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Deutscher Reichstag. Sitzung vom 9. März 1 Uhr 20 Minuten. Die zweite Lesung des Postetats wird fortgesetzt Abg. v. Trczinsky (Pole) bringt Beschwerden der polnischen Bevölkerung vor. Abg. Lattmann (W. Verg.) schließt sich den Resolu tionen der Budgetkommission an. Die Laufbahn der mitt leren Beamten muß geschlossen werden. Für die alten Postassistenten muß ein Zulage von 300 Mark gewährt wer den. Die Deckungsfrage ist nicht so schwer zu lösen. Der Reichstag ist ja in dieser Frage einig. Die Nationallibe ralen haben wieder einmal den alten Streit vom Zaune ge rissen und über die Gehaltsvorlage 1909 gestritten, aber es war damals nicht möglich gewesen, mehr zu erreichen. Die Nationalliberalen sind 1909 ebenso umgefalleu, wie die Rechte; wie kann da Dr. Stresemann uns Vorwürfe machen? Die sozialdemokratische Resolution auf Revision der Besol- dnngSordnung ist nicht ernst gemeint; in absehbarer Zeit kann man an diese gar nicht Herangehen. Für die deklassi- nzierten Orte muß etwas Durchgreifendes geschehen. Man sollte für kinderreiche Familien Erziehungsbeihilfen ein- sühren. Abg. Bruhn (Autis.): Wir wünschen eine Beseitigung der Härten der Besoldungsordnung. Abg. Zubeil (Soz.): Die höheren Beamten sind nicht genügend beschäftigt. Redner tritt für Erhöhung der Ge- ! iller der Postillone und Unterbeamtcn ein. 20 Beamre laben auf einem Amte nur ein Handtuch. (Heiterkeit.) Redner bringt eine Menge von Einzelfällen vor. Staatssekretär Krätke antwortet dem Vorredner sehr scharf; dieser habe von Verbrechen der Verwaltung ge brochen, wo solche gar nicht erwiesen seien. Staatssekretär Wermuth: Bei der Schaffung der Besoldungsordnung habe man daran gedacht, daß man auf einige Zeit Ruhe habe mit Besoldungserhöhungen. Leider liegen nun wieder Resolutionen vor, die auf Erhöhungen drängen. Diese Anregungen liegen weder im Interesse der Beamtenschaft noch im Interesse des Reiches; wie man bier anfängt, wird der Wetteifer auf der ganzen Linie wie der entfesselt werden. Fängt man an einer Stelle an, so kommen alle Beamtenkategorien an die Reihe. Wie wirkt dies auf die Bundesstaate» zurück? Sie müssen dann auch alle wieder aufbessern und wenn das Reich wieder erhöht, müssen die nochmal? erhöhen. Wohin soll dies führen? Lauter neue Besoldungserhöhungen; dann hat man das alte Tempo wieder. Die Linke stellt nur Aufbesserungs anträge, aber wie steht es mit den Steuern? Kommt jetzt eine neue Vesoldungsordnung, so sind neue Steuern unab weisbar. (Beifall.) Die Masse des Volkes will aber von solchen nichts wissen. (Beifall.) Abg. Freiherr v. Gamp (Np.): Die Budgetkommission bat alle Wünsche auf Gehaltserhöhung abgelehnt mit leider einer Ausnahme. Man kann nicht nur einzelne Kategorien berausgreifen, sondern muß die Rückwirkung auf andere Beamteuklassen im Auge haben. Die mittlere Karriere muß geschlossen werden. Wir wollen dafür den unteren Beamten eine bessere Karriere eröffnen. Stresemann hat unsere Partei in ganz unmotivierter Weise angegriffen, denn seine Partei hat 1909 auch gegen 3600 Mark Gehalt gestimmt. Abg. Struve (Vp.) behandelt eine Reihe von Beam- lenwünschen, besonders an den dsklassifizierten Orten. Staatssekretär Krätke erwidert dem Abg. Struve auf seine Ausführungen in ziemlich scharfer Weise. Abg. Giesberts (Ztr.) begründet folgenden An trag: „Der Reichstag wolle beschließen, den Herrn Reichs kanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß a) die vor dem 1. Januar 1900 in den Dienst getretenen Postassistenten, Oberpostassistenten usw. nach 24jähriger etatsmäßiger Dienstzeit eine persönliche Zulage von 300 Mark jährlich erhalten: b) die nichtetatsmäßigen Unterbeamten der Reichspost — die Klasse der Landbriefträger ausgenommen — nach lOjähriger Dienstzeit etatsmäßig angestellt werden." Abg. Eickhoff (Fortschr. Vp.) begründet eine eben falls eingebrachte Resolution, wonach auch Telegraphenarbei- :er nach spätestens zehnjähriger Dienstzeit etatmäßig ange stellt werden sollen. Abg. Beck (Ntl.) beantragte, den Post- und Telegra- pheuassisteuten, sowie den Vorstehern der Postämter dritter Klasse, die vor dem 1. Januar 1900 in den Dienst eingetre ten und seit drei Jahren im Genüsse deK Höchstgehaltes sind, eine persönliche Zulage von 300 Mark zu gewähren. Nach weiterer Debatte wurde das Gehalt des Staats sekretärs bewilligt und die Weiterberatung auf Freitag l Uhr vertagt. — Schluß 8 Uhr. Die Schmuhsammlerin „Wartburg-. Die „deutsch-evangelische Wochenschrift" „Tie Wart burg" wird vom Geheimen Kirchenrat 11. Meyer heraus gegeben und vom Kirchenrat R. Eckardt in Windisch leuba (S.-A.) für Deutschland redigiert. Wie hat dieses edle Blatt die Gewohnheit, alle Verfehlungen, die irgend wo katholische Geistliche gemacht haben, sorgsam ziisammen- zutrageu, ganz gleich, ob die Sache wahr ist oder nicht. Dies batte der evangelische „Nordhannoversche Landesbote" mit ernsten Worten getadelt. Aber die „Wartburg" wehrte sich dagegen und schrieb mit frecher Stirn: „Da daS Welfenblatt uns zum Vorwurf macht, daß wir „mit Bieneneifer" allen Schmutz sammeln, der sich in der katholischen Kirche aller Länder auftreiben läßt, so müssen wir hierüber ein paar Worte verlieren. Wir verzeichnen allerdings, kurz, ohne jede Bemerkung, die von selbst zu un serer Kenntnis kommenden gerichtlich verhandelten Ver fehlungen römischer Priester gegen das Strafgesetz. Wir tun dies, wie wir früher schon ausdrücklich erklärt haben, keineswegs aus Lust am Skandal. Wenn wir aber in der Lage waren, in sieben aufeinander folgenden Wochennum mern unseres Blattes nicht weniger als 18 Fälle solcher Art, nieist Verbrechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit, zu berichten, zum Teil von allerschwerster Natur — so hört eben für uns und für jeden Unbefangenen die Möglichken auf, hier von seltenen und beklagenswerten Ausnahmen zu reden, die den Gesamtcharaktcr der römischen Kirche und ihres Priesterstandes nicht berühren. Wenn eben einmal traurige Fälle dieser Art innerhalb der evangelischen Geist lichkeit sich derart anhäufen würden: wir wären die ersten, die hier einen Mißstand empfinden und Anskehr mit eiser nem Besen fordern würden." Darauf erwidert nun der „Nordhannoversche Landes bote" u. a.: „Die hier zutage tretende Kampfesweise zeigt so recht, wie gänzlich unfähig die Schriftleitung der „Warturg" zu einer sachlichen Auseinandersetzung ist. Die Abwehr der „Wartburg" leugnet nicht, was wir ihr vorgeworfen hatten, nämlich, daß sie mit Bieneneifer allen Schmutz sammle, der sich in der katholischen Kirche auftreiben läßt. Wir müssen bei der Meinung bleiben, daß dies eine überaus be- l anerliche, gänzlich nnevangelische Tätigkeit ist. Wik blei- len dabei, daß eine solche Tätigkeit ein völlig u n wahres Bild von der katholischen Geistlichkeit entwirft. Wir blei- len dabei, daß es bei den Verfehlungen sich um seltene und leklagenswerte Ausnahmen handelt, die den Gesamtcharak tcr der katholischen Kirche nicht berühren. Insbesondere müssen wir bedauern, daß die „Wartburg" ihren Lesern fortgesetzt unsaubere (zum großen Teile noch dazu meist erlogene) Skandalgeschichten ans den a u ß e r d e u t s ch e n Ländern vorsetzt. In Deutschland haben wir es nur mit dem deutschen katholischen Klerus zu tun, und der hat sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, als sittlich intakt er wiesen. Wenn ein Blatt nun fortwährend klerikalen Schmutz aus romanischen Ländern bringt, so erweckt es bei dem Leser den Eindruck, als ob die Verhältnisse bei uns dieselben wären. Wir sind treue Anhänger unserer evange lisch-lutherischen Kirche und halten deshalb auch unsere Geistlichkeit, soweit sie positiv-gläubig ist, hoch. Daher widersteht es uns, näher auf die auch bei unserer Geistlich keit vorkommenden Verfehlungen einzugehen. Aber wir haben lange genug den „Vorwärts" und ähnliche Blätter gelesen, um zu wissen, daß auch die Zahl dieser Verfehlun gen größer ist, als uns lieb sein kann. Nein, mit einer solchen ungerechten Registrierarbeit eines evangelischen Blattes werden wir uns nie und nimmermehr befreuirden können, und wir haben das Gefühl, als wenn auch die deutsche evangelische Christenheit sich nicht damit befreunden wollte, denn von diesen Mitteilungen der „Wartburg" neh men die uns bekannten kirchlichen Blätter überhaupt keine Notiz, ja nicht einmal die Blätter des Evangelischen Bun des, der doch sonst in seinem Kampfe gegen Rom nicht ge rade schüchtern ist, schenken ihnen wesentliche Beachtung." Dem Geheimen Kirchenrat II. Meyer mag diese Kritik des von ihm herausgegebenen Blattes recht unangenehm sein. Der „Nordhannoversche Landesbote" hätte noch dazu sagen müssen, daß die katholische Presse von den Verfehlun gen der protestantischen Geistlichen ebenfalls keine Mittei lung macht, sondern nur in Füllen, wo die Bedeutung es nötig macht. Auch wird von uns nicht besonders tendenziös der geistliche Charakter unterstrichen. Wir tun dies, weil das Volk geneigt ist, zu verallgemeinern. Es heißt, so ist der ganze Stand, wenn einer auch nur fehlt. Blätter, denen das Heil des Volkes am Herzen liegt, schenken solchen Verfehlungen keine Beachtung, weil sie die bösen Folgen für die Allgemeinheit nur zu gut ermesse». Gemeinde- und VeremsimchrlchLen. 8 Dresden-Altstadt. (Katbol. Jüiiglingsverein.) Sonntag ^«8 Uhr erster Familienabend verbunden mit großer Psannkuchenverlosuug im großen Saale des Gisellen- hauses, Känfferstraße 4. Zu diesem an musikalischen, theatralischen und turnerischen Darbietungen reichen Abend laden wir alle Freunde und Gönner deö Vereins, ins besondere die schulentlassenen Knaben und deren Angehörige aufs herzlichste ein. Programme im Verein und an der Kasse. — Sonntag früh Uhr Vweinökommuuioi,. Gelegenheit zur hl Beichte Sonnabend abends ^/„8 Uhr in der kath. Hoskirche. Zahlreiche Beteiligung dringend erwünscht. Nachmittags 0 Uhr Esperanto-Kursns. 8 Leipzig. Sonntag den 12. März hält der Volks- Verein für das kath. Deutschland, Geschäftsstelle Leipzig- Zentrum. Bezirksversammlung im Saale des Gesellenhauses. Wiesenstraßr. Herr Pfarrer Schreppiug-Zeitz wird über die „Schulfcage" sprechen. Beginn abends 8 Uhr. Die Väter und Mütter der Gemeinde sind hierzu aufs Herz- lichste eingcladen. 8 Oelsnitz, 0. März. Am 27. Februar hielt die Ka tholische Sä n g e r v e r e i n i g u n g ihr 1. Winter- vergnügen ab. Sowohl Katholiken wie auch angesehene evangelische Gemeindemitglieder hatten der Einladung zahlreich Folge geleistet, so daß der Saal des Hotels „Braunes Roß" sehr gut besetzt war. Der Abend wurde eröffnet durch ein Konzert der hiesigen Bergkapelle. Darauf folgten die Gesangsvorträge der Katholischen Sänger- vereinigiiiig. Sowohl die gemischten Chöre als auch das Mämierqiiartett leisteten Vorzügliches und reicher Beifall lohnte die wackere Sängerschar und ihren tüchtigen Lieder meister Herrn Wießmeier. Den Glanzpunkt des Abends bildete das Liederspiel „Die wilde Toni", gespielt von den Damen Frl. Peter und Betz, den Herren Kruchen und Peter in ihrer Soloszene „Das Almer Lenei". Daß es beim Kaffeekränzchen nicht immer so aufrichtig zugeht, bewies uns der vorzüglich gespielte musikalische „Kaffeeklatsch", der von Damen sehr gut gegeben wurde. Nun kam schließ- lich Onkel Lehmann und schilderte in urfideler Art seine Erlebnisse auf der Luftballonfahrt nach dem Nordpol. Ein flotter Ball hielt die Anwesenden bis zum Morgengrauen in gemütlicher Stimmung zusammen. Sicher kann das erste Auftreten des Vereins als sehr gut gelungen be zeichnet werden, unter Herrn Wießmeicrs Leitung war es auch nicht anders zu erwarten. Dem Vereine aber wünschen wir zu seiner ferneren Arbeit ein herzliches Glück auf! Es wird zuviel gestraft! Von Geiichirassessor Ilr. jur st rsr. pol. S. Schulyen stein in Berlin. (Schluß.) Zu diesen gewiß schon recht erheblichen Mißständen treten außerdem aber noch alle diejenigen Unzuträglich- keiteu, die sich aus der gegenwärtigen, zwischen polizei widrigem und kriminellem Unrecht keinerlei Unterschied machenden Regelung unseres Strafrechtes ergeben. Nur einige Beispiele! Die Polizeibeamten haben auf Grund des sogenannten Legalitätsprinzipes der geltenden Straf- prozeßordnung von Amts wegen unter allen Umständen jede zu ihrer Kenntnis kommende Polizeiübertretung zu verfolgen. Unterlassen sie das der Geringfügigkeit halber oder aus einem sonstigen Grunde, so laufen sie Gefahr, wegen Vereitelung eines staatlichen Strafanspruches ge mäß 8 346 des Strafgesetzbuches mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft zu werden. Ferner darf bei Gefahr im Verzug von den Polizcibeamten nicht nur bei krimi-' nellem, sondern auch bei bloß polizeiwidrigem Unrecht zur Nachtzeit die Wohnung im Falle einer Verfolgung auf frischer Tat durchsucht werden, danach also die Polizei nachts in die Wohnung eindringen, wenn etwa deren Be wohner nach Hause kommend auf der Straße irgendwie polizeiwidrig gelärnit hat. Am schlimmsten jedoch wirkt die Anwendung des für das eigentliche Strafrecht ganz zu treffenden Satzes, daß Rechtsunkenntnis schadet, auf das Polizeistrafrccht. Man braucht dabei nur an den Hunde besitzer zu denken, der mit seinem vierbeinigen Genossen in einen Bezirk kommt, über den die Hundesperre verhängt ist, und der, da er keine Ahnung von dem Verbote hat, seinen Hund frei umherlaufen läßt und nun bestraft wird, oder an den Reisenden, der in einer fremden Stadt sich so fort durch ein dort polizeilich verbotenes Abspringen von der Straßenbahn strafbar macht. Den Wohl denkbar „eklatantesten" Fall aber hat einmal der frühere Staats anwalt und jetzige Oberlandesgerichtsrat Rosenberg in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Band 22. S. 35, 36) erzählt. „Vabette, ein junges Landniädchen," so wird dort berichtet, „kommt aus einem entlegenen Ge- birgsdorfe der Vogesen nach Straßburg und tritt bei einem wohlhabenden Kaufmann in Dienst. Am Tage ihrer An kunft erhält sie von ihrer Dienstherrschaft den Auftrag, die Teppiche im Wohnzimmer und Schlafzimmer zu reinigen. Babette legt die Teppiche auf das Fensterbrett und macht sich mit Feuereifer an die Arbeit. Schon nach wenigen Minuten erscheint ein Schutzmann, der ihren Namen fest stellt und ihr mitteilt, daß er sie wegen Polizeiübertretung zur Anzeige bringen, beziehungsweise — wie der landes übliche Ausdruck lautet — ihr ein „Protokoll" machen werde. Babette, in deren Heimatsdorfe Teppiche ein un bekannter Lurus sind, erkundigt sich, was sie denn verbrochen habe, und erfährt zu ihrer größten Ueberraschung, daß es in Straßburg eine Orts-Polizeiverordnung vom 12. Juli 1885 gibt, die in Artikel 1 verbietet, „aus den Fenstern und Türen, die auf öffentliche Straßen und Plätze gehen, Fuß- und andere Teppiche auszuklopfen, auszubürstcii und aus zuschütteln". Um nicht wieder mit der bestehenden Rechts ordnung in Konflikt zu kommen, erkundigt sich Babette bei den Dienstmädchen der Nachbarschaft sowie bei anderen sach verständigen Personen, in welcher Weise man ungestraft Teppiche ausklopfen dürfe, und erfährt, daß es gestattet sei, von 5 bis 7 Uhr morgens auf dem Leinpfad am Ufer der dritten Treppe Teppiche auszuklopfen. Am Tage der nächsten Reinigung wandert Babette mit ihren Teppichen auf den Leinpfad und hofft, diesmal allen Schwierigkeiten entgangen zu sein. Allein ein vorübergehender-Schutzmann stellt fest, daß Babette unter ihren Teppichen einen von 2,26 Meter Länge hat, während nach Artikel 2 der er wähnten Polizeiverordnung vom 12. Juli 1885 nur kleine Teppiche, die nicht mehr als 2 Meter im Geviert haben, auk dem Leinpfad ausgeklopft werden dürfen. Babette erhält das zweite Protokoll. Durch die Verhandlung mit dem Schutzmann ist Babette in ihrer Arbeit aufgehalten wor den. Es wird 7 Uhr 10 Minuten, bis sie die Reinigung der Teppiche beendet hat. Babette erhält das dritte Protokoll, da nach 7 Uhr morgens auf dem Leinpfade nicht mehr ge klopft werden darf (Artikel 2 der Polizeiverordnung vom >2. Juli 1885). In Heller Verzweiflung fragt Babette einen Schutzmann, wann und wo sie denn ungestraft die Teppiche ihrer Herrschaft ausklopfen dürfe. Sie wird dahin be lehrt, daß große Teppiche von mehr als zwei Meter Länge und Breite nicht aus dem Leinpfad, sondern auf dem Platz.' Lenktre auszuklopfen sind. Bei der nächsten Reinigung zieht Babette mit ihren Teppichen auf den genannten Platz. Allein auch diesmal erhält sie ein Protokoll: sie hat ihre Teppiche 100 Meter von der Straße entfernt geklopft, während sie gemäß Artikel 26 Absatz 2 der Orts-Polizei- verordnnng vom 8. November 1869 wenigstens 150 Meter von der Straße entfernt bleiben mußte. Der Amtsanwalt stellt aus seinem Register fest, daß Babette innerhalb kurzer Zeit viermal wegen Teppich-Polizeikontravention ange- zeigt worden ist, und beantragt, gegen die im wiederholten Rückfälle befindliche Beschuldigte wegen ihrer fortgesetzten Widerspenstigkeit eine direkte Haftstrafe zu verhängen. Das Gericht beschließt, gegen die unverbesserliche Gewohnheits verbrecherin die volle Strenge des Gesetzes anzuwenden und setzt durch Strafbefehl die beantragte Freiheitsstrafe fest. Entrüstet packt Babette ihren Koffer und kehrt nach ihrem Gebirgsdorfe zurück, wo es weder Teppiche noch Schutzleute gibt." Mit Recht knüpft hieran Rosenberg die Bemerkung, in derartigen Fällen liege es sehr nahe, daß der Bestrafte auS einem zufriedenen Staatsbürger über Nacht ein miß- vergnügter Tadler und Nörgler werde, dem es die größte Freude und Genugtuung gewähre, bei der nächsten Wahl seinen Stimmzettel für den Kandidaten der schärfsten