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Sächsische Volkszeitung : 25.06.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192206257
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220625
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220625
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-06
- Tag 1922-06-25
-
Monat
1922-06
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 25.06.1922
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Ninndschau 1. Die Schulfrage Diese ist zurzeit die größte Sorge der Katholiken iin Lande Thüringen. Das Recht auf die Konfessionsschule ist in der Ver fassung des Reiches verbürgt; es gründet sich auf das Eltern recht und den Willen der Erziehungsberechtigten. Das kath-lisch« Erziehungsidcal seht eine innere Uebereinstimmung zwilchen Elternhaus, Kind und Lehrperson voraus. Große Opfer werden für unsere Diasporaschulen, die vorläufig den rechtlichen Cha rakter von Pr:vatschulen tragen, gebracht. Die Regierung hat ihren früheren kleinen Zuschuß seit 1920 eingestellt, von den Kommunen leisten nur wenige eine geringe Beihilfe. In Sach sen ist längst ein UebergangSzustand geschaffen, in einigen Ge meinden Thüringens ist ein Anfang dazu gemacht worden. Wie und wann kommen wir weiter? Die katholischen Schulgemeinden bezw. Erziehungsberechtigten haben sich in Gesamt-Thüringen organisieri und schließen sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusam men. Für die Zeit bis zum Reichsschulgesetz müßte wenigstens ein UebergangSzustand angestrebt werden, sei es aus der Grund lage von Verträgen oder Subventionen oder anderweitiger allge meinerer Regelung. Beim Katholikentag soll untere Schuiorga nisation zum Abschluß gebracht werden; es werden ferner äuge meine Richtlinien aufgestellt und neue einheitliche Schritte in die Wege geleitet. 2. Gemeinde und Verein Bisweilen hört man die Frage stellen: Gemeinde- oder Ver> einSscelsorge? Dis Vereine sind in der Diaspora nicht zu ent behren; sie dürfen jedoch niemals Ursache oder Anlaß zur Zwie tracht werden innerhalb der Gcsamtg-.meinde. Sie müssen stets ihr Augenmerk auf das kirchliche Löben der Gemeinde als solcher rickt n, ihr Programm muß in der Diaspora einen apostolischen Einschlag haben. Wir würden größeres Ansehen vor Gott und den Menschen erlangen, wenn wir mehr di- Einigkeit und Liebe untereinander pflegen wollten. Ein Herz und eine Seele sein, das bleibt das Geheimnis der guten und schönen Diasporagemrinde. Im Volksverein für daS kath. Dentschlanb sollten sich wie in einem Mittelpunkte alle Vereine der Gemeinde sammrin; es könnte so manche Zersplitterung vermieden werden. Zur Gewinnung fremder Redner in den größeren Ver- fammluiigen müßte von einer Ortsgruppe zur anderen Verein- üarvng erfolgen und ein gemeinsamer Plan festgelegt werden; denn wegen der hohen Reisekosten kann sich der einzelne Verein allein auswärtige Redner nicht mehr leisten. Neger Vertrieb der Schriften aus M.-Gladbach sollte die Diasooragemeinde in leben diger Verbindung halten mit dieser einzigartigen Kulturzentrale des kath. Deutschland. Die Tätigkeit der caritativ wirken den Vereinigungen kann in der Diaspora nicht hoch genug v:ra». schlagt werden. Verstrndnisvolles Zusammenarbeiten mit den öffentlichen WohlfahriSi-Hörden und allen TaritaSbe stre ik, ungen ist zu empfehlen. Der Fürsorgetätigkeit für Mädch-.n, Frauen und Kinder dürfte noch mehr Aufmrrksaiiikeit gewidmet werden; es fehlt vielfach an geschütten Kräften. s Die Familie Christliche Familie, du bist das H.'kj der Gewende, die Freude der Seelsorger, die Erbauung der MitweltI Geist des Glaubens, der Fröwm'gkeit und der Liebe walten darin. Die Eltern sind bemüht, Och selbst und die Kinder in enger Verbin. düng mit Kirche, Geistlichkeit und Schule zu erhalten. Die Fa milie ist der Kernpunkt aller Probleme. Glaube und Moral, Erziehung und Volkskultur, das alles ist eine Frage des Fa- milienlclens. Welch eine Auflösung und Zerrüttung der Familie ist aber heute gerade in der Diaspora zu beobachten I Das Ideal der Ehe setzt vollkommene innere Harmonie der Seelen voraus. Aiis diesem Grunde wünscht die Kirche, daß der katholische Christ bei dieser wichtigen Lebensfrage auch auf die Einheit im Glauben achte. In den großen Gefahren der Diaspora ist die Verantwor tung der Eltern für den Glauben ihrer Kinder doppelt schwer. Darum sei di« Teilnahme ain Gottesdienst« and Gemeindeleben und der Besuch der kath. Schule unverbrüchlicher Grund satz für die Familie. Gebet und öftereheil. Kommunion sind für die Erhaltung des übernatürlichen Lebens in der Dia- fporafamilie unersetzlich. Bei aller Förderung edler Jugendpflege darf die Heranwachsende Jugend dem Elternhause nicht entfrem det werden. Die Familie ist die natürliche und darum erste und beste Stätte der Jugendpflege. Um in einer gegen früher so der- änderten Zeit ihren Heranwachsenden Söhnen und Töchtern aber auch alles sein zu können, müssen die Eltern mit ihren Kindern fortschrciten, und sich weiterbilden und sich ihnen auch widmen. 4. Die kirchliche Geographie Dieselbe bedürfte in unserem schönen Lande Thüringen mit seine vielen ehemaligen Landesgrenzen und Enklaven im Inter esse einer geordneten Seelsorge und Verwaltung einer neuen Eiiiieilung. Dies würde auch für die Steuererhebung einer Er leichicrung und Vereinfachung bedeuten . Auf Anregung des hochw. Herrn Bischofs Christian von Meißen hat sich im vergangenen Winter bereits eine in Gera stattgefundene Kon ferenz mit dieser Frage beschäftigt. VS wird jedoch wohl ein langer Weg bis zum Ziele sein, denn die kirchlichen Zentralinstan- ze» werden wahrscheinlich zuwarten, ob die Verhältnisse in Thü ringen sich wirklich konsolidieren. S. Preise Eine Resolution des Katholikentages in Erfurt 19t9 lautet: »Der Ausbau der Thüringer Volkswacht zu einer Tageszeitung ist mit allen Mitteln zu erstreben." Mit Dank gegen Gott sei festgestellt, daß dies« Resolution in die Tat umgesetzt ist. Seit einen: Quartal erscheint die Thüringer Volkswacht als Tages, zeitung und hat sich in allen Gemeinden bestens eingeführt. Di« Zeitung zeichnet sich aus durch vortreffliche Leitartikel und durch eine mit sehr gutem Verständnis ausgewählte und in vornehmer Sprache abgefaßte allgemeine Berichterstattung. Gewiß wird all mählich auch der lokale Nachrichtenteil besser ausgebaut. Wir müssen feste Abonnenten werden und der Zeitung auch in schnne- eigen Jahren die Treue wahren. Die religiösen Sonntagsblätter dürfen dadurch nicht verdrängt werden. Wir müssen der kath. Literatur den Weg zub den Diasporafamilien bahnen durch För derung unserer Volksbibliotheken und des Borromäusvcreins. Von diesem Gesichtspunkte aus ist auch die Entwicklung der kath. Vereinsbuchhandlung in Jena sehr zu begrüßen. 6. Von der Not der thüringischen Diaspora . Es ist die Rede von: Land Thüringen, das alle ehemaligen Kleinstaten umfaßt und den verschiedensten Diözesen angehört: Paderborn, Fulda, Würzburg, Bamberg, Meißen. Vor einiger Zeit stand in der neuen Wochenschau der „Germania" ein Artikel mit der Ueberschrift „Schweigende Not", nämlich der Geistlichen in Preußen. Wie steht es aber erst um die Geistlichen in Thüringen? Sie haben ein so ungenügendes Ein kommen, daß die meisten sich wohl die Frage stellen: Wie lange kann ich eS noch aushalten? Wann und wie bietet sich Gelegen heit, aus Thüringen wieder herauszukoinmen? Große Not lei den auch die Anstalten und Schulen samt den Lehrpersonen, deren Besoldung den heutigen TeuerungSvcrhältnissen nicht ent spricht. Tie gegenwärtige Notlage scheint weder den Gemeinden selbst, noch den Katholiken der anderen deutschen Länder hin reichend bekannt zu sein. Bekannt ist die Lage den hochw. Herren Bischöfen und den bischöflichen Ordinariaten, die auch stets ein warmes Herz für die Diaspora haben, aber bei der so plötzlich hereinbrechenden Teuerungswelle nicht Wer die notwendigen Mittel verfügen. Der Bonifatiusverein, unser allzeit getreuer und hilfsbereiter Freund, leistet, was er kann, aber auch seine Mittel sind beschränkt. Was ist nun zu tun, um der Not in un- sever thüringer Diaspora Herr zu werden? Das erste: es werden Kirchensteuern erhoben. Im allgemeinen herrscht Verständnis dafür, man sagt sich: Die Kirche ist eine große und bedeutungs volle öffentlich rechtliche Institution, die zur Erfüllung ihrer Auf gaben der äußeren Mittel nicht entbehren kann. Auch wird das System, einen Hundertsatz von der Neichseinkommensteuer zu er heben, als gerecht betrachtet, und ist bei dem kleinen Prozentsatz nur eine geringe Belastung. Es sind auch auf die Steuer hin nur wenig« Kirchenaustritte erfolgt. Wer jedoch glaubt, die Exi stenz der Diasporagemeinden könne auf die Kirchensteuern allein gegründet werden, gibt sich einem schweren Irrtum hin. Was zweitens das sonntäglich« Opfer und freiwillige Sammlungen angeht, so könnte in den Gemeinden größeres Verständnis herr schen; sonst dürften auf den Opferteller des Sonntags nicht noch Hunderte von Zehn- und sogar Fünfpfeunigstücken zu zählen sein. Sie stammen von vielen, die gutes Geld verdienen und bei son stigen Gelegenheiten andere Summen auszugeben pflegen. Klein liche Knauserigkeit der Kirche gegenüber bringt keinen Segen. Es sei jedoch auch einmal öffentlich ausgesprochen, daß mehr ge schehen müßte, um die Gemsindcinitgliedcr für die Wirtschaft- siche Lage zu interessieren. Vielleicht geschieht es zweckmäßig durch erweiterte kirchliche Körperschaften. Drittens ist der Bo- mfatiusvcrein noch mehr zu fördern und zu unterstützen und der Schuhengelverein entsprechend den Bischöflichen Anordnungen in allen Schulen einzuführen. Wäre es endlich bei den gegenwärti gen Verhältnissen nicht auch an der Zeit, daß alle deutschen Diö zesen unier Ueberwindung der entgegenstehenden Schwierigkeiten einen allgemeinen Ausgleichsfonds ins Leben riefen, nm damit den jeweils bedrängten Kirchensprengcln zu Hilfe zu kommen? Diese Forderung der kirchlichen Solidarität und Caritas sollte bei der katholischen Kirche weder an Staatsgrenzen noch an Verwal tungshemmnissen scheitern. Für die nächste Zeit jedoch ist es dringend notwendig, eine Hilfsaktion für die katho lische Diaspora im Lande Thüringen alsbald in die Wege zu leiten. Es darf nichts unversucht gelassen werden, um weuia- ens zu erhalten, was in jahrzehntelanger mühevoller Arbeit auf dem so schwierigen thüringer Boden geschaffen worden ist. N. Kote! Mslmtzos ° MMg Tille 2immer mit Hall« mul w-irmwasfer -o «er kreise mäßig «oowm-W- Jcna Eine Führung durch Stadt und Gcsihichle Nu» seid ihr in Jena! Herzlich willkommen i» der .aalc- Kadt! Ihr habt sie gesehen, auf den Bergen die Burgen, die ihr kamt von Norden über Naumburg und von Süden über Saalfeld amd Rudolstadt. Das Lied, das wir kennen seit unserer Kinder zeit, es ist ivahr: „An der Saale Hellem Strande stehn die Bux- gen stolz und kühn!" lind ihr, die ihr kamt von Weimar und Erfurt und noch weiter her. ihr saht schon einen Teil von JenaS landschaftlicher Schönheit bei eurer Einfahrt zum Weimar- Geraer Bahnhof, da di« Bremsen des Zug«s die rollenden Räder hemmten und sie ächzen und stöhnen ließen: die Sonnenberge, der Landgraf und di« Sauser und Villen des Weswiertels grüßten lieblich herüber. Auch Kirchen und große Gebäudekomplexe tauchten vor euch auf. Und daun setztet ihr euren Fuß auf JenaS Boden. Laßt euch nun ein wenig führen durch Jenas Straßen! Von diesem umd jenem, was für den Fremden wissenswert ist und von Interesse, mag er nun schon des öfteren in Jena ver- ^veilt sein oder zum ersten Male, sollen diese Zeilen erzählen. Da sind Fabrikgebäude, die das Stadtbild beherrschen, 20 Meter, zum Teil sogar 42 Meter hoch. Es ist das Karl-Zeitz- Werk, das sich auf einer Vodenfläche von 3,6 Hektar in zwei Vierteln, durch die Ernst-Abbe-Straße getrennt, erhebt. Die Firma, optische Werkstätte Karl Zeitz, fertigt Mikroskope, makro- und mikrophoiographische Apparate, binokulare und monokulare Feldstecher, Erdfernrohre, Himmelsfernrohre, optische Meßinstru mente für Wissenschaft und bewerbe, Entfernungsmesser, Schein werfer, Brillen. Das Karl-Zeiß-Werk war für die Entwicklung der Stadt Jena von großer Bedeutung. Hören wir kurz seine Geschichte: Karl Zeih, geboren am 11. September 1816 in Wei mar, gestorben am 3. Dezember 1843 in Jena, eröffnet« im Jahre 1846 in der Noulgasse eine kleine mechanisch-optische Werkstätte. Er baute vorzügliche Mikroskope und verschaffte sich dadurch An sehen in .Kreisen von Fachgelehrten. Er suchte nach wissenschaft licher Beihilfe. Diese fand er in Dr. Ernst Abbö (geboren am 23. Januar 1840 in Eisenach, gestirben am 14. Januar 1905 in Jena), der sich 1863 als Privatdozent in Jena habilitiert hatte. Seit dem Jahre 1866 arbeitete er mit Karl Zeitz zusammen. ,Es gelang Abbö, die Theorie des Mikroskops zu schaffen, so daß nun dessen Konstriiktionsterle völlig vorausbestimmt werden koniiie». Abbö wurde überhaupt der Reformator der gesamten gngewandtLll Optik. Im Jabre 1875 beschäftigten sie 60 Arbeiter und in diesem Jahre wurde Abbö auch Mitinhaber des Geschäfts. Im Jahre 1880 begann in neuerrichteten Werkstätten der Groß betrieb; im Jahre 1889 nach dem Tode von Karl Zeih, wurde Abbö der alleinige Leiter und Besitzer des Großbetriebes. Sofort gründete er die Carl Zeiß-Stiftung; diese wurde nunmehr die Eigentümerin der Firma Karl Zeiß und Mitinhaberin des Glas werkes Schott und Genossen. Das Glaswerk Schott war fünf Jahre vorher auf Ernst Abbös Anregung errichtet worden zur Gewinnung des besten optischen Glases. — DaS war in Wirklich keit eine Großtat Abbö, die wir heute besonders bewundern: Er verzichtete, soweit es gesetzlich überhaupt möglich war, auf seinen großen Privatbesitz und blieb in seiner Bescheidenheit nur ein „Mitglied der Geschäftsleitung". Die Satzungen der Stif tung schreiben vor, daß kein Industriezweig des Kacl-Zeiß-WerkeS in persönlichen Besitz übergehen darf, daß das Werk in seinen einzelnen Zweigen immer weiter ausgebildet werden muß, daß Sorge getragen werden muß für die Erhaltung und Weiter bildung der in den Betrieben gewonnenen Arbeitsorganisation. Die Geschäftserträgnisse sollen verwendet werden zur Förderung allgemeiner Interessen der Optik und der Feinmechanik ferner für gemeinnützige Einrichtungen zugunsten der arbeitenden Be völkerung Jenas und seiner nächsten Umgebung, zur Förderung naturwissenschaftlicher und mathematischer Studien in Forschung und Lehre. Zu Beginn des Krieges beschäftigten die beiden StiftungSbeiriebe zusammen 6700 Personen, während des Krie ges zeitweise 12 000. Von den großartigen Leistungen der Stif tung sollen erwähnt sein: di« Errichtung des VolksbadeS, der Flutzbadeanstalien; die Stiftung leistet sodann bedeutende Zu schüsse zur Erhaltung verschiedener Schulen und Kinderheime, sie veranstaltet regelmäßig Volkshochschulkurse und künstlerische Volksunterhaliungsabende. Sehr bedeutend sind auch die Auf wendungen zur Dotation von Dozenten, zur Errichtung des Um- versitätkgcbäudeS, zur Neuschaffung, zum Umbau, zur Ausstat tung zahlreicher Institute der Universität. Die Universität gilt jetzt als eine der besteingerichteten. Vor dem Volkshause auf dem Karl-Zeiß-Platz steht die Ge denkhalle für Ernst Abbö; sie ist im Jahre 1911 von H. van de Velde entworfen, ein tempelortigcr Bau mit flacher Kuppel. Vier Portale führen hinein. An den Innenwänden sieht man die Meuiiierscheu Reliefs in Brouzeguß, die eine Verherrlichung der vier Hauptgruppcu menschlicher Kulturarbeit darstellen: Ackerbau, Bergbau, Industrie und Handel. In der Milte der Halle steht eine von Max Klinger geschaffene Abbö-Hcrme aus weißem Mar mor. Aus drei Seiten der Senne sind Reliefs angebracht zur Die Anfänge der katholischen Gemeinde Jena Es hat für uns ganz mit den Arbeiten und Sorgen der Gegenwart beschäftigten Menschen einen besonderen Neiz, in die Geschichte der vergangenen Tage zurückzublicken, zu betrachten, wie es ehemals war und wie di« Dinge von heute allmählich ge- worden sind. Die geschichtlichen Anfänge der katholischen Ge meinde in Jena bieten auch deshalb hervorragendes Interesse, weil darüber ein aus dem Jahve 1815 stammendes, von Dr. Henry Gabriel geschriebenes Dokument vorhanden ist, das auch wegen seines Zusammenhanges mit den großen zeitgeschichtlichen Er- eignissen am Anfang des 19. Jahrhunderts Beachtung verdient. AuS diesem Bericht des ersten Pfarrers Henry seien folgende Ab schnitte über di« Anfänge der Pfarrei Jena wiedergegeben: Entstehung der Kirche „Seit der für Jena höchsten Periode der sogenannten Re formation, 1556 bei der Stiftung der Universität, war die katho lische Religionsübung aus dem ganzen weimarischeu Herzogtum völlig ausgerottet. Nur als ein besonderer Zweig dieses Hauses in Jena selbst residierte, wurde in dem Schlosse bei Gelegenheit einer katholischen Negentin auf wenige Zeit ein Mar errichtet. Auch errichtete späterhin in Weimar Herzog Konstantin ein ka tholisches und ein reformiertes Bethaus, um zu verhindern daß aus Vorwand der Beiwohnung des Gottesdienstes in Erfurt sein« von Ausländern angeworbene Mannschaft nicht ausreißen möchte. Dieses Bethaus besteht noch und wirklich kommt noch drei- oder viermal jährlich ein Geistlicher aus Erfurt, uin daselbst Gottes dienst zu halten. Doch ist ihm niemals Gerichtsbarkeit oder Psarr- recht zuertannt worden. Mährend der blühenden Zeiten der jenaischen Universität war diese hohe Schule häufig von katholischen Jünglingen aus den fränkischen und schwäbischen Kreisen, aus Oesterreich, Bayer» und vom Niederrhcin besucht, welche sich oft beschwerten, daß sie neun Stunden weit, nämlich bis Erfurt, reisen mußten, um dem Gottesdienste beizuwohnen. In früheren Zeiten bot sich ein Graf von Kaunitz an, diese Beschwerden durch Errichtung einer Ka pelle und Besoldung eines Priesters aus eigenen Mitteln beizu legen, konnte es aber bei dem damaligen Fürsten nicht durchsetzen. Im Jahre 1793 studierte auch Herr Graf von Coudenhoven daselbst und äußerte den Wunsch, den katholischen Studenten durch die Gegenwart eines Seelsorgers zu Hilfe zu kommen. Es wurde zu diesem Endzweck ein geräumiger herzoglicher Speise saal eingeräumt und ein Geistlicher aus Erfurt an gewissen Tagen abgerufen. Es erfolgte auch durch desselben Herrn Grafen nach seiner Abreise fortgesetzte Bemühungen ein herzogliches Re. skript, welches 100 Gulden für diesen Zweck auf dve Kammer an wies, und selbst ein Geistlicher namens Ruppen übernahm die Seelsorge und blieb sechs Monaie lang ft, Jena, wovon er aber aus Mangel an hinlänglicher Subsistenz abging, ohne Hoffnung einen Nachfolger zu erhalten. Der Eifer des Herrn Grafen aber überwand alle Schwierig, keilen und nach erstattetem Bericht des weimarischen Hohen Rates über das ausdrückliche Verlangen der Universität, diese Stelle be seht zu sehen, schrieb am Ende 1794 der durchlauch'igsie Herzog von Weimar nach Aschaffcnbuag, um sich einen katholischen Seel sorger für die jenaischen Studenten von Eminentissimo zu erbitten. Meine Sendung nach Jena Es schien nicht leicht, bei Mangel an hinlänglicher Besol dung ei nein Geistlichen dieses Amt anzutragen, der als Gelehrter den Professoren und als tolerant den protestantischen Predigern ohne Aergernis an die Seite gesetzt werden und seinen Unterhalt durch Talente versorgen konnte. Die Wahl fiel auf den aus Frankreich emigrierten und seit einem Jahre in Breuberg das Predigtamt ausübenden Dr. Gabriel Henry. Den 400 in oer Nachbarschaft zerstreuten Katholiken hatte er durch Predigten, Katechesen und andere Pastoralvorrichtiiiigcn gedient. Dieser reiste nach Sachsen !m Februar 1705 und hielt am ersten Sonn tag Quadragesimae seine AntrütSpredigt in Jena. Er war mit einem fürstlichen Reskript versehen, das ihn als Seelsorger der katholischen Studenten an der Universität anbefahl, und erhielt: 1. einen Gehalt von 100 Gulden, 2. eine Fresiischstclle im Konvikt, die er doch nicht benutzen konnte, 3. die Anwartschaft des bald er ledigt sein sollenden Lehrstuhles der französischen Sprache und Literatur (der 100 Gulden an Gehalt und 8 Scheffel Korn ein- trng), der ihm aber erst im Jahre 1807 konferiert wurde. Bald aber erwarb er sich durch Fleiß und literarische Tätigkeit ein mehr als hinlängliches Einkommen, so daß e- jährlich 900 bis 1100 Gulden zu verzehren hatte. Emporkommc» der Kirche Außer den allmählich durch die neuen Anstalten in Schwa ben und Franken sich mindernden katholischen Univcrsitätsver- wandten bestand die nun zu bildende katholische Gemeinde aus etlichen 19, teils Dienstboten, teils Handwerkern, die das Unge fähr und Gewerbsziifälle von verschiedenen Gegenden sozusagen hingeworfen batten, au? gleicher Anzahl bald auch sich zerstreuen der französischer Emigranten und in kurzer Zeit aus etlichen 60 Personen, die in einem Umkreis von 9 bis 12 Stunden woh nend oder hausierend sich mit Eifer wenigstens an den hohen Festtagen nach Jena zu kommen gewöhnten und den Pfarrer im Charakterisierung des großen Ernst Abbö als Gelehrten, Tech niker und Sozialreformer. Eine Schenkung Abbös ist das VolkShanS, im Jahre 1904 erbaut zur geistigen Förderung der gesamte,, Bevölkerung. Der eindrucksvolle Bau in deutschem Renaissancestil hat einen östlichen und einen westlichen Flügel. Im Erd- und ersten Obergeschoß des östlichen Flügels befindet sich die öffentliche Lesehalle, muster gültig nach äußerer Ausstattung, Inhalt und Verwaltung. In demselben Gebäude ist noch das Schaeffermuseum, Privatsamm lungen physikalischer Natur des Professors Schaeffer, eines Leh. rers Abbös. gestorben 1900, daneben eine Werkstatt und ein izroßer Lehrsaal. In den acht Räumen des zweiten Obergeschos ses ist die staatliche Gewerbeschule untergebracht. Der westliche Saalbau des Volkshauses enthält einen sehr großen prächtigen Saal, in dem Versammlungen und Tagungen jeder Art abge- halten werden, wo auch die besten Konzert« und dramatische Vor führungen stattfinden. Ein Gebäude, das die besondere Beachtung der Gäste, die nach Jena gekommen sind, verdient, ist das Univrrsitätsgebiiude am unteren Fürstengraben. Ehedem stand an diesem Platze das Schloß der Herzöge von Sachsen-Jena. Im Jahre 1908, als man die 350jährige Jubelfeier der Hochschule feierlich beging, wurde daS neue Universitätsgebäude eingewecht. Es ist ein sch lickt er, würdiger Vau, (rings) von hohen Bäumen umgeben, mit einem 42 Meier hohen Turme. Nur wiederum durch die bedeutenden Zuwendungen der Karl-Zeiß-Stiftung, sowie der Stadt, der Sparkasse und einiger Privatst, »s-u^n konnte ein so schönes Werk geschaffen werden. Die Hauptseite, 85 Meter lang, rst die längs des Fürstengrabens, der Nordflügel. Er ist ge ziert durch vier große, in Kalkstein gearbeitete Halbreliefs, von A. Brütt, welche die vier Fakultäten darstellen; die übrigen Bild- hauerarbeiten an den Außenseiten stammen von L. Habich Der Westftügel, längs der Schloßgasse entkalk die Räume der Um- versitäisverwaltung, der Mittelflügel dre Aula, der Südflügel das archäologische Museum. Den größten Teil des übrigen Rau mes nehmen die Hörsäle, Sprechzimmer, Senatssaal, Archiv, zahlreiche Seminarien ein. Dazu kommen die geographische An stalt, die Anstalt für Geschichte der Medizin, endlich das akade mische Münzkabinett, .eine der bedeutendsten Sammlungen van griechischen, römischen, orientalischen und sächsischen Münzen. Die Jnnenräume sind ausgezeichnet durch künstlerischen Wand schmuck. Die Aula schmücken das große Roiterbild des Kurfürsten Johann Friedrich, ocS Gründers der Universität, die Gemälde der vier Ernestiner Fürsten. Im großen Hofe steht ein Manu-
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