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„Na, und ich sage mir. hier muht du für deine Partei alle deine Kraft cinsetzen, die dir dein Berns übrig lässt - und dn kannst nicht einmal denken wie in Eschen bei in: was dn nicht tust, tut ein anderer. Ich sage mir ferner, das; ich dort wohl überflüssig, liier aber dach sicher nötig oder mindestens nütz lich bin." „Ah, bravo, das ist wacker gesprochen!" rief Klingenbiel, begeistert die Hand des freundes ergreifend, „ach wie freue ich mich darauf, wenn Tie erst bier sind! Ta kann man doch auch einmal wieder seine Kenntnisse anf- frischen sich mit idealeren Dingen beschäftigen, denn die Politik ist doch immer real, wenn unsereZiele auch noch so ideal sind." „Teben Tie, das böre ich gern", sagte Ullrich freudig, „na, wenn es glückt, da wollen wir unseren Cornelius Nepos lesen, unseren Tchiller und wie sie alle heißen „O, das wird schön werden", rief der schmächtige junge Mann mit verklärtem (Besicht, und sich böber reckend, „seben Sie mal, drei ans unserer Bereinigung kennen Tie schon. Tchenermann ist das Prototyp für alle in bezug ans das geistige Niveau: Bolksschiilbildnng und dabei einzig und allein Studium politischer Schriften und eifrige ZeitnngSlektüre — ich kann Ihnen sagen, es gibt einige darunter, die cs mit dem gewiegtesten Parlamentarier anfnebmen könnte», was die Beherrschung des positiven Zahlen- und Tat sachenmaterials betrifft. Aber daraus entspringt eine kolossale Einseitigkeit über nichts kann man mit ihnen reden als über Politik -- und wüder über Politik na und der Rechtsanwalt — natürlich ist er ein allseitig ge bildeter Mann, aber im Innersten trocken — nüchtern, belächelt gern ideale Bestrebungen und es »ins; gesagt werden — ist in allem unnahbar, was nicht die Politik betrifft." „Na ja - - die alte Erscheinung: der Parkettsozialist mit den Allüren des Aristokraten —" „Ganz recht, und sehen Sie — ich bin wahrhaftig ein begeisterter An hänger und Verfechter meiner Sache, aber — du lieber Himmel, mus; denn immer und immer nur darüber gesprochen werden?" „Ja und doch »ins; es auch solche Käuze geben und ohne eine ge wisse grandiose Einseitigkeit wird nichts großes geschaffen — denken Sie an Cromwell, an Robespierre und so viele andere." „Das Lob macht Ihnen Ehre, denn es ist bei Ihnen kein Eigenlob -- und sehen Sie, Sie werden ohne Zweifel bemerkt haben, das; ich Sie, als Sic den ersten Abend unten mit am Tische aszcn, mit nicht allznfrenndlichen Angen betrachtete. Aber das wurde mit einem Momente anders. Mit dem Cornelius Nepos haben Sie mich besiegt." „Nun, schauen Sie, wie man sich so findet im Leben — wir passen doch so gut zusammen — wir harmonieren in so vielen Dingen —ach, darf ich Sie Freund, Bruder — Dn nennen?" „O, von Herzen gern — das muhte gesagt werden — war es jetzt nicht gekommen, so hätte ich es morgen gesagt." Eine kurze Umarmung, ein Händedruck und zwei schieden, die sich ge- fundcn hatten - wie sie meinten — fürs Leben. * * * Der nächste Tag brachte Ullrich eine unangenehme Ueberraschnng: sein Zug war zur Ablösung eines anderen in die Bergwerke kommandiert. 87 Mittags hieß es schon abrücken, und so nahm er denn von Meister Baldcwein Abschied. Dabei brachte er dann sein Anliegen vor wegen Beschäftigung nach Beendigung seiner Dienstzeit. „Das ist recht", rief Meister Baldewein vergnügt und schlug Ullrich kor- dial ans die Schulter — wobei er sich allerdings ein wenig ans die Fußspitzen stellen mußte — „natürlich nehm ich Sie — ziehen Sie heute den bunten Rock ans, können Sie morgen bei mir anfangen! Gefallen haben Tie nur gleich und wir werden uns schon vertragen." Schmerzlich wurde Kliengenbicl von der Nachricht berührt, er schütte te dein Freunde wiederholt die Hand — und als der blutjunge Lemnant das Kommando zum Abmarsch gab, sah er der Truppe lange mit trübem Blicke nach. Also wieder allein, murmelte er, allein auf Wochen! — Noch etwas anderes ereignete sich an diesem Mittag. Der Dr. Neu- renther kam fast außer Atem zu Tchenermann und bat ihn, das Kästchen mit Zden acht Blechkap) ln zu 'ich ans sein Zimnur zr. nehmen. Die Zusatzflüssig keit werde er behalten bis ans de» Abend, damit vorher nichts passiere. Man scheine, so meinte das nervöse Männlein, hier alle Fremden mit besonderem Argwohn zu betrachten — ihm zum wenigsten scheine es, als ob man ihn auf Schritt lind Tritt beobachte. Soeben habe er sogar geglaubt, das Zimmer mädel werfe argwöhnische Blicke auf das Kästchen. Da habe er dieses unter den Arm genommen und sei gelaufen, so rasch er konnte. „Sie sind ein Hasenfuß, Doktor", sagte Scheuermann in seiner sehr- wenig rücksichtsvollen Weise, „geben Sie die Dinger nur her, sie werden in meiner Kommode neben meiner Wäsche Platz haben — aber machen Sie doch keinen Unsinn, geben Sie das Fläschchen auch gleich her." „Nein, mein Lieber", rief der Doktor, nervös hin- und herspringend, „das gibt's nicht — wie leicht kann da was passieren. Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag — wann gehen Tie da zu Ihrer Versammlung'?" „Na. so gegen dreiviertel acht Uhr —"? „Gut, dann kommen Sie an meinem Hotel vorüber. Ich werde ans dem Fenster des Parterre gelegenen Gastzimmers Herallssehen. So bald Sie in Sicht kommen, werde ich heranstreten, und wenn Sie Vorbeigehen, Ihnen die Hand schütteln. Dabei werde ich Ihnen das Fläschchen verstohlen in die Hand drücken —" „Herr Gott — sind Sie umständlich und furchtsam, Sic Tyrannen- mörder Sie —" „Was? ich furchtsam, hoho — ^Ilonn onknut —" „Ich weiß: — <1o ln pntiie — aber Kinder, seht Euch bloß vor, daß Ihr keinen Menschen nmbringt!" „Na, lachen Sie meinetwegen, so viel Sie wollen — das Fläschchen kriegen Sie nicht früher — und nun Adieu mein Lieber — aber hören Sie, ja keine Unbesonnenheiten!" Damit war er zur Tür hinaus und der andere sah ihm köpf, schüttelnd nach. An diesem Tage ging die Arbeit der beiden Antipoden ziemlich ungleich von statten. Der Pfarrer ermutigte wieder viele zur Arbeit und brachte an diesem Tage eine ganze Anzahl Streikender zum Einfahren. Weniger Glück aber hatte der Rechtsanwalt bei seinen Rundgängcn, die er an der Hand der