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Ar . L Iayrir Donnerstag, de» 2. Jan ISIS abends Sächsische Geschäftsstelle »nd Ltedattt«»» Dresden «A. 16, Hosbetnstrahe 4S Fernsprecher 21866 Postscheckkonto Leipzig Nr. 147S7 »»8 X. »>»„»« » ».i« F». » kL^r^LKML'"'''" ItiNÄ-Nu«»« I» 4 esch«v0 m M« Anzeigen > Annahme von Besch«si«a„jeiaen bi« IVUHr von Familie,lanzeige» bis 1l Uhr vorm. Preis siii die Pciil-Spallzeile SK ^ im ReNa- meietl 8V Z. FamMen-iinzeigen !t<» j. Für undeuilich geschriebene, sowie durch Fern- wrcchcr ausgeaebene ilnzeigen Wime» wir die Beraulworiiichscii skr die Siichiigkeii de« Lepe» nichi übenichmc».. TprechsNindc der Redaktion: II—lg Uhr vorm. /M Einzige katholische Tageszeitung io Sachsen. Organ der Zentrumspurrer. Ausgabe ^ mit illustrierter UuteryaltungsbeUage und reltg. Wochenbellage Feierabend. Ausgabe 8 nur «it der Wochenbeilage. Seidenpapier. chi Das „Berliner Tageblatt" ist erfreut. In diesen bösen Zeiten Freude zu empfinden, ist immerhin eine Sache, di« -er Beachtung wert ist. Wir müssen bekennen: Das „Berliner Tageblatt" hat Ursache zur Freude. Die von der Freimaurerei erstrebte Weltrepublik ist immer noch nicht Tatsache gelvorden und England hält zäh« an seiner Mon archie fest. Aber in Deutschland hat man immerhin aller hand erreicht, w.rs Mossesche Herzen erfreuen kann. Nun hat man dort auch die bürgerliche Demokratie auf die Straße getrieben und Herr Theodort Wolfs ist fassungslos. Er jubelt: „Zum ersten Male seit 70 Jahren hat auch eine nicht- sozialistische Partei sich auf der Straße gezeigt. Die Deutsche demokratische Partei hat die Spießbürgerfurcht und die Vorurteile der Schlafrockpolitiker abgeschüttelt, von allen Seiten her sah man ihre langen geordneten Züge zum ge meinsamen Ziel marschieren und ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen wehen." Diese bürgerliche Demokratie Mossesche r Observanz hat nun ober nicht etwa gegen die Sozialdemo kratie protestiert, sondern neben ihr und mit ihr. Darüber schreibt Herr Wolfs: „Dann ordnete sich der endlose Zug, überraschend und beinahe verblüffend für alle, die ein solches Schauspiel von den demokratischen Erben des Heimgegange nen Liberalismus nicht erwartet hatten, und am Branden burger Tor und Unter den Linden begegnete er den nun heranmarschierenden unabsehbaren Heeren der Sozialdemo kratie.' Der Jubel der Leute im und um das „Berliner Tage blatt" ist geiviß aus einem Gefühl der Naturzugekörigksit herausgeboren. Manche Kreise der sächsischen Linksrichtung bemühen sich anscheinend, zwischen sich und der Berliner Demokratie einen Scheidungsstrich zu suchen. Ein vergeh- liches Bemühen, berechnet, Stimmen zu gewinnen. Gewiß ist die bürgerliche Demokratie in Sachsen bis jetzt nicht auf die Straße gegangen. Aber ein Führer dieser Demokratie Professor Krafft hat deutlich und laut erklärt, daß die Scheidetvand zwischen Demokratie und Sozialdemokratie nicht dicker sei wie ein Stück Seidenpapier. Man kann sich allerdings zwischen einer solchen Wand recht gut verstän digest. Tatsächlich trennt in kirchenpolitischen Fragen die Demokratie von der Sozialdemokratie so gut wie nichts. Wir haben in Liesen Togen ein bürgerlich-demokratisches Flugblatt erhalten, in dem es offen ausgesprochen wurde, daß die Demokratie für Trennung von Kirche und Staat Eintritt. Es scheint uns nun noch nicht ganz klar zu sein, ob alle Kreise der bürgerlichen Demokratie denn auch in wirt schaftlicher Hinsicht nur ein Stück Seidenpapier von der Sozialdemokratie trennt. „Die Botschaft hör ich wohl, jedoch mir fehlt der Glmlbe.' Der Heimgegangene Liberalismus jedenfalls hat alles ander« gezeigt als allzumal Freundlich- feit in sozialpolitischer Hinsickst. Er hat die Freihandels politik mitgemacht, wenn auch aus ganz anderen Motiven a:8 die Sozialdemokratie. Die letztere, um, wie wir daS neulich an Karl Marx nachgewiesen haben, damit schneller zu: Revolution zu kommen. Der Liberalismus, u.n das jedenfalls hat alles andere gezeigt als allzuviel Freundlich lichen. besser, wenn auch drastischer ausgedrückt in Be- kolaung der „Vogel kriß oder stirb'-Politik. Gilt nun das „Seidenpapier' auch jetzt noch und auch auf diesem Gebiete, wo die Sozialdemokratie ernst zu machen versucht? In dem Dresdner sozialdemokratischen Blatte heißt es im Neujahrsartikel ohne Zweideutigkeit, es sei „noch ein Schritt zu tun, um die Menschheit von ihrer schicksalhaften Gebundenheit zu befreien. Es gilt, die Menschheit von der Herrschaft der von ihr geschaffenen ökonomischen Verhältnisse zu erlösen. Diese Befreiung ist nur möglich auf dem Wege der Umwandlung der planlosen, anarchischen, kapitalistischen Produktions weise in eine sinnvoll geordnete, sozialistische Regelung -er Erzeugung und Verteilung der Güter. Dann ver lieren auch die ökonomischen Verhältnisse ihren dämo nischen Charakter einer dunkel wirkenden, überirdischen Macht. Wenn der Mensch nach dem Wort« Friedrich Engels auch da nicht mehr nur denkt, sondern auch lenkt, dann erst ist er befreit von der letzten der schein bar übergewaltigen Mächte, deren Walten ihm kein Orakel erschließen kann.' DaS hört sich ja recht schön an. Aber die Verwirklichung ist denn doch nicht so einfach, und gerade für die Arbeiter schaft ist diese „Befreiung" unter Umstanden ein recht zwei- schneidiges Schwert. ES besteht nämlich die Gefahr, daß Deutschland bei zu radikaler Lösung dieser Frage einfach auS ^ dem Wirtschaftsleben der Welt auSgeschaltet wird und Mil- stynen dadurch zur Auswanderung gezwungen werden. Daß i die kapitalistische Produktionsweise oft planlos lvar, ist richtig. Daß aber die sozialistische Regelung der Erzeugung und Verteilung besonders sinnvoll geordnet ist, wird man, nachdem, was man bis jetzt erlebt hat, ebenfalls kaum be haupten können. Nach Friedrich Engels Wort soll also auch die Lenkung dieser Dinge auf die breiten Massen übergehen. Wie stellt sich denn nun eigentlich die „S«idenpapier"-Partei dazu? Es wäre wirklich interessant, hierüber einmal eine posi tive Antwort zu hören. Wir glauben allerdings, das; man darauf vielleicht noch einige Zeit warten kann. Wir können uns aber nicht denken, daß i n W i r k li chke it die Hundes t- Millionen-Firma Mosse und das ihr gehörige Tageblatt in diesen Dingen nur eine Scheidewand zwischen sich und der Sozialdemokratie aufgerichtet wissen wollen. Das „Berliner Tageblatt" meint in bezug auf die Demonstrationen der Seidenpapierler und der Scheide- männer, Berlin sei „noch nicht ganz ein Tollhaus". Ganz unsere Meinung. Wir sind überzeugt, daß es in Berlin auch noch viele vernünftige Leute gibt. Trotzdem müssen wir mit Entschiedenheit den Satz des „Berliner Tage blatts" ablehnen: „Berlin hat gestern das Lob des Reiches verdient." Wenn das Blatt meint, Berlin werde „von den behaglicher und sicherer lebenden Leuten im Lande viel ge scholten", so ist auch das nicht richtig. Denn das, was sich in Berlin in den letzten Wochen ereignet hat, hat wirklich nicht nur den behaglich und sicher lebenden Leuten im Lande nicht gefallen, sondern ist vielmehr als geradezu kata strophal für das Bestehen und das Gedeihen des Reiches empfunden worden; jedenfall trennt uns auch von Berlin in seinem Gesamtbild, das es bietet, beute mehr als ein Stück Seidenpapier. -«1. Regit« van Herr««»! »»» iilmlerei Wie» virck bestraft mit Leksnsnis bi» «n 6 wahren rmck 100000 U. Oslcistraks Darum: Uskse» »di üiledninmtlniirsiiit, Sellin A. S, ftlsißlklirtsrlls 81.1 Deutsches Reich Kundgebungen des Berliner Zentrums. Berlin, 2. Januar. Der Neujahrstag brachte «ine Reihe von politischen Kundgebungen, unter denen die des Zen trums im Zirkus Busch mit den sich anschließenden Riesenkundgebungen gegen den preußischen Kultusminister Adolf Hoffmann an erster Stelle steht. Sie war besonders interessant, weil in ihr nicht nur Vertreter des Katholizismus, sondern auch des Protestantismus zu Worte kamen. Der Riesenraum des Zirkus Busch war bereits eine halbe Stunde vor Beginn überfüllt. Infolgedessen mußten die noch immer heran strömenden Masten nach dem Lustgarten geleitet werden, wo gegen 11 Uhr 20—30 000 Menschen versammelt waren. Drei verschiedene Redner, darunter der Zentrumsabgeordnete Giesberts, sprachen zur Menge und forderten sie zum Schluß auf, gegen Adolf Hoffman zu protestieren. Im Zirkus Busch entlvarf als erster Redner der Zen- trumsabgeordnete Dr. Maximilian Pfeiffer in großen Zügen ein Programm der Partei. Prof. Dunkmann von der evangelischen Fakultät der Universität Berlin erklärte die Revolution für ein Werk Gottes, das geschaffen sei, um die katholische und die evangelische Kirche aus dem Bruder- zwist hevauszuführen. Andere Redner betonten, daß das Zusammengehen der beiden Konfessionen nicht ein Verrücken der konfessionellen Grenzen bedeute. Nach Schluß der Ver sammlung bildete sich mit den im Lustgarten versammelt ge- wesenen Zuhörern ein Zug von 50—60000 Mann, der sich mit Bannern in den Reichsfarben und den schwarz-rot-golde- nen Farben durch die Linden zum Kultusministerium be- wegte unter Absingung der Lieder „Deutschland, Deutschland über alles', „Großer Gott, dich loben wir' und „Ein fest« Burg ist unser Gott'. Bor dem Kultusministerium kam es zu ziemlich erregten Kundgebungen gegen Adolf Hoff, mann. Wiederum sprach hier Maximilian Pfeiffer. Tie Kvnscrrnz der süddeutschen Staaten. Stuttgart, 30. Dezember. In verschiedenen Aus sprachen der Negierungen von Baden, Bayern, Württemberg und Hessen, die am 27. und 23: Dezember in Stuttgart statt gefunden haben, ist einstimmig beschlossen worden, künftig ge- mejnsam hinzuwirken: > 1. Ncueimichtrmg des Deutschen Reiches au? binidcsstaatlicher Grundlage; 2. Schaffung einer aktion-si'higen Reichs!cgierung und Nationalversammlung, 3. schleunigste Herbeiführung des Friedens für das De,stich« Reich. - Die Vertreter der genannten Negierungen und da hin überemgekoinnien, in Fragen des Lebensmittelbezuges aus deni Auslande ein gemeinschaftliches Vorgehen anzu- streben. Sie müsien im Interesse ihrer Bevölkerung ver langen, daß ihnen Gelegenheit gegeben werde, an den be vorstehenden Verhandlungen mit Amerika von Anfang au durch eine gemeinschastlilbc Vertretung innerhalb des Reiches teilzuuchmen und durch ihre eigenen Einrichtungen zur Ein fuhr von Lebensmitteln. Rohstoffen usw., sobald solche mög- lich ist. nach noch zu treffenden Vereinbarungen unmittelbar beteiligt zu werden. Gegenrevolution in München? München, 30. Tvzember. Die Verhaftung einer An- zahl Herren im Hotel Vier Jahreszeiten, die verdächtig sind, eine reaktionäre Bewegung beabsichtigt zu haben, gab gestern dem bayrischen A.- und S.-Nat Anlaß zu Maßnahmen gegen die Kommandogetvalt. München, 30. Dezember. Der Ministerpräsident Eis- ner warnte die Mitglieder des Hauses Wrttelsbach, sich mit den kontrarovolutionären Elenrenten eingnlassen, als deren Führer er offen den Führer der bayrischen Volkspartei, Dr. Heim, bezeichnet. Es lverde sofort eine Verordnung wegen Einsetzung eines nationalen Gerichtshofes veröffentlicht wer den und in Kraft treten, der ans zwölf Mitgliedern; des provisorischen Nationalrates zusammengesetzt sei. Den An stoß zu diesen Auslassungen Eisners gaben Enthüllungen über angebliche gegenrevolutionäre Treibereien, über die folgende Einzelheiten gemeldet werden: Nach den Mit teilungen Bisttmanns in einer Geheimsitzung am 25. De- zember war alles zum Lasschlagcn bereit. Gewehre, Ma schinengewehre, Handgranaten, Munition und Geld waren vorhanden. Ein Oberstleutnant war zum militärischen Oberbefehlshaber ernannt. Es wurden Parolen ausgegeben und das Läuten von Kirchenglocken als Alarmzeichen be stimmt. Zn letzteren hatte der Erzbischof gesagt: „Befehlen können Sie uns nicht, aber zwingen Sie uns doch dazu!" Tie anzuwerbende Söldnerschar sollte besser bezahlt werden, wie die Spartakuslcute. In allen Stadtteilen ivar die Er- richtnng von Werbebnreaus angeregt, die Stadt- kommandantur. die Polizeidirektion, das Landtags gebäude, das Verkrhrsminiisterium, das Ministe- rimii LeS Acußern, der Bahnhof, die Telephon- und Tele- graphenanlagen sollten besetzt worden. Prinz Ernst von Sachsen-Meiningen sollte die Brückenbewachung übernehmen. Das Ministerium des Aeußern sollte mit Maschinengewehre". Handgranaten und Leuchtpatronen, die stark blenden, un schädlich gemacht werden. Die Polnischen Wirren Beuthen. l. Januar. Der gestr-ne Tag ist in Pi er verhältnismäßig ruhig belaufen. Es 'chei.st daß die Psten sich mit der Kapitulation des 6. Grenad'er''es.i uents und aes 20. Feldartillcrikreginientrs somit mit dem Abzug di'':r Truppen zunächst zufriedene egeben haben. Nach Angaben von Reisenden, die au? Posen kommen, 'oll-n die Käse:neu von den Polen gestürm: und dann von den Deutschen wi»>>e: genvmnen worden sein. Da jedoch eine längere Verteidigung der beiden Stützpunkte den Deutschen »-in« Aussicht a»! Aendernng de: Lage bringen konnte, so wurde mit den Palm verhandelt und der Abzug Ler deutschen Truppen in die Weac geleitet. Das Regiment marschierte n,:. Gewehren, aber ohne Munition und Maschinengewehren nach Schneide nül'l ab. Auch in Solatsch rr.d Lawica kam eS zu Straßenge« si- ten. Vorerst sollen dort Verhandlungen sw k, lsundep haben Mit dem Pionierregiment Nr. 23 soll auch oereits eine E:ni- g»g nerzielt Worten 'ein. D e Kaserne oes Re rents w >-'e von der Dürgerwehr ! »sitzt Der Streik in Oberschlesien. Gleiwitz, 31. Dezember. Die Arbeiter der Schoppinitzer Hütten»-rke haben die Regierung dringend um Aufhebung deS Grenzschutzes ersucht und mit der Stillegung drr Werke gedroht, falls die Maßnahme nicht schleunigst durchgefüyrt Norden wird. Dieser Schritt hat keiner politische Beweg gründe. er ist lediglich darauf zurückzuführen, daß di« Ar-