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Sächsische Volkszeitung : 08.06.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192206085
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220608
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220608
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-06
- Tag 1922-06-08
-
Monat
1922-06
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.06.1922
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LvnnerStag den 8. Juni 1022 schöpslich reiche Kolpingsprogramm bietet für Leben und Ster ben. für Zeit und Ewigkeit. Durum, Kolpingssöhne, bewahrt den Geist euere? großen Stifters in dieser notvoll kranken Gegenwart. Kolpingssöhne, bleibt euerem Vater Kolping treu seht und all- zeit! (Jubelnder, immer wieder neu einschender Beifall!) Die Worte des Kardinals wurden mit gewaltigem Beifall ausgenommen. Generalsekretär Nattermann dankte im Namen der Gesellen und erbat den obcrhirtlichen Segen, den der Kirchen- fürft der Versammlung dann erteilte. Drei gehaltvolle Ansprachen aus den Kreisen der Mitglieder schlossen sich an den Gruß des Kardinals an. Die Huldigung Köln. 6. Juni, lieber 15 000 katholische Gesellen mit unge fähr 600 Fahnen bildeten einen Festzug, der für das katholische Gemeinschaftsgefühl, für die Anhänglichkeit der Kolpingssöhne gegenüber der kirchlichen Autorität ein beredtes Zeugnis ablegte. Der Zug defilierte am Erzbischöflichen Palais. Die Vereine des Belgischen Lanke» erSsfneten den stolzen Zug. Erfreulich stark war die Beteiligung gerade au» diesem politisch vielfach kom munistisch durchseuchten Bezirk. Unter Anspielung darauf ließ der Sicmscheider Verein rin Schild mit der Aufschrift „Bergisch- Moskau" vorantrageü. Besonders imposant war die 20 Vereine starke Gruppe der Holländer. Die Menschenmenge begrüßte sie mit einem wahren Jubelsturm. Zn einer spontan hervor brechenden nationalen Ovation gestaltete sich der Vorbeimarsch der stattlich vertretenen Saar vereine. Ermutigende Zurufe aus der Zuschauermenge „Hoch das Deutschtum" mischten sich in die durch Winken und Tücherschwenken sich äußernd« herzliche Begrüßung dieser braven, in ihrem Deutschtum so sehr bedrängten Stammesbrüder. Be sonders lebhaft wurden auch die Deutschöstrrreichsr und Schweizer in ihrer Landestracht begrüßt, sowie die Amerikaner. Musikabteilunge», Pfeifer- und Trommlerkorps spielten ihre frischen munteren Weisen, teilweise auch Märsche. Dazwischen scholl der begeisterte Gesang de» KolpingliedeS. Da» prachtvolle Wetter ließ den Festzug in vollem Maße zur Geltung kommen. Die Gefahr des Zionismus in Palästina Schon vor Beginn des großen Weltkrieges tvar innerhalb der jüdischen Welt eine Bewegung groß geworden, die sich zum Ziele gesetzt batte, das Land ihrer Väter, wie sie es nannten, wieder mit Juden anzusiedeln, um allmählich politische Selbständigkeit zu erlangen. Doch so lange Palästina unter der Herrschaft der türkischen Regierung stand, war ein solches Unternehmen fast aussichtslos. Tie Inden in Palästina besaßen nur einen ein zige» Ort, an den für die Katholiken geheiligten Orten, wo sie sich der Trauer für die vergangene Herrlichkeit hingeben konnten: Die sogenannte Klagemauer. Als aber schon während des Krie ges die Engländer in Palästina einrückten, organisierten die Juden sofort eine Hilfsaktion für ihr gelobtes Land, um dort ihre Glau bensgenossen anzusiedeln, was ihnen auch leicht gelang. Die eng lische Regierung gab den Zionisten bindende Versprechungen, und der hohe englische Kommissar, der dorthin gesandt wurde, war Herbert Samuel, einer der Führer der zionistischen Juden. Unter seiner Leitung und unter dem Schutze dör englischen Regierung haben sich denn dort jetzt Zustände entwickelt, die für jeden Chri sten beschämend wirken müssen. Ta ist eS interessant, einmal einen Mann zu Horen, der die Verhältnisse dort in Palästina schon seit Kriegsbeginn kennt, nämlich den lateinischen Patriarchen von Palästina, Msgr. Barlasiina. Vor kurzer Zeit ist dieser Mann nach Nom gekommen und bat dort verschiedentlich Vorträge über die Zustände und die Gefahr des Zionismus in Palästina gehal ten. Einen dieser Vorträge veröffentlicht der „Osscrvatore ro- mano" in seiner Nr. 112 vom 13. Mai d. I. Wir veröffentlichen den Wortlaut seine-'. Berichtes: „Nachdem der Redner die große Bedeutung der Palästinasrage hinsichtlich der zionistischen Einwan derung auseinandcrgesetzt hatte, beklagte er, daß diese Frage bei den Katholiken noch nicht genügend Beachtung gesunde» habe, ja fast vollständig übergangen werde zum großen Aergernis sogar der Araber, die nicht begreifen, daß von den Katholiken der ganzen Welt nicht eine wirksame Verteidigung der heiligen Orte bewerk stelligt werde, die so große Bedeutung für die christliche Religion besitzen. Der Zionismus ist in eine wahrhaft aktive Phase ein- getreten. Nach der bekannten Erklärung BalfourS hat er sich nun tatsächlich znm Ziele gesetzt, schrittweise die heutigen Einwoh ner aus Palästina weMischasfen und sich vollständig des Landes bemächtigen und das Zionistische Reich darin aufzurichten. Das ist wahr trotz oer gegenteiligen interessierte» Behauptungen; zahl, reiche vom Redner angesührte offizielle zionistische Dokumente belegen das ohne llmsclMcifc, Dokumente, die die Notwendigkeit behaupten, jedes Mittel, auch das gewalttätige, anzuwendeu, um ein nationales Heim zustande zu bringen. Zu diesem Zwecke rusen sie auch die Negierung an. die die Anwesenheit der Araber nur bis zur vollständige» Einführung des jüdischen Elementes dulden sollte. Nach dein offiziellen Plan der Regierung existieren für die Araber außerhalb Palästinas weite Gefilde genug. Der Zionis mus hat Palästina die größten Schädigungen bereitet und dessen Bild vollständig verändert. Dort herrschen Irreligiosität, Sittcn- losigkcit aller Art, Haß und Zerstörung, denn die zionistischen Einwanderer sind zum Unterschied der Israeliten in Palästina nicht religiös, sondern pflegen bloß ihr wirtschaftliches und politi sches Jntcresie." Eine der traurigsten vom Zionismus nach Pa lästina verpflanzten Plagen ist die öffentliche Unsittlichkeit; die unter dem türkischen Regime verbotenen Freudenhäuser wurden unter dem eiialischen Regime erlaubt. In Jerusalem allein, in der heilige» Stadt, sind etwa 800 Dirnen. Dazu leben einzelne der neuen jüdischen Niederlassungen nach den Lehren des vollstän digen Kommunismus mit Sitten und Gebräuchen, über die man lieber schweigt. Der Zionismus hatte sofort nach Einstellung des Weltkrieges leichtes Spiel; denn mittels des Dollars und des Sterlings konnte er die traurige Lage Palästinas für seine politi. scheu Zwecke ausnutzen. Dazu kommt die politische Unterstützung von seiten Englands undg die reichen Geldmittel, die dem jüdischen Obcrkommissar aus Nordamerika zufließen. Das unerträgliche Verfahren des gegenwärtigen Oberkommissar» hat nicht nur den Unwillen der Katholiken erregt, sondern erst recht den Haß und die Abneigung vor allem der eingeborenen Araber hervorgerufcn. Als der Oberkommissar in Jerusalem einzog, wurde er von Flugzeu gen und Maschinengewehren beschützt. Trotz gegenteiliger Erklä rungen hat der Zionismus eine tiefe Abneigung gegen die Palästi- nenler; er bekämpft bis zum äußersten sogar jede legitime Be tonung der Rechte, selbst der allechewöhnlichsten. Merkwürdiger weise wird der ununterbrochene und unversöhnliche Kamps nicht nur gegen die Mohammedaner und Christen, sondern auch gegen die palästinensischen Juden selbst oder gegen die ihrer Religion trau ergebenen Juden geführt, die auf alle Weise terrorisier, und belästigt werden, sogar durch Steuern, wie zum Beispiel eine bis zu 40 Prozent auf ihr ungesäuertes Brot. Die zionistischen Bestrebu, gen richten sich größtenteils aus den Ankauf von Län dereien, der beute ständig und gewaltig ist. Araber, Mohcnnme. daner und Christen, obwohl politisch feindlich gesinnt, lassen sich teilweise durch den verlockenden Gewinn zum Verkauf ihres Bo dens verleiten. Oftmals sind sie dazu gezwungen durch die Un möglichkeit, ihre Erzeugnisse verkaufen zu können, da die Zionisten sogar so weit gehen, gerade in der günstigsten Zeit die Aussuhr der Erzeugnisse zu verbieten, um so den wirtschaftlichen Ruin der Besitzer zu benutzen, in den Belitz des Bodens zu gelangen. Es ist recht traurig, daß die christliche und die katholische Welt die sen Voraängen so interesselos gegenübcrsteht. Es wäre zu wün schen, daß die Katholiken der ganzen Welt, insbesondere aber auch diejenigen Nordamerikas, die in diesen Dingen nicht nur durch ibr eckt amerikanisches Vorgehen, sondern auch durch ihr Geld dazu berufen sind, diese große Gefahr zu paralysieren. Unberufene Kritiker Der im Verlage der August Scherlschen G. m. b. H. erschei nende „Rote Tag", der an seinem Kopf das Motto „Keiner Partei dienstbar — freies Wort jeder Partei" trügt, brachte etwa Anfang Mai einen Artikel von Dr. Paul Lejeune unter der viel- versprechenden Uebcrschrift „Der dunkle Körper". Herr Dr. Le- jeune ist Katholik, Vorstandsmitglied detz dcutschnationalen Katho- likenausschusscs und Mitherausgeber des „Katholischen Korrespon- denzblattcs", das angeblich zur Vertretung der katholischen In teressen innerhalb der Deutschnationalen Partei, in Wirklichkeit jedoch dazu bestimmt ist, die Katholiken für die deutschnationalen Interessen einzuspamien. Der „dunkle Körper" ist natürlich das Zentrum, dem Dr. Lejeune ehedem selbst angehörte und das er jetzt als konfessionelles uird darum vom nationalen Standpunkte aus schädliches Parteigebilde zu brandmarken sucht. Auf den von Unklarheiten, Unrichtigkeiten, Widersprüchen und Schlag. Worten (mit denen vielleicht ein Mitglied des Antiultra- montancn Neichsverbcnidcs oder des Evangelischen Bundes alle Ehre einlegen mag) strotzenden Artikel sachlich einziugehen, verlohnt der Mühe nicht. Mit Bedauern sei aber festgestellt, daß ein Katholik sich dazu hergibt, die durchweg wohl nichtkatholische Lcserschafi des „Roten Tay" in ihren Vorurteilen gegen die ka- tbolncke Bevölkerung Deutschlands zu bestärken. Wenn aus diese Weise die katholischen Interessen in der Deutschnationalen Partei vertreten werden, braucht es nicht Wunder nehmen, daß Blätter vom Schlage des ..Reichsboten" heute noch mit unverminderter Kühnheit gegen alles Katholische zu Felde ziehen. Dem „Noten Tag" ging nun bald nach Erscheinen des Le- jenncschen Artikels aus den Kreisen der Zentrumsfraktion des preußischen Landtages von kompetenter Seite eine Entgegnung zu. Bis heute hat das Blatt diese Entgegnung noch nicht gebracht. („Freies Wort jeder Partei!) Wohl aber in seiner Nr. 126 vom 1. Juni einen weiteren Artikel, der in dieselbe Kerbe schlägt wie der von Dr. Lejeune. Der Verfasser dieses neuen Artikels befaßt sich u. a. ebenfalls mit dem kommenden Katholikentag in Mün chen, der. wie er meint, vom Zentrum wieder zu parteipolitischen Zwecken auSgenützt werde, zumal w^nn der Reichskanzler Dr. Wirth erscheine. Herrn Dr. Wirth legt er deshalb dringend nahe, dem Katholikentage fernzubleibrn. Wir wissen nicht, woher der Verfasser, ein Herr von Mallinckrodt, die Legitimation nimmt, derartige Wünsche geltend zu machen. Niemals ist von Zentrums- feite das Verlangen gestellt worden, politisch andersdenkende Ka tholiken von den Generalversammlungen ausznschließen. Jeder überzeugte Katholik war dort willkommen, und nun soll einem ZentrumSmanne gegenüber mit diesem guten Brauche gebrochen werden? Da« wäre doch ein starke» Stück! Der Zweck aber, der hier verfolgt wird, liegt auf der Hand: auck in der Wahrnehmung der katholischen Jntcresie» Zwiespalt zu säen zwischen den Ka tholiken der Bayerischen Volkspartei und des Zentrums. Wir können aber die unberufenen Kritiker aus der Deutschnationalen Partei versichern, daß ihr Bemühen ckeinen Erfolg haben wird. Die Generalversammlung in München wird weder ein Parteitag de? Zentrums noch der Bayerischen Volkspartei, sondern ein Ka tholikentag werden, auf dem das katholische Deutschland dieselb» Geschlossenheit zeigt wie in früheren Jahren. Die Vorlage betreffend die Zwangsanleihe wird, wie wir aus parlamentarischen Kreisen erfahren, den Reichs tag gleich in den ersten Tagen nach seinem Wiedcrzusainmeniritt im Juni beschäftigen. Auch die Vorlage, betreffend die Sicher, stellung einer Brotgetreidcreserve wird den Reichstag noch vor dem Beginn der großen Sommerpause beschäftigen. . Aenderung der Flugposten Berlin—Bremen und Königsberg (Pr.)—Moskau. Die Flugpost Berlin—Bremen verkehrt vom 7. Juni an ab Berlin werktags 8, an Bremen 11 (bisher II und 2). Die Flüge Bremen—Berlin bleiben unverändert ab Bremen 12. an Berlin 3. Die Flugpost Königsberg (Pr.)—Moskau verkehrt jetzt ab Königsberg (Pr.) bereits 8.30 (bisher S). Flugtage wie bisher Sonntag und Donnerstag. In Gegenrichtung keine Acnde- r»ng. Anschluß für Berliner Post an die Flüge Königsberg (Pr.)— Moskau Mittwoch und Sonnabend mit D-Zug 7 BerÜn-KönigS- berg (Pr.), ab Berlin Schief. Bhf. 6.58. Das drahtlose Telephon als Waffe gegen die Verbrecher. Di« allgemeinere Verbreitung, die das drahtlose Telephon in der neuen Welt gefunden hat und allmählich auch auf unserem Kon tinent finden wird, hat die Aufmerksamkeit der Polizei auf diese» neue Mittel der schnellen Benachrichtigung gelenkt. Die Londoner Hauptpolizei trägt sich mit der Absicht, drahtlose Telephonapparate in den Hauptrcviercn einzurichten und die Detektive mit Emp- sangsapparaten auszurüsten, um bei wichtigen Fällen in ständirer Verbindung mit den Beamten M bleiben, ""'--rffa ist in dieser Hinsicht bereits vorauSgegangen, und in Elucaao hat man schon im vorigen Jabre alle diensthabenden Polizisten mit einem Taschenapparat für drahtlose Telepbonie ausgerüstet, bei dem die Antennen im Futter des Nockes verborgen sind. Zu gleicher Zeit wurde eine Anzahl leichter Kraftwagen mit drahtlosen Telephon- apparatcn ausgerüstet, die mit bewaffneten Schutzleuten bemannt sind, und diese Wagen haben sich bei der Verfolgung von Auto- mobilräubern außerordentlich bewährt. Tie erste Einrichtung eines drahtlosen Telephonverkehrs im Dienst der Polizei erfolgte in Paris, und dort gibt es auch schon zwei Polizeikrafiwagen, die mit solchen Apparaten versehen sind und in der raschen Verfolgung von Apachen Vorzügliches leisteten. Bei dieser Gelegenheit ver dient daran erinnert zu werden, daß die erste Verwendung der drahtlosen Telegravbie im Dienste der Kriminalistik in dem be rühmten Fall des Mörder? Dr. Crippen stattfcrnd. Er wurde im Juli 1910 auf dem Dampfer Mongole, auf dem er zu flüchten sllchte, auf Grund einer drahtlosen Mitteilung entdeckt, nach deren Beschreibung der Kapitän Erippen erkannte und seine Verhaftung vercrnlaßte. Gegen die Cruchcngefahr, die vom Oste» her in immer stärkerem Maße Deutschland bedroht, haben die zuständigen Be hörden des Reiches und Preußen eine Konferenz in Berlin abge halten, um Maßnahmen für den Fall einer Einschleppung von Cholera und Fleckfieber aus Osteuropa zu treffen. In Frage kommt dabei die Ueberwachung von Eisenbahnen, der Schiffe, eine Kontrolle der Wasserversorgung und gegebenenfalls die Ein richtung von Ouarantänestationen. Brief aus Brasilien Die Jahrhundertfeier der Unabhängigkeit!. — Mitwirkung der Kirche. — Umtriebe der Freimaurer. — Die Präsidentenwahl. — Der Kampf »m dir Schule. — Priestermaiigel. — Nordamerika nische Sektenprediger. Aus Porto Alegre wird der „Katholischen Korrespon denz" geschrieben: Zwei Tinge sichen seit Anfang des Jahres im Vordergründe des öffentlichen Lebens: Die Jahrhundertfeier der Unabhängigkeit Brasiliens durch die Loßreißuug von Portugal und der Nebergang der höchsten Gewalt in die Hände des Siegers bei der Präsidenten wahl vom 1. März. Beide vollziehen sich unter Umständen, die auch für das kirchliche Leben des Laiches bezeichnend und von gro ßer Bedeutung sind. Im September des Jahres 1822 halte die Partei der bra silianischen Nationalisten, an ihrer Spitze merkwürdigerweise Don Pedro Kronprinz von Portugal und Reichsverweser im König reich Brasilien, die Unabhängigkeit des Landes auSgcrufen. Um die Krone der reichen, großen Kolon!« seiner Familie zu reiten, stellte sich der Sohn de« Königs von Portugal in kühner Entschlos senheit, aber auch im Einverständnis mit der Freimaurerei, selber an die Spitze der Freiheitsbewegung. So kam eS, daß die Re volution ein Kaiserreich gebar, und erst 67 Jahre später, unter Dem Pedro ll. Dona Jsavella, führt« die Loye den letzten Schlag, der im November 1889 das Kaiserreich in einen republikanischen Bnndcsstaat nach dem Muster von Nordamerika verwandelte. Um nun jenen Tag der Unabhängigkeitserklärung durch de" Prinzen Don» Pedro würdig zu feiern, sind umfassende Vorberei tungen im Gange, bei denen Staat und Kirche zusammcnwirken, als ob nicht durch die Verfassung Kirche und Staat getrennt wären! Schon am Feste der hl. Drei Könige «öffnete Rio de Janeiro den Reigen der kirchlichen Veranstaltungen mit amtlicher Beteiligung der höchsten staatlichen und militärischen Würdenträ ger. Den Höhepunkt der Festlichkeiten sollen aber religiöse Kund gebungen aller Diözesen am GedächtniSiage selber, ain 7. Sep tember, bilden. Dieses Zusammenwirken von Staat und Kirche ist wieder ein Beweis, wie der katholische Gedanke in romanischen Ländern noch immer mächtig gemig ist, um auch die feindselige Politik gelegentlich zu entwaffnen. Freilich, diesmal hat der Staat den Vorteil davon, und wie in anderen Ländern, so leben auch hier viele kirchliche Würdenträger der Meinuirg, durch die Einstellung ihrer Kirchenpolitik auf den nationalistischen Standpunkt die Sach« Christ! zu fördern. Für den Augenblick ist der Erfolg auch sicher. DaS hindert aber nicht, daß unter der Asche der unversöhn liche Haß der Loge weiterglimmt, und die Jrrtümer falscher Welt anschauungen, wie der Posiiivi'Smus, halten nock manche wohlge sinnte Politiker in ihrem verderblichen Banne. ES wollten weite Kreise des kalholischcn Volke? zur Verewigung der Jahrhundert feier eine Riesenstatiie des göttlichen Herzens Jesu aus dem Berge Eoreovado errichten, der Stadt und Bncku von Rio de Janeiro bc- lserrscht »um' eine» wunderbaren Rundblick über Land und Meer gewährt. Durch sreiiiiaureriscke Umtriebe wurde aber df« schon erteilte Erlaubnis der Behörden rückgängig gemacht, und dabei blieb es, obschon eine feierliche Protestschrist, unterzeichnet von 39 000 katholischen Frauen, die Entscheidung des VundeSpräsidcn- ten anrief. Doch ein offener Kampf gegen die Kirche würde heute fast das ganze Volk in die Schranken rufen. Die Zeiten der Gleich gültigkeit, wo die Kirche und ihre Einrichtungen widerspruchslos dem Gespött frei maurerischer Aufzüge preiSgegeben waren, sind in Nord und Süd vorüber. Das konnte man recht deutlich auch dieses Jahr an den Fastnachts-Veranstaltungen sehen, die im Anfänge der Republik selten ohne rohe Verhöhnung des katholischen Gefühles verliefen. Heutzutage wären hier öffentliche Darbietungen wie drüben die „Pfarrhauskomödie" und „Das Gelübde" unmöglich. Auch bei der Pxäsidentenwahl haben religiöse Rücksichten eine große Nolle gespielt. Der amtlich von den Parteien zuerst aus gestellte Kandidat, Arthur Bernardes, ist der Präsident von Mina» Geraes, einem der größten und reichsten, aber auch religiösesten der 21 Staaten, die Brasilien auSmachen. Da trat ihm ein Ge- gcgenkandidat in den Weg. Nilo Pecanha, ein tüchtiger, schlauer Politiker, der seit Jahren als Führer und Großmeister der Loge be kannt ist. Er war cs, der als stellvertretender Präsident im Jahre 1910 den flüchtigen Jesuiten von Portugal, denen die Revolution nichts gelassen hatte als die Kleider am Leibe, die Landuiig in Brasilien verbot, wohin die Heimatlosen auSwandern wollten. Der Zwiespalt führte zu heftigen Parteikämpfcn, bei denen auch die religiösen Gründe sehr in die Watschele fielen. Nilo Pecanha, persönlich mit hohen kirchlichen Würdenträgern befreundet, hatte zwar beruhigende Versicherungen über seine Stellungnahme zur Kirche gegeben, und es kam ihm zu statten, daß auch aus der Ge. genseite die Loge vertreten war. Trotzdem fiel er glänzend durch. Da eS aber nicht unwahrscheinlich ist, daß hinter ihm die ganze Macht der Maurerei steht, so muß mau damit rechnen, daß der noue Präsident scharfe Opposition finden wird, die selbst Vor Ge. walttätigkeitcn nicht zurücksmrcckt. DaS nächste Ziel der Log« scheint, wie überall, die völlige Verdrängung der Kirche aus der Volksschule zu sein. Die Verhält nisse liegen ähnlich wie in Frankreich. Neben den Staatsschulen, wo religiöser Unterricht ausgeschloffen ist, bestehen Verhältnis, mäßig viele Privatschulen, 324t gegenüber 10 449 Staatsschulen und 2381 Munizipalschulen. Namentlich die deutschen Kolonien im Süden haben viele Privatschulen, wo der Religionsunterricht selbstverständlich erstes Pflichtfach ist. Gegen diese Privatschulen richtet sich nun der verschleierte Angriff. Indem für Gesinnung»« fächer verlangt wird, daß der Lehrer geborener Brasilianer sei, werden viele, ja die meisten Schulen hart betroffen, wo auslän dische OrdenSsLiitc oder eingcwanderte Laien unterrichten. Doch dckS kümmert die Loge wenig. Wenn nur die Kirche geschädigt wird, mögen auch noch 2,8 Millionen Kinder des Landes ohne Un- terricht aufwachsc» und der Zustand fortdaucrn, daß zwei Drittel der Brasilianer weder lesen noch schreiben können. Diese unterirdischen Strömungen verderben die besten Ab sichten der Staatsrcgicrungcn, die der Stimmung der VolkSmcbr- heit gemäß zur Freundschaft mit der Kirche gedrängt werden. Bei Ernennungen, Weiden, Meisen von Bischöfen snnd deren haben wir über 60) nehmen die Negierungen offen Anteil. Bei der Er nennung eines Landeskindes zum Bischof von PelotaS, dem äußer sten Süden deS Landes, feierte der Staat Ceara im äußersten Norden herzliche Fest', und der Präsident gab den, scheidenden Bischof aus Kasten des Staates einen Vertreter der Regierung zum Begleiter für die Reise, die einen ganzen Monat in Anspruch iiahm, die Rückfahrt nicht gerechnet. Die gleiche herzliche Freund schaft zeigte sich auch bei Gelegenheit der Trauerfrierlichkeiten für Papst Benedikt XV. Und doch dürfen diese äußeren Zeichen nicht falsch gedeutet werden. Nur der Anfang, die Spitze der kirchlichen Organisation ist geschaffen. ES fehlt den Bischöfen an Klerus, an Kirchen, an Mitteln ver Seelsorge. Die wenigen Seininarien sind schwach besetzt, und auch da wiegen die Kolonistcnsöhne vor. Für die^ südlichste Kirchenprovinz Porto Alegre zum Beispiel besteht seit bald zehn Jahren das Seminar von Sao Leopolds mit augenblick lich 310 Zöglingen, darunter 60 Philosophen und Theologen. Jäh» lich gibt das einstweilen nur acht bis zehn Priester, im besten Falle, für fünf Diözesen mir einem Gebiete größer als Preußen. Und das ist das größte Seminar von Südamerika! Daher ist die Hauptsorge der Bischöfe die Auslese und Heranbildung von Se- minaristen. Aber nicht alle haben so günstige Bedingungen wie Porto Alegre mit seinen deutschen und italienischen Kolonien. Ohne die Heranziehung von ausländischem Kleru», vorzüglich der OrdenSleute, für Seelsorge und Unterricht käme die brasilianische Kirche deshalb nicht vorwärt». ES ist aber eine erfreuliche Tat sache, daß in Stadt und Land die Bereitwilligkeit zur Aufnahme des christlichen Samens sehr groß ist. Ueberall erstehen neue Ka pellen und Kirche», in den Bischoföstädten auch schöne, zum Teil herrliche Kaibedralen, wie die großartige gothische Kirche deö Erz. bischofS von S. Paulo, die ihrer Vollendung entgegengcht. ES ist aber auch höchste Zeit, sich der Ernte anzunehmen I Denn vom Norden kommt eine wahre Flut nordamerikanischer Sektenprediger, die, mit Geld und Bibel bewaffnet, dem unwissen den Volke, zu dem auch ein großer Teil der Gebildeten gehört, ein Evangelium predigen, das nur Scheinchristen erzielt. Ihre Tätig, keit für die Jugend schosst ihnen viele Freunde, und ihre Schulen, die Vorhallen ihrer Tempel, Men sich. Vergeben» erheben die Bischöef ihre Stimme; sie setzen sich überall fest, gestützt auf den Einfluß deS Dollars. In frecher Herausforderung des katho lischen Gefühles suchte sich ein solcher Prediger das brasilianisch« Kevelaer und Lourde» zur Wohnstätte au», um da ein „BethauS" zu errichten. Im Staate Sao Paulo liegt der von jährlich 80 000 Pilgern besuchte Marien-WallfahrtSort Apparecida, ein kleine», aber ganz katholisches Landstädtchen. Eine» Tages zeigte sich, ge rade der großen Wallfahrtskirche gegenüber, da» fremde Gesicht eines bartlosen Amerikaners, und über der Tür deS Häuschen», vor dem er stand, die Aufschrift „BethauS". Vergebens war der Einspruch, die Erbitterung, der Boykott der Bevölkerung. Der Zorn der Pilger schritt zur Gewalt und vertrieb den Eindringling. Er kam aber wieder, »mter dem Schutze von Säbel und Gewehren der Staatsregierung von S. Paulo, und nicht lange wird e» dauern seit jenem letzten Januartage, so wird er auch Schüler und Schnflein baben.
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