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Nr. 18S L8. Jahrg. VefchLftsstelle und Redaktion r Dresden « A. IS, Holbeinstrahe 4L Montag, 11. August 191 Fernsprecher 21368 Postscheckkonto Leipzig Nr. 147»' v o lfszettun a Vez0A<p»«i», A»»«ab« 4 mtt tllustr. veUag« dlertellührllch ».88 F». In Dre»l»«r und ganz Deulschland frei Hau» ».»0 4». — «»««»», » viertelMriich ».«8 In Dr«»d,n und ganz Deutschland frei Haus ».08 X. — Die Sächsische «ollSzettung erscheint an allen Wochentagen nachmittag». — Sprechstunde der Redaktion: II bis 1» Uhr vormittag«. Anzeigen, »»nähme von GeschhstSanzeigen bis 18 Uhr. von FamiNcna,«zeigen bis II Uhr vorm. — Drei» slir di, Petit-Epaltzctle 48 im ReNameicil 1 Familie».An,eigen 30 — Für undeutlich geschriebene, sowie durch F>,». sprecher ausgegebene Anzeigen kSnnen wir die Verautworilichlcit für die Nichtigleit des Texte» nicht übernehv A«ftau oder Niedergang? We m«r«r Eindrücke. — Unterredung «it dem Abgeordintr» B « »lage. Weimar, 8. A»gust ISIS. H Der Geist von Weimar! ES ist in den letzten Mvnaren schon so viel geschrieben worden, daß ich den Z^n der Leser fürchten müßte- wenn ich e» wagen wollte, .»uh heute noch einmal lang und breit darüber zu sprechen. Und doch! Dieser Geist ist nun einmal so eng mit dieser Stadt und allem, was darin ist, verbunden, daß man ,hn einfach nicht umgehen kann. Selbst bei der Verfasst»,yS- seier der sozialdemokratischen Fraktion, die gestern abend in sehr würdigem Nahmen im Deutschen Nationaithculer zu Weimar stattfand, ist dieser Geist beschworen morden. Der ReichLminister des Innern, Dr. David, mühte sich im Schweiße seines Angesichts ab, Goethe in eine dem Sozial demokraten angenehme Verbindung mit der Revolution zu bringen. Ich besuchte diese Feier vor allem deshalb, n>n wirklich etwas vom Geist von Weimar zu genießen, näm lich durch das -Orchester des Deutschen NationallhealeiS, das ich zuni letzten Mal vor ungefähr 10 Jahren Hörle. Welch ein Unterschied zwischen damals und heute! Damals wohnte ich zufällig auf der Durchreise einer Fest Vorstellung im Beisein des Hofe« av. Glänzender äußeres BldI Dieses Mal alles schlicht und einfach, nur belebt durch tue Uniformen der schwertumgitrteten Berliner Schutzleute in und außer de« Hause. Nach dieser Feier hatte ich das Vergnügen zu sehen, wie sehr stch eine bekannte sächsMs unabhängige Gozialistin für die Nöten und Leidendes Volkes abmühte — nämlich beim schäumenden Sekt im öffentlichen Restaurant. Wenn das am „grünen" Holze passiert . . . Immerhin, da«, «aS ich hier in den letzten Tagen sah und erlebte, hat mich in den Gedanken bestärkt, ine der Reichsminister GieSbert vor kurzem in einer Versamm lung in Esten aussprach, nämlich: „WaS haben wir zu tun in der Zentrumspartet? Air stellen uns aus den Boden der Dinge, wie sie ohne uns und gegen uns ge- worden sind, einzig von dem Gedanken geleitet, unser armes deutsches Volk zu retten, unser armes deutschr» Vaterland wieder aufzubauen, alle Kräfte heranzunehmen und überall mitzuarbeiten, auch mit den un» feindlich und fremd gesinnten Parteien, auch bei einer StaatSverfassunp. die nicht unserem Innern entspricht. Hn diesem Augen blick gibt es nur das eine: Ordnung, Ruhe und ein neues Staatsleben schaffen." Die verfaffung ist glücklich unter Dach und Fach. Nun gilt eS darauf aufzubauen, wenn wir nicht den völligen Niedergang erleben «ollen. Und darin sehe ich das Verwerfliche in der Handlungsweise der rechtsstehenden Parteien, daß sie anstatt am Auf- bau mitzmvirken. vereint mtt den Unabhängigen alles tun, um uiederzureißen. DaS gilt besonder» von den unge- führ 3S Konservativen, die sich gebährden als wenn lOmal so viel in der Natianalversammlung fitzen würden uno stch noch immer nicht damit befreunden können, daß wir nun einmal in einem demokratischen Zeitalter leben. Gewiß auch der Minister David hat mich gestern nicht davon Überzeugen können, daß die Revolution ein unbedingtes Erfordernis war; parlamentarisch und demokraiisch hätte» wir auch unter der Monarchie regiert werden können. DaS ist aber eben die historische Schule der Konservativen, daß sie stch der gesunden Demokratie so lange widersetzt haben, bis ihre Einführung unter der Monarchie stch nicht mehr durchführen ließ. Das Zentrum steht geschlossen da. Man glaube nur ja nicht, daß die eifrigen Bemühungen der rechtsstehenden Presse, Zwietracht zu säen, Erfolg haben werden. Alle Er- klärungen und Deutungen können nicht darüber hinweg täuschen, daß die Friedensmöglichkeiten im Herbst 1917 völlig verpaßt worden sind. Und der Eindruck, den man im Lande hat, daß hinter «den Treibereien gegen Erzberger mächtige Kreise des Grobkapitalismus stehen, wird hier zur Gewißheit. Das Schulkompro- m i ß entspricht nicht allen unseren Wünschen, aber daß es überhaupt zustande gekommen ist, darum hat auch, wie mir von den verschiedensten Seiten bestätigt wurde, unser säch- Mer Zentrumsführer Herr Abgeordneter Reichsgerichts- rat Burlage sich große Verdienste erworben. .Herr Ab geordneter Burlage empfing mich zu einer längeren Unterredung und ermächtigte mich, aus feinenAus- fuhrungen folgendes wiederzugeben: „Wir Abgeordneten der Zentrum spar tet, so erklärte Herr Reichsgerichtsrat Burlage, empfin den es im höchsten Maße bedauerlich, daß nur in Weimar durch die wichtigsten Geschäfte, bei denen es sich oft um Sein oder Nichtsein des Reiches handelt, festgehalten wer- den und nicht, wie wir es dringend wünschen, wenigstens in jedem Monat vor un'ere Wähler treten können. Hier- durch entsteht die Gefahr, daß sich Mißverständnisse zwi schen Wählerschaft und Fraktivn einstellen. Hoffentlich erhalten wir in den nächsten Wochen eine kurze Atempause, die wir dazu benutzen können, wenigstens einige Versammlungen im Lande abzuhalten. Inzwi schen dürfen wir aber doch das Vertrauen in unsere Wählerschaft setzen, daß sie sich durch die geradezu wilde Hetze in den d e » t s chn ati o n a l e n Blättern nicht irre mack-en läßt. Man möge überall zusehen, welche Tatsachen gebracht werden und was von diesen Tatsachen auch nur irgendwie glaubhaft gemacht wird. Ich kann nur sagen, wir freuen uns darauf, ein mal in offener FeldschIacht vor unseren Wählern die ganze seit dem 6. Februar von der Zentrumsfraktion verfolgte Politik darlegen zu können. Es wird sich dann zeigen, daß die Fraktion bei allen großen Fragen im Interesse des Vaterlandes gehandelt hat und sich niemals iveder durch Zumutungen von links noch durch Zumutungen von rechts hat irre machen lassen. Tie Grundsätze des Christentums sind nach wie vor die feste Grundlage der Zentriimspolitik. Unter Fest. Haltung dieser Grundsätze muß sich unser neues demokra tisches und soziales Staatswesen aufbaueu." Herr Abgeordneter Burlage gab dann noch seiner Freude darüber Ausdruck, daß an so vielen Orten in letzter Zeit in Sachsen Zentrnmsversammlungen abgehalten wur den, in denen die unverbrüchliche Treue zur Partei zum Ausdruck gekommen ist. Es möge unermüdlich weiter ge arbeitet werden. Auch die Z e n t r u m s p a r t e i ivilld einen Neuaufbau ihrer Organisation voll ziehen. Darüber schweben gerade jetzt in der Zentrumssrak- tiou-wichtige Verhandlungen, von denen man schon heute sagen kann, daß sie, und zwar schon bald, einen gedeihlichen Abschluß finden werden. Noch für den Herbst ist dann ein allgemeiner Ze n t r u m s p a r t e i t ag in Aus sicht genommen. Ueber manches, was ich hier gesehen und gehört, hoffe ich in den nächsten Tagen noch berichten zu können. Daß Herr Domkapitular Leicht aus Bamberg stellvertretender Vorsitzender der Zentrumsfmktion der Nationalversamm lung geworden ist, wird vor allem in Dresden interessieren, wo seine glänzende Rede vom 25. Mai noch in aller Er innerung ist. Aber auch er hat «die Dresdner Versammlung noch nickst vergessen und erklärte mir von neuem, daß sie zu den schönsten Eriimerungen ans seiner reickzen Versamm lungstätigkeit gehört. Als ich mit dem Herrn Abgeordneten Dr. Herschel aus Breslau, dem Verfasser unserer so be liebten ^-Feuilletons, vor dem Shakespeare-Denkmal stand, siel mir aus dem Hamlet das Wort ein: „Denn die Natur, aufstrebend nimint nicht bloß An Größe und Segen z»; wie dieser Tempel wächst, So wird der innere Dienst von Seel' und Geist Auch weit mit ihm." Wenn wir den Aufbau nach Innen »nd Außen voll ziehen wollen, so müssen wir allerdings Seele und Geist auf andere Gesichtspunkte cinstellen, als sie sowohl von listks wie von rechts in der letzten Zeit zum Ausdruck gekommen sind. Auch den äußeren Ausbau. Was Shakespeare, der Engländer, auch heute noch ist, braucht hier nicht dargelegt zu wevden. Soll trotz allem Imperialismus der Feinde sich nicht doch eine Brücke finden lassen, die ein jahrelanges Morden für immer unmöglich macht. Und sollen wir uns auf den Standpunkt stellen, daß das Haßgeschrei der Feinde uns zu gleichem verleite» darf. Gerade vom christlichen Standpunkte aus müssen wir den versöhnenden Geist Pfle gen. Beweisen wir doch hier einmal wirklich, daß das so viel mißbrauchte Wort, an deutschem Wesen solle die Welt genehmen, insofern in die Tat umgesetzt werden kann, daß wir den guten Willen besitzen, außen und innen in ver söhnendem Sinne am Wiederaufbau zu arbeiten. Das muß allerdings zum Geineingut des überwiegenden Teiles des deutschen Volkes werden. Sonst wäre der Niedergang un aufhaltsam. Nun muß ich doch noch einmal auf den Wei marer Geist zu sprechen kommen. Im Goethehans kamen mir aus dem Faust di« Worte in den Sinn: „Allein, es kommt die böse Zeit heran, Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen. Das hat noch keinem wohl getan." Vielleicht fühlen die Extremisten von links und von rechts den tieferen Sinn dieser Worte. Mit ihnen scheido ich von Weimar, zum Urlaubsantritt, zur neuen Stärkung für den Kampf, der mit der Wahlbewcgiing im Herbste sicher auch bei uns in Sachsen in noch iveit stärkerein Maße ein- ! setzen wird. Wir könne» ihn getrost aufnehmen: Unsero Waffen sind rein und nnseie Ideen haben Ewigkeit» wert. P a ul Heßle > n. Zenil'uur5partei!aa Von unserem parlamentarischen Vertreter Ein Parteitag der Zentrnmsoniiäno.r des Reiches i .r schon längst keine „Frage" mehr. Tie Verhältnisse, wi ' sich inerbalb der Zentrnnispartei im Lande, vor allem innerhalb der önlichen und prvvinzi -! - Organisationen unserer Partei herausgebitdet tz-alten, m viel zu mpml- sönlich geworden- um ans die Tauer ein starkes Band Air die im Zentrnmssinne wirtende Antzänaericlxrst zu bi.«». Schon vor der politisckM Umiväi'ung hatten wir beoba. ,r i maissen, daß vielfach die enge Fühlungnahme zwischen a. ZeNtrumsführern und der Wähtericbaft gelockert war. B m trotzdem das Zentrum immer eine bewundernswerte Si am- keit hinsichtlich seiner Wahlziffeln ansgewieie» hat. w ,r das vorbildlickie Treue der Zentrumsanhänger und der A st der Zentrumsideen zuzu'chreiien. AVer wir wollen n nn und iveitcren Aufstieg. Kein Wunder, daß gerade nach dm Be- volntion ein Zusammenklang mit der starken, ans die Er-, Weiterung aller Persönlichkeitsrechle drängenden Welle l> die Verhältnisse innerhalb der seitherigen Zentruinsor.mni- sationen nicht mehr aufrecht zu erhalten waren. Bei dem Vorbereitungen zu den Wahlen ist hier und da auch ein starker und erfolgreicher Absatz zur Aendernng der beste! en den Zustände gemacht worden, aber im großen und gaw-.m ist doch alles beim alten geblieben. Nachdem die Wo. - n, zur Nationalversammlung des Reiches und zu den p. r- mentarischen Vertretungen der Einzelstaaten vorüber warn-,, hat man dem weiteren Ausbau unserer Organisationen m -,t mehr viel Zeit gewidmet. Wir waren ja auch alle dn:ch dringendere Aufgaben nach innen und außen in Anipü ch genommen. Nun aber, da wir hinsichtlich unserer Arb.it. wach innen wie nach außen aus einigermaßen geordnetem Boden stehen, läßt sich die Reform der Zentrumsorga«.Ka tionen nicht mehr länger aufhalten. Sie kann nur on einem Reichsparteitag der Zenkrumsanhänger mit Aus sicht auf Erfolg und vor allen Dingen auf die Wirkung i c, - ständnisvoller Einheitlichkeit durchgeführt werden. Man wird es daher allenthalben im Lande ans da-.'- frendigste begrüßen, daß im Herbste dieses Jahres de. Neichsparteitag zusammentreten soll. Eine große und un mittelbare Aussprache zwischen Wählerschaft und Abgeord neten ist unbedingt erforderlich. Das leitende Motto des kv'n ini den ersten Zentruinsparteitages ist ivahrha't : e>- standene und großzügig dnrchgcführte Demokratie. Tie Demokratie muß beginnen in der Organstotion »nstier Partei. Wir müssen von Grund auf den Ans.mu und die Wirksamkeit unserer Parteistmd der in ihr tätizen Anhänger ne» gestalten. In den örtlichen Organisationen darf cs nur freieste Entfaltung der Kräfte geb.-n. Tie Grundbasls st'ir alle Mitarbeit und alle Mitarbeit' muß so breit wie n.ir stgend möglich sein. M t dem Svsten, der sogenannten „geborenen Mitglieder des Vorstandes nno. muß aufgeräumt werden. Auf die professionellen und die Landesorganisationen müssen diese Gesichtspunkte eine entspreckrende Anwendung finden. Der bisher bestehende Reichsausschnß der Deutschen ZentrnmSpartei wird in an derer Form ansrecht zu erhalten« sein. Er wird aber in an derem Sinne als bisher die Spitze der Partei Hilden müssen. Während der Reichsausschnß in seiner bisherigen Fvnn die oberste Instanz bildete und von sich ans die Direktiven der Arbeit im Lande, wie der Arbeit für die Fraktivn gab, wird er künftig höchstens, und zwar a n S f ü l> r ende s Organ der Gesämtpnrtei werden müssen. Ihm wird vor allem die Ausführung der vom Reichsparteitag gefaßten Beschlüsse obliegen müssen. Ilm den künftigen Reichsansschnß arbeilsi fähig zir machen, wird man zweckmäßig eine Zweiteilung, und zwar in einen engeren und einen weiteren Ausschuß vornehmen, bei welchem denr erstcren die überragende Stel lung zugcwicsen würde, jedenfalls dürfte die künftige Par teiorganisation nur nach dem Grundsatz freiester Wahl ge bildet werden. Dieser Grundsatz mnß einheitlich für d-s ganze Reich und für die Zusammenstellung dieser Part.-i- ausschüsse zur Durchführung kommen. Nicht minder wichtig ist die Schaffung eines in Form eines Programmes gefaßten Arbeitsplanes der Zen- triimspartci. Er muß programmatische Grundsätze, die lei tend für die öffentlick-e, politische, parlamentarische und publizistische Zentrumsvertretunp sein müssen, enthalten. Mit dem seitherigen Softem der „Richtlinien" oder „Leit sätze" kommen wir nicht mehr ans. Zum dritten ist eine Kennfragc unserer Partei die nih der engeren Fühlungnahme zwischen Parteiorgmnsatiom-n