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Nr. 143. Sonnabend, den 25. Juni 1804. 3. Jahrgang. Erscheint tätlich nachm, mil NuSimhme der Ten» Bt,nai<preiS: ipterleljiibrl. 1 Mk. 50 Pf. lohne Besiellfleld). Sri aiiherdeulsche» Posiaiisialt.lt. ZeilunaSpreiSI Einzelnummer l» P». Sebastians.Sprechstunde: I I —l Uhr. llnabbänglgez Tageblatt für ivadcheit. becbt u. sreikeit. Inserate werden die n,re<va>>e „e Peliizeile oder deren Raum in 15 Pf. berechnen bei i!biet>'rbaiiiini bedeutender Saball. Bnchdruilerei. Neda ttivn und tUcschästsstelle: Trcsdc», PillnINer Strasse ^!I. - ^einiprecher Vinn I Sr l:.«><!. ^)ur Reise- und Badezeit. Für unsere verehr!. Abonnenten. welche in Bädern und Soinmersrischen verweilen oder überhaupt auf der Reise sich befinde», haben wir gleich dein Borjahre auch bener wieder die sehr bequeme Einrichtung getroffen, das; sie Misere Zeitung täglich unter Kreuzband beziehen können. Der Abonnementspreis stellt sich einschließlich des Portos für jD ent sch lau d und L e fr erreich - Ungarn ans !!>">Pf. pro Woche, für das Ausland ans lk> Pf. Durch die Post bezogene Eremplare können innerhalb des Deutschen Reiches gegen eine der P o st zu zahlende Gebühr von 5»«> Pfg. von einem Orte znm andern überwiesen werden. In solchem Falle belieben sich unsere geehrten Abonnenten direkt mit demjenigen Postamt ins Vernehmen zu sehen, bei welchem sie abonnierten. Erfolgt die Abreise von dem letzten Aufenthaltsort, so ist es nötig, bei dem daselbst befindlichen Postamt die Rücknberweisnng nach dem Wohnort zu beantragen; eine besondere Gebühr ist hierfür nicht mehr zu entrichten. Expedition der „Sachs. VolkSzeitnng", Dresden. Hnr „Kieler Woche". Ter Kaiser hat die „Kieler Woche" am Dienstag durch eine Rede eingeleitet, in welcher er seiner Anschauung von der zunehmenden Solidarität unter den Kulturvölkern Ausdruck verlieh, einer Solidarität, die durch das Sport wesen gefördert werde. Allerdings scheint die deutsche Re giernng den Sport als Mittel znm internationalen Frieden zu betrachten. Bei allen größere» sportlichen Beranstal- tnnge» bildet sie die Stafsage. Die „.Köln. Voltszeitnng" meint, den Glaube» und die Bedeutung solcher Feste für die Erhaltung des Völkerfriedens nicht teile» zu tonnen Tann sagt sie, die .Kreise, die sich ans allen internationalen Sportplätzen znsaninienfinden, um ihr Geld ans „noble" Weise los zu werden, ihre Zeit totznschlagen und ihr Be dürfnis »ach Ansregnng und Sensation z» befriedigen, tan» man nicht als berufene Vertreter der Nation, der sie gerade angehören, betrachten. Sie seien daher auch nicht berufen, der Gesinnung der Völler gegen einander und insbesondere gegen uns Ausdruck zu geben. Wollte man daraus, daß sie sich bei de» Sportfesten, namentlich in Gegenwart des Deut scheu Kaisers anständig und höflich betragen, Schlüsse ans die Gefühle ihrer Volksgenossen gegen uns ziehen, so würde man ebenso in die Irre gehen, als wenn man anS dem Jubel, mit dem der Kaiser bei seinen Besuchen im Anslande von der Bevölkerung empfangen wird, und ans den Be- grüßnngsartikeln der Presse schließen wollte, daß überall nichts als Begeisterung für ihn und das Deutsche Reich herrsche. Droh aller französischen Besucher deutscher Sportplätze bleiben die Franzosen bei ihrem Revaiichegedanleii. Der Kaiser hat in schöner Neidlosigkeit den Präsidenten Lonbet nach dem Antomobilwettrennen zu dem Siege der Fra» zose» beglückwünscht. Der Pariser „Figaro" aber unter zieht im Anschlnß an das Rennen die wirtschaitliche Lage Deutschlands einer wenig wohlwollenden Kritik, und es kann gar nickt zweifelhaft sein, daß er der großen Mehr heit der Franzoien ans dem Herzen spricht. Die Engländer sind in der.Kieler Woche sogar durch ihren .König vertreten, wie der Kaiser wiederholt ihren Regatten bei EoweS bcige wohnt hat. Hat aber deshalb die engliicbe Presse ansgebörr, die denticke Politik zu verdächtigen und zu verleumden und in der hämischsten Weise gegen Deutschland zu liebend Und spiegelt sie damit nicht die Gesinnung der Engländer gegen uns zuverlässiger wieder, als die Engländer, die einen Sportbummel nach .Kiel unternehmend Daß die Russen sich besonders solidarisch mit uns nibleu, hat man bis m die letzte Zeit hinein wenig bemerkt, und von den Fla lienern wird es vielfach ebenfalls bezweifelt, wenn sie auch dem Kaiser bei seinen Besuchen znjubeln. Wenn sich wirtlich so etwas wie ein Fortschritt der So lidarität unter de» Kulturvölkern bemertlich machen sollte und mau kann das ja insofern gelten lassen, als sie we nigstens in Europa nuaiisbörlich ihre Friedensliebe im Munde führen, so hat das unseres Erachtens mit der durch internationale Sportveranstaltungen gepflegten Vollsverbrüdernng nichts zu tun, sondern beruht einsach daraus, daß sie ibr eigenes Interesse dabei am besten wabr znnebmen glauben und daß sie Angst vor einander haben. Es ist nickt anzunehmen, daß der Kaiser wegen der in ternationalen Sportfeste mil absoluter Rübe und Vertrauen der Zukunft entgegensebe. Vielmehr scheint er damit das preußische Abgeordnetenhaus beruhigen zu wollen, das in folge der häufigen Anwesenheit der Minister aut den di Versen Sportplätzen in seinen Arbeiten behindert und daber darüber mit Reckt sehr mißgestimmt ist. Herr v. H a m m e r st e i n mußte zuerst zur Saalburg labren, um das ^ Gordon Benuett-Reuneu sich auzuieben, danach muß er nach ^ Kiel, um der Kieler Woche beizuwolmen. Inzwischen mochten die Abgeordneten tick die Zeit vertreiben, wie sie tonnten und wollten. Es ist begreiflich, daß die Abgeord .letenbans nickt Lust hat, mit seine» Arbeiten zu warten bis der Minister des Innern durch Gelegenheiten wie Gm von Bennett Rennen und Kieler Woche nicht inehr weiter gehindert ist, im Abgeordnetenhanse zur Vertretung seiner Vorlagen zu erscheinen. Die preußischen Laudtog-'-abgeordneteu, welche bereits sechs Monate lang durch die Session in Berlin sestgeballen sind, werden sich durch die A»tickt des Kaisers, daß die Mi nister zu den Sportterereien gehören, weil durck diese dem internationale» Frieden gedient werde, hiervon kaum üver zeugen lassen. Politische Rundschau. Deutschland. — Die Kaiserin wohnte am VH d. M. vormittags mit dein Prinzen Eitel-Friedrich in einer Pinasse dem Start zur Wcttfahrt der Kriegsschisssbote und um lck Uhr dein Start der Sonderklasse bei. An der Wettfahrt der Sonderklasse nahm der Kronprinz ans seiner Jacht Angela teil. — Bei der Wettfahrt der KriegöschisfSboote kam es infolge der außerordentlich steifen Brise zu verschiedenen Unfällen. Mehrere Barkassen und Kutter fließe» aneinander und kenterten. Jedoch wurden die Insassen der Bote durch Dampspinassen gerettet. Von der gekenterten (Zig der Kommandantur von Friedrichsort werden zwei Mann vermißt. Kviiig Eduard von England trifft am Sonn abend nachmittag gegen :! Uhr in der Holtenaner Schleuse ei», ivo der Kaiser ihn empfängt. In Holtenau meldet sich dcr Ehrendienst bei dem Könige; dazu sind komman diert der General der Infanterie v. Kessel, der Kontre- admiral Graf von Bandissin, der Flügeladjntaut Kapitän zur See von Müller. Prinz Heinrich, als Stationschef, geht mit dem Ehes des Stabes der Station und mit dem Hafeukapitän an Bord der Königsjacht. In Kiel ist eine Denliercour auf der „Hoheuzollern" und abends Galatasel geplant. Bei der Ausbringung des Driuksprnchs ans den König feuert die ganze deutsche Flotte Saint. Am Montag besichtigen die Monarchen die aktive Schlachtslotte. Für Mittwoch abend ist ein Abschiedsessen ans der „Hohen- zollern" anberanmt. Die englischen Kreuzer verlassen Kiel um Mitternacht vom V>. znm Juni durch den Kanal. Die Abreise des.Königs erfolgt voraussichtlich am Inni früh ä, Uhr. Der König vv» England wird, wie nunmehr fest- sleht, die Stadt Hamburg am VN Juni besuchen. Der Bnndcsrat hat in seiner Sitzung vom V'>. d. M. die Reichstagsbeschlüsse zu einer Reihe von Petitionen dem Reichskanzler überwiesen. Die sörmliche Unterzeichnung des von den Unter händlern paraphierten neuen dcutsch - belgischen Handels vertrages hat am llr!. d. M. im belgischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten durch den Minister und den deutschen Gesandten stattgefuudeu. Dcr Bürsrnhandelsvcrcin hat sein Ende gefunden; bereits vor wenigen Jahren wurde von dessen Auslösung gesprochen, aber sie trat damals nickt ein. Auf der vor- ! gestrigen Generalveisa.mulmig der Akiionäre aber ist mit , V!7.'> gegen Ick Summen die Auslösung des seit 1^7ck be stehenden Iusiiluls beschlossen worden. Tie kleineren i Bankiers wehrten sich hiergegen; aber die deutsche Bank wollte nichts mehr tun und warf ihre G»E Stimmen für die Auslösung in die Wagschale. Weshalb V Weil sich die ! Aklieugesellschasl nicht mehr rentierte.' Das Institut hat im I lautenden Geschäftsjahr 17 IG» Mk. an Provision verdient, 1 dagegen aber I<"> Bäk. au Unkosten ansgegeben. Das l Interesse der Aktionäre wurde für die Auslösung ins Feld j geführt. Auch dieser Schritt geschah, um die Konzentration ! der 'Banken zu beschleunigen"! — Tiber,Uc Fürsorge für dir Br,unten nnd Be diensteten in Bayern entwickelt der „Fränkische Kurier", indem er schreibt: Tie ,.Augsb. Abendzlg." berichlcl, daß das Schicksal der Wohmingsgeldvorlage noch inuner fraglich sei und das Zentrum beabsichtige, die höheren 'Beamten anszwcklleßen. Eine ähnliche Aenßernng Hai kürzlich Tr. v. Datier gegenüber Verlehrsbeamie» gemacht: uns deucht jedoch, daß der F i n a n z m i n i n e r e h e r die g a n z e V o r l a g e z » r n ck z i e h e n. als den höhere» Staatsbeamten eine solche Krönt nng zusügen werde. Im übrigen hat der Finanznünisler dadurch, daß die Einnahmen der Staalsbahnen stetig steigen, eine neue v.uellc gesunden, ans de Simnltanschule und Pädagogik. Was von Ticferblickenden von Anfang gesagt worden ist, daß die Simnltanschnle niemals zu einer Ueberbrücknng der konfessionellen Kämpfe führen, vielmehr dieselben erst recht ins Volk tragen werde, wird heute allgemein einige fanatische Onerköpfe natürlich ausgenommen zn- gestanden. Daß die Simnltanschnle diese ihr von ihren Verteidi gern zngeschriebene Wirkung nicht haben konnte, wird einem sofort klar, wenn man z. B. an den Geschichtsunterricht denkt, wo es ohne Verletzung des einen oder anderen Teils gar nicht abgehen kann; wie denn ja bis auf den heutigen Tag die Katholiken Anlaß hatten, über die mehr als partei ische Behandlung der Geschichte in manchen Kehrbüchern zu klagen, während auf der anderen Seite umgekehrten Falls ebenso bittere Klage geführt wird, wenngleich bier der An laß recht geringfügig z» sein pflegt. Indes ist es nicht anders mit den Fächern. Man hat gesagt: das ABC und das Einmaleins, die 'Geographie nnd die Naturkunde — um also bei Gebieten zu bleiben, die auf den ersten Blick ganz gleichgiltig ans sehen — seien weder katholisch noch Protestantisch, noch jü disch noch freidenkerisch; könnten also von jedem beliebigen Lehrer vorgetragcn werden für Kinder jeder beliebigen Konfession. Ganz recht: die genannten Fächer sind weder katholisch noch protestantisch, noch jüdisch noch freidenkerisch; aber der jenige, der sie vorträgt, nicht. Dieser ist entweder katholisch oder protestantisch nsw. nnd kann ans seiner Haut nicht fahren. Ja, wer durch solche Schulen gelaufen, kann ans eigener Erfahrung bestätigen, daß manche nichtkatholische Lehrer nicht die mindeste Lust verspür,n. im Unterrichte ihre konfessionelle Richtung in den Hintergrund z» rücken, im Gegenteil ihren Unterricht eine direkt antikntholische Spitze geben. Oder ist es gar so selten, daß der nichtchrislliche M'athe- matiklehrer trotz des weder katholische» oder protestantischen tEinmaleins glaubt, schlechte Witze machen z» sollen über die Dreieinigkeit? oder der nichtckrislliche Nalurlebrer über Wunder nnd die Auferstehung Christi? oder der nichtkatbo lische Geographielehrer vom UltramonlaniSmns als der Ur sache des wirtschaftlichen Niederganges der romanischen Völker redet, wenn er den Kindern aus der Landkarte Ita lien und Spanien zeigt? von anderen Dingen ganz zu ge schweige». Als ob das alles so ganz unerhört wäre! Man hat ans den Takt der Lehrpersonen hingewiesen, welcher solche Dinge nicht auskommeu lasse. Indes man erlaube uns in einer Zeit, wo »ichtkatbolische Lebrer und Lehrerinnen die „Sündenzettel", ans welche katholische Beichtkinder ihr SündenbekenntniS sich ausgeschrieben batten, vor der gan zen Klasse öffentlich vorgelese» haben, ans solche Hinweise ans Takt nnd dergleichen mit einem Achselzucken zu ant ivorten in Erinnerung an unsere eigenen Erfahrungen: ganz abgesehen davon, daß es dock ein reckt eigenartiges Ansinnen an die Katholiken ist, von dem persönlichen Be lieben des einzelnen Lehrers abznhängen in einer so über aus wichtigen Sacke wie die Erziehung der Kinder! Was aber wird die weitere Folge eines solchen Unter rickts sein? Hört z. B. daS katholische Sckultind Aus lassnngen des Lebrers über katholi'che Dinge, welche scknnr stracks dem widersprechen, was es ans dem Katechismn.- ge lernt hat, so wird es von der „geistigen Ueberlegenbeit" des Lehrers einen höchst merkwürdigen 'Begriff bekommen mit de» Mann ob seiner mangelliaslen Kennlni''e killboiiüber Dinge bedauern. Sollen wir noch eine andere Gewbr an deuten? DaS ist die, daß das Kind bei de» durchaus evl gegengesetzten Unterweisungen in Familie nnd Schule den Glauben an die Ehrlichkeit des LebrerS oder der Eltern verliert. Wir wären sehr gespannt zu erfahren, mit welchen Gründen man vom Standpunkte der Pädagogik ans solcher lei wird rechtfertigen wollen. Daß der Person d-s Lechers, soll er eine ersprießliche erzieherische Wirkung ausüben, die vollste, durch nichts getrübte Autorität in den A"geu des Kindes znkommen muß, darüber dürste wohl jeder ruck terne Mensch keine Sekunde im Zweifel sein. Indem aber die Simnllausckule mit unausbleiblicher Notwendig,teil die 'Autorität der Erzieber in den Angen der Kinder gefährdet, ist das Urteil über die Simnltanschnle vom Standpunl! d« c Pädagogik ans fertig. Eine Empfehlung iß dieses Urteil aber nicht. Schon ans diesen Erwägungen berauS ergibt sich, daß eine Simnltanschnle immer nur unter dem Gesichtspunkte des notwendigen Uebels betrachtet werden muß und ernst hast nur dort in Frage kommen kann, wo die praltinheu Verhältnisse entsprechend gelagert sind. Vollends zeigt die alltägliche Erfahrung jene Rellame tür die Simnltanschnle als leere Marltschreierei, wonach sie dem religiösen Streit ein Ende macben soll. Auch liier denke man sich in die Wirklichkeit hinein, lieber irgend ein Urteil des Lebrers in irgend welchem UnlerrichtSsache sülileu Kinder der einen oder anderen Kon sessiou sich verletzt. Was werden sie dann tun? Sie werden sich zn Hause erkundigen und am anderen Tage nickt mit dem Lebrer, ivobl aber unter sich ein „Religionsgespräch" veranstalten, das zumeist in einer für die Schulranzen und Schnltaseln nickt immer förderlichen Weise endet. Und die Simnltanschnle, ivelche nach der Reklame ihrer Propheten die Brnnnguelle des konfessionellen Friedens sein sollte, wirkt als Brutnesl des konfessionellen HaberS!! Man denke daun vollends au die Schule im Sinne der Sozialdemokratie, ivelcbe ja direkt gegen die religiöse Nach Wirkung des Elternbanses anstürmen soll, um zn erlennen, wie in all' diesen Forderungen einer simultanen nnd Ion sessionslosen Schule den allereinsacksten Forderungen aller vernünftigen Pädagogik Holm gesprochen wird. Wir baden nichts dagegen, wenn man in Sachen der Schule die Berücksichtigung der Forderungen der Pädagogik betont, aber dann macke diese Pädagogik ans der ganzen Linie ernst und lege sich nickt fest ans die Forderung der Simnltanschnle, welche aller gesunden Pädagogik zuwider ist; sonst liegt der Zweifel an die ehrliche Absicht dieses Be tonens der pädagogischen Forderungen zu nabe.