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Sächsische Volkszeitung : 19.02.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192102194
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210219
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210219
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-02
- Tag 1921-02-19
-
Monat
1921-02
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 19.02.1921
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Sonnabend den 19. Februar 1931 Sächsische v,II»,«Nu«ß i->r. -1.. Wirtschaftskrisen Von Dr. W. Reichenbach (Nachdruck verboten.) Au den Schattenseiten der modernen Kultur-.»twickl»ng gehlreu die Krisen, die von Zeit zu Zeit das wirtschaftliche Leben einzelner Länder oder Weltteile, ja deL ganzen Erdballes erschüttern. Wenn sie - auch einem Gewitter vergleichbar eine reinigende Wirkung ansüben, indem sie die Auswüchse der Spe kulation und die industrielle Ueberproduktion beseitigen, so dürf ten doch im allgemeinen die Schäden, die sie onrch die Vernich tung zahlreicher geschäftlicher Existenzen und die in ihrem Ge folge anstretende Arbeitslosigkeit entrichten, bei weitem über- wicgen Es wäre indessen ein Irrtum, zu glauben, das; die gro ßen Schwankungen, das Auf und Ab des Wirtschaftslebens erst ,n unseren Tagen sich geltend gemacht hätten In früheren Iabihnnderlcn waren es vor allem Mifcrnlen und Kriege, die vie wirtschaftlicheil Notstände hcranssührten. Ein Kennzeichen der wechselnde» Wirlichaftstage bildete in der Vergangenheit vor allem die Einwohnerzahl der Städte, die in günstigen Zeit läuften gewaltig ciuporschaellie, um in Not unten e*---nso rasch wieder zu sinken. Das Ausmaß der Schwankungen vergrößerte >ch jedoch mit der Entlastung des modernen industriellen Le vens: die gewaltigen Fortschritte der Technik erhöhten die Ge- stchr einer Ucbervrodnktton von Waren aller Art, die Vervoll- Wwmnung des Verkehrswesens und die Ausdehnung der welt- . rtschaftlichcn -Beziehungen begünstigten die Ausbreitung der Krisen über immer größere Gebiete. Die modernen Krisen können sowohl nach ihren Ursachen wie in ibrem Verlaufe weitgekende Unterschiede anfweisen. Die Börsenkrisen verdanken ibre Entstellung gewaltigen Börsenspeku lationen, die bei ibrem Zusammenbruch weiteste Kre-je in Mit leidenschaft zu ziehen vermögen und durch die bedeittenden Ka- pita'Sverluste allgemeine Kreditkrisen im Gefolge haben können. Im Gegensatz bierzu bcsteben die Handels- oder Achotzkrisen in Stockungen des Warenverkehrs. Ibre Ursachen sind teils in eiiier durch Kriege, Mißernten und ähnliche nnaünstige Verhält nisse hervorgerufenen Schwächung der Kaufkraft der Ver braucher, teils auch in einer den Bedarf übewchreitenden Aus dehnung der Produktion zu suchen. Einen -ehr wulstige,> Ein fluß auf die Gestaltung der Konjunkturen übt in neuerer Zeit die Mode aus. Je nachdem diese z. B. beute Glasperlen, mor gen Spitzen, ei» andermal Mctallknövfe oder Schnoben bevor zugt, herrscht in den verschiedenen Gewerbczwcigen guter Ge schäftsgang oder Arbeitswswkeii. Eine einzige Aenderung der Damenmodc vermag der Seide Hnudcrtinuscnde von Käufe rinnen zu rauben. Unter den Schwankungen und Launen der Mode haben besonders solche Länder zu leiden, deren Ausfuhr- gewcrbc, wie dies z. B. bei d'er schweizerischen Sechen- und Stickereiindustrie der Fall ist, ganz von dem Wechsel des Ge schmacks nbhäugeii, obne daß aber das- Land selvst aus dem Ge biet der Mode den Ton angeben könnte. Für die Beurteikniig des KonjunkturzustandcS des ge schäftlichen »nd wirtschaftlichen Leben? bietet die Statistik eine Anzahl brauchbarer Vergleichs-Werte. Als Zeichen einer Hoch- koiiiunktilr gellen steigender Bankdiskont, Kursgewinne der In- dustriepaviere bei aleichwcrtigem Fall der festverzinslichen Werte, stechende Löhne und anziehende Warenpreise, Nsugrün- dungen und Erweiterungen industrieller Unternehmungen, Zu nahme der Einwanderung, während die cnchcgenaesetzten Erschei nungen Zeichen sinkender Koninnktur bilden. Ein untrügliches „Barometer" des Wirtschaftslebens stellen ferner die Betriebs einnahmen ans dein Güterberkehr und die Zistern der Kohlen förderung sowie der Eisen- und Stahlerzeugung dar. Im geacnwärtigen Augenblick, da eine Krise schwerster Natur, wie sie seit Iabrzebnlc» nicht mehr beobachtet wurde, auf säst allen Ländern der Erde lastet, dürfte ei» Rückblick auf die wichtigsten Krisen der letzten 899 Iäbre anaezcigt «-rscheincu. Eine Krise, die in ibrer Ursache und in 'bren E'nzclheiten schon ganz modern anmutet, suchte im Jahre 1987 Holland bei»,. Schon zu Beginn de? 17. Jahrhunderts wurde in Sen Nieder landen die Tnlneuzucht eifrig betrieben. Der Handel mit Tul penzwiebeln nahm nun im Iabre 1981 plötzlich eine gewaltige Ausdehnung, zugleich aber auch einen börsenähnlichen Charakter an. Alle Welt suchte sich in den Preisen zu überb-eten, man tauft- ans Lieferung und zahlte, wie im heutigen Terininae- schäft. die Differenz, ohne die Ware selbst heranzuzlehen. Für eine besonders beaehrte Spielart wurden 2999 Gulden und mehr angcleat, daaegcn Häuser, ländliche Grundstücke und sonstige Wertgeaenstände zu Schleuderpreise» fortgegeven. D'ese „Tul» peiin-cmie" dauerte bis zun, Iabre 1987, in dem eiiie plötzliche Ernüchterung Platz griff. Die Preise fielen rasch aus den nor malen Staad und die letzten Besitzer der Tulpenzwiebeln er litten die schwersten Verluste. Von diesem Rückschläge wurden Handel und Wandel des Landes aufs bärteste betroffen. Den Schauplatz einer anderen großen Krisis bildete zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts Frankreich. Dort Halle mao zur Behebung der finanziellen Note de? Staates dem Echokien John Law oine Reihe von Privilegien, u. a. auch d>e Erlaubnis zur Gründung einer Privatuoteubank erteilt. Im Jahve 1717 gründete Law ferner die Mijsissivpigesell'chaft, uns der später die „Compagnie des Indes" hervor.gng. Die Aktien dieser Gesellschaften bildeten den Gegenstand der tollsten Speku lation. ihr Kurs stieg zeitweilig bis auf 18 999, der Notcn- umlous erreichte allmählich den Betrag iw» 499 Millionen LivrcS. Ende 1719 trat die Katastrophe ein, die Bank drall' zusammen, dem Zusammenbruch folgte der Bankrott des St-n>:es. Kaum weniger verheerend wirkte in den Jahren 1794 bis 1796 die im Anschluß an die französische Revolution auftietende. unter dem Namen der Assignatenkrisis bekannte ZablungS- stockung. Die Revolutionsregicrung hatte ungeheure Mengen von Papiergeld, die sogenannten Assignaten, uusgcge eu, deren Umlm-s atlmäblich den Betrag von 45 Milliarden F anken er- rcicyt hotte. Da au eine vollständige Einlösung dies-r Suuniie nicht zu denken war. sank das Papier bald unaufhaltsam im Werte, obwohl die Regierung selbst unter Androhung der Todes strafe die Annahme zu erzwingen suchte. Anfang l,'96 waren die Assignaten unter 1 Prozent des Nennwertes g-"'alken, am 19. Februar desselben Jahres wurden sie außer Kurs gesetzt Die erste Krise des 19. Jahrhunderts stichle im Jahre 1816 England heim. Die großen technischen Fortschritte der vorauS- gcgangenen Jahrzehnte hatten hier die industrielle Entwicklung mächtig gefördert. Mit der Beendigung dec napoleonischcn Kriege setzte eine gewaltige Warenproduktion -ein. Nur zu bald stellte sich aber heraus, daß inan die Kaufkraft des durch die langen Kriegsjahre geschwächten euroväischen Festlandes stark überschätzt balte. Die Preise siele», zahlreiche Bankrotte folgten. Die Not der Arbeiter wurde durch die Entlassung zahlreicher Soldaten und Matrosen anläßlich der Demobilmachung ver schärft. Zerstörungen von Fabriken, uaiuenttich aber von Ma schinen, die von den Arbeitslosen als die Quelle ihres Elends angcckehen wurden, kamen wiederholt vor. 19 Jahre später folgte eine neu: Krise. Zuvor statte dos Wirt schaftsleben einen »roßen Aufschwung genommen. Zahlreiche Gesellschaften zur Erbauung von Straßenbahnen. Kanälen lind Gaswerken waren gegründet worden, eine tolle tleberspeknlatton halte Platz gegriffen, ungedeckte Noten waren in Menge auSge- gebcn worden. Nun brachen im Jahre 1825 innerhalb sechs Wochen nicht weniger als 79 Provinzialbanken zusammen, in der Münze wurden Tag und Nacht Sovereigns geprägt, um die Metallzirkulation wieder berzustellen. Nach einer Reihe guter Ernten folgte im Jahre 1887 eine neue Krisis, In Amerika war eine große Anzahl von Banken gegründet worden, die beträchtliche Mengen ungedeckter Noten in den Verkehr gebracht hatten. Iin genannten Jahre sollen dort nicht weniger als 699 Banken falliert Haben, insgesamt wurden in den Vereinigten Staaten von 1887 bis 1889 rund 83 999 Bankrotte angemetdet. Nene Krisen brachten die Jahre 1847 und 1857. In der Zwischenzeit hatte durch die Entwicklung des Eisenbahnwesens und der Daiiipsschiffabrt und die Ent deckung der Goldlager in Kalifornien und Australien das Wirt schaftsleben der Erde ciuen mächtigen Antrieb erhalten. Die letttere Krise nahm von Amerika ihren Aus-gang, wo nicht weni ger als 16 große Eisenbahngesellschastcn die Zahlungen ein- stellen mußten, griff aber bald auch nach England und dem europäischen Festland über. Bankziisammenbrüche mochten hier ii. a. in der Tövserindustrie von Staffordshire 39 999 Arbeiter brotlos und brachte-« das Kohlen- und Eisenaewerbe von Nor- thumbcri'arid zum Stillstand. In Hainburg 'rohten zu Ende des Jahres selbst die ältesten und svlidesicn Firmen intterzu- gehen Auch das Iakr 1896 'braclne in London eine allgemeine Panik Diese ziemlich regelmäßige Wiederkehr der Wirtschafts-, kriser- in ewta gebn »ihrigen Abständen, brachte nun der' eng lischen Volkswirt Ievons ans die Vermutung, daß die Krisen im wesentlichen aus Mißernten beruhten, das Anftrewn der letz tere» aber im Zusammenhang mit den Soimeittlecken st-be, die gleichfalls alle zehn bis eis Jahre j„ verstä>-kieni Maße sich zeigen. Diese Annahme erwies sich jedoch als iiiih-ittbar. Die schwerste Krise des vergangenen IabrhiliidectS brachte da? Iabr 1878. Nach der siegreichen Beendigung tz-s dcntsch- sranzösischen Krieges setzte in Dentschland die jage». „GRinder- penode" ein. Die Industrie nahm einen glänzenden Aufschwung, Unternehmungen aller Art schoßen gleich Pilzen aus dein Boden hervor. Im Laufe von drei Iabren waren nicht weniger als 953 Aktiengesellschaften gegründet worden. Ein ähnliches Gründling?- und SveknlgtioiiSftever hatte auch Oestrreich und andere Staaten ersaßt. Ueberall ging die Erzeugung weit über den Bedarf hinaus. Den Umschwung leitete >m Mai 1873 eine Panik ein, die an der Wiener Börse anSbracki. Die Krfte hielt bis zr-m Ende der 1879er Iabre an, ibre Wirkungen wurden in^ ganz Europa, ja sogar in Südamerika und Anst-alien ver spürt; sämtliche großen Handels- und Industriezweige wurden in Mtleidcnschast gezogen. Eine schwere Erschütterung erfuhr das Wirtschaftsleben de: Vereinigten Staaten tm Ia'bre 1893. Im Mai dieses Jah res ei folgte der Börsenkrach. Stark mitgenommen wurden oer allem die Eiscnbahneil. -75 Gesellschaften stellten die Zahlungen er:». Wöchentlich kamen 199 Hs? 599 Bankrotts zur Anmeldung. Dagegen standen die setzten Jahre de? Ialwhnngcrts -in den meiste» Länger» „» Zeichen einer ! i > i d.-n >unklar, zu der vor alle», die machtvolle Ein- n-> tzcc Ei-, tcoiechnil, die Zunahme der Goldrrodnktt-m n - . stra-ien and Alaska, der Aushau der sihirischcn B- . Dec Rückschlag setzte im Jahr- IW> ein. brochw a!s bemerkensweriesie Erc-guii-e .zweier hocl'angeseheacr Ban en, der .Lew Dles'-»er Kreditanstalt dcucu die all u c dec Kasseler Treberlrockining bezw. der Kummer zum PerkängniS wurde. In d e >- vis zum Kriegsausbruch waren die schasttllebens weniger heftig, die Krise ., > und t-o» geringerer Dauer. Höften w>-, - - Krisis bald vorübergehen und eincr »eucu Wirtschaft weichen möge! .iS i . -.,-e -- -- Zummmcubc-l. > - B'.k ii, d der rb odnng niii / ileges-lftchaft . ->id-ii Zeit ! - -I cs - ^ttrt- mttid >: M>"i >cnS auch uc den.ige >'ebi--g -iiijercr Geständnisse ans dem der Kre^maurei .Hierunter schreibt die „Augsburger Postzettniig" folgendes: Der Zusammenbruch aller Auwrität und Kultu- den wir heule vor u»S sehen, hat selbst Leute stutzig gemacht, die früher sich nicht genug tun tonnten in der Untergravpna von Religion und Sittlichkeit. Man sieht sich plötzlich vor die Tatsache gestellt, daß rein diesseitige Morallehrcn nichts taugen und völlig unge- nügend sind. Es ist der Trümmerhaufen des SubictliviSmns, der ein Leben obne Regeln, ein Leben im Vvmmrauscp verkün dete und nicht sab, daß das hochgcpriescne subjektive Erleben im Grunde nur etwas Spielerisches und Aithttisierei-deS war! Heute bat die Wucht der Zeit den schönen Zaubergarten verwüstet: aber cs geht schwer, ans dem Sumpf heraus zu kommen, da die angelernten Phrasensormelu immer noch wie eine Leidenschaft an ganzen VolkStreften hängen. Hören wir aber die Geständnisse aus dem Lager der Freimaurer. Dr. M. Scheib er. der bekannte Freimaurer, jagt in seiner Schrift: „Heiliger Geist und deutsche Zukunft"; (Am Ban, freiiilaurerische Ftngschrifteii, H. 4, München 1919, E. Rein hardt,. „Seelische Neuschnsfung, geistige Wiedergeburt. Wieder erweckung der Kräfte des Gemütes, begründet im shusammen- geschwssensefti mit dein Göttliche», hat nicht nur einmal unser Volk im Lause seiner wechsetvollen Geschichte ans tiefem Darniederliegen wieder emporkommen lassen. .Heiliger Geist muß neue Einkehr bei ihin batten, dann allein ist die deutsche Zukunft gesichert." Eine sonderbare frei» niaurerljche Erkenntnis! Was Dr. M Cchciber untee „Heiliger Geist" versieht, ist allerdings vieldeutig, wie auch seine Wortprägung „Seelische Neuschaffung". Ist aber nicht der Ausruf wie «in tastendes Suchen nach dem Urquell der Wahrheit. Klarer sprich D-r. August Horneffer, ein Heerführer im frctinaurerischei! Lager. Einige Sätze auS seinen Schriften: „Heilige Arbeir" (Am Bau, Heft 2, München 1919, Reinhardt) und „Religiöse Volksbildung" lTübnwen 1929, I. E. B. Mobr) mögen dies belegen. Er schreibt: „Will man der Ar beit s u n l n st unseres Volkes mit wirklichem Er folge zu Leibe gehen, so darf man auf daS Er zieh u n g s in i t te !, das die Religion darbietet^ unter keinen Umständen verzichten." So ein Frei maurer und Milllegründer des religionslosen Schulunterrichtes unv der religionslosen Ethik! Und weiter: .Heute greife ich niemand an; heute will ich gern bekennen, daß in ei ne Vorwürfe zum guten Tel! ungerecht waren . . . ,.. . . Die k o n s e s s i o n c l! e Er -- iehung hat Großes aelei stet; eS wäre eine To-weit, das leugne'» zu wollen . . . Der M u t t e r k i r cb e vc-.dankt die Inncukultur des gesamten Abendlandes sehr viel." Wir sind nnii weil cniferi't davon, zn glauben, daß Hör» ucfse> unserer Religion einen Dienst erweise mit seinen Aus sprüchen. Man kann sich freuen, daß er sich <o weit dnrchaerun- gen hat. Was der Freimaurer Dr. M. Hornefter über Katho lizismus denkt oder nicht denkt, das «lUck-eint ft'ir d>e Wahrheit der Religion belanglos. Seine Aussprüche jind aber für den zeitgeschichtlichen Wandel interessant und erwähnenswert, strn übrigen ist er mit seiner Auftastung uw, einer überkonkessto- nellen nndvauianschen „allgemeinen deutschen Polkskrrche" noch weit entfernt vom gesunden Wege. Seine errräumte ..Evangelien-. Harmonie" wird zum Glück ein Traum Beiben und in seiner Spbäre, wird er immer, wie er sagt: „Nur stnnvotftche, nur verhüllte, mir gestammelte Wahrheit finden." Uns ist es wichiig. die Tatsache sestzustcllen, daß man auch drüben eiugei'cheu ba:> das: VolkSbild u na obne Reli gion ein Unding ist. daß aller Nenauibaii auf positivem Bekenntnis ruben muß und daß der Zusammenbruch von beute seelisch fundiert ist! Wann kommt endlich noch die Erkenntnis, daß der Ka tholizismus nickst nur eine Aenßerlichkeft ist, eine Kette von Zeremonien, Gebärden, Weihrauchmolstu und bunien Ge wändern: sondern eine Religion von tiefster Innenknlrur und voll von ausbauenden Kräften? Sächkistde Voft-c-ein-i-.' — Ar. 4! 19. Februar 1921 Du sollst nickt richten Roma»- rer Erich Friese,: (Nachdruck verboten,) (21. Fortsetzung.) Hastig schrüt er zum Fenster und öffnete einen Flügel. ES war, als ob ihm zu heiß würde in dem geschlossenen Raum. „Tu bergißt. Herbert —" eutgeanetc er nach >".>ier Weile mit erzwungener Rabe —^ „daß wir damals dem Bankrott nabe waren, daß deine arme Frau die Schande niemals —" Wieder ciitr.-ng sich jenes Siölweii der schmerzgequälteu Brust des arme? ManucS. Beschwörend üob er beide zitternden Hände, während seine guicu, treuherzigen Augen den Bruder mit dem Ausdrucke eines geschlagen«,» Hundes anbstckten. „Fasse Mut, Herheri!" versuchte Bruno zu trösten, ob gleich ihm selbst recht unbehaglich zu Mute war. „ES weiß ja niemand etwas davon!" ..Niemand? . , . Nnd der dort oben?" rief der andere, mit der bebenden Hand i» die Höbe deutend. Und wieder wandte Bruno sich ab. Eine »nheiniliche, schwüle Stille herrschte eine Welle in dem Zimmer. Keiner von den Brüdern sprach ein Wort. V>S plötzlich der Jüngere, mit einem raschen Entschluß, sagte: „Ich will dir etwas Mitteilen, lieber Bruder, was ich dir in Rücksicht auf deinen Gesundheitszustand eigentlich verschwei gen wollte. Aber vielleicht beruhigt es dein Gewissen. Du hast Gelegenheit, dein — Unrecht, wie du eS nennst, wieder gut gu machen." „DaS ist unmöglich k" > „Nein, nicht unmöglich, Herbert!" „Ich verstehe dich nicht —" „Salomeas Tochter — lebt!" Baron Herbert fuhr wie elektrisiert herum. „Sie — lebt? ... Sie lebt?! ... Du hast st, auf. gefunden?" „Ja. Und du kannst ihr eine jährliche Rente ansstellen. Sagen wir zwei- oder dreitausend Mark. Wir könne« die Summe enibehrcn und ihr wird der Betrag willkommen sein." „Eine kleine Reifte? . . . Und ihr Vermögen? Da» viele, viele Geld, das iür gehört? Da? sich seitdem verdoppelt, ver dreifachst p-stn. verzehnfacht bat?" „Durch unseren Fleiß uns SpekulaiionSgeist!" Heftig schüttelte ^-'r aG- M-nn, s-n Kopf. „Nein, »ein. Ich werde den Gedanken nicht laS: meine Sünde wird einst heimgesncüt werden an meinem Kinde . . . Großer Gott! Großer Gott! Wenn du um meinetwulen leiden müßtest, mein einziggeliebteS Kind! Meine Irmgard!" Immer wieder versuchte Bruno, den furchtbar erregten Mann, der fast den Eindruck eines Verstörten niach e, zu be ruhigen. Vergebens. Baron Herbert blieb dabei: „Mein Kind muß mein Verbrechen büßen. M-ftn liebes, teures Kind! Meine arinc, arme Irmgard!" Eine längere, überaus erregte A„sei>ia,idersctz>lng zwi schen de» Brüdern fand statt. Die Folge davon war. daß der jüngere mit rotem Kopf zu Hut und Stock griff und sich unver züglich aufmachte nach dem Norden der Stadt. Als er eine Stunde später vor dem Hause Brnnnenstraße Nr. 45 wieder sein Automobil bestieg, war die Zoruedader auf seiner Stirn mächtig angeschwolken. „Bettelpackl" preßte er ingrimmig zwischen d:n Zähnen hervor, als er die Friedrichstraße hiuunterratkertc, den Linden zn. um in, Eafö Bauer seine gewohnte Tasse Mokka zu trinken. „Das hat man davon, wenn man sich mit derlei P'ebejervolk eiiiläßt! Wissen die Ehre gar nicht zu schätzen. Weisen die Unterstützung hochnäsig zurück. Na, meiiiethalven!" Doch konnte er nicht hindern, das; iüm von Minute zu Milinte unbehaalicher wurde. Während er seine kleinen, listi gen Augen sonst überall umherschweifen ließ, starrte er heute finster vor sich hin. So kam es auch, daß er beim Verlassen des Auto» vor dem Portale des Ecftö Bauer Unter den Linden mit einem Manne zusammenstieß, der. die Hände in den Hosentaschen, -ine kurze Holzpseife im rechten Mundwinkel, langsam dchhcrstelzte. „Halloh — Achtung! Andere Leute sind auch noch da!" knnrrte der Mann, indem er die Pfeife aus dem Munde nahm und ' geräuschvoll auSspuckie. Dann lachte er gutniütig aus, steckte die Pfeife wieder zwischen die Zähne und schleuderte weiter — breitbe-nig, vier schrötig, die Hände in den Hosentaschen, mit der ganzen U,i- geniertheit des „self made man", ver sich keinen Pfifferling darum kümmert, was man von ibin denkt. Er bemerkte auch nicht, wie der feingeschniegclte Herr, mit dem er soeben gllsamniengeprallt war, bei seinem Anblick todcS- blcich gleichsam wie am Boden festgewurzelt, dastand und ihm nachstarrie. als sähe er ein Gespenst-, wie er gleich daraut Kehrt machte, in fieberhafter Hast das Anw wieder bestieg, dem Ehanfteur etwas znflüstcrte und die Linden bimmier ratterte — in der Richrung nach dem Brandenburg«« Tore zu. Hätte er"eS bemerk: und hätte er schärfer bingesehen. so würde er voraussichilich einen derben Fluch ausgestoßen und das nächste Aino bestieg«!! höben, um jenes «rite Auto zu verfolgen. So aber stelzte er seelenruhig Weiler. E- war ia erst vor wenigen Tanen auS Südafrika nach Europa heimgekebr:. Und i» Berlin gab eö so vie! Swönes zn besehen. — — — 19. Der Goldfischieich im Tiergarten war schon fett langem die Sehnsucht Minnas, des kleinen Dienstmädchen? der Frau Salomen Alsen. Sie wußre, daß dort nur die „feinen" Kinder ans dem Tiergarienviertet spielen; sie selbst mnßie mit ihren Schützlingen stets nach der nahen Hasenheide ziehen. Heute nun. an einem besonders beißen Sonntagnachinik- tago, hatte Minna sich ein Hecz gefaßt und war ans eigene Faust, mit Ille nnd Klein-Eva im Waaeu. den weilen Weg nach dem Tiergarten bstmuSaewanderi. Uebermorgen sollie die Madam mit dem kleinen Gert von der See zurückkemmen — da mußte Minna noch rasch vorher ihre Sehnnichl befriedigen. Mit runden, glänzenden Augen balte ne stch zuerst all den Trubel in der Tieraartenstraße und der Siegesallee ange-chant. Ueberall Menschen, Menschen, Menschen — noch viei mebr. als in der Hasenheide! Und vornehmer, teuier augczogen! DaS plauderte und lachte und scherzte und kokeiiierle, als ob die ganze Welt eitel Sonnenschein wäre! Als ob es kennen Kum mer mehr gäbe und keine Tränen und keine Schmerzen! Und keine schsnmiiierlosen Nächte voll banger, üeißer Sehnsucht nack einen, höheren, besseren Leben! Am Goldfischteich, wo die „allerjüngste Jugend" sich mit ihren Wärterinnen niedergelassen hatte, war keine einzige Bank frei. Aber das störte Minna ebenso wenig, wie die k'cine Ilse. Behutsam fuhr Minna den Kinderwagen den Teich entlang, während Ktcin-Evchen laut ausjanchzw über die innntcrcn, rot- glänzenden Fischchen, die wie die Pfeile im Wasser bin- und herschosien. Ilse Alfen war einfacher gekleidet als all R'. anderen Kinder ringsum. DaS tat aber ihrem Frohsinn keinen Ab bruch. In glückseliger Iugendlust sprang sie ilnem Ball nach und lachte nnd jubelre laut vor Glück.
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