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Sächsische Volkszeitung : 14.07.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192107147
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210714
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210714
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-07
- Tag 1921-07-14
-
Monat
1921-07
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 14.07.1921
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N I«« 2V. Jahrg. Fe,»s»e-«h«r: «idÄttt.n 3-723 - «e,cha,t.ft.,e 32722 Poftsckeckk»»«»: Drestzen Nr. 14797 SiickMe Donnerstag, i» Jnu rn2l ««daktion und Geschäftsstell«: Dresden -41. >8, Holdetnftratze 4« v o Ifsrettun a O»t»lS>r«tSl VierleljährNch tr«i Hau» Au-gade » n,N illulirierlcr Beilage >id.7S ^ SlnSgabc » t> >t» »lnIchNehtt» Pohbehellg-Id L>» Stchfilch» volk»t«tNing »rlchAnt an alle» Wochentagen nachm. — Sprechstunde der Redaktion tI dt» IS Uhr vorm. «n,.t,.n. «»nahm- von <S-,chatt»anj°>aen dt» I« Udr. von Han,i,ie»a»^,ge» bis , I Ul,r vorm. - Pret, ,ür d^. «.,st.SP°t,»tI. aller «„zetaen ,.«« tm Ncktamete., » St» ^ - »ur undeu.Uch aekchr>ebc„e. ,°wte durch S.m,v«cher au,gegeben, «nj.tg... 'dnn.n dt. Lerantmortlichkei. sitr die Richtig,... de» reLeS nicht übernehmen Die grstze Geste In der französischen Kammer hielt der Ministerpräsident Briand am Montag die schon seit längerem erwartete Rede über die Orientpolitik, und. was uns am meisten interessiert, über die Stellungnahme Frankre.chS zu Deutschland in der Frage der Sanktionen und der Frage betreffend Oberschlesien. Was lepteres anlangt, so hat er seinen Standpunkt nicht näher prä zisiert, jedoch genügend seine Anschauung; wie die der französi schen Negierung durckblicken lassen, indem er an die ursprüng liche Fassung des Versailler Vertrages, „Oberschlesicn Polen an zugliedern," erinnerte und betonte, daß „somit von vornherein eine starke Stimmung zugunsten Polens vorhanden gewesen sei." Wenn er allerdings meint, die Autorität der Interalliierten Kommission in Oberschlesien sei wieder hergestellt, so ist dies in keiner Weise der Fall, sondern die Liquidierung des polnischen Aufstandes ist nur rein formell und äußerlich, während in der Tat die Insurgenten wie die neuesten Meldungen aus Ober- schlesien zu berichten wissen, noch mnner die Gewaltherrschaft mit allen Folgeerscheinungen führen, und der Autorität der inter alliierten Kommission nach wie vor auf der Nase herumtanzen. Briand hat vor der Kammer keinen leichten Stand, und gerade ,n letzter Zeit sucht man wieder stark gegen ihn Sturm zu lau- fen. Das kam auch in seiner ganzen Rede immerhin in etwa zum Ausdruck. Um so beachtenswerter ist die Wendung Briands im Hinweis auf die Ermordung des Majors Montalegre in Beuthen, daß Oberschlesien kein deutsches Territorium sei, son dern von der interalliierten Kommission verwaltet und regiert werde und somit die deutsche Regierung für diesen Zwischenfall in keiner Weise zur Rechenschaft gezogen werden dürfe, noch könne. Wenn er allerdings vie Sühne für diesen immerhin be- daucrlichen Zwischenfall darin zu erblicken glaubt, daß der Bürgermeister von Beuthen verjagt worden ist, so muß dem gegenüber doch betont werden, daß, falls die Untersuchung über die Todesursache des französischen Majors auch weiterhin keine Schuld auf deutscher Seite nachzubringen verinag, von uns ans alles geschehen muß, um gegen eine solche Maßnahme französi- scherseits energischen Protest zu erheben. Hat cS doch gerade auch einmal wieder in diesem Falle mehr und mehr den An schein, als ob dre Schuld zum größten Teile auf französischer Seite selbst liege. Was aber an der Briandschen Rede noch weit mehr interessiert, das sind seine Ausführungen über die Bei behaltung der Sanktionen, denn anderes läßt sich aus diesen nicht entnehmen. Nachdem das Kabinett Wirth, wie auch Briand selbst zugeben muß, alles getan habe, um die Wiedergutmachung und hie Abrüstung Deutschlands den Forderungen der Entente entsprechend durchzuführen, macht ihm Frankreich nun neue Schwierigkeiten, indem es die Leipziger Prozesse nun dazu be nutzt, einen Grund für die Beibehaltung der Sanktionen zu fin- den. Erst wenn diese drei Ziele: Wiedergutmachung. Bestra fung der Kriegsschuldigen und Abrüstung Deutschlands erfolgt seien, kann nach Briands Rede die Aushebung der Besetzung von Ruhrort, Düffeldorf und Duisburg ins Auge gefaßt werden. Er gibt also hiermit eine neue Konstruktion für die Sanktionen dadurch, daß er diese nicht mehr als Folgeerscheinung der Wei terung zur Annahme des Pariser Abkommens hinstellt, so daß re also, wie dies in Deutschland und in den übrigen Kreisen der Entente die Ansicht ist, mit der Annahme des Londoner Ultima tums hinfällig geworden sind, sondern sie mit obigen drei Fragen verquickt. Frankreich will also weiter nichts, wie die deutschen Obergericht« zwingen, um zu Recht oder Unrecht die sogenannten Kriegsverbrecher zu bestrafen. Und da dies, wie man sich auch in Frankreich sagen muß, nicht eintretcn wird, so- weit die Unschuld der Angeklagten klar erwiesen ist, wie zum Beispiel im Prozeß gegen General Stenger, so hat Briand die gegebene Gelegenheit, leine Gegner in Frankreich mit der Ver sicherung der Beibehaltung der Sanktionen zu beruhigen, und gewissermaßen zu versöhnen. Dann kommt aber noch die große französische Geste, die deni stolz erhobenen Siegcrhaupte vermeintlich so gut steht, und die vor allem dazu angetan sein muß. auch jeden Widerstand gegen das Kabinett Briand selbst bei den unversöhnlichsten Na- tionalisten zu brechen. Und da» sind immerhin der noch für den Notfall in Aussicht gestellte Vormarsch der französischen Armee und dann Maßnahmen gegen Deutschland, falls die französisch« Gewaltpolitik zum Sturze des Kabinetts Wirth führen würde. Frankreich besitze die Macht, so ruft Briand in da» eigen« Parlament, dann aber auch über den Rhein hinüber jenen vermeintlichen deutschen „Nationalisten" und „Pangerma- nisten" zu. welche die Lehren des Krieges immer noch nicht er- faßt hätten, und an irgend eine Revanche dächten, sofort not- wendig werdende Maßnahmen zu ergreifen. Und so drohend gebährdet er sich im selben Moment, wo er auf der anderen Veite davon spricht, er hoffe, daß die Demokratie in Deutsch, land endlich festen Fuß fassen werde und die Möglichkeit einer Verständigung unter Aufnahme normaler Beziehungen zu Deutschland wieder gestatte. Sieht Briand denn nicht und mit ihm die französischen führenden Politiker, daß sie gerade immer wieder durch die Ge walt- und Drohpolitik den Demokraten in Deutschland den schlimmsten Stoß versehen und da» Kabinett Wirth durch eine solche Politik selbst am meisten gefährden. Wenn eins gerade die Stellung de» Reichskanzlers Dr. Wirth beseligt hätte, so wäre e» — darüber dürfte doch kein Zweifel bestehen — die sofortige Aufhebung der Sanktionen gewesen. Diese und eine schnelle und günstige Entscheidung über Oberschlesten hätten Dr. Wirth und sein Kabinett am besten gestützt und es dürfte doch sehr fraglich sein, ob bei einem derartig hartnäckigen Stand- Punkt Frankreichs bezüglich der Sanktionen und bezüglich Ober- schlefien» sich diese» Kabinett Wirth auf die Dauer wird halten können. Abgesehen davon, daß die Worte von Versöhnung und Verständigung weder in Deutschland, noch auch im übrigen Europa, selbst bei verständigen Politikern der Entente auf Glauben stoßen. Fm Gegenteil: wenn eins vermag erneute Er bitterung in Deutschland hervorzurnfen, dann ist es die Anfrecht- erhaltung der Sanktionen, die nicht nur als großes Unrecht empfunden werden nach der bereitwilligen Annahme des Ulti matum», sondern di« es Deutschland auch unmöglich mach.::, seinen Verpflichtungen aus den Reparationsleistungen völlig »awzukommen. k Die Abrüstungskonferenz Bekanntlich hat der amerikanische Präsident Harding an die Staate» der Entente eine Einladung ergehen lassen, in der da von gesprochen wird, daß nnnmehr die Völker zu dem Entschluß kommen sollen, die Frage der Abrüstung einer eingehenden Be- sprechung zu würdigen. Von England ist auch bereits auf diese Einladung hin die Antwort erfolgt. Lloyd George selbst hat sich bereit erklärt, nach Washington zu gehen und an dieser Konferenz teilzunehmen. Man rechnet damit, daß auch Cnrzon unter den Vertretern Englands sein wird. Außerdem werden als Konferenz teilnehmer genannt der Marineminister Lord Lee, der^ Admiral Beatty, der Kriegsminister Evans und Feldmarschall Sir Henry Wilson. Eine Antwort Japans soll bereits nach Washington unterwegs sein. Was die französische Delegation und die fran zösische Teilnahme an der von Amerika angeregten Konferenz betrisst, so liegen sichere und abschließende Meldungen darüber noch nicht vor. Wenn der Matin richtig orientiert ist, so soll Ministerpräsident Briand beabsichtigen, sich selbst zu der geplan ten Konferenz »ach Washington zn begeben. Interessant sind die Aeußerungen, die Rene Viviani, der frühere Ministerpräsident und Delegierte Frankreichs bei der Genfer Versammlung einem Vertreter der Agence Havas im Zusammenhang mit dieser An- geleMiheit gemacht hat. Dieser habe ihn nach den vorliegenden MellAmgen gefragt, ob der Ausschuß des Völkerbundes für die Beschränkung der Rüstungen, in dem er, Viviani, den Vorsitz führe und der ans nächsten Sonnabend nach Paris einberufen sei, nicht infolge der Einladung der Vereinigten Staaten zn einer internationalen Konferenz vertagt werden würde. Viviani habe daraus geantwortet, der Ausschuß solle am Sonnabend in der Tat zusammentreten; alle Vorkehrungen seien hierfür getroffen. Aber die Einladung der Vereinigten Staaten bilde jedoch eine durchaus neue und wichtige Tatsache, die imstande sei, den Lauf der Dinge zu ändern. Der Ausschuß werde Sonnabend Vormit tag im Luxemburg-Palast znsamnieiitreten, sich aber voraussicht lich nach Kenntnisnahme des Schrittes der Vereinigten Staaten vertagen. Viviani selbst beabsichtigt, in seiner Ansprache zum Ausdruck zn bringen, wie die amerikanische Initiative von ihm persönlich aufgefaßt werde und inwieweit sie in Beziehung stehe zu den Arbeiten des Völkerbundes. Nun liegt auch bereits eine Meldung des ExchangeTele- graf vor, die, wenn man ihr glauben darf, den dritten Jahres tag des Waffenstillstandes, den ll. November als den Eröffnungs tag der von Harding vorgeschlagenen Abrüstungskonferenz be- 1 zeichnet. Der Konferenz soll ein ausgedehntes Programm znge- dacht sein. Zunächst soll eS sich darum Handel», alle Möglichseiten zn beseitigen, die zu internationalen Reibungen führen könnien. Dann will sich die Washingtoner Konferenz auch damit beschäf tige», die Verwendung giftiger Gase in einem künftigen Kriege zn verhindern und den Gebrauch von Flugzeugen nach Möglichkeit einzuschränken. Der dritte Punkt, um den es sich handelt, wird in der Frage der offenen Tür in Sibirien und China liegen. Man nimmt an, daß die chinesische Angelegenheit die am schwer sten lösbare sein wird, da sich hier die Interessen Japans und der Vereinigten Staaten verhältnismäßig schroff gegenüberstehen. Als Hauptziel der Konferenz wird jedoch nach Aenßernng des N e w y o r kH e r a l d aus Washington angegeben, daß man sich ent schlossen habe, alle Fragen der Entwaffnung zwischen den fünf Nationen zu studieren, in der Absicht, daß das Ziel der Konferenz genügend weit gesteckt werde, damit jede Frage in Betracht ge zogen werden könne. Nach der Auffassung HardingS müsse man eine große Anzahl von Gegenständen diskutiere». Sollten sich einige Staaten jedoch weigern, über die Nüstnngssrage zn spre chen, bann habe die Konferenz nur ein begrenztes Arbeitsfeld. Einen wichtigen Faktor der Diskussion würden die Probleme des fernen Ostens bilden. Man hebt ans amerikanischer Seite hervor, daß die .Konferenz nur dann, wenn Einigkeit herrsche, zn einem entgültigen Ergebnis kommen könne. Zur Krise im deutschen Lehrerverein bieten die innerhalb des Vereins jetzt vielfach hcrbortrctenden Stimmen für eine Revision seiner Stellungnahme zum Religionsunterricht ein bezeichnendes Bild. Selbst offizielle VercstiSblütier wie Preuß. Lehrerztg. und Altg. Deutsche Lehrerztg., sind genötigt, solchen Meinungsäußerungen Raum zu geben. Der Deutsche Lehrerverein fordert bekanntlich seit 1919 nicht mehr, wie früher, die Simultanschule, die ihm auch damals nur eine Etappe in der weiteren Entwicklung er schien. sondern tritt ein für di- weltliche Schule init interkon fessionellem, religionsgeschichtlicheni Unterricht, der sogenannten „Lebensknnde". Der unermüdliche Vorkämpfer dieser Idee seit 30 und mehr Jahren, Schulrat Scherer (Offenbach), hat neuerdings wieder in einem programmatischen Artikel in Nr. 6? der Preuß. Lehrerztg. vom 4. Juni d. I. diesen Standpunkt tla heranSgearbeiiet und begründet. Trotzdem ist es Tatsache, da weite Lehrerlreise dem Diktat der Vcreinsgewaltigen einfac nicht mehr folgen. Bezeichnend hierfür sind besonders die um, mehr schon inehrsach veranstaileten Abstimmungen über die Bei behaltung des ReiigiousiinierrichicS unter den Mitgliedern. Ein solche Abstimmung Hai kürzlich, wie wir der „Köln. Volksztg. entnehmen, der Altg. Lehrerverein im Regierungsbezirk Wies baden unter seinen Vereinsmitgiicdern veranstaliet. Eben so wie früher in Westialen ergab sich auch hier eine überwülti gende Majorität für die Beibehaltung des- bekenniniSmäßigei Religionsunterrichtes. Die Abstimmung geschah, wie ein rech versteckt nntergcbrachier Koerespondenzariitel der Preuß. Lehrer zag. hervorhcbt. völlig geheim. An der Abstimmung beteiligte! sich 76 Prozent der Mitglieder. Es stimmten davon 95 Prozen für die Beibehaltung des- Religionsunterricht in der Schule überhaupt und hiervon wieder 93 Prozent dafür daß dieser Unterricht mit den Grundsätze» der Religionsgemein schäften übereinsti,innen soll. Nur 4 Prozent waren für eine, interkonfessionellen Religionsunterricht, und 1 Prozent lchni> seden Weltanschauuiigsuiiierricht nb. Von den 95 "'rorent de den bekeimiiiistreucn Religionsunterricht fordernd,-. stimme, waren 92 Prozent gegen eine nmnitielbare kirchliche Svnderauf den Religionsunterricht. Für die Vrrwerinng de Ikn sn.'lirntett Prozent, einen gesondrrien systematischen Kairchisinnsunierrich n unechten 21 ProZDul, 03 ÄrozeM de Religionsunterrichtes, insbesondere der SloffauSwahl. Außer- ordentlich bemerkenswert ist, das für die Beibehaltung der nassauischeir Simultanschule, die bekanntirch mit der Gemein- schaftSschule des Reichsschulgesetzeniwurfes nicht verwechselt weich den darf und erst recht nicht identisch ist mit der weltlichen Schule deS Deutschen Lehrervcreins, nur 93 Prozent stimmten, während 7 Prozent die Kofessionsschule wünschten! Was sagt die Vereinsleitnng zu einem derartigen Abstimmungsergebnis in einem Zweigverein des Verbandes? Wenn auch das Abstim mungsergebnis mit seiner Ablehnung einer kirchlichen Aufsicht über den Religionsunterricht der Lehre der katholischen Kirche nicht entspricht, so muß inan doch daneben Hallen, daß cs sich zu einem großen Teile um protestantische Lehrer handeln wird, dis derart abgestimmt haben, da neben dem Allg. Lehrerverein de» Bezirks »och ein blühender katholischer Lehrerverein besteht. Ncrchsjnftizm^nister Schiffer gegen Briand Berlin, 43. Juli. Meichsjustizministcr Schiffer gab heute in einem engeren Kreise im Demokratischen Klub folgende Er- kl ärungen über Briands Kritik an den Verhandlung^» des Reichsgerichts, über die sogenannten Kriegsverbrecher, ab: Die Reden des fraiE, zwischen Ministerpräsidenten enthielten in letzter Zeit in ganz auffallender Art gehäufte Unfreundlichkeiten und An griffe gegen Deutschland. Durch diese, Po» »ns kenieSwcgs provozierten Ausfälle wurde zum inindrsten der Eindruck erweckt, als ob dadurch nur immer aufö neue nur der Haß und die Lei denschaft der KriegSzeit wieder aufgcrülnst werden sollten, um eine Grundlage für die Fortsetzung der Politik der Gewalt gegen Deutschland zu schaffen. Nachdem das Ulti matum nicht nur angenommen, sondern in wesrnilichen Teilen (Entwaffnung, Zahlung einer Milliarde Goldmark usw.) schon .erfüllt ist, ist wirtlich nicht zu verstehen, was die ständig wiederkehrenden Angriffe aus die deutsche Regierung sonst be deuten sollten, deren fester Wille zur Erfüllung der schweren Bedingungen des Ultimatums selbst von französischer Seite nicht mehr bezweifelt werden kann. Allen diesen Angriffen gegenüber bat (ich die deutsche Re. gierung bisher die größte Reserve anscrlcat, weil sie angesichts der gewaltigen realen Probleme, deren Lösung in Frage steht, es nicht für angemestcn hielt, sich in eine unfrucht bare Polemik einznlassen. Jevt aber bat Herr Briand in srinen jüngsten Acnsteriingcn die Grenzen überschritten, die iinse»er Zurückhaltung durch untere Selbi-achtling gezogen sind. Auf die Beleidigung, die er der deutschen Rechtspflege zugrfügt hat, kann ich als Elief der Ni'chSjttstizverwaltung nicht schweigen, und ich darf nm so eher redcn, als mir ein Einfluß auf die Ausübnng des RichlernmteS nicht znstebt, ich also nicht etwa für mich selbst spreche, wen» ich für die Träger dieses AmicS einicete. Nach Zeitungsnachrichten hat Herr Briand die Leipziger Prozesse als einen Skandal, als eine Parodie der Gerech tigkeit, als ein Theaterstück, eine Komödie bezeichnet. Wenn diese Nachrichten zutreffen, so stehe ich nicht an, ihm zn sagen, daß er in nicht zu verantwortender Weise mit der Ehre seiner Miinienschen uingegangen ist. Die Ehre des Rich ters ist seine Unparteilichkeit. Herr Briand spricht sie dem höch sten deutschen Gerichtshöfe ab. wenn er behanpiet, daß er ein Theaterstück ansgefnhrl, also ein abgekartetes Spiel ge trieben habe, eine Verdächtigung, die ohne den Schein eines Be weises in die Well geschlendert worden ist. Oder genügt Herrn Briand schon die Tatsache, daß die Urteile des Reichsgerichts, die nicht so ansgefallen sind, wie eine leidenschaftlich erregte, pro pagandistisch .a n s g e p e i t s ch t e S t i m ni n n g i n Frankreich es erhofft hatte? Glaubt er. daß das Reichs gericht die Angeklagten lediglich der Anklage entsprechend zu be urteilen hatte? Wenn es so gewesen wäre, dann allerdings wäre das Ver fahren vor dem Reichsgericht wirtiicii nur ein Theaterstück, eine Komödie gewesen, zn der sich ein deutsches Gericht niemals her- gegeben hätte. Aber dem ist nicht so. Auch Anite! 22d de» Friedensvertrages setzt Anklage und Benrieiiung keineswegs gleich, sondern verlangt Bestrafung nur für den Fall, daß An geklagte auch wirklich für schuldig befunden werden. Herr Briand mag enttäuscht grwrscn sei», daß die Hanptvrr-. Handlung vor dem Reichsgericht nicht überall das Ergebnis der Ermittelungen bestätigt bat, die zur Erhebung der Bezichtigung geführt haben. Indes; weiß jeder Jurist, wie oft dies der Fall ist und auch der Nichkjurist wird begreifen, das; es hier um so leichter der Fall sein kann, als cS sich nm Vorgänge bandelt, die viele Jahre zurückiiegei, und die sich unter Umständen abgespielt haben, wie sie einer objektiven Wahrnehmung und Wiedergabe nicht günstig waren. Darüber aber, daß das Verfahren gründlich und gewissenhaft unter genauester Beobach tung strenger Unparteilichkeit gehandhabt worden ist. liegen genügend zahlreiche und gewissenhafte Aeußeriingen, auch pon nichtdeutschcn Teilnehmer», vor, um jede Bemängelung von vernhercin als aussichisios erscheinen zn lassen. Herr Briand mag die gefüllten Urteile als irrig anseiude», das bieivt ihm un benommen. da alle Menschen irren können, wenngleich man von ihm verlange» und erwarten kann, daß er i in einzelnen augibt, in welchen Punkten die getroffene» Entscheidungen irrig sein sollen. Aber denen, die sie erlassen haben, das ehrliche Streben »ach Gerechtigkeit abznsprechen, dazu hat er kein Recht. Die Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und strenge Sachlichkeit der deutschen Rechtsprechung, insbesondere der des höchsten Gerichts hofes, das Ergebnis einer jahrhundertelangen RcchlScntwicklung ist in der Welt anerkannt, und ihr wohlerworbener Ruf wird durch die von der Presse mitgcteiltcn Anzwrislnng des trnn- zösischrn Ministerpräsidenten nicht erschüttert werden. Wenn sie sich hier im Widerspruch zu der üsfentiiche» Mei nung Frankreichs befindet, so möge Herr Briand sich erinnern, daß oft die üsfentiiche Meinung seines Landes sich im Wider spruch zu der eigenen Justiz befunden Hai — in Prozessen, die gerade nni deswillen eine geschichtliche Be r ü h in th e > l erlangt haben. Rur in einer Beziehung mag man mit Herr» Briand die Leipziger Prozesse als ein Theaterstück, ein Drams
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