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Sächsische Volkszeitung : 19.02.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192102194
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210219
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210219
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-02
- Tag 1921-02-19
-
Monat
1921-02
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 19.02.1921
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Sonnabend den 19. Februar 1921 Nr. 41. Gelt« S Die Kaiserin in der Wahlagitation Eine Grschmucklosigtrit In der Wahlagitation der Deutschnationalen bet ten Vreußenwahlen spielt der nachfolgende, in Schrciomaschi- nenschrist vervielfältigte und anscheinend mast'enweyc verjchirkte Auszug a»S-einem angeblicher, Briese des früheren Prin zen August Wilhelm von Hohenzollern eine bedeutend Rolle: »Denken Tie, diese schmachvolle Regierung null die Uebersührung meiner armen Mutter bei Tage verhindern. Grauer sagt, seine Lenke würden streiken; Braun erklärt: Alles wird dnrch Reichswehr algesperrt, daniit d.e Bevölke rung »ichl reilnehnien kann. Weidmann sagt: Früher hätte inrn Liebknecht und Rosa Luxemburg auch nicht m-i allen Ehren beisetzen lassen (gelogen, den» Bebel und Singer wur den im Triumph durch den Tiergarten gesch.-ift). Dies muh mündlich schnell verbreitet werden. Bitte, helfen Sie uns » dabei, damit in weiten Kreisen diese Schamlosigkeit bald be- I kannt wird. Cbcrt erklärt: Sie ist eine preußische Person »r.l geht mich nichts an. Wie es mir als Sohn dabei ums Herz ist, können Sie sich denken. Sters dankbarst Ihr August Wilhelm. Prinz von Preuße»." Es handelt sich vermutlich um eine Fälschung, um einen für den wahlagitatorischcn Zweck präparierten Brief, der sich a» Besprechungen anlehnt, die in den letzten Wochen auf Ini tiative von Vertretern des ehemaligen Kaiserhauses mit der preußischen Regierung geptlogen worden sind, und aus die man, angel'chtd dieser Art von Wahlagitation, jetzt etwas näher ein- gehcn muß. Als die erste» Nachrichten über Ken ersten Zustand der Kaiserin bekannt wurden leine unmittelbare Lebens gefahr bestand damals noch nicht) wurde vom Hofwarschallamt Milbe'ms l>. bei der Regierung angefragt, wie sie sich zu einer Leichenfeier in Potsdam stellen würde. Von der preußischen Regierung wurde in den vertraulich geführten Besprechungen erklärt, daß die Beisetzung der Kaiserin eigentlich keme Ange legenheit sei, in die die Regierung sich einzumischen habe; daß man wobt auch in Doorn lediglich den Wunsch begen dürfte, die ehemalige Kaiserin in heimatlicher Erde zu bestatten, aber nicht, die Leicheukcier in Potsdam zu einer nionarchischen Demonstra tion zu gestalten. Eine solche Demonstration würde wahrschein lich Gegenklindgcbungen zur Folge haben, die weder der Regie rung noch der Familie erwünscht sein könnten. Es würde sich vielleicht empfehlen, die Ileberführnng der Leiche nach Potsdam zur Nachtzeit vorzunehmeii und die Leichen stier selbst in den erster. Vormittagsstunden abzuhalten in würdiger Form, aber doch so. daß der Charakter einer politischen Kundgebung ver mieden würde. Die Vertreter des Kaiserhauses schienen, so be richtet die ..Rassische Zeitung" (Nr 80 vom 17. Februar 1921), geteilter Meinung zu sein. Während der eine der Auffassung d-r preußischen Regierung beipslichtete, machte der andere kein Heb: daraus, daß die Leichenfeier in Potsdam den Monarchisten gerade Gelegenheit geben soll, ihre Anhänglichkeit an daS HauS Hohenzrllern an den Tag zu legen. Man erwarte, daß die Mit glieder aller ehemals regierenden Häuser an der Beisetzungs feierlichkeit teilnchmen würden, die Offizierskorps, die studen tischen Korporationen, Abordnungen aus dem ganzen Reich« usw Zn einer bestimmten Vereinbarung zwischen ?er preußi schen Ncaiernng und den Vertretern des Hauses Hohenzollern ist cS nicht gekommen, man hört nur, daß alle Vorbereitungen süc eine Leichenfeier mit großem Pomp und Massenbeteiligung getrosten werden. So viel über diese Besprechungen selbst, von denen der angetliche Brief des Prinzen August Wilhelm eine verzerrte Darstellung gibt. Daß dieser Brief überhaupt verschickt wird, zeugt so bemerkt weiter iretsend die „Vossische Zeitung", von eine'' Geschmacklosigkeit die man auch durch die Heftigkeit deS Wahlkampfes nicht zu erkläre», geschweige denn zu entschuldige» vermag Gleichgültig, wie man zu der Frage: Monarchie oder Republik ilehi: im Hanse Doorn ringt eine Frau, für deren schweres Leiden man nur tiefstes menschliches Mitgefühl haben kann mit dein Tode. Wen» auch nach dem letzten ärztlichen Bnllctii, keine Hostnung auf Genesung besteht — sie lebt doch noch. Eine Partei aber, die das „monarchische Prinzip" ver tritt scheut sich nicht, mit einer Gefühllosigkeit ohnegleichen die Lebende zu den Toden zu werfen und mit der Leiche der noch leidenden ,abrr lebenden Kaiserin ein waklvalinsche? Geschäft za mach».», das auch nicht sehr enu'nndsame Gemüter ad» stoße> muß. » » Zn den von deutschnationaler Seite für die Wahlagitation be>'U!.!en, offenbar gefälschten Brief des Prinzen August Wil helm wird amtlich erklärt: In einem angebnchen Briefe de» Prinzen August Wilhelm wird eine Aenßernng wiedergcgeben, die de» Reichspräsident über die ehemalige Kaiserin getan haben soll. Wir können feststellen, daß der Reichspräsident die ihm zu» geschriebene Aenßernng niemals getan hat. 8e6 ln errorv pvrsevvnhro Sladoll vst >u» ZentrrmSkreisen wird UN» geschrieben: Wir stehen tm Zeichen eines DoppeljubnäumS; KO Jahr« Relchtjikntrum und Lk Jahre Zentrum in Sachten. DaS Zen trum, die Christliche Bolkspartei, hat währeno dieser Zeit un- entiveg: die christliche Weltanschauung zum Leitmotiv des poli tischen Handelns gehabt. Wohl standen dieser Partei nament lich in Sachsen, weite positive christliche Kreise fern. Und das war verständlich. Denn wir wollen diesen Kreisen durchaus nicht die bona fideS absprechen. Sie hielten tun Kampf dieses klein«» Häufchens hierzulande für aussichtslos, zumal gerade hier ungeheure Widerstände zu überwinden waren. Um so rühmlicher ist die Treue und Beharrlichkeit» der Mu' und die sieghafte Hoffnung der wackeren Zentrumskämpen anzuer- kennet,. Ta brachte uns die Revolution ein gewaltiges Stück vorwärts. Sie war die Kraft, die stets das Bö>'e will und doch das Gute sckxstst. Und doch hielten viele, sehr viele Protestanten wie Katholiken noch immer den Erfolg für aussichtslos. Da brachte uns das Jubeljahr zwei Siege: Zur Reichstagtzwahl konnte daS Reick kzentriim durch die sächsischen Nesistimmea „och einen Kan didat«» mehr zuin Wiederaufbau unseres so tief darniederlie- geiiden Vaterlandes auf christlicher Grundlage :n den Reichstag entsenden und bei der Landtagswahl durste sogar erstmalig die Lhmsiliche Volkspartei einen eigenen Kandidaten in de» sächsischen Landtag zu aller Freude einziehen iehen. Der Be weis ist voll erbracht, daß fürder ein Eintreten für die christ lichen Ideale des Zentrums auch in Sachsen nicht erfolglos »st. Cs ist nun hohe Zeit, daß auch fene Kreise, die bisher im guten Glauben sich der einzigen christlichen Partei sernhielien, ernstlich Gewiss«nSerforschung halten, ob sie es fernerhin verantworten können, der Christlichen Volkspartei nicht mizugehören. Di« bona stdcs kann ihnen nun nicht mehr zugebilliot werden. DaS sollten sich vor allein jene sagen, die durch Bildung und Besitz ost berufenen Führer christlicher Weltauschtiuung sein sollten. Dürfen sie noch länger ihr Talent vergraben ? Wer da etwa an dieser oder jener Führer-Persönlichkeit, an diesem oder jenem Kandidaten Anstoß nimmt, der zeigt doch politische Unreife. Den»' die Weltanschauung und die Partei stellt doch über de« Person, wie auch das Vaterland über die Partei geht. DaS hat doch gerade die Christliche Volks"arrei trotz aller Anfeindungen von rechts und links stets klar bewiesen und sich me gescheut, die schwierigsten, undankbarsten Aufgaben unbeschcuet partei licher Nachteile zu übernehmen. Und wenn man jrtz' die christ liche Volkspartei wegen der Steuergesetzgebung so heftig befein det. fo muß erneut und wiederholt darauf hingewies-.n werden, daß roch nicht das Zentrum unser armes, gedrücktes Vaterland in diese Schuldenlast gestürzt hat. daß aber die Schulden gedeckt werden müssen, und daß gerade ihr Verdienst eS ist, »inen Weg gefunden zu haben. Alles Menschliche ist Stückwerk und ver besset inigsbedürftig und -fähig. Aber eö muh doch deutlich ge sagt werden, daß namentlich die Rechtsparteien nur unfrucht bare Kritik übten und üben, ohne auch nur den Versuch eine» besseren Vorschlages zu machen. WaS auS unserer christlichen Kultur, was aus Kirche und Schule ohne die christliche Volks partei »» den Stürmen der Revolution geworden wäre, das dürste wohl jeder wissen. Ja. ich wage zu behaupten, daß unser Reich keine Verfassung befommen hätte, daß vielmehr unser Reich durch innere Stürme zerfallen wäre, wenn nur nicht in Weimar die starke christliche Mitte, die Christliche Bolkspartei gehabt hätten, die e,nen gesunden Ausgleich Herstellen konnte. Damit soll durchaus nicht behauptet sein, daß die Weimarer Verfas'ung in allem unseren Wünschen entspricht. Wer jetzt roch nicht erkennt, daß nur eine große christliche Partei der Mitt- die Gegensätze überbrücken und unser liebe« Vaterland ans dem Tiefstände bringen kann, wer immer noch das Heil von den Extremen rechts oder links erträumt, dem kehlt, mit Verlaub zu sagen, der politische Sinn. Drunr, liebst du dein Vatcilaud, willst du au seinem Wohl mit bauen, so darfst du nicht nach rechts und links, mußt in die Mitte schauen. Noch brär.i der Feind im Innern und von außen, noch heult der Sturm im Geäst der deutschen Eichen. Doch soll «S kein Herbst- sturm sein, der Winterstarre bringt, nein FrülllingSstürme, die neues Erwachen bringen. Erwache auch du und stelle dich in die Kämpserrciheu für Wahrheit, Freiheit. Recht; in die Reihen der Christlichen Volkspartsi. In. Wohin die Fahrt Von A. Vetter Im letzten Frühjabr schrieb der um unsere Literatur hoch verdiente I. Froberger: „Die deutsche Litecaturwe-t ist ein Liter,'.lurmarkt, das Buch ist zur Ware geworden, das Angebot richtet sich nach der Nachfrage verderbter Massen, unb »n rasen der Fahrt geht es von Jahr zu Jahr schneller dem Ach.rund zu." Nun liegt wieder eine Weihnacht hinter un-S, und Froberger kann wohl erschauernd seststellcn, daß die Fahrt mit beschleunig ter Geschwindigkeit weiter zur Tiefe raste. Beim Anblick dieser Buchbändleranslagen und Verlagsanzeigen wußte man an ein Wort von Groithnß über einen Hauptmannschen Roman denken: DaS Ganze stelle sich als eine dichterische Kloake dar, und man tue gut daran, da? Taschentuch vor die Nase zu Hallen, wolle man mit der kritischen Laterne da hinab steigen. Die »Köln. VotkSztg." aber schreibt: „Es scheint, als ob eine unheilbare Hysterie einen guten Teil unserer Literatenwelt ergriffen hat, und eS besteht Gefahr, daß sich diese Hysterie auch dem deutschen Volke mitteilt, wenn nicht bald eine starke und männuche Gegen bewegung gefchaffen wird." Eine starke männliche Gegenbewegung! Woher soll sie kommen? Von draußen und drüben sicher nicht. Wiederholt sind sie in den letzten Jabrzehnten mit großen Programmen ausgckahren. Doch blieben eS immer nur wenige, die m Demut und Sühne den Gral gefunden. Die anderen erlamnten oder ließen sich von einer bösen Kundry in die Irre locken. Ein Wort Friedrich Muckermanns gilt denen draußen allen: „Ihr finder ein wahres Behagen darin, in Gottes Welt herumzu kramen. um zu zeigen, daß ihr auch bauen könnt und Farbe geben und Struktur ersinnen. Wie die Kinder feie. ihr. die ihren kleinen Mutwillen am Steinbaukasten üben. Nur nicht bauen »ach den schönen beigelegten Mustern, r.ur tändeln und wirtschaften, bis die Bogen zerbrochen und die ganz-- Herrlich, kett dahin ist. Wenn es einmal an die Geheimnisse GotteS geht, da hört jeder Menschentraum auf. jede Einbildung daß man Wahrheit und Schönheit erst selber erfinden und ersinnen müsse. Nein, finden muß man sie, durchdenken, durchleben und so zu gestalten suchen." Das ist die wirklich tiefste Ursache unsere» ganzen Elends: Man will den Babeltnrm immer aufs neue türmen ohne Gort, gegen Gott. Und doch beweist jedes Menschenleben und jede Geschichtsperrode: Er ist der Eckstein» die Wahrheit und das Leben. Auch für unser Sch'iftum be deutet die Kehr zum Bessern die alte Kreuzfahrerlosung: Wir ziehen zu ChristusI ES scheint, daß durch die Ernsten und Tiefen immer mehr auS unserem allgemeinen Zusammenbruch ein Ahnen hievon dämmert. In der „Franks. Ztg." schreibt Dr. Richard Koch für diese geistige Strömung bezeichnend: „Auch uns Ungläubigen ist manches wieder selbstverständ lich geworden, waö vir bis vor kurzem nur widerw'llig annah« rr eu. Die Schicht geistig beweglicher Menschen, die aus den je weilig neuen Tatsachen und Gedanken am Glauben der Mensch heit baut, hat heute fast das Recht verwirkt, sich ung'äubig im ölten Sinn zu nennen. Sie hat sich der geistigen Verfassung derer, die nie aus dem Bereich überlieferten Glaubens traten, wieder beträchtlich genähert. Philosophen und Naturforscher» di« im Besitze deS Wissens ihrer Zeit und ungebunden durch irgend welche Traditionen find . . . meinen, daß klares Dcnken zur Annahme führe, daß vor aller Materie Geist war und daß da» All am ehesten Ausdruck eines persönlichen Schöpsungsaktes und eine? persönlichen Willens ist." Für uns sind solche Wahrheiten nicht «in Ahnen nur. sie find unS das Licht, in dem wir arbeiten, die Luft, die wir atmen. So ist eS aber auch für unS nicht etwa evangelischer Rat. sondern heilige Pssicht, in unsere Zeitenwende unablässig die Fluten aus den heiligen Quellen der ewigen Berge unsere: Welt- und Lebens- und Liieraturausfassuna hineinzuleiten. Der Katholizismus hatte immer werbende Kraft, und der in Wort und Tat lebendige Glaube hat für sich die Verheißung, daß er die Welt überwindet. Noch mehr. Es stich der Zeichen viele, die alle dafür zev« g,», laß die Felder vielfach zu religiöser Tritte reis sind. Wie- 'er scheint das Wort deS schwedischen Geschichtsschreibers K G. Geiyer, zu gelten: „Es geht ein katholischer Zug durch die Welt." An jedem einzelnen wird «S liegen, diesem Zug die volle Kraft zu geben. Insbesondere aber ist eS die hohe Ausgab: Misere» katholischen Schrifttums, diesen Geist anzufachen. Bücher und Zeitungen find es ja mit in erster Linie, die wie sie Wasser» tropfen den Strom, die großen Bewegungen heutzutage seljafsen und vorwärts tragen. Von MoseS Moutefior« wird berichtet, daß er seinen da- ma.s vielfach haribedrängten Volksgenossen immer wie-rc sagie: Mein elftes Gebot, das ich von meinem Sinai auS gebe, lautet. Du tollst keine fremde Presse über dir dulden, auf daß du lang« herrschest über die Gojim. Er wurde wahrhaftig von den Sci»ru gut verstanden: „Wie eine Riesenspiime brütet der wid^rchnst- l'che Geist dieser Presse über allen fünf Kontinenten und se,;e t mit tausend Fäden und Fädchen die Freiheit des christlichen Volke«." Da ist eS hoch an der Zeit, unserseits jenes Gebot »,'„ Montesoire zu befolgen. Wenn eimnal die Christen in «allem Ernst kein „literarisch Untertan envnlk" mehr sen, wollen, dann wird eö in allem wieder vorwärts und auswärts gehen. 30 VMer - kreise mäßig - «onferenrfäle Der grobe Strohhut war Ilse in den Nacken gerutscht. Eine Ilebersülle goldblonder Locken auall darunter hervor, Die großen veilchenblaue» Augen strählten. I«tzt haue Ilse dem Ball einen besonders kräftigen Schwung gegeben. Bewundernd 'bückte sie ihm nach, wie er flog — und wieder hecunterkam. Aber ach, er rollte ab vom Wege, hinter das Staket, das den Teich umgab. Vergebens be- niüüie sie sich, ihn wieder zu erhaschen. Minna half ihr dabei. Alle Mühe umsonst. Ilöchens blaue Auge» füllten sich mit Tränen. Der Ball war neben der Puppe van der guten „Cousine" von der sie seit damals gar nichiS mehr gehört hatte, ihr einziges Spielzeug, lind nun lag er da hinten — und sie konnte nicht daran! Ein starkknochiger, hünenhafter Mann, von fremdartigem Ans',Heu, der. die kurze Tabakspfeife im Munde, in der Nähe niif einer Bank saß, benurkie ihre Bemühungen Er stand auf, winkle Minna, seinen Platz einzuuehmen, und angelte mit sei nein derben Knotenstock den Ball hinicr dem Staket hervor, „Ta, kleine Maus!" IlSchen machte ihren Kuix. „Danke, mein Herr!" Und fori sprang sie wieder. Inzwischen halte Minna Klein-Eva a»S dem Wagen ge hoben und ließ daS Kind a» ihrer Hand Gehüb»ngeii machen. Dabei stolperte es und fiel hin. Der Mann eilte hmzu und hob es auf. Dabei warf er einen Blick auf das liebliche Kindergesicht. Ter Mann stutzte. Dann fuhr er sich über die Stirn. Guckte wieder Klein-Eva an. Schüttelte ärgerlich den Kopf. Und konnte dock, den Blick nicht äbwenden von den großen schwarzen Augen, die ängstlich zu ihm aufschauten. ...Hoffe, das kleine Ding hat sich nicht weh getan!" bemerkte er z» Minna den Blick unverwandt auf Evchen geruhtet. „Nee. Sie hat sich nicht wehjetan," erwiderte Minna. ..Sehen Sie. sie lacht ichonl" Jetzt tan, auch Ilse zurück. Sie wollte sehen, was der freuidc Mann bei Evchen machte. Doch da» blonde Gesichtchen und die blauen Augen deS älteren Mädchens schienen ihn wenig zu interessieren. Immer wieder guckte er auf die Kleine, die von Minna in ihren Wagen gesetzt worden war »nd nun von dort aus lachte und krähte vor Vergnügen. Der Man» setzte sich neben die kleine Gruppe und begann eine kleine Unterhaltung. Minna antwortete beglückt. Ilse aber, die Mit der schar fen Beobachtungsgabe, die mancheu' Kinde eigen ist. werkle, daß der struppige Hüne an Klein-Eva mehr Interesse nahm als au ihr, stützte sich plötzlich aus sein Knie und fragte mit leichtem Znsammcnziehen der Augenbrauen: „Warum guckst du denn so?" ..Darf ich nicht?" fragte er lachend und hielt ihr seine breite, behaarte Hand hin. in die sie schüchtern ihr kl'-'neS, wei ches Patschhändchen legte. „Was für einen komischen Bart du hastl" lach'e sie hell auf und zupfte verstohlen an seinem langen, verwilderten, rot blonden Barte herum. „Ilse! UujezogeneS Jöhrl" rügte Minna. „Wülste woll den Herrn «ich quälen I" Und sie puffte Ilse fort von ihm. „Lassen Sie doch!" wehrte der Mann nnd fügte anerken- nrild hinzu: „Hübsche KinderI" »DaS will ick woll meinen!" nickte Minna stolz. „Wir Haber, hübsche Jöhren. Da sollten Sie man erst den Jungen sehenl Wie die Kleene da — bloß noch villc hübscher'" Wieder blickte der Mann auf das Kind im Wagen. Dann fragt- er hastig : „Wie heißt die Kleine?" „Evchen I" Ter Mann schien enttäuscht. „So. so! Evchen von Hasselrode, wie?" „Nein, Evchen Alsen," erwiderte Ilse wichtig. „Und ich bin Ilse Alsen I" Sofort schwand das Interesse aus den Zügen de- Mannes. Fast rauh schob er das Kind, das sich zutraulich an sein'Knie gelehnt hatte, beiseite. Doch Ilse nahm diese Unfreundlichkeit nicht Übel. Sie hatte einmal Zutrauen zu dem „komischen Manne" gefaßt und ließ sich nicht verblüffen. „Warum soll ich denn nicht Ilse Alsen heißen? ' fragte st« mit einem reizenden Schmollmündchen. Ja, in der Tat — warum nicht! Der Mann konnte stch selbst kein« Antwort darauf geben. Er fühlt« nur. daß er v«p> stimmt war — tief verstimmt. Minna, die die ganze Szene mit neugierigen Augen de- ab ach tat hatte, hielt eö für augezeigt, sich ins Gespräch zu mischen. Sie war bewandert in der Hiiiterlceppenlitcratur uns deshalb jederzeit bereit, ein aufregendes Ereignis zu erleben. Wer wußte, was hinter diesem roihaarige» Niesen siccktel Ob er sich nicht als Prinz entpuppte! Oder als Zauberer! Oder als weiß wer waSl „Mein Herr —" begann sic mit großer Wichtigkeit. „Wir heißen zwar nicht Hasselrode, wir heißen Alsen. Aber unsere Madam, die iS eene jcborene Hassclrode — so ville ick weeßl ' „Also doch!" Seltsam rauh rang es sich aus der Brust des Mannes. Es war, als ob ihm etwas die Kehle zuschnürte. Dann aber brach der Jubel bei ihm los. Natürlich, die Augen konnte» niemand anders angeboren, als einer aus der Nachkommenschaft Salomeas!" rief er in sei ner Aufregung so laut, daß mehrere Köpfe sich nach ihm nm- wandten. Und er nahm Klem-Evchen aus dem Wagen, setzte sie auf seine Knie und drückte sein bärtiges Gesicht fest auf ehre rosige Wange — so fest, daß- die Kleine aufschrieh vor Schinerz. Trotzdem — sie verlangte nicht fort auS der stürmischen Umarmung. Im Gegenteil. Ganz zutraulich schlang sie beide Aerincheu um den Nacken des hünenhaften Mannes und wühlte daS dunkle Köpfchen hinein in den struppigen Bart. Jetzt war es Minna vollkommen klar, daß tust diesem „Onkel" d«S Glück zu ihrer Herrschaft käme. Und sie beeilte sich, voll Stolz zu erzählen, ihr Herr wäre ein Maler. Und die Madam wäre mit ihrem Sohne verreist, zur Erholung an d'-r See, weil er sehr kran'k gewesen wäre. Sie käme ä'.r bald wieder!" — „Ja, übermorgen!" bekräftigte Ilse altklug. „Und dann muh' du uns mal besuchen, hörst du. Onkel. Wir wohnen Brunneiistraße Nr. 46. vier Treppen links." „Vier Treppen?" wiederholte der Mann verblüsft „Nicht in einer feinen Villa? Mitten in einen» großen Park?" Feine Villa! Großer Park! Minna sowohl ww Ilschen rissen ihre Augen weit auf. Ter Mann mußte verrückt feint Ganz sicher, ' sffortsetzung sol-tf
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