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Vtr. EV7 — LL Tahrgau». Dten-ta^de» L«. September L»L» - < iä,IIch M«ch«, »n! »u»na-m» Eonn und Festtags Deutschland ^rei Hau« ik Sit ln Oesterreich > ohne illustrierte Bella,» I» Dresden durch Boten » v«m» D.Ds» in Oester«! Unabhängiges Tageblatt K-WUÄ?«"? Wahrheit» Recht und Freiheit t mit .Die »eit in Wort und Bild' viertelstihrlich -,10 In Dresden durch Boten »4« ^ In oan» L>-in Oesterreich 4.4» I- bie «qespaltene Petii.eile oder deren Rau», ^ "oi W.ederho.un.«. »Der Kaiser soll katholisch werden." Unter dieser marktschreierischen Ueberschrift sicht durch eine gewisse Presse ein Artikel, der es nicht verdient gelesen und besprochen zu werden, aber dennoch erwähnt werden mich, weil er charakteristisch ist für die sinnlose Methode, mit der die Soldschrciber des Fanatismus gegen die Katho liken wüten. Das „katholische Deutschland", das Organ des Grasen Oppersdorf, brachte — wenn die Angaben des genannten Artikels stimmen — znm 2. September einen Aufsatz, in dem von einem Gebete „für unseren lieben Kaiser" die Rede war, und in dem es wörtlich hies;: „Ja. wir wagen, weil wir ihn lieben, sogar darum zn beten, das; Gott ihm neben allen Glücksgaben auch einmal das höchste Glück des heiligen einzig wahren katholischen Glaubens gewähren möge. . . Wie sollte ich meinem Könige, den ich liebe, nicht das höchste Glück, das der Wahrheit und der innigsten Vereinigung mit Gott, wünschen , , ," Jeder vernünftige Protestant wird über dies Gebet einer kindlichen Seele schlimmsten Falles lächeln, zumal sie gleichzeitig gelobt: . . Wir sind monarchistisch und königs- tren, auch wenn eS nicht immer nach unserem Wunsche geht, auch wenn der König nicht unseres Glaubens ist. Wir und und bleiben königstren unbedingt und immer." Der hitzige Verfasser der Entgegnung aber setzt sich hin und schreibt: „Der Kaiser soll katholisch werden, die Jesuiten sollen ins Land, um das unbegneme Gebilde eines Dentschen Reiches mit einem Protestanten als Kaiser zn unterwühlen: hier sagt der UltrainoutaniSmns endlich die Wahrheit und gesteht offen seine letzte Absicht ein. Und hat nicht vor kurzein erst die „Germania" „die edleren Elemente" ganz offen zur Rückkehr in den Schoß der katholischen Kirche aus gefordert? Das ist das System, in das rin Kaiser evan gelischer Konfession, der sich vom Papst nicht befehlen läßt, nicht hineinpaßt. DaS Zentrum ist mitverantwortlich, wenn das „Katholische Deutschland" Ernst mit den nltramontanen Grundsätzen macht, wenn der Kaiser in seinen edelsten reli giösen Empfindungen beleidigt wird und wenn das gesamte deutsche Volk in unerhörter Weise heransgefordert wird. Wie würden die nltramontanen Helden toben, wenn man ihnen einmal znmnten wollte, der Erzbischof von Köln solle protestantisch werden." Satz für Satz der blühendste Unsinn! „Der Kaper soll katholisch werden" Tie Jesuiten sollen ins Land, um das unbegneme Gebilde eines Teutschen Reiches mit einem Protestanten als Kaiser zn nnterwiihlen." „Das Zentrum ist mitverantwortlich — alles Unsinn!... „Der Kaiser in feinen edelsten religiösen Empfindungen beleidigt" lächer lich! Das gesamte deutsche Volk" (der kleine Stramvel- peter scheint sich wirklich für „das gesamte deutsche Volk" zn halten) „in unerhörter Weise herausgefordert" - doppelt lächerlich! Irgendwo betet ein frommes Gemüt um die Konversion des .Kaisers, gleich ist Kaiser und Reich in (befahr, die Jesuiten — von denen natürlich gar nicht die Rede ist — laufen und rennen, bohren und brechen schon! Das ist pathologisch, eine heillose Gedankenverwirrung, der ein Arzt die größte Aufmerksamkeit und das wärmste Mitleid schenken wird. Meint der Aermste znm Schlüsse seiner Mär: „Wie würden die nltramontanen Helden toben, wenn man ihnen einmal znmnten wollte, der Erzbischof von Köln solle vrote 'tantisch werden" — so ist zu erwidern, daß die ultramon- tanen Helden nicht zn „toben" pflegen, selbst wenn es ihnen auch noch so drastisch vorgemacht wird, sie würden sich j„ diesem Falle mit einem stillen Lächeln ganz zufrieden geben. Das wäre eigentlich auch die richtige Antwort ans die Schreibereien des erregten Patrioten gewesen, wenn nicht fast die ganze „antinltramontane" Presse die konfuse Weisheit ihres Spießgesellen gedankenlos abgedruckt hätte, ohne sich auch nur im geringsten ihrer fragwürdigen Vetter^ scbaft zn schämen. Zur Teuerunqslrage bat oie sozialdemokratische Fraktion des Reichstages eine Eingabe an den Reichskanzler gemacht mit dem Ersuchen, die schleunigste Einberufung des Reichstages zn veranlassen „zur Herbeiführung der gebotenen gesetzlichen Maßnahmen", als solche werden oezeichnet „die Aufhebung der Einfuhr zölle auf Lebeiismitel, insbesondere auf Viel, und Fleisch, die Oeffnung der Grenzen für die Einfuhr von Vieh unter Ansrecbterbaltung unerläßlicher Sicherhest-.-maßiiahmen gegen die Einschleppung von Seuchen, die Aufhebung der Fnttermittelzölle, die Beseitigung der Einfubrscheine und vor allen, die sofortige Ochsnuug der Grenzen für die Eni fuhr von frischem und zuoercitewm Fleisch". Wollte die Reichsregiernng zn diesen Maßnahmen greifen, dann wäre allerdings die Zustimmung des Reichstages erforderlich. Im übrigen scheint cs der Sozialdemokratie hauptsächlich darauf anznkommen, die gegenwärtige Fleischicnerung parteipolitisch auSznuützen. Wenn in der Eingabe auf die Erregung und Erbitterung bingewiesen wird, die über die herrschende Teuerung in den weitesten Kreisen Platz ge griffen habe, so ist es ja nicht zn leugnen, daß diese Erregung tatsächlich vorhanden ist; allein mit Hetzartikel» wird da gegen nicht? ausgerichtet und die in der Eingabe erwähnten zen cas einzige Heilmittel erblicken und das Volk glauben mame». daß »ach Oeffnung der Grenzen auf einmal die chtch'rang verschwunden sein würde. Eine unvorsichtige ^eminng der Grenzen hat uns bisher immer nur Schlim mes gebracht. Vor allem anderen ist die Gefahr der Ver- iemluing da.^ Wenn es auch meist sehr schwer nachznwcisen Nt, wo die Dc»che ihren Ursprung genommen, jedenfalls lv.bl cos eine fest: d,e Gefahr der Vcrsenchnng ist eine so uro,;e, daß scharfe Gegenmaßnahmen aufrecht erhalten blei- cn mußen. Und was ist sonst die Folge der Aushebung der Uicngpeiie? Vor zwei Jahren wurde ja die Einfuhr von Nanzonnliem Vieh für eine Reihe von Märkten freigegeben, -vas war bas Resultat der Einfuhr? Tie Preise sind keineswegs gesunken, sondern liaben sich trotz der Einfuhr ans der alten Höhe erhalten, (bleich zn Beginn der Ein sal r konstatierte der liberale „Schwäbische Merkur" am lR November UNO: „Der offizielle Vielmiarktbericht von ..cannheim bestätigt, daß das sranzosisclze Vieh teurer war als das einheimische.' An, 20. Rovember war dasselbe Blatt in ^orge, ob die Preise nicht noch mehr steigen würden, „da die starke deutsche Nachfrage bereits ein Steigen der Viehprcuse ans den französische» Märkten zur Folge gehabl bat . Lasselbe toustatierte der württembergische „Staats anzeiger" am l. Dezember 1010 mit den Worten: „Es sind daher auch die Großvicbpreise in Württemberg infolge der französischen Einfuhr nicht zurückgegange»." Neuerdings sucht die sozialdemokratische Presse wieder tieigeheude Widersprüche zwischen einzelnen Zentrnms- snbrer» in der Frage der Grenzsperre anszugraben. Hierzu haben >vir^ zn lagen: Wir standen und stehen noch immer auf dem ^taudpuult, daß eine nnoebinderte Oeffnung der Gieuzen nicht in Betracht kommen kann. Der Abgeordnete Lrimborii bat seinerzeit eine bedingungsweise Oeffining der holländischen Grenze in Vorschlag gebracht. Darüber ließe sich reden, ob ähnlich wie im Osten die holländische Grenze stir eine kontingenierte Einfuhr zu öffnen sei, wo bei die ^notwendig gebotenen Vorsichtsmaßregeln gegen etwaige Senchenübertragnng ans das Inland eher vorge sehen werden können. Es muß aber betont werden, daß auf m cu.sccc c >mc.c cae io. „er r- ingaoe eiivamiien ,even werden rönnen. Es MUß aber betont werden, daß auf Maßiegeln dünsten znm gießen Leite kaum dcn von den , eine derartige stNaßnahme keine übertriebenen Hoffnungen Sozialdemokraten erwarteten Erfolg auf die Heralmnnde- > geknüpft werden dürften. DaS kleine Holland „nt seiner rnng der Fleischprene haben. ! geringen landwirtschaftlichen Bevölkerung kann für die Auch in Dresden gibt die Teuerung der Sozialdemo- Fleischversorgung Deutschlands keine ausschlaggebende Be tratst- Geleaeubeit ui einer auSaiebstieu Aaitatstm ES heut>>„a haben omilanh Er r,-i„ c.„,sti,. tratst' Gelegenheit zu einer ausgiebigen Agitation. E. werden sozialdemokratische Flugblätter verteilt, die das be kannte Schlagwerk der „Volksausplünderung durch die Agrarier" iu allen Tonarten variieren und znm Anschlüsse an die völkerhesreiende Sozialdemokratie auffordern. Protestversammlungen sollen in der nächsten Zeit in Dresden und Umgebung abgehalten werden. ES unterliegt gar keinem Zweifel, daß man gut daran tun würde, der Sozialdemokratie den Wind aus den Segel» zu nehmen und das Mögliche zu tun, um der drückenden Teuerung einigermaßen abznhelsen. Hierbei käme noch am cbesten die Einfuhr von überseeischem Fleisch in Betracht. Auch der ..Vorwärts" schreibt in Nr. 2<>l>: „Wir betonen, daß eine Oesfnnng der Grenzen nicht soviel hilft, als dir Eiufnhrerlaubnis für überseeisches gekühltes Fleisch!" Da mit bestätigt der „Vortwärts", was wir in Nr. 20l gr- ßhrieben haben: Man soll nicht in der Oeffnung der Gren- deutnng haben. Holland ist kein überwiegender Ackerban- staat, sondern ein überwiegender Handelsstaat, nur zwei Fünftel der holländischen Bevölkerung sind i» der Landwirt- schast beschäftigt. Deuts^e-, Reich. r «'i-n H-- n W'ateuiher INI' Der Kaiser ans der Rückreise von der Schweiz. Der Kaiser hat hochgestellte» Schweizer Persönlichkeiten An denken .zur Erinnerung überreiche» lassen. Schweizer Blätter erkläre», warum dabei kein Orden war. ES dürfen näm- licli. nach der Schweizer Bundesverfassung Beamte und Offiziere keine Orden annehinrn. Die „Nordd. Altgeui. Ztg." veröffentlicht den „Dank des- deutschen Volkes" für den Empfang, der dem Kaiser in der Schweiz zuteil wurde. Sie sagt n. a.: „Wir spreche» uns auch politisch wertvoll erscheint es gern ans, daß es wenn der Bestich k. Martin von Cochem. Zu seinem 200 Todestag (10. September 1712 — 1012). Von 11"ivcrsit,'iEvrofissor Dr. WNäelm Oe hl s-?rewurp) „Ist es nicht in unseren Tagen, als sähe man die Toten erwachen? Ta kommen sie plötzlich daher in neuem Zuge, die Männer der dentschen Mystik, voraus die ganz großen Meister: Eckhart, Tauber, Sense, der Versager der „dentschen Theologie", in weiterem Abstande Friedrich v. Spee, Angelus Silesins, Martin von Eochem, hinterdrein Sailer und Hirschcr. Aber es ist nicht der Dust des Grabes, der von ihren hundertjährigen Gewändern ausgeht, es um weht sic ein Tust des Frühlings und des Lebens." So schließt die Einleitnng der schönen Auswahl aus Martin v. Eochems Werken, die Heinrich Mohr unter dem Titel „Der Rosengarten" soeben veröffentlichte. Und in der Tat es ist so. Wir leben in einer Periode romantisch- mystischer Renaissance. Das Mittelalter wird in seiner ganzen Herrlichkeit wieder lebendig, und zumal die katho lische Mystik des Mittelalters ist im Begriffe, eine lite rarische Mode zn werden. Auch die Fachwissenschaft, die Germanistik, entdeckt aufs neue die „deutsche Mystik". Und k>as viele Generationen hindurch halb vergessen, halb ver- verachtet, ja selbst staatlich verfolgt, nur in den „dunkelsten" Hinterländern des katholischen Deutschlands ein küinmer- liches, „nnliterarisches" Dasein fristete, das wird nun ans einmal modern, wird literatnrfäbig. wird interessant, ja wird sogar vom offiziellen wisscnschaftlickM Betriebe sorg- fällig berücksichtigt. Zu diesen lang übersehenen, lang verspotteten, nun neuentdeckten Größen gehört auch der Kapuziner Ist Martin von Cochem, einer der dentsclrestcn Schriftsteller aller Zeit, einer der tüchtigsten, verdienstvollsten Söhne seines Volkes. Martin von Cock>ems Leben fällt znm größten Teile ins 17. Jahrhundert, in eine der traurigsten Perioden deutscher Geschichte. Es ist die Zeit des 30jährigen Krieges, der Türkenkriege, der französischen Raubkriege, des spanische» Erbsolgekrieges. In dieser Zeit voll Schmach und Schmerz wickle Ist Martin von Eochem als Volksprediger, als Volks- schriststeller, als Kirchenreformer zum Heile seiner tief ge- demütigte» Nation so erfolgreich, daß die Wiedererhebnng Deutschlands, das Erstarken und Gesunden deutscher Kultur und Volkskrast zn gutem Teile sein Wert ist. Er ivnrde in der Moselstadt Eochem am 13. Dezember l03l geboren und trat »ach Absolvierung der Lateinschule, ' achtjährig, 10.03 in den Kapnzinerorden. Vor der Priester weihe machte er den in seinem Orden üblichen sechsjährigen Stndiengang durch zwei Jahre Philosophie u»d vier Jahre Theologie, und empfing Ende 1650 oder Anfang 1600 die Priesterweihe. (Wir folgen der Chronologie, die Ist Job Ebrys. Schulte O Cup. in seiner Biographie „Ist Martin ton Eochem" (Freibnrg, Herder, 1010). der neuesten und anssührlichsten Arbeit über den Gegenstand, ausitelll. Schnltes Werk sei bei dieser Gelegenheit nachdrücklichst empfohlen.) Schon nach wenigen Jahren, 160-1 wurde der junge Kapuziner Pon der Provinzialleitnng seines Ordens znm Lektor, daS ist Professor der Philosophie ernannt. Er wirkte iinn jahrelang im Mainzer Kapnzinerkoiivent, einer der trefflichsten geistlichen Hochschulen jener Zeit. Ter spätere Volksprediger und Volksschriftsteller legte also ein breites Fundament positiven Wissens für seine künftige Wirk samkeit. Aber Ist Martin von Cochem war nicht bestimmt, als Theologie- und Philosophieprofessor in einem engen akade- misclssn Kreise zn lehren. Ist Marlin pon Eochem mußte seine Vorlesungen einftellen und widmete sich mit seinen Mitbrüdern der Pflege der Pestkranken. In eben dieselbe Zeit fällt aber auch die Abfassung seines Erstlingswerkes, das „Das Kinderlchrbüchlein", das 1666 bei F. W. Frießem in Köln gedruckt wurde. Der Kölner Buchhändler — übrigens derselbe, der Friedrich v. Spees „Trutznachtigall" und „Güldenes Tngendbnch" verlegt hatte, - hat das Ver dienst, das literarische Genie Martins erkannt zn haben. Er fand seine Schreibweise so eigenartig und so volkstüm lich. daß er dem .Kapuziner dringend riet, seine Lehrtätig keit als Lektor anszngeben und sich ganz der religiös-volks tümlichen Schriftstellerei zu widme». Die entscheidende Wendung trat im Jabre 1063 ein, als Ist Martin seines Lektorates enthoben und der Seelsorge Angewiesen wurde. Von 1003 an wirkte er als Pfarr- prrdiger, Katechet und Beichtvater zn Bensheim an der Bergstraße nnd von 1070 bis 1073 gehörte er dem Kloster der Stadt Königstein im Taunus an. von Ivo er stunden weit im Umkreise als Seelsorger tätig war. In dieser Zeit angestrengter Bernssarbeit fällt dir Abfassung und Druck- lcgnng von Eochems berühmtestem Werke, dem „Leben Christi". daS um <077 znm ersten Male erschien, binnen Fahressrist in 1000 Eremplaren vergriffen Nxir und bald bedeutend erweitert unter dem Titel „Das Große Leben Christi" in vielen Auflagen in ganz Deutschland ver breitet ivnrde. Das Lebe» Christi ist eines der interessantesten Bücher, die je gedruckt wurden. Es ist als geistliche Lesung für die Festfolge des Kirchenjahres angelegt nnd sammelt gleich einer „Legenden-Enzyklopädie" alles das, was die früheren Jahrhunderte über den Gegenstand geschrieben haben. Als poetisch-erbauliche Lektüre, nicht als streng wissenschaftliches, historisch-dogmatische-.- Lehrbuch tritt diest'S Legenden-Mosaik in die Oeffrntlichkrit. Und der Verfasser gibt anch selbst Rechenschaft über seine Onellen. Hauptsächlich benützte Cochem — außer der Bibel natürlich — die Schriften der Kirchenväter nnd .Kirchenschriftsteller, die .Kommentatoren der Hl Schrift. Neisebeschreihnngen neuerer Palästina- ,eisender (er nennt 20 solcher ..Neisebeschreibnngen" als