftig machen würden." Er legte einen Bogen Papier vor sie hin, der die diesbezügliche Urkunde enthielt. Susi stieß das Blatt verächtlich zurück. „Niemals!" sagte sie stolz. Auch dadurch ließ sich der Sekretär nicht beirren. Seine Taschen schie nen unergründlich zu sein; er entnahm ihnen eine flache, längliche Kcssette und legte sie aus den Tisch. „Fürst Sergius ist ein rechtlich denkender Herr," sagte er. „Er will nicht haben, daß Sie in Schaden kommen oder irgend einen Nachteil haben; er will gut machen, was sein Sohn an Ihnen gefehlt hat. Und so habe ich die Ehre, Ihnen hier ein kleines Schmerzensgeld zu überreichen, wenn man es so nennen will." Er öffnete die Kassette, die mit Banknoten und Goldstücken gefüllt war. „Es sind zehntausend Rubel in Papier und Gold, gnädiges Fräulein —" Susi trat einen Schritt zurück. Ihre Augen blitzten vor Zorn. „Glaubt Ihr Fürst eine Barbarin vor sich zu haben, die man sich mit Gold erkauft? Nein, mein Herr, das läßt sich ein deutsches Mädchen nicht bieten. Dazu ist es zu stolz und hält zu viel auf seine Ehre. Einem deutschen Mädchen ist seine Ehre das- kostbarste und heiligste Gut, das sie besitzt, und wer diese an- tastet der ist ein Schuft. Sagen Sie das Ihrem Fürsten, sagen Sie cs auch dem Fürsten Boris, den ich jetzt hasse und verachte, weil er ein unwürdiges Spiel mit mir getrieben und seine heiligsten Schwüre gebrochen hat." Mit eine»', jähen Stoße schleuderte sie die .Kassette vom Tische, daß die Banknoten umherftogen und die Goldstücke mit leisem Klingen durch das Zimmer hüpf ten. — „Nehmen Sie dies Geld — ich will cs nicht!" rief sie zornig. „Fort damit!" — Der Sekretär stand verblüfft. „Aber gnädiges Fräulein," rief er, „zehntausend Rubel, daS ist eine Summe, die wirst man doch nicht weg!" Susi maß ihn mit hoheitsvollen Blicken. „Ein deutsches Mädchen ver kauft sich nicht um Geld! — Und jetzt gebe ich auch den Fürsten frei, nach dem ich seine wahre Gesinnung erkannt habe. Hier —." Mit einem raschen Zuge setzte sie ihren Namen unter die Urkunde und warf die Feder weg. „So, nnn ist's geschehen. Nun ist die größte Schmach, die je einem Weibe an getan wurde, besiegelt. Gehen Sie und sagen Sie dem Fürsten, daß ich ihn verachte." Haus Sonnenbcrg." 23