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Beilage zu Nr. K2 der „Sächsischen Volkszeitung" vom 18. März NNV8. Aus der Praxis der Abzahlungsgeschäfte. Wiederholt schon ist in der Presse auf die Praris der Abzahlungsgeschäfte und deren Schädlichkeit für die arbei- tendc/ BevölkeMing hingewiesen worden. Durch vielver- skweciiende Reklame in den verschiedensten Zeitungen, Zir kularen und anderen Hilfsmitteln wird der Segen der selben der lveiten Welt und dem kauflustigen Publikum in den schönsten Farben ansgemalt. Tie Kaufverträge aber. welcl)e vom Käufer unterzeichnet werden müssen, sind eigent lich mir Mietverträge. Ter Verkäufer bleibt so lange Eigen tümer der verkauften Sachen, bis die letzte Restsumme be zahlt ist. Tie bis dahin bezahlten Raten werden als Miete berechnet. Bleibt der Käufer mit der vereinbarten Raten zahlung in Verzug, dann verliert er das Anrecht ans säim liclx? Sacl)en, selbst dann, wenn der vereinbarte Preis fast ganz bezahlt ist. Der Verkäufer geht unbarmherzig vor und nimmt nicht die geringste Rücksicht auf die augenblick lichen Verhältnisse des Käufers resp. Mieters. Eine Reibe derartiger Fälle beschäftigen fortgesetzt die (Berichte. Es kommen Fälle vor, das; Leute gezwungen sind, Ein käufe zu machen, ohne das nötige Geld vorrätig zu baben. Dieselben sollten sich dann aber darauf beschränken, nur das notwendigste zu kaufen und das Entbehrliche znrückzulafsen. Das gilt besonders für den Arbeiter. Tie Verhältnisse des Arbeiterstandes kann mau im all gemeinen nicht als rosige bezeichnen. Ter knappe Verdienst reicht oft kaum bin, nm die Ausgaben für die Familie, Lebensunterhalt, Nahrung, .Kleidung, Miete nsw. zu be streiten. Tarum sollten die Arbeiter es sich, wenn eben inöglich, angelegen sein lassen, für die Zeiten der Not. in der Jugend zu sparen. Fn manchen Fällen wird sich die ses bei einigem guten Willen wohl ermöglichen lassen. Mancher junge Arbeiter gibt mehr für Vergnügen und son stige überzählige Sachen aus. als es für seine Verhältnisse passt. Gewiß ist dem Arbeiter ein anständiges und ange messenes Vergnügen von Herzen zu gönnen, aber oft ge schieht auch hier des Guten zu viel. Was man in der Fn gend spart, bringt später tausendfache Früchte, und mancher junge Mann würde später sicher vor dem Gang nach dem Abzahlungsgeschäft bewahrt bleiben, wenn er in der Fu gend etwas sparsamer gewesen wäre. Tie katholischen Gesellenvereine haben vielfach Spar kassen gegründet, in welchen zum Teil auch ganz schöne 'Summen zurückgelegt sind. Dieselben werden ausbezahlt, teils ratenweise während der militärischen Dienstzeit, teils bei Begründung eines eigenen Hausstandes. Aber die Zahl der Sparer ist zu gering, um dem Uebelstande genügend ab Helsen zu können. Viele junge Leute sparen nickst, und noch mehr junge Leute finden es nickst für nötig, sich einem 'M- beiter- oder Gesellenverein anzuschließen. Es wird nickst genug geboten, es geht da zu still her und allerhand andere Ausreden bekommt man da zu hören. Möchten doch die Arbeitervereine nicht erlahmen, ihr Augenmerk besonders auf die Fugend zu richten und dieselben immer wieder zur Sparsamkeit zu ermahnen. Der Segen wird nickst ans bleiben. Mancher junge Man» wird in späteren Fahren mit Freuden daran denken, daß er dnrch den Arbeiterver ein und seine Sparkasse vor dem Gang znm Abzahlnngs- geschälte nnd den damit verbundenen Folgen bewahrt ge blieben ist. Gegenüber den Mißständen, die sich bei der Praris der Abzahlungsgeschäfte eingeschlichen haben, kann die Gesetz gebnng weniger helfen: hier muß in der Tat die Selbsthilfe eingreifen, nnd die beste Form derselben ist Sparsamkeit in der Fugend. Ans Ltadt und Land. Oefsentliche Stadtverordneten- sitzn n g am 6. März. Es erfolgt der Bericht über die Ein führung der Schwemmkanalisation in Dresden und der Entwässerung der Grundstücke im Gemeindebezirk Dres den. Das Gutachten der Ausschüsse geht dahin, die Ein- sübruna der Kanalisation solle für das ganze Stadtgebiet nack' den Pmnen des Tiefbanamtes erfolgen. Das Kolle gium möge sich damit einverstanden erklären, daß im Be darfsfälle die Errichtung von Kläranlagen in Kaditzer Flur genebmiot würden, daß ferner unterhalb des Fricdrick- slädter vasens zirka MOO Dnadratmeter zur Anlegung § eines Sandsanges erworben werden. Das Kollegium wolle ferner znstimmen, daß die Aufbringung der Kosten der Schweimnkanalisation dergestalt geregelt werde, daß der Bedarf zur Verzinsung und Tilgung der Bau- und Her stellungskosten für die der Schwemmkanalisation dienenden gen einsame» Anlagen zuzüglich der Zwischenzinsen des ^ Bankapitals bis zur Fnbetriebnahme der einzelnen An lagen, sowie sämtliche Unterhaltnngs-, Betriebs und Ver- > waltnngskosten der Anlagen dnrch eine lausende jährliche ^ ^ Gebühr von den an die Schweimnkanalisation angeschlope- nen Grundstücken, alle sonstigen Kosten aber von der Stadt gemeinde aufgebracht werden. Das Gutachten der Ausschüsse wird angenommen. - * TieBra u e r e i z u in F e l s e n keil e r stiftete zur bleibenden Erinnerung an den Besuch des Königs am !>. Mörz d. F. den Betrag von lOllOO Mart zu gemein mitzigen Zwecken. Diese Stiftung wird mit allerhöchster Genehmigung de» Namen des Königs führen. * Ei» Arbeiter, der im Fanunr dieses Fohres in Striesen die Schei b e eines F e u e r m elders mut willig eingeschlagen hatte, wurde wegen Sachbeschädigung nach 2 :!«'! dc's Reichsstrasgesetzbnches mit .'>«> Mark Geld strafe eventuell st Wochen Gefängnis bestraft. Gegen solche nichtsnutzige Personen kann nicht streng genug verfahren werden, da es nicht ausgeschlossen ist, daß, während die Fenerwebr unnötigerweise nach einer vielleicht entlegenen (steaend der Stadt eilt, an anderer Stelle bei Ausbruch eines wirtlichen Brandes Menschenleben dadurch in höchste Geiahr geraten, da die Feuerwehr verspätet oder nicht so fort in voller Stärke erscheinen kann. Der Rat gewährt daher auch dem, der den Mißbrauch eines öffentlichen Feuermelders derart zur Anzeige bringt, daß der Täter be ^ straft werden kann, eine angemessene Belohnung. * Am st!"». März wird der Z i r k n s A » g e l o in einem mit allem modernen Komfort anSgcstarteten eleganten , Zclkgebände ans dem Erispi-Platz in Dresden-Löbtau mst ! einer großen Gala-Premiere eine ans 17 Tage berechnete ! Vorstellungsreihe eröffnen. Die Hanptattrastionsnmnmer ! wird Herr Willy Hagenbeck jun. ans Hamburg mit seiner - Aussehen erregenden Dressur-Vorführung bilden, welche stO , abgerichtete Eisbären, einen indischen Kragen nnd einen Tibet-Bären, einen Pavian, rin Pony, eine Dogge und eine: russischen Windhund umfasst. Diese Tiergrnppe ist nicht I identisch mit einer bereits vor zwei Fahren hier einmal ! vorgesührten ähnlichen Dressurnninmer. Fn der höheren Reitkunst nnd Pferdedressnr werden Herr und Frau Di rektor Angela besondere Attraktionen bieten. Die gesckiäst liche Leitung ruht in den Händen des in Dresden bestens bekannten Herrn Ehrill Hatiö. * Die !! <>. D r e s d » er P s e r d e a n s st ellu n g ' findet vom tst. bis mit ID Mai, die Ziehung der Aus j siellnngslotlrrie am letztgenannten Tage statt. ' Die Besitzer von O b st b ä u m e n werden i hiermit ans die in den Herbst- nnd Wintermonaten, als der > dazu besonders geeigneten Fabreszeit, vorzunehmende Be kämpsnng der Dbslbamnschädlinge ansmerksam gemacht. ! Als Schädlinge sind zu nennen: die Goldaster, deren Nack- , wuchs als Räupchen in Nestern von zusammengespomienen Blättern überwintert: der Ringelspinner, der seine Eier an dünnen Aestchen perlschnnrartig avsetzt: der Schwamm- : spinner, er legt seine Eier a» Lbslbäunien, Planern, Zän neu in danmdicken, senerschwammälmliche». braunen Gebil den ab. Die Vernichtung aescküelst am einsachslen dnrch Ab schneiden oder Abiratze» und sosortiges Verbrenne» der Ab schnitte oder abgetratzten Teile oder Verbringen in kochen des Wasser. Die Belämpsnng der Blutlaus geschieht am wirksamsten i», Frühjahre in den Monaten März bis Mai. weil man es in dieser Fabreszeit mit den ersten Anfängen der Ansteckung zu tun bat nnd der blattlose Zustand der Bäume das Erkenne» der befallenen Stelle» erleichtert. Die ' Bekamps,mg erfolgt am besten dadurch, daß die Wnndstelle ! nach Zerdrücknng des durch die Blutläuse gebildeten weiß- ! filzigen Ueberznges mit einem billigen Fett gründlich ein ! gerieben wird. Die Anwendung von Petroleum als Be i kämpsungsmittel bat sich nach den gemachten Erfahrungen ! nicht bewährt, vielmehr bat sie häufig eine Beschädigung ! der Bäume zur Folge gehabt. Außerdem ist eine Besckrei- i bnng der Blutlaus und der wirksamsten Bekämpsnngsarten ! in de» Gemeindeämtern zur kostenlosen Einsicht ansgeliängt. ? Die Besitzer von Dbstbäumen sind gesetzlich verpflichtet, ihre ! Sbslbä'nme ans das Vorhandensein derartiger Schädlinge ^ ungesäumt zu untersuchen nnd nötigenfalls die ersorder ! liche» Vertilgnngsarbeiten vorzunelmien. Unterlassungen i seitens der Säumigen werden nackt -r -'ststst Ziffer st des ^ Strasgeseistmches mit Geldstrafe von «!>> bis l5><> Mark oder ! mit Hast bis zu 11 Tagen bestraft: auch kann die Reinigung i der Dbstbännie durch Vornahme der erforderlichen Vertil gnngsarbeiten dnrch die Behörde (die betressende Königliche Amtshanptinannsckast) ans Kosten der Säumigen angeord net bez. vorgenommen werden. Säumige sind der betreffen den Königlichen Anstsl'anptmannschast seitens der Herren Bürgermeister, Genieindevorstände und Gntsvorsteher an — .1!» — gelacht", wie sie sich ausdrücktc, und sei weggelausen. „Er hat gewiß wieder das Fieber und kann sich den Tod holen," jammerte sie. „Fch glaube, es wird ihm nichts schaden," meinte ich: „er wird dockt bald zurückkommen, und wenn Sie gütigst gestatten, wollen wir ans ihn warten." Die Begegnung zwischen Ellen und der armen Frau hatte beiderseits etwas Gezwungenes an sich, das die natürliche Unbefangenheit des jungen Mädchens jedoch bald überwand. Es dauerte gar nicht lange, nnd die beiden unterhielten sich eifrig über den jungen Mann, der im Gesängnissc schmachtete. „Gott segne Sie dafür, daß Sie treu zu ihm halten und fest an seine Unschuld glauben, Miß Ellen," sagte Mrs. Ereenan, „denn Sie waren die Sonne seines Lebens, für Sie schlug sein Herz." Während die beiden Frauen einander ihr Leid klagten, trat ick' ans Fenster und ließ meinen Blick über die einsamen Wiesen schweifen, die das Haus umgaben, und auf die traurige Landschaft, die Nebel »na Regen in Dunkel einhüllten. Plötzlich sah ich ganz in der Ferne eine schwarze Gestalt rasch ans das Hans zu eilen. Fch erkannte sie sofort: es war Pater Antonius, der nach Hause kam. Fch beeilte mich, hinunter zu kommen, um Um an der Türe zu begrüßen. Fn der nächsten Minute stand er zitternd »nd bebend vor mir,, und den An blick, den er bot, werde ich niemals vergessen. Seine schwarze Soutane war vom Regen durch und dnrch naß. sein breitrandiger Hut batte seine Form verloren und triefte von Wasser: er war bis über die Knie beschmntzt nnd der Morast war auch über seinen ganzen Anzug gespritzt. Sein Gesicht war von einer geisterhaften Blässe überzogen, nnd seine Auge» leuchteten in wilden: Fieber. Er sprang die Treppen hinaus, die zur Haustür führten, und gerade als er ins Haus treten wollte, taumelte er und wäre uingesallen, wenn ich ihn nickst in meinen Armen ansgesangen hätte. „Sie müssen ja wahnsinnig sein, wenn Sie es wage», bei solchem Wetter anszngehen!" rief ich ihm zu. „Wo sind Sie denn gewesen?" Er lachte gezwungen und machte sich aus meinen Armen los. „Fch tonnte nickst zu Hause bleiben, ich wäre im Hanse erstickt nnd ging daher ins Gebirge . . ." Mit einem Male zitterte er und fuhr zurück, als wenn ihn jemand ge schlagen hätte. Fch blickte mich um: Ellen stand im Hausflur und sab ihn verwundert und besorgt an. Als sie ihm entgegentrat nnd ihm ihre Hand reichte, schlug er die Augen nieder und zitterte heftig. „Fch bedauere cs von Herzen, daß Sic so krank gewesen sind." sagte sie. Er gab hierauf keine Antwort. „Kommen Sie. bitte," erklärte ich nun dem Geistlichen. „Fch muß hier meine Autorität als Arzt geltend machen, und als solcher befehle ich Fhnen, sofort die Kleider zu wechseln. Fch und auch Fräulein Eraig möchten gern mit Fhnen sprechen." Fmmer noch die Angen zu Boden gerichtet, antwortete er mit leiser, selt sam klingender Stimme, fast wie geistesabwesend: „Heute nicht, nein, heute nicht. Ich fühle mich nicht wohl und möchte gern allein sein." Fch rückte einen Stuhl an seine Seite nnd fühlte ihm den Puls, während er mich mit seinen großen dunkeln Angen ruhig ansah. Das säst Kindliche seiner Gesichtszüge siel mir heute besonders ans. „Fbr 'Befinden ist zwar ganz aut, aber das Bett batten Sie dock: noch »ick: verlassen sollen." sagte ich zu ihm. ..Fch glaubte, es wäre besser für mich, wenn ich ansstände nnd herum ginge," antwortete er mir mit leiser melodischer Stimme, „und hier am Fenster kann ich mich auch in den warmen Sonnenschein setzen nnd die Sonne hinter den Bergen untergeben iehen." Er sali znm Fenster hinaus, wie wir scheinen wollte, etwas erregt, als hätte er gerne jede weitere Unterredung mit mir vermieden. „Wissen Sie denn auch, Pater Antonius," sagte ich in fröhlichem Tone zu ibin, „daß ich mein Standguartier in Fhrem alten Zimmer in Mhlrea aus geschlagen habe? Eine sehr hübsche Wohnung! Und das erinnert mich auch." fügte ich hinzu, „daß Sie dort etwas haben liegen lassen, dessen Niederer langnng, wie ick hoffe, Flmen ganz angenehm sein wird." Er wandte fick nm. nnd ick überreichte ibm das Buch mit irländischen Volksliedern, das ick in seinem Zimmer gesunden hatte. Fck war ans seine Antwort etwas gespannt, doch ruhig sagte er: „Fck danke Flmen, Herr Doktor. Fawolst, das Buch gehört nur. Dari ick Sie vielleicht bitten, eS dort ans den Tisch z» legen." Fck folgte seinem Geheiß und nahm dann meinen Platz neben ibm wieder ein. Nachdenklich >'al, der Pater das Buch an und sagte dann: „Es ist ver gessen worden. Es ist ein Geschenk, das mir vo>- vielen Fahren gemacht wurde, nnd als es in meiner alten Wohnung znrückblieb. glaubte ick nickt, daß ick es nochmals zu Gesicht bekommen würde. Es ist ein Buch mit weltlichen Liedern, und es gibt nur ein Buck, das ein Priester lese» sollte." „Aber Fräulein Ellen Eraig gab es Fhnen doch?" Er antwortete nicht daraus, nnd eine Weile wurde kein Wort weiter zwischen uns gesprochen. „Fühlen Sie sich stark genug," fragte ich endlick, „um mit mir über einen anderen Gegenstand zu sprechen? Fck bin in Eastlerea nnd auch im Ge sängnis gewesen und habe mich lange Zeit mit Fhrem Herrn Bruder unter halten." Fetzt kam Lebe» in den Pater. Er wandte sich rasck nm. sab mir ge spannt in die Auge» und rief lebhaft aus: „Sie haben Mickael gesehen, mit ihm gesprochen? O, wie geht es ihm? WaS sagte er Fhnen? Ließ er mir etwas bestellen?" „Er sendet Fhnen Grüße und wundert sich sehr, daß Sie ihn noch nickt bestickt haben. Fck habe ihm jedock erzählt, daß Sie krank gewesen sind, und das hat ibm auch genügt." „Der Herr im Himmel beschütze ilm!" ries der junge Priester leideiG schaftlich ans und richtete dabei seine Blicke nach oben. „Fck war nickt allein im Gefängnis bei ihm," subr ich fort, ilm noch immer aiismerksam beobachtend. „Fräulein Eraig begleitete mich. Auch sie ist, gleich mir, vollkommen überzeugt, daß Fbr Herr Bruder an ihres Vaters Tode schuldlos ist." Fch war gespannt, was er daraus antworten würde: er sagte jedoch gar nicht, ich konnte aber sehen, daß er an allen Glieder» zitterte. iv „Pater Antonln?.*