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Sächsische Volkszeitung : 15.06.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192106156
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210615
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210615
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-06
- Tag 1921-06-15
-
Monat
1921-06
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 15.06.1921
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«Schs«schk «oll«,ti«»», Mittwoch den 15. Juni 1921 Nr. 195, Seite 5 Politischer Kaffeeklatsch Unter dieser Ileberschrift finden wir in der „West- dent scheu Arbeiterzeitung", Verbandszeitung der katholischen Arbeiter- und Knappenvereine Deutschlands (Nr. 22 vom 4. Juni 182l) folgende Ausführungen: „ES fehlt nicht an ernster Arbeit in Deutschland. Wer will, hat beide Hände voll zu tun. Aber es gibt auch noch Leute, die Zeit haben zu allerhand müßigem Geschwätz. Ein beliebter Ausgangspunkt für den politische» Kaffeeklatsch der jüngsten Zeit nt o>e Tatsache, diu der Abg. Erzberger u. a. auch in M.-Gladbach über einen Plan des praktischen christ lichen S o I i d a r t S in u s und insbesondere der Werks genossenschaft gesprochen hat. Die Talsache» liegen ganz einfach. Vor einigen Monaten hat Erzberger in Südentschland gesprochen und einen bestimm ten Plan der Werksgenossenschaft vorgelegt. Das „Deutsche Bolksblatt" brachte damals einen ausführlichen Bericht. Später sprach Erzberger in Münster über dieselbe Angelegenheit. Im März entwickelte er seinen Plan im Neichsausschutz der Zen- trnmSpartei. Di" anwesenden Mitglieder des Reichsausschusses waren zum größten Teil der Meinung, das; Erzbergcrs Vor schläge sehr beacht.ich und wohl geeignet seien, die öffentlich; Disnissio» zu befruchten, die sich mit der Ncuordnnng unseres Wirtschaftslebens beschäftigt. Nach dieser Sitzung des Neichs- ausschnsses verabredete unser Kollege Elfes mit Eczbccger eine Versammlung in M.-Gladbach, die der sachlichen Erörte rung der Erzbergerschen Vorschläge dienen, und darum von keiner politischen Partei- oder wirtschaftlichen Interessen gruppe einberufen werden sollte. Die Vorschläge für den Ver- sammlungsplan und für das Vortragsthema gingen von Elkes — jedenfalls nicht von Erzberger — aus. Elkes bereitete in M.-Gladbach auch die Versammlung vor und leitete sie, wobei ihm sowohl christliche Gewerkschaften, als auch sozial- interessierte Parteifreunde freundliche Hilfe leisteten. Die Ver sammlung selbst bestand zum übergroßen Teil auS christlichen Arbeitern und aus Zentrumswühlern. In einein Vortrage be schränkte sich Erzberger auf eine rein sachliche Erörte rung des christlichen SolidariSmus, und eS wurde darauf ge achtet, das; auch die Diskussionsredner sich nur zum Thema äußerten. Wer der Versammlung beigewohnt hat, w'rd die Nichtigkeit dieser Angaben bestätigen. — DaS Auftreten in M.-Gladbach hatte Erzberger aber schon vor der Versammlung enie Sturmflut von Angriffen eingetragen. E^ wcn da uni eine Pflicht der Ritterlichkeit, Erzberger Gelegenheit zu geben, sich gegen diese Angriffe zu verteidige». Dem trug der Ver sammlungsleiter Rechnung, nachdem er zuvor noch einen« poli tischen Gegner Erzberger? das Wort gegeben hatte, um alles das, was er wußte, gegen Erzberger vorzubringen. Woblgeincrkt geschah dies aber erst, nachdem der eigentliche Zweck der Ver sammlung. die sachliche Erörterung des vraktischen christlichen SolidariSmus, erfüllt war. — In den Tage» nach der Glad- backier Vcrsaminlung bat Erzberger dann noch am Niedcrrbein in einigen Parieisitznnaen und öffentlichen Parteiversammlnn- gen über politische Fragen gesvrochen. Er batte mehr Ein ladungen als Zeit, allen Wünschen nachzukommcn. — Das sind Tatsachen. Sie liege» ganz einfach und klar. Für den politischen Kaffeeklatsch genügen diese nüch ternen Tatsachen allerdings nicht. Darum geben politische Müßiggänger sich daran, allcrband Legenden zu kombiniere». Leine, sechs Wochen nach der Gladbacher Versammlung, hört und liest man den allergrößten Unsinn darüber. DaS eine Mal soll Erzberger in M.-Gladbach der Z e n t r u in S p a r t e i ein KiickuckSei ins Niest gelegt babeu, das andere Mal ist Erzberger i» M.-Gladbach von der ZeiilrnmSpartei abgeschüttclt worden. DaS eine Mal soll auch der Volks verein Erzberger gründ lich abgeschüttelt babeu, das andere Mal wird gerade der Volks- Verein hinter der Erzbcrnerversammlung vermutet. Am toll sten ist aber die Kombinatiou, daß die katholischen Arbeiter. Vereine sich mit Erzberger gegen die christlichen Gewerk schaften verbündet batten und das; sie Erzberger insbesondere gegen Sieger Wald nusspielen wollten. Eins ist so dumm wie da? andere. Wir buben natürlich keine Lust, und unser Panier ist »ns auch viel zu kostbar, um uns mit diesem Uniinn »über zu beschäftigen. Was zu sagen ikt. baben wir im boriacn Abschnitt gesagt. Daran kann jeder vrü'cn, was von dem dum men Geschwätz zu batten ist. Da aber die Arbeitervereine und ihre Leitung wiederbott genannt wurden, wollen wir doch nicht versäumen, nackdrücklichst darauf hinzuweise». das; wir stets das tun werden, was wir für richtig batten, das; wir insbesondere nufere sozial volitische Wirksamkeit auf keinen Fall an- bäugia machen könne» von der Meinung jener Kreise, die sich der „Krenzzeitung", der „Kölnischen Zeitung", der „GörreS- korrespondenz" oder gar des „Rbeinischen Herold" als Spruch- mittel bedienen. Auch unsere volitische Ansicht bilden wir in? settist. Dast zum Beispiel Erzberger manchen Politikern etwas „i'beancm ist. kann für »ns kein ausreichender Grund sein, uns an einem Unrecht gegen ihn zu beteiligen." Aeberslunden und Einkommensteuerabzug Von der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände ist bekannt geworden, daß die Arbeiter verschiedener Betriebe bei der Ausstellung der Lohnlisten die Nichtausnahme des Ileberstundenver- dienste« zu erzwingen versucht haben. Der Herr Reichrftnanz- minister nimmt hierzu folgende Stellung rin: Wenn auch nicht anzunehmen ist, baß die Arbeitgeber diesem unberechtigten Ver langen nachgegeben haben, so glaube ich doch zur nochmaligen Klarstellung darauf Hinweisen zu wollen, daß durch meinen Erlaß vom 25. August 1920 — IH. 22205 — lediglich die einstweilige Abzuqssreiheit der besonderen Entlohnungen für Arbeiten, die über die sür den Betrieb regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet wurden, versügt worden ist. An der Steuerpflicht der für die Leistung von Ueberstunden, Ueberschichten, SonntagSarbeit und kür sonstige über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung gewährten besonderen Entlohnungen ist nicht» geändert worden, da» au« der Leistung von Uebtrstuiiden usw. erzielte Arbeitseinkommen unter liegt der Besteuerung genau so, wie da» übrige Einkommen. VIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIM Oie verekrlictien Vorhände derjenigen Ver eine, bei denen für die 8lati8ül< im Lt. 6enno- Kaiender1922 knilei'ungen?u erfolgen baben. werden gebeten, dies dem Verlage lies 81. kenne-Xslenöers vnesdlen, Holbeinstnske 46 bis LpüteslenZ den 10. luli 1921 mitöuteilen SSSM Die Demokraten für die „breitere Regierunlzsfront" Der Demokrat und frühere Reichsinnenminister Koch hielt, wie die demokraiische Presse der Reichshauptstadt berichtet, bei einer großen vaterländischen Kundgebung der Demokratischen Partei am Kollmbcrge bei Oschatz eine Ansprache, in der er gegenüber der Aeußernng des dcntschnationnien Abgeordneten Hergt, die Regierung führe nnsec, Volk einen Leidensweg, beionte, auch die Denischnationalen würden im Ernstfälle keine andere Politik als die der stille» Arbeit und des geduldigen Ab wartens, betreiben können. Das iiltimatm» babe angenommen werden müssen; es sei immer noch besser, Gcldversvrechungen zu machen, als deniscbeS Land zu opfern. Der allen vielge- schmäbten Regierung sei cS zu danke», daß die Einheit des Va terlandes gerettet worden sei. Eine der größten und schönsten Ausgaben der Regierung müsse cs sein, sür die 'schwer.bedränH- ten Brüder in den befehle» Gebiete» zu arbeiten. I» diesem Zusammenhänge bob er bervor, daß es dazu einer breiten R e g i e r u n g s f r o » t bedürfe. Ebenso erklärte der demo kratische Neichsmivister Schiffer por eitler Vertririiensmäu- nerversammlnng in Maadelmrg, die Demokratische Partei hatte nach wie Por die Tür für die Deutsche Votkspartei zu sachlicher Zusammenarbeit offen. Beachtenswert ist ferner, daß auch der Zeniralvarstand der Deuischen Volksvarlci sich mit dem Ultima tum und dem neuen Kabinett beschäftigt bat. Dabei erklärte der ReichS'agSabgeordncte und Führer der Deutschen Volks-Partei Dr. Strcsemann ». a.: „In nnscre Hand wird die Entscheidung mitgclegt sein, wenn praktische Wirtschaft?- und Finanzpolitik getrieben werden soll. Ich sehe die Zukunft in einem Kabi nett mit breiter Basis oder aber in einer Rückbildung zu einem bürgerlichen Kabinett, wenn die Sozialdemokratie weiter ihre Mitwirkung an einem Kabinett der breiten BastS versagt. Wir werden die Folgerungen ziehe», w.nn man nnS den Kampf aufzwingt." Dazu schreibt das demokratische „Ber liner Tageblatt": .Nach diesen Worten Dr. Strekemanns scheint die Deutsche VolkSpariei bereit zu sein, in ein Kabinett ans brei ter Basis einzutreten. um praktisch an der Wirtschaft?- lind Finanzpolitik initznarbeiten. Daran werden die Regierungs parteien anknüvfen und die Fäden einer Verständigung wieder aufncbme» müssen. Entscheidend dafür wird die Haltung der Sozialdemokratie sein, die bislang nicht gerade sehr erfreulich war. Von einer Rückbildung des Kabinetts zu einer rein bür gerlichen Negierung okme die Sozialdemokratie kann — unier den heutigen Umständen — indessen kaum die Siede sein." ES hat bei u»S niemals ein Zweifel darin bestanden, daß die Er füllung des äußerst schwer auf unserer Volks- und Finanzwirt schaft, sowie aiif dem gesamten deutschen Volke lastenden Ulti matums die positive und praktische Mitarbeit aller derjenigen erfordert, die ain Wiederaufbau des deutschen Volkes Mitarbei ten wollen. Das Kabinett der starke» Mitte würde zweijellos auch vom Zentrum begrüßt werden. Lenins neues Wirtschaftsprorzramnr Die Räteregiecung hat begonnen, die wieder olt gmiitdsteil Plätie über die Freigabe der kleinere» und mittlere» Privatbttrle >e zu vclwttkllchen. In einem Dekret de» Rate» der Voikslom nistare wird angeordnet, sämtliche Maßnahm?» zur Förderung der .hcim- und Kleinindustrie sowohl in der Geuosteuichast w e auch i» der privatwirischastlichen Form m treffen. Die Verwaltungsbehörden sollm sich lediglich aut die Uebeiwachnn-i beschränken und vor allem dafür sorgen, daß die Arbeiter in den Pr vatbetriebrn gesetzlich rc- schiltzt und den staatlichen Beiriebcn Mateiial und ArbeiMrütte nicht entzoaen wnden. Besonders sollen die Prodiiklionigeiioss.iijchafl» eine Begünstigung erfahren Mit dem neuen Dekret werden eine Reihe früherer Erlasse aufgehoben, die sich mit der Heiuimdmtrie und dem Genossenschaftswesen befassen, so kann da» Dekret vom November 1820 über die endgültige Durchführung der Nationalisierung, wo-ei atleiding» die bis zum 17. Mai d. I verfügte Nation .l 'i - ing nicht ohne weitere» rückgängig gemacht melde. Gastlichkeit im Wiener Rachause Unter dieser Ueberschr-ft finden wir in der christlich-sozialen Wiener „Reichspojt" (Nr. 148) folgende interessante Mit teilungen: «Die Teilnehmer des internationalen Straßen- und Klein» bahnkongresses wurden gestern abend im Wiener Ralhan.- von Bürgermeister Neuinann empfangen und gastlich bewi.'ler. Rund 600 Personen nahinen an der Tafel teil. Das sozsttt- demokraiische Organ berichtet über die bei dieser Festtafel im Nailraus gehaltenen Toaste ausführlich, aber die Leser des Be richtes, denen diese Reden in Form eines Versaininlungsber:Ä- tes initgeleilt werden, erfahren dabei mit keinem Worte, daß das nicht Reden einer gewöhnlichen Versammlung, sondern Trinksprüche waren bei einem sehr auserlesenen Mahle, mir folgender auf feinem Kunstdruckpapier vermerkten Speisenfolge: Erbsenbrei-Suppe Kalte Eier nach schwedischer Art Stangenspargel - Noasibeaf nach Wiener Art Kalbsfricandean nach Wiener Art Salat Wiener Auflauf FrüchtcneiS in Form Käse Kaffee Wst'ncr Bräu Mattbergcr Au-Ke>e 1917 V öe- lane r B nrgunde r Gnmpvldskircbner tt>>7 ES bat seinen besonderen Grund, warum da? suüaldemo- kraiische Orgau diesen Int » ilis cb e n E m p s aug dur eh die s o ,; i a I d - m o ? r a t i s cb e u R a ! b a n S v e r m alter verscbweigt und so stille wird, wenn Herr Bürgermeister Neu, mann — Kosten rund eine Million — nobel wird. Als Dr. Lueger die gastlichen Empfänge im Rattmuse esti- iulirte, Bewußisei». daß der Ruf der Siodt als Fremdem, r- kehrSzenirum dies verlange und reichlich lohne, da sc-rieh «ich die sozialdemokratische Presse die Finger wund über die „Ge- laoe", „Pravereicu". , Versresierei de" Stenergelder" >m christ- lichsozialen Raihins. Durch Monaie war dicS tm-chstäblich der Hanptgegenslaud der Kritik an der christlichsozialen Geincinde- perwattnng. Kein Sozialdemokrat. Hör vor 20 Fahren schon Zei tung las, kann das Geschrei vergessen haben, das damals die sozialdemokrausche Presse anslimmte. Damals war Wien eine renhe Sind!, heute erstickt sie in Schulden. Damals hatte sie 25 Prozent Gemeindenmiagen, beute brandschatzt ein Heer von ungeheuren Geincindcsteuern aller möglichen Thpen die Bevölkerung. Damals waren wir in Friedenswirtschaft, heute ist die Hnngerzeit der Belagerung noch nicht ganz vorüber. Dennoch fällt es uns nicht ein, den sozio'G'mokraiische» RatbanSberren ans ihrer Gastlichkeit einen Vorwurf zu machen. Wir vermerken nur. daß sie beule selbst »nler veränderten Umständen finden, daß Lueger recht batte und daß es ein dummes Geschwätz war, mit dem sie damals ihre ! Anhänger gegen Dr. Luegers Vermattung ausbetzte».' Sächsische Volkszeitnng — Nr. 165 — 16. Juni 1921 Der Gänsebub Fränkischer Docfroman von Dina Ern st berge» (94. Fortsetzung. Eher als er gedacht hatte, war das Hotel an eine Aktien- geselljcliost um eine Million und achtbnnderttausend Mark ver kauft worden. Er mietete sich in der Nähe des Hotels eine große, elegante Wohnung nahin eine alte, treue Person zur Führung seines Haushaltes mit. Vergebens hatte er sich bemüht, seine Mutter znm Dableiben zu bewegen. Als sie die große, feine Wohnung sah, schüttelte sie wieder mißbilligend das .Hanpt. „Für des dumm Zeug is die Kuiidl net eingenommen," sagte sie ernst. „Wenn du willst, daß die dich nimmt, mußt »ans aufs Dorf. Die geht »et fort von ihrer War'!" Dadurch, dag Joseph nie etwas über diesen Hciratsplan sagte, war es ihr zur unumstößlichen Gewißheit geworden, daß er fest damit einverstanden sei. Als sie zum ersten Male ihren Herzenswunsch wegen dieser Heirat äußerte, tat sie das ganz zaghaft »nd ängstlich; sie war sogar vorbereitet gewesen, daß er sie dumm und einfältig nennen würde und alle ihre schönen Pläne rasck zerstöre. Statt besten hatte er sie erst aanz üb-r- rai'cbt angeschaut, dann batte er hellauf herzlich gelacht. — Die Flickschnstcrin wähnte, das wäre vor Freude geschehen. Seitdem war diese .Heirat nicht nur ihr Herzeu»w»insch. sondern auch ihr LieblinaSthema. Endlich war Joseph in seine neue Wohnung eingezogen. Seins Mutter hatte sich bewegen lassen, die ersten Wochen noch bei ihm in der nenen Wohnung zu verbleiben. Der Architekt batte Joseph mitgetcilt. daß die Villa nahezu fertig sei. Joseph fand es nun an der Zeit, seine Mutter endlich davon in Kennt nis zu sehen. Da» war ein heißer Tag kür sie und iknk — die Fstickkchusterin nach stmidenlanaer. heftiger Auseinander- sebnng das Zimmer ihres Sohnes vertteß, hatte sie alle ihre süßen Ziikiinttsvkäne und beißen Wünsche bearaben. Ihr war», als wäre Josevh ihr plötzlich in die Ferne aerückt; als trennte sie beide ein kweiter, blassender Riß. — Tagelang war es b"i den gemeinsamen Mahlzeiten recht still und einsilbig newesen. Eine? Tmes erklärte dann die Flickschuster!», daß sie sich nun endttck, entschlossen babe, aus Josephs Vorschlag einn'aehen und das s neue Wohnhaus >n der Heimat zu beziehen. Die nlie Ev d e > lu^ber Joß'vbs Hanshatt geführt boit.c und mit der sich seine Mutter s"br gut vertrug, sollte mit ihr ziehen. ' Joseph hatte darauf bestanden, das; sie im neuen Heim genau in derselben Weise weiter leben sollte, wie sie dies bei ihm gewohnt war. - Er selbst bemühte sich, passenden Ersatz für die alt Ev zu finden. Er hatte zu diesem Zwecke schon in verschiedenen Blättern Inserate einrückcn lassen; nnter all den einzelnen Damen, die sich darauf meldeien, konnte er sich zu keiner Wahl entschließen. Ganz znleitt v"r dann noch ein Aries angekoinmen. Die Schrift und Schreibweise der Absenderin war ihm smnpaihisch gewesen, die klare» einfachen Schriftzüge ließen darauf schließen, daß sie natürliche, einfache, bescheidene Charaktereigenschaften besaß. Er gab deshalb eine ziemlich zusagende Antwort und bat um persönliche Vorstellung. Einige Tage svnier meldete Ev eine Dame. Joseph nurr überrascht. Eine Dame?! wer mochte das wohl sein? Die neue HanSkälterin doch nicht! Er hatte sa ausdrücklich bemerkt, daß er eine ruhige, ältere, alleinstekende Frau zur Fübrnng seines Haushaltes wünsche. Voller Spannung begab er sich i» den Salon. Als er dort eintrat, erhob sich die Besucherin und trat ihm einige Schritte entgegen. Wie gebannt btteb er einen Moment regungslos stehen: mit weit geöffneten Angen starrte er die Fremde an. Da durchzttterte ein leiser Laut der Ikcberraschung die Stille de» Salon» — er war von den Lippen der fremden Dame gekominen. „Jsts möglich! Fräulein Marianne. Sie?" rief Joseph im Tone höchster lleberraschung und rasch kam er mit auSge- streckten Händen auf sie zu. Wie mit Blut übergossen stand Marianne vor ihm. Vew geben» bemüht« sie sich, einige Worte der Begrüßung berauSzu- bringen. Ihr« Kehle war wie zugeschnürt; in ihrem Kopf« jag ten sich wild die verschiedensten Gedanken. Vollständig fastnngs- lo» stand sie ihm gegenüber; ihre vand, die in der Seinen lag, bebte. ' , Josevh wußte sich den Besuch und dos eigentümlich ver legene Benehmen nicht zu deuten. WeSbakb? Sie wollte tbn m doch besuchen, wie käme sie s->vst da^er? Was aber wollte sie von «hm? Blitzartig durchfuhr es ans einmal sein Gehirn: Himmel! wenn hier vielleicht am Ende gar sein Inserat mit dem Besuch zusammenhing! — Doch schon im nächsten Augen blick saate er sich wieder, d-ß dies doch ganz immöglich sei! Die Nnr>"ir>öte aul Mawaiineiis Wauaen war einer leichenhasten Plaste gewichen. Langsam zog sie ihre Hand an» der Josephs. > „Verzeihung, Herr Berger! Ich habe offenbar die Haus nummern verwechselt!" Joseph hatte einen Fauteuil beraugezogen und sie gebeien, Platz zu nehmen; Marianne aber blieb wie festgewurzelt au ihrem Platze stehe». „Ich habe Ihrer oft und gern gedacht in all der Zeit," fuhr Joseph herzlich fort, als sie nichts sagte, „und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir erzählen wollte», wo Sie die vielen Jahre immer gesteckt und wie für Sie die Zukunft sich gestatte- hat. Es ist doch seltsam, daß ein Zufall, nur ein Irrtum, Sie gerade in dieses Haus geführt. Sie sind wohl hier verheirgtet? Daß ich Ihnen nie begegnet bin ans der Siraße." Während Joseph sprach, hatte Marianne ruhig den Bück auf den Sprechenden gerichtet. Ihre Hand, die et» einsames, schwarzes Ledertäschchcn an inetallner Kette hielt, ließ st Ewig leise klirrend das Kettchen durch die Finger gleiten; die Spitze ihres schlanken Fußes bewegte sich nervös auf dem dichten, 'bun ten Gewebe des kostbaren Teppichs- und brachte de» Saum ihres Kleides in langsame Bewegung. In ihren Zügen arbeitete es heftig; sie schien offenbar mit einem schweren Entschlüsse zu kämpfen. Joseph schwieg. Er erwartete ihre Antwort. „Ich bin nicht immer da. das heißt: meine Heimat ist »ich hier," entgegnete sie mit leise bebender Stimme und noch leiser fügte sie bei: „ich habe keine Heimat." Dann streckte sich plötzlich der schlanke Köe>u?r; ihr Kopf, der bisher geneigt war, erhob sich stolz und voll sah sie Joseph in da« Gesicht. „Ich will Sie nicht belügen, .Herr Berger. Warum airch soll ich es denn leugnen, daß ich arin bi» und den steinigen Weg des Brotverdienen» gehen muß. Ztecrr ist es beschämend, arm zu sein und anderen zu diene», doch schändet Armut nicht. Mich führte nicht ein Zufall hier in Ihre Wohnung. Ihr In- serat — ich kam. ich glaubte — Sie kannten meinen Namen nicht — ich bin die Tmme. die Sie engagieren wollten." Stoßweise hatte Marianne diese Worte gesprochen. Sie atmete tief ans, als sie geendigt. Erschüttert batte ihr Joseph zugehört. „JstS inöalich? Muß ich so Sie Wiedersehn?" sprach er ernst. „Traf Sie des Schicksal» Hand mit solcher Wucht, daß Sie so. raube, imgewobiite Weoe wandern müssen? Die Jng-ad war für Sie so ßchöv! Da fühlt man doppelt schwer und ttef deS Lebens blutige Streiche." (ssortsetzung folgt4
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