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Sächsische Volkszeitung : 11.10.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192110112
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19211011
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19211011
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-10
- Tag 1921-10-11
-
Monat
1921-10
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 11.10.1921
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Dienstag den 11. Oktober 1VS1 Eächstfche Lolk»i»ttunl . Nr. LSV. Seite , «rl» Ration katholisch.- Das sollte wohl auch heißen: „Wir benützen die Religion gegebenenfalls als Borspan» zu «in «eltlichen polnischen Zwecken." Solchen Mißbrauch deS Katholizismus sah das Volk während des langen Abstimmungskampses in Oberschlesten alle Tage. Die Religion wurde von den Polen nationalistisch verzerrt. Sie brachten Glauben und Heimat in den einfachen Gemütern in einen schreienden Gegensatz. Dabei erregten sie nicht nur die religiösen (wie übrigens auch die soziale») Gegensätze auss tiefste, sondern sie schadeten, weil sie sich damit den Lehren der Religion entgegengesetzt benahmen, dieser selbst, auf das schwerste. Das hatte Folgen. Bald mußten sich auch die einfachsten Leute sagen, das) die polnische Hetze, auch die mancher Geist lichen, niit Christentum nichts mehr zu tun habe« könne. Ein wahrer Hohn auf dieses wurden dann die Greuel der Aufstände. Nu» gingen den meisten polnischsprecheuden Oberschlrsiern in den Terrorgcgenden die Augen gründlich auf. Waren doch nicht nur menschliche Saiten tief in ihnen berührt worden, sondern auch rein katholische Interessen. Weder Geistliche, Pfarrhäuser, noch Kirchen wurde» von den Insurgenten geschont. Edle Priestergrcise wurden überfallen, viele Kleriker, wenn sie nicht willig waren, und den Insurgenten Feldmessen halten wollten, verschleppt, mißhandelt und gefangen gesetzt, von de» unslätigsten müirdlicl-e» und gedruckten Beschimpsungen gar nicht zu reden. Wer die Kirche wirklich ehrt, wie die Polen sich dessen so laut rühmten, kann so gegen ihre Diener nicht handeln. Das sagte sich das Volk, denn cs spürte die Untaten der Insurgenten schwer. Fragt man, warum denn gerade die Katholiken in Oberschlesie» mehr gelitten habe» sollen wie die übrigen Kon- fessionen, so ist die Antwort klar. Zunächst machen sie den Äro ß- teil der Bevölkerung aus. Sie waren also an den Opfern zahlenmäßig viel mehr beteiligt als alle andere». Dann aber litten diese nicht unter den seelischen Konslikten, in welche die rassiniert geschickte religiöse Agitation der Polen die einfachen Leute gestürzt hatte. Von sehr hohen kirchlichen Stellen war den Polen wiedc» olt in niilder Form, aber klar und fest in der Sache, die Wahr est über ihr Verhalten gesagt worden. Auch das blieb nicht ohne tiefe Wirkung auf die Gläubigen und beförderte den Stim- mungsumschwung. Ter päpstliche Sondergesandte, Mgr. Ogno Serra, hatte noch zwei Wochen vor der Abstimmung erklärt, daß alle Eide, für diese oder jene Seite zu stimmen, nichtig wären. In und von Deutschland waren solche Versprechen den Leuten nicht abgefordert worden, wohl aber den oberschlesischen Pilgern im Wallsahrts-c ort Czenstochau, jenseits der Grenze. Die Polen versuchten diese autoritative Kundgebung zu unterdrücken, und als das nicht gelang, perfide umzudeuten. Einzelne Geistliche verweigerten ihre Verlesung von der Kanzel. Andere sagten, sie haben die früheren Diensteide für Preußen als nichtig «Üären wollen! In der pol nischen Presse folgten Wutausbrüche und heftige persönliche An griffe gegen den Prälaten, der doch nur den selbstverständlichen kirchlichen Standpunkt über verbotene Eide ohne jede Par teilichkeit klar gelegt und damit seine Pflicht getan hatte. Diese und andere Schmähungen eines hochgestellten Priesters brachten schon damals manchen zur Besinnung. Zum zweiten Male aber ergriff Mgr. Ogno mit apostoli schem Frcimute das Wort ain 29. Juni, dem Tage der Slpostel- türsten. Damals tobte noch der dritte Anstand. Besser konnten die polnischen Greuel nicht gekennzeichnet werden als in diesem milden und doch so festen Hirtenworte, das nicht Menschen ver urteilte, sondern Handlungen, das gar keine Partei nannte, aber auf Verbrechen hinwies, die von Polen begangen worden wa ren, wie alle Leser wußten. Eine Stelle behandelte die Auflehnung von Geistlichen Ober schlesiens gegen ihren rechtmäßigen Oberen, den Kardinal-Fürst bischof Bertram von Breslau. Was hier getadelt wurde, war nur von dem polnisch orientierten Teile des Klerus gesche hen. Ter deutschgesinnte Teil war weit zahlreicher, aber er hielt sich zurück. Ter andere suchte seine Minderheit durch Heftigkeit, durch Vordrängcn in der Presse und namentlich in Versammlungen zu verbergen. In einer solchen kam es zu dem bekannten Ncvol- verschnß des Krcisvikacs Dr. Potenipa aus Gleiwitz in die Menge, wodurch ein Deutscher schwer verletzt wurde. Während des dritten Aufstandes trugen polnische Geistlich« Waffen gegen ihre deutschen Glaubensgenossen. Einzelne befehligten sogar in Ilnisormcn Kompanien der Aufständischen oder Jnsurgentenhan- scn. Andere forderten das Volk zu Gewalttaten ans. Alles das rügte das Hirtenschreiben von Dr. Ogno, wie es auch in klar erkennbarer Weise die sogenannte „Theologische Sektion des pol nischen Akadcmikcrbundes" als die Verbreiterin gewisser Irrlehren zu nationalistischen Zwecken bezeichnet«. Von ihr waren wieder holt schon Ausrufe anSgegangcn, die man nicht als ehrerbietige Aeußerungcn gegen den zuständigen Bischof und als Friedens worte bezeichnen konnte, wie sie doch zum edlen Berufe des ka tholischen Geistlichen gehören. Noch tieferen Eindruck als das Schreiben seines Gesandten mußte natürlich das des Papstes an die polnischen Bischöfe auf das gläubige Volk machen. Darin hieß es, sie sollten dafür sorgen, daß ihre Republik allen Staatsbürgern Gerechtigkeit widerfahren lasse, auch wenn sie von anderem Ritus, anderer Sprache und anderer politischer Ueberzeugung wären. Zielte daS erste Wort auf die unierteN Griechen in Galizien, so tonnten die beiden anderen unschwer auf die Behandlung der Deutsche» tu Neupole» ksezogen werden. Man ersah daraus, daß drüben nicht alles s, ge««cht >vu^r, «nie di» Kirche es wünsche. In Oberschlesie» hatte «um tausend Beispiele von schärssken Zuwiderhantzlmtge» arge« die «orte des Pchrste«, denn ncmeentllch während der AnMnde wurden die Bedruckungen Andessprechender und AnderStzenkru- der Legion. So lockerte sich manches Baud nach Pole», besvng ders als dort der Staatschef Pilsudski in ösfendlicher Sitzung bei einer Ehrung des Papstes ostentativ sitzen blieb und eine Art schiSmatischer Bewegung dadurch auSgeläst wurde, daß Rom das nationalistische Treiben nicht mitmachen könnt» und nicht initmache» wollte. Man sah auch in Oberschlesien mit Entsetzen, in welche furchtbare religiöse und sittliche Benoilderuug man durch den — viel zu langen und viel zu heftige» — Abstimmungskampf, na mentlich aber durch die drei polnischen Aufstände geraten war. Mißtrauen und Hast aller gegen alle, Verrohung deS Volkes, namentlich der Jugend, Müßiggang, Einbrüche in Kirchen, rohe Fluchworte, das waren die Folgen. Man verglich das mit den Tagen, wo Glaube und Heimat noch die einte», welche die Sprache hätte trennen können. Man gedachte des gemeinsam durchtobten Kulturkampfes von oben! und der noch gar nicht fernen Tage, wo Adolf Hoffmann einen solchen von unten hatte entfesseln wollen, aber an der Abwehr des katholischen Volkes beider Zungen kläglich gescheitert war. In diese Stimmung sielen die warmen Worte des recht mäßigen Bischofs Kardinals Bertram zum Roscnkranzmonat, der die Gläubigen beschwor, Verhetzung und nationalistischen. Ueberschwang abzulehneu und den Glaubensbrüdern die Hand zur Versöhnung zu reichen. Schließlich sagte man sich, daß nicht nur das katholische Deutschland Oberschlesien nicht entbehren könne, sondern daß letz teres selbst viel verlieren würde, wenn die alte Diözese Bres lau zerrissen würde. Wer würde die religiösen Bedürfnisse der sogenannten S a chse n g än g e r, d. h. der polnischen Wan derarbeiter ln Sachse», Brandenburg, Hannover und weiter in ihrer Muttersprache befriedige», wenn kein polnischrcdender Prie sternachwuchs mehr vorhanden wäre, der doch aus dem Abstim mungsgebiete allein kommen kann, da Posen und Westpreußen solchen nicht abgcben? Umgekehrt bedarf Polen seiner nicht. Auch die materielle Hilfe für die armen Diaspora gemein den von Nord- und Mitteldeutschland mit ihren viel fach slawischen Katholiken würde zum großen Teile versiegen, wenn Oberschlesien sie nicht mehr leistete. Das aber wäre natür lich der Fall, wenn es abgerissen würde oder auch nur seine volks reichsten Teile verlöre. Es erübrigt einen Blick aus die R e i chs v e r f a ssun g zu werfen, welche den obcrschlesischcn Katholiken religiöse und sprachliche Garantien gibt und auf die Autonomie, welche ihnen im weitesten bundesstaatlichen Umfange bei Deutschland die Gewähr der Selbstverwaltung und damit aller berechtigten. Eigenart des Zweisprachenlandes bietet, lieber die Vorteile des Verbleibens von Oberschlesie» bei Deutschland von der religiösen Seite aus verhält sich die beachtliche Denkschrift, welche kürzlich die Herren Prälat T h Y l l a-Königshüue, Geistlicher Rat B n ch w a l d-Veuthen und Psarrer S t r z h z-Godnllahntlc veröffentlicht haben und auf die angelegentlich verwiesen sei. Sie sieht in die Zukunft. Hier sollte ans frischer Vergangenheit und Gegenwart ein Beitrag zur psychologischen Erfassung des Stim- mungsumschwungs gerade unter katholischen Gesichtspunkten ge boten werden. Eben hat der amerikanische Sachverständige Mil ler sich aus völkerrechtlichen Gründen und aus dem richtig ver standenen Friedensvcrtrage sür die Unteilbarkeit Oberschlesiens eingesetzt. Wir müssen das umsomehr tun als Deutsche, aber auch als Katholiken. Dabei dürfen wir alle gerecht denken den Glaubensgenossen der Erde um ihre Hilje aurujcu. Die Völkcrbundsiagirnq (Eigener Draht bericht der »Sachs V o I k S z e i t g.") Genf, 10. Oktober. I» der oberschiesischc» Angelegenheit, die unmittelbar vor der Entscheidung stand, muß sich im letzten Augenblick noch eine neue Wendung vollzogen haben, über deren Ursache und möglichen Folgen noch nichts Bestimmtes bekannt ist. Auch die auf den gestrigen Sonntag nachmittag angesetzte Sitzung des VölkerbundSratcs ist plötzlich abgesagt und auf Mon tag vormittag 10 Uhr verschoben worden. Dagegen versam melte sich dien Vicrerkommisjion nachmittags. Die Entscheidung übe« Oberschlesien Paris, 9. Oktober. Nach einem Berichte des Genfer Kor respondenten des „New Dort Herald" liegt die Entscheidung des MlkerbundsraieS in der oberschlesischen Frage den Mächten bereits vor. Diese hätten sich jedoch»geweigert, ihre» Vertretern im Völkerbundsrat deren Billigung zu gestatten, falls nicht ge wisse Abänderungen getroffen würden. Es verlaute, daß ein nichtenropäischcs Mitglied des Völkerbnndsraies gedroht habe, sich von der ganzen Angelegenheit znrückzuziehcn. Der Völter- bundsrat halte jetzt nur noch zum Schein Sitzungen ab. Inzwischen würden seitens der Mächte die Geheimverhandlungcn über die vorgeschlagene Lösung fortgeführt. Von unterrichteter italienischer Seite wird versichert, der Oberschlesienausschuß des Völkerbundsrates habe die Lei. I«n« Oberschlesiens auf Grund der Sforza. Linie ohne Abänderung zugunsten Polens empfohlen. Die Botschafterkonferenz beriet am Sonnabend vormittag über die Maßnahmen zur Austechierlufltvng von Ruhe und Ordnung in ObersMesien bei der Durchführung der heborstehenden Entschei- düng des Obersten NakeS. Der „TemPS" erinnert oaran, daß der Oberste Rat sich verpflichtet habe, den Spruch des Völker. bundSrateS zu ratifizieren und die Ausführung der Entscheidung »nach den Bestimmungen de» Anhanges zu Artikel 88 des Ver. scnller Vertrages zu verfolgen. HavaS dagegegen meldet aus Genf» der Völkerbunds, rat sei noch nicht in der Lage, sei» Gutachten über die oberschü. fische Frage abzugeben. Die Schlußfolgerungen der v..r nicht, ständigen Mitglieder, die mit der Prüfung der Frage beauftragt seien, seien dem Völkerbundsrat noch nickt unterbreitet worden. Er werde erst Anfang nächster Woche in einer Vollsitzung davon Kenntnis nehmen. Zur Aufhebung der militärischen Zwangs- matzuahmen Part«, 8. Oktober. Der vom Jntrarifigrant nach Wiesbaden entsandte So»dcrbericht«statter will wissen, die militäriichen Zwangsmaßnahmen würden tatsächlich aufgehoben werd-n, sobald Deutschland dir in der Note de» General« Rollet aestellten Forderunaen erfüllt hat. Es sei wahrscheinlich, daß Frank reich in der nächsten Sitzung de« Oberste» Rate«, der noch im Oktober zusamentreten werde, nm die Entscheidung über Ober» schlesicn zu füllen, gewisse Gegenforderungen absasse» »nd den Ver bündeten einen Vorschlag »nterbreiten werde. Die Sitzung der Botschafterkorifereuz (Eigener Drahtbericht der „Sächs. VolikSzeitg.") Paris, 10. Oktober. „Chicago Tribüne" meldet ergänzend über die gestrige Sitzung der Botschafterlonferenz, daß über die Verstärkung der interalliierten Truppen in Oberschlesien gefpro. chen wurde, eine Entscheidung sei jedoch nicht getroffen worden, denn die Engländer und Italiener waren der Ansicht, daß die gegenwärtig in Oberschlesien vorhandenen Streitkräste für die Aufrechterhaltung der Ordnung ausreichen werderu Aus dem französischen Finanzausschutz Paris, 8. Oktober. Finanzniinister Doumer verhandelte gestern mit dem Finanzausschuß der Ltammer. Er übernahm die Verpflichtung, dem Ministerrat die Beschlüsse des Ausschusses vor- zulcgen, die darauf abzielen, die Ausgaben zu verrin gern und in das Finanzgesetz organisatorische Formen cin- zufügcn, die die Erzielung von Ersparnissen gestatten. Ein An trag der Abgg. Herriot (Radikal) und Varenes (Soz.) ver langt eine nochmalige Revision des Kriegs- und Marinebudgets. Hcrriot verwies darauf, daß in den Missionen im Auslande mit den weiblichen Kräften, deren Zahl sich auf 80 OM beläuft, ein gewisser Luxus getrieben werde, der verschwinden müsse. Au, kommenden Diensiag will der Finanzminister der Kommission die Entscheidung des Ministeriums übermitteln. Hoover für Befestigung der deutschen Mark London, 8. Oktober. Einer RciitciMeldung zrffolge sagte Hoovcr aus dem Festmahle der amerikanischen Export Manu- sacturcrs Association, die amerikanische Industrie befinde sich im ersten Vorstadium ihrer Erholung, da die Zeit leichterer Kredite eiugetretcn sei; doch betonte Hoovcr, die Vereinigten Staaten hätten noch eincil weite» Weg zurücstulegen, um zur wirljchastlichcn Befestigung zu gelangen, aber sie besänden sich bestimmt auf diesem Wege. Die zerstörende Wirkung der wilden Schwankungen ans. ländischer Valuten sei da« größte Hemmnis des amerikanische» Außenhandels. Solange nicht eine gewisse Stabilität zu «reichen sei, bestände wenig Hoffnung, daß der Außenhandel Amerikas oder der irgend eines anderen Landes wieder uormal werde. Hoover subr fort: „Es ist keine Stabilität in irgendeiner europäischen Währung I» erhoffen, solange in einem bcträcktlichen Teile der Welt die Inflation andauert. Wenn unsere Handelswelt nicht willen» ist, ihr Interesse in irgcub ein« Weise für die Länder zu betätigen, welche mit finanziellen Prob leim u ringen, müsse» w r darauf gefaßt sein, mit Verluste» auf dem AuSsahrmarkte uud in der Beschäftigung unserer Bevölkerung tausendfach dafür zu bezahlen." Hoov« berncrlle weiter, c« sollte der menschlichen Intelligenz doch nicht,u schwer!cin, eine Lösung der Frage zu finde» und eine Befestigung der deutschen Mark herbeizufiihrc». Eine Regelung dieser Frage müsse zuerst stailfinderr, wenn man Stabitiiät in irgcudeincm antcrc» europäischen Lande sehe» wolllc. Sächsische Volkszeitung — Nr. 235 — 11. Oktober 1921 Zurück zu den heiligen Satzungen Von Franziska Schneider (Nachdruck verboten. — Alle Rechte Vorbehalten.) (10. Fortsetzung.) Bei der »nt Blitzesschnelle umlaufenden Nachricht von der Ermordung Tuncans fuhr ein furchtbarer Schrecken durch alle Glieder der armen Paddyfrau. Sollte ihr Mann Mitschuldiger o» dem gräßlichen Verbrechen sein? Sollte auch noch Blutschuld über ihr armseliges Dasein kommen? Wozu war ihr Mann in der Nacht bei den VcrsHvörern gewesen? Weshalb hatten ihn auf dem Heimwege die Feen gehetzt? Sie fragte ihn dieserhalb, bat und flehte ihn an, ihr die Wahrheit zu sagen. To tat er einen Schwur, daß er unschuldig a» diesem Blutvergießen sei. Von dem Augenblicke an wurde sie ruhiger, denn sie glaubte ihrem Manne, der sie noch nie betro gen hatte. Sogar die Gelassenheit, mit der sie die Armut trug, kehrte zurück. Sie sah ein, daß cs noch Schlimmeres gab, als nm den letzten Penny betrogen zu sein. Mit dem Schlimmeren mußten sich ja immer die Paddys trösten, zu dem Besseren wag te» sie nicht mehr oufzublicken. 1. Nach der Väter Sitte. Inmitten des würzigen, kräftig herbe» EbrfteS, bis an die Knie in saftigem Klee, stand Roby auf dem soeben heimgebrach- Icn schwer beladenen Wagen, im Begriff, die frische Fülle sür dir Abendfüttcrung der Tiere abzuladcn. Seine Joppe hing an der Leiter des Wagens, hemdärmelig ließ fichS besser schaffen. Mit flottem Schwung« flogen die Ladungen seiner Gabel auf den Estrich der Tenne. Den Hut hatte er tief in den Racken gestoßen, wie ein Helles Band schaute darunter der weniger von der Sonne gebrannte Teil seiner hohen Stirne hervor. Ein flotte» Bur» schcnliedchen pfiff er dazu, dessen kecke Weise das Geschrei des auf der Hühncrhürde um die best« Schlafstelle sich zankenden Federviehes begleitete. Fächer O'Flaherty, der soeben den Hof betreten hatte, blieb eine Weile stehen und schaute dem hübschen Bild zu, daS sich ihm im Rahmen des weit geöffneten Tennentore« bot. „Sa ist'S recht, das lobe ich mir," stand auf dem wohlge fälligen Ausdrücke seiner Züge geschrieben. Langsam schritt 'er auf dir Tenne zu. „Gotz bleß hon. mH bay," hob er an. „«ott segne dich, «rin «sh»." Roby schaute auf. Mit raschem Aufleuchten seiner blauen Augen warf er die Gabel nieder, riß den Hut vom Kopf und schwang sich mit elastischem Schwünge von der Höhe, schlüpfte schleunigst in senc Joppe und ging schnellen Schrittes auf den im Eingänge der Tenne stehenden Geistlichen zu. Mit leichtem Verneigen ergriff er dessen ausgestrcckte Hand und küßte sie. «So gefällst du mir, mein Junge," sagte der Pfarrherk. «Das ist eine Arbeit, die den Körper gesund und die Seele frisch und frei erhält. Zu einen, echten Landrnanne scheinst du dich in den Ferien entwickelt zu haben. Deine gebräunte Farbe be weist es, und mir Meint, gewachesn bist du auch seit dein r An kunst und ein Stückchen breiter geworden." Die Joppe, deren Knöpfe Roby mit etwas Anspannung seiner Kräfte zunestelte, bestätigte diese Aussage mit einem deutlichen „Jawohl", ebenso die etwas kurzen Aermel daran. , Roby lachte in kindisch frecher Weise. «Die Joppe ist vom vorigen Jahre." sagte er, „nach de» Ferien bekommt sie den Gnadcnabschied." „Hast du viel Lust und Liebe zur Landarbeit, oder gedenkst du nach der Maturitas deine Studien fortzusetzcir?" fragte Father O'Flaherty. „Ich weiß cs noch nicht," antwortete Roby. den alten Herrn freimütig ansehend. „Beides liebe ich einstweilen, die körperliche Arbeit und das Studium." „Hm, also noch unentschlossen. Mit Mut und Energie, und beides scheinst du zur Genüge zu habe», kommt man auf den rechten Weg: So oder so. Nur nichts Halbes sein, nur immer das Ganze wollen, das, was man sich zum Ziele steckt, auf dem kürzesten Weg, der immer der gerade ist. zu erreichen suchen. Nun ja. wenn's so weit ist, daß die Entscheidung nahe rückt, dann helfen wir ein wenig beim Besinnen mit denken, nicht wahr, Robv? Ein Jährchen hast du ja noch Zeit." „Ja, Jathcr." „Und wie ist'S mit der Kunstmisülmng, von der ich schon hübsche Proben sah?" „Roby errötete. „Neben meinem Studium bleibt mir nicht viel Zeit, mich damit zu beschäftigen." „Darf auch vorläufig nicht zur Hauptsache werden, mein Junge. Wenn wir uns nicht ganz der Kunst znwenden wollen, darf sie auch später nicht in ihrer Ausübung an der Erreichung unseres Berufes hinderlich sein. Ihr aber unsere freie Zeit widmen, ist schön und erhaben. Sie schafft uns «inen Born von Frerrdcn, der nie versiegt. Heber bittere» Weh und herbe Ent täuschung. über körperliche und geistige Gebrechen, durch schick, falsschwer« Zeiten und einsam« AlterSstnnden geleitet sie uni geflügelten Schritte». Sie stellt nn» zwischen Erde nntz Himmel, Wenn dich spüier der Strudel des Leben«, ^»ächttg packt uud rüttelt, dann denke daran, daß sie dir zum Ersätze werden iaun für so vieles, was dabei verloren geht. Bleibe ihr treu, so viel es in deinem Vermögen steht, sie vergilt es dir. Während irdische Freuden uns nur zu oft zur Tiefe ziehen, hebt uns die Kunst empor, und bringt uns der Gottheit näher. Wenn sie schon dem, der sie liebt, W>« Sonne ist, deren Licht und Wärme niemand rauben kann, wieviel mehr dem, der sie ausüben darf. Und wer selbst glücklich und zufrieden ist. kann auch andere beglücken. Tut er dies, so ist seine irdische Aufgabe gelöst." Unter diesen Gesprächen waren iie durch den Hof geschritten und an der Türe des Wohnhauses stehen geblieben. „Hättest du nicht Lust, Roby, deine Studien an der Uni versität zu Löwen zu vollenden, vorausgesetzt, daß du dich der Studienlaufbahn widmen willst? Du könntest dich zugleich auch in der flämischen Kunst Umsehen und an Ort und Stelle die Werke großer Meister kennen lerne». Ich bin seinerzeit dort ge. wesen und habe die Niederlande bereist: die Eindrücke, die :ch in mich ausgenommen habe, sind mit mir in mein enterbtes Irland gezogen und sind mir in genußreicher Erinnerung gebttcbcii. Falls du es wünschest, will ich später gerne beim Vater de» Be fürworter für dich machen." Der Father las die eigentliche Antwort in dem Auffia.iuncn des jugendlichen Antlitzes und dem feinen Zucken des leicht ge öffneten Mundes, auf dem der Jubcllon lag: „Ich habe jeman den gefunden, dem ich alles anvertrauen kann, was mich schwan kend und was «begehrend in mir ist, was mich traurig und wa» mich froh macht. Ich habe jemanden gefunden, der mich ver steht und das Schöne selbst gekostet hat, nach dem ich in Hunger und Durst lechze." Und das Herz des edlen Priesters öffne!« sich weit und nahm den Jüngling mit der Liebe auf, die Her» Ursprung in der Liebe seines göttlichen Meisters hat. „Und nun führe mich zum Vater." sagte jetzt Facher LFla- herty, „hoffentlich komme ich ihm nicht ungelegen." „O nein, Vater wird sich sehr über Ihren Besuch srcue». Die abendliche Frierstnude ist ihm die liebste zur Unterhalruug," erwiderte Roby. Mit seltsam gehobenem Gefühle führte er Father O'Fla herty die breie Treppe hinauf nnd öffnete die Türe zu dem gro ßen. dunkel getäfelten Wohngemache der O'Nellschen Familie nntz bat ibn einzutreten. AkSdann je zwei Stufen auf einmal nehmend, flog Nol« tzie Treppe hinab wieder der Tenne und seiner liegen gebliebener! Arbeit zu. Noch,ml so schnell wie vorher, in hohem BcgcM schnellte tzer Klee von dem Leiterwagen - ' sFortsetznng folgt.)
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