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! L I I jf ji ' Mittwsch, den S. Januar 1V04. S. Jahrgang. Sächsische MolksMung «kschrint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn-und Festtage. > „ ^ Vt berechnet bei Wiederholung bedeutender Rabatt. ^ UnabdSnglgrr cageblatt für «labrbeit. stecht u.sreiheit. «-LLL-R- mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. . . ^ Unter dem Drucke der Steuerschraube. In folgender Zuschrift finden wir manche treffliche Ausführungen. Wir geben ihr gerne Raum, ohne uns mit allem identifizieren zu wollen: Die „Sächs. Volkszeitung" hat im Lause der letzten Wochen wiederholt Beschwerden veröffentlicht, die auf den Modus der Steuerverteilung in Sachsen ihre X-Strahlen werfen. Die Regierung, die die „Sachs. Volksztg." und ihre Veröffentlichungen mit großem Interesse verfolgt, wird gut tun, die schreiendsten Mißstände möglichst bald abzustellen: je länger diese andauern, desto reichlichere Ernte fällt dem „Roten fff" in den Schoß — ohne alle und jede weitere Agitation. Die Regierung möge nur die Ergebnisse der letzten Reichstagswahl prüfen: sie wird finden, daß selbst die ländlich-bäuerlichen Gemeinden vielfach für Sozialisten stimmten, trotz ihrer „evangelisch-konservativen" Gesinnung. Wir wollen einmal die Beschwerden inbezug aus den Steuermodus kurz erwähnen. Die „Sächs. Volkszeitung" führte zunächst Klage darüber, daß bei Feststellung der Einkommensteuer die Kommissionen, ohne die Interessenten weiter zu befragen, willkürliche Klassifizierung sich erlauben. Nun, das ist nicht in Ordnung; immerhin aber sind die Kreise, die die „Sächs. Volksztg." im Auge hatte, in der Lage, zu reklamieren. Ganz anders verhält es sich in ländlichen Kreisen: ein großer Teil der Landwirte ist gar nicht fähig. Buch zu führen; der Betrieb ist viel zu kompliziert; es treten im Laufe des Jahres soviel Fährlichkeiten ein — Unglück mit Vieh, teilweise Mißernten, Mäuseplage, Erkrankungen usw. —, die nicht vorherzusehen sind, aber auch von den Steuer kommissionen ignoriert werden. Diese arbeiten nach ihrer Schablone ohneRücksicht auf die ägyptischen Plagen, die in Miniatur unausgesetzt den Landwirt heimsuchen. Nehmen wir eine andere sächsische „Spezialität" aufs Korn: die Schlachtsteuer. Sie ist eine der verhaßtesten indirekten Steuern, die (in andern Bundesstaaten unbe- kannt) oft das Knirschen des ganzen inneren Menschen herausfordert. So kommt fast bei jedem Wurfe bei Schweinen eine Abnormität vor: da hat ein Ferkel einen Bruch, das andere ist nierenkrank, einige verschlagen, andere sind kümmerlich. Kurz und gut: die Tiere sind un- verkäuflich und wertlos, aber „kostbar" für den Landwirt. Schlachtet er so ein Ferkel über 40 Pfund, dann ist Steuer und Versicherung zu entrichten, Trichinen- und Fleischbeschau, Fleischergebühren: dem Landwirt bleibt nichts übrig von der Schlachterei, als die Rechnung zu begleichen unter „Segenswünschen" für jene, die solche Dinge ausgebrütet haben. Der kleine Landwirt schlachtet ein Tier, das 100 bis 150 Pfund wiegt; der größere nur solche, die 4, 5 bis 6 Zentner wiegen: aber die Steuern sind für beide gleich und das versteht der beschränkte Untertanenverstand nicht. Die Trichinenschau kostet in Sachsen 1 Mk., in Preußen geht es mit — 20 Pf. Die Fleischbeschau mag für Städte berechtigt sein, für das Hausschlachten am Lande ist sie ein Stachel im Fleische des Volkes. Ob und inwieweit ein Tier gesund und das Fleisch genießbar, das versteht jeder zunftmäßige Schlächter; warum wird nicht dieser einfach verpflichtet? Ja, dann Kirchenmusik. (Fortsetzung.) — II. Die Eigenschaften der wahren Kirchenmnsik ergeben sich aus der „Instruktion", welche Pius X. der Einleitung sofort folgen läßt: 1. Allgemeine Grundsätze. 1. Die Kirchenmusik, als integrierender Teil der feier lichen Liturgie, wirkt an dem allgemeinen Zwecke mit. welcher ist die Ehre Gottes und die Heiligung und die Erbauung der Gläubigen. Sie nimmt mit Teil an der Erhöhung der Würde und des Glanzes der kirchlichen Zeremonien, und gleichwie es ihre Hauptaufgabe ist, mit angemessenen Melodien den liturgischen Text zu umkleiden, welcher dem Verständnisse der Gläubigen vorgelegt wird, so ist es ihre eigene Aufgabe, diesem Texte eine höhere Wirksamkeit zu verleihen, damit die Gläubigen durch dieses Mittel leichter zur Andacht angeregt und vorbereitet werden, die den hochheiligen Mysterien eigenen Gnadenfrüchte besser in sich aufzunehmen. 2. Die Kirchenmusik muß infolgedessen im höheren Grade die Eigenschaften besitzen, welche der Liturgie eigen sind, insonderheit Heiligkeit und Güte der Form, woher ungezwungen ihr anderer Charakter entspringt, das ist die Allgemeinheit. Sie soll heilig sein und daher jede Weltlichkeit aus- schließen, nicht allein in sich selbst, sondern auch in der Weise, wie sie von den Musikern vorgetragen wird. Sie soll wahre Kunst sein, weil es unmöglich ist. daß sie sonst auf die Seele des Hörenden jene Wirkung ausübe, welche die Kirche zu erreichen beabsichtigt, indem sie in ihre Liturgie die Kunst der Töne aufnimmt. Aber sie muß auch gleichzeitig allgemein sein in folgen- dem Sinne: obwohl jeder Nation in den kirchlichen Kom positionen die Zulassung jener besonderen Formen, welche gewissermaßen den Spezialcharakter ihrer eigenen Musik bilden» gestattet wird, muß dies jedoch derartig geschehen. Wegen des hohen Festes der Erscheinung Inserate werden die «gespaltene Petitzeile^ „ II» Vs. berechnet, bei Wiederhol,mg bedeutender Rabatt. »druckerei. Redaktion und «eschästSstelle: Dresden. Nlliiiyrr Ltraste »:». — Fernsprecher: Amt I Rr. l.«s. wäre das Gutachten umsonst und das darf in Sachsen — nicht sein. Warum hat cs denn die sächsische Regierung immer so eilig mit solchen Volksbelästigungen? Sie hätte in solchen Dingen Anträge beim Bundesrate stellen und die Entschließungen des Reichstages abwarten sollen, um das Odium von der sächsischen Regierung abzuwenden. Seit der Fleischbeschau, „die wir schon längst haben", ißt das Volk das Fleisch weder besser noch billiger; aber es macht sich seine Gedanken über „Fürsorge der wohlwollen den Regierung". Seit die Einkommensteuer in Sachsen eingeführt wurde, mußte die Grundsteuer bis auf den letzten Pfennig fallen; sie ist von da ab in jeder Form eine nicht zu rechtfertigende Doppelbesteuerung des Grundbesitzes allen anderen Ständen gegenüber. In der Praxis ist eine Entlastung des Land wirtes in dieser Beziehung nicht eingetreten. Zunächst ver hält das Gesetz den Grundbesitz zur Zahlung von 4 Psg. für die Steuereinheit in die Schulkasse. Jedenfalls geschieht das im Interesse der breiten Schultern; der geplagte Bauer kann die Schulkasse füttern, der Kapitalist im Orte sieht dann schmunzelnd zu. Dann kommt die Unfall-Versicherung und erhebt mit souveräner Nonchalance gleichfalls 4 Psg. von der Einheit. Nehmen wir ein gewöhnliches Bauergut zu etwa 1000 Einheiten, so hat der Besitzer, der in der Regel hypothekarisch verschuldet ist, 80 Mk. Grundsteuer in Sachsen zu entrichten — trotz deren gesetzlichen Aufhebung. Nun noch einen Blick auf die Gefälle um die Inva liden- und Krankenkasse. Die ganze Welt knirscht trotz der sozialen Wohltat mit den Zähnen. Der Arbeiter murrt, die Aerzte streiken und der Kleinbauer empfindet diese Ein richtung sehr schwer. — Muß er doch 4, Omal mehr nach dieser Richtung hin zahlen, als die Einkommensteuer betrügt. Am besten fährt dabei die Sozialdemokratie, welche für ihre Parteiführer Sinecuren daraus zu machen bestrebt ist, und dies auf Kosten des Arbeiters und Landwirtes. Wozu ein so komplizierter Apparat mit seiner „kostbaren" Verwaltung bei wahren Hungerrenten? Wenn statt dieser Einrichtung bestimmt würde: Jeder Ar beiter in Deutschland hat v»m 10. Jahre ab ein Spar kassenbuch anzulegen und in dieses monatlich selbst ein Teil seines Lohnes einzuzahlen, ingleichen der Arbeitgeber einen Teil, so würde jeder Arbeiter im Reiche mit der Zeit im Alter ein Kapitalist und er würde den Teufel sich scheren um Sozialismus und ähnliche Gehirnversandungen, die ans „Teilung des Kapitals" hinauslaufen. In Krank heitsfällen mag das Reich dem Arbeiter einen Zuschuß ge währen; das in seinem Buche eingetragene Kapital darf er ohne Genehmigung der Behörde vor dem 00. Jahre nicht angreifen. So würde das Geld durch die Sparkassen dem Volke erhalten bleiben und beständig zirkulieren und nicht beim Fiskus aufgestapelt werden. Nach der jetzigen Einrichtung sind in Deutschland die Versicherungs anstalten die Erben der Enterbten. Infolge dieser total verkehrten Einrichtungen bleibt dem Landwirte nichts übrig, als daß er zu seinem Schutze neben der staatlichen noch in eine Privat Versicherungs- Anstalt (in Stuttgart oder Magdeburg) sich einzahlt, also wieder — Doppelbesteuerung. Noch etwas zum Schlüsse: Als 1802 der liebe Herr- gott etwas Negenwetter in die Ernte schickte und oer Roggen auswuchs, schnellte der omnipotente Jude den Roggenpreis sofort auf 20 Mk. für den Scheffel. Zum Glück war damals in Sachsen „heidenmäßig" viel Geld, und der Landtag beschloß eine Brot-Teuerungszulage an alle Beamten und Lehrer des Landes in bedeutender Höhe. Von 1893 ab ging der Roggen- und Brotpreis rapid zurück und hielt sich infolge der ungünstigen Handelsverträge seitdem ans 9 und nicht über 14 Mk. Die Tenerungs- zulage für die Beamten besteht trotzdem weiter fort. Nun ißt seit 1893 der Beamte und jeder Nichtlandwirt in Sachsen sein Brot für 9—10 Pf. das Pfund; dem Land- Wirt kostet das Pfund 15 Pf. Ja. wie geht denn das zu: zweierlei Brotpreise im Lande? Die Sache verhält sich also: mit Steuern und Betriebskosten kommt den Bauern der Scheffel Roggen auf 14 15 Mk. zu stehen; er selbst erhält auf dem Markte nur 10 Mk. Seit 10 Jahren arbeitet er also tatsächlich mit einer Unter- bilanz von 50 Proz. und ißt «für seine Arbeit und Plackerei) sein selbstgebackenes Brot um 50 Proz. teurer als die übrigen Konsumenten. Ist das nicht merkwürdig? Was die Steuerschraube anbelangt, geht es seit 1800 in Sachsen orosecmcio, inbezug auf politische Rechte cieorosoemio; allenthalben herrscht ein engherziger Polizei- geist, der den stenerzahlenden Bürger oft unnötigerweise belästigt. Die Summe dieser Eindrücke brachte das Stimmungsbild zu stände, das im Laufe der beiden letzten Jahre öffentlich zum Durchbruch kam. Alles andere ist nur Mache, die Unschuldige ausbaden möchten. Politische Rundschau. Deutschland. — Kaiser Wilhelm und der König von Italien. Wie „Giornale d'Jtalia" aus guter Quelle erfahren haben will, werde Kaiser Wilhelm in der zweiten Hälfte des Januar gelegentlich einer Mittelmeerfahrt Messina besuchen. Aus diesem Anlasse werde Viktor Einanuel nach Sizilien reisen. — Die Zusammensetzung des preußischen Abgeordneten hauses. Nach amtlichen Quellen werden bei der am 10. Januar erfolgenden Eröffnung des Landtages in das preußische Abgeordnetenhaus einziehen die Konservativen mit 143 «darunter 28 Reichstagsmitglicder nnd als Hospitant vr. Gaigalat), die Freikonservativen mit 59 «darunter 11 Neichstagsmitglieder. als Hospitant Lüdicke, 0. Potsdam), die Nationalliberalen mit 79 «darunter I i im Reichstage, als Hospitant Kölle, 4. Hildeshein:), die freisinnige Volks partei mit 24 «darunter 7 im Reichstage), die freisinnige Vereinigung mit 8, das Zentrum mit 97 (darunter 42 im Reichstage), die Polen mit 12 (außerdem ein Mandat er ledigt, darunter 5 im Reichstage) Mitgliedern; 10 Mit glieder sind bei keiner Partei des Abgeordnetenhauses. Im ganzen besitzen 100 Mitglieder des Abgeordnetenhauses Doppelmandate für Reichstag und Landtag; das rührt in erster Linie von der Diätenlosigkeit im Reichstage her. Die parlamentarischen Arbeiten erfahren aber hierdurch keine Förderung; die süddeutschen Ncichstagsabgeordneten sind dabei noch schlimmer daran, da ihre Landtage nicht in Berlin sich versammeln, während die preußischen Neichstags- daß der allgemeine Charakter der Kirchenmusik gewahrt bleibe, damit niemand einer anderen Nation beim Hören einen nicht guten Eindruck empfange. 2. Arten der Kirchenmusik. 3. Diesen Eigenschaften begegnen wir in höchstem Grade beim gregorianischen Gesänge, welcher infolgedessen der eigentliche Gesang der römischen Kirche ist, der einzige Gesang, welchen sie von den Urvätern ererbt und Jahr hunderte lang in ihren liturgischen Codices ängstlich gehütet hat, welchen sie als ihr Eigentum direkt den Gläubigen darbietet, welchen sie in einigen Teilen der Liturgie aus- schließlich vorschreibt und welchen die neuesten Forschungen in einer so glücklichen Weise in seiner Vollständigkeit und Reinheit wiederhergestellt haben. Aus diesen Gründen wurde der gregorianische Gesang immer als das höchste Vorbild der Kirchenmusik betrachtet, sodaß inan mit vollem Rechte das folgende allgemeine Gesetz aufstellen kann: Eine Kirchenkomposition ist umso geheiligter und litur- gischer, je mehr sie in Aufbau, in Inspiration und in Ge- schmack sich der gregorianischen Melodie nähert, und sie ist umso weniger des Tempels würdig, je mehr sie von diesem höchsten Vorbilde abweicht. Der alte traditionelle gregoria- Nische Gesang muß daher auf weiter Grundlage in den Funktionen der Kultus wiederhergestellt werden, indem man daran festhalten muß, daß eine kirchliche Funktion nichts dadurch verliert, daß sie von keiner anderen Musik als dieser begleitet wird. Im Besonderen trachte man darnach, de- gregorianischen Gesang beim Volke wicdereinzuführcn. da..:it die Gläubigen von Neuem einen tätigeren Anteil am Gottesdienste nehmen, wie dies früher der Fall war. 4. Die vorgenannten Eigenschaften besitzt auch in bestem Grade die klassische Polyphonie. besonders der römi- schen Schule, welche im XVI. Jahrhundert ihre höchsten Blüten unter Pierluigi von Palestrina erreichte und sodann fortfuhr, auch in der Folge Kompositionen von ausgezeich- neter liturgischer und musikalischer Güte hervorzubringen. Die klassische Polyphonie nähert sich sehr gut dem höchsten des Herrn erscheint die nächste Nummer erst Vorbilde der Kirchenmnsik, dem gregorianischen Gesänge, und daher verdiente sie zugleich mit diesen: bei den feier lichen Funktionen der Kirche zngelassen zu werden, wie bei denjenigen der päpstlichen Kapellen. Auch sie muß daher auf weiter Basis in den kirchlicheil Funktionen wieder her gestellt werden, besonders in den hervorragenden Basiliken, in den Kathedralkirchen, in denjenigen der Seminare und der anderen kirchlichen Institute, wo die erforderlichen Mittel gewöhnlich nicht fehlen. 5. Die Kirche hat zu allen Zeiten den Fortschritt und die Künste anerkannt und gefördert, indem sie znm Gottes dienste alles dasjenige znließ, was das Genie im Laufe der Jahrhunderte Gutes nnd Schönes erfand, immer unter Wahrung jedoch der liturgischen Gesetze. Infolgedessen ist auch die moderne Musik in den Kirchen zngelassen. indem auch sie Kompositionen von derartiger Schönheit. Ernst und Würde darbot. das; sie in keiner Weise der liturgischen Funktionen unwürdig sind. Nichtsdestoweniger, weil die moderne Musik vornehmlich aus den: Profane,: hervor- gegangen ist, muß mit um so größerer Vorsicht anfgemerkt werden, damit die Kompositionen des modernen Stils, welche man in den Kirche,: znläßt, nichts Profanes ent- halten und nicht an in Theatern aufgeführte Motive er innern und auch nicht etwa die äußere Form mit den pro fanen Stücken gemeinsam haben. 0. Unter den verschiedenen Arten der modernen Musik gibt es eine, welche als an: wenigsten geeignet erscheint, die heiligen Handlungen zn begleiten, und das ist diejenige des theatralischen Stils, welche während des vorigen Jahr hunderts weit verbreitet war. besonders in Italien. Sie steht ihrer Natur nach in, größten Widerspruche zum gregoriauischen Gesang, und zur klassischen Polyphonie und damit znm wichtigsten Gesetze jeder guten Kirchenmusik. Außerdem schmiegt sich ihr innerer Aufbau, ihr Rhythmus und der sogenannte Konventionalismns eines solchen Stils nur sehr schlecht den Forderungen der wahren liturgischen Musik an. «Fortsetzung folgt.) Donnerstag, den 7. Januar, nachmittags.